Schwerpunkt Zukunft des Wohnens

Megatrends des Wohnens - Implikationen für Wirtschaft und Politik

Die Bedeutung der Immobilienwirtschaft wird oft unterschätzt. Die Wohnungs- und Immobilienwirtschaft ist mit einer jährlichen Bruttowertschöpfung von 434 Milliarden Euro und einem Anteil von rund 20 Prozent an der Gesamtwirtschaft ein wichtiger Wirtschaftszweig in unserem Land. Die Branche beschäftigt 2,7 Millionen Menschen. Das sind zehn Prozent aller Erwerbstätigen. Damit ist sie eine der größten Branchen, deutlich größer als der Fahrzeugbau, der Maschinenbau oder der Handel. Allein die Wohnungsvermieter bieten Dienstleistungen für 39 Millionen Menschen an.

Die ökologische und soziale Verantwortung der Branche resultiert damit nur zu einem Teil aus dem Gegenstand des Wirtschaftszweiges - der Immobilie. Eine mindestens gleichwertige, wenn nicht noch größere Verantwortung trägt die Branche aufgrund ihrer gesamtwirtschaftlichen Bedeutung.

In das Bewusstsein der Öffentlichkeit ist diese Bedeutung schmerzlich durch die Finanzkrise gedrungen, deren Ursprung auch in der Spekulation auf die Entwicklung von Immobilienpreisen lag. Viel zu wenig Beachtung fand jedoch der Umstand, dass sich gerade die deutsche Immobilienwirtschaft in der Krise als Stabilitätsanker erwiesen hat.

Seit 2008 lag das durchschnittliche jährliche Wachstum der Branche trotz Finanzkrise bei zwei Prozent. Statt zu einer Belastung wie zum Beispiel in Spanien, wurde die Immobilienwirtschaft in Deutschland zu einem Konjunkturmotor. Beispielhaft sei hier nur die Entwicklung der Anzahl von neu errichteten Wohneinheiten genannt: Mit insgesamt 159 000 fertig gestellten Wohnungen erreichte die Wohnungsbautätigkeit in Deutschland im Jahr 2009 einen historischen Tiefstand. Laut Statistischem Bundesamt stieg seitdem die Zahl der Fertigstellungen auf knapp über 200 000 Wohnungen im Jahr 2012 an.

Wohnungsneubau

Warum die neuen Wohnungen vor allem im Eigentumssegment entstehen und es immer schwieriger wird, in allen Märkten und für alle Bevölkerungsschichten neuen Wohnraum anzubieten, dürfte mit Blick auf die Wirtschaftlichkeit der Energieeinsparverordnung deutlich werden: Nur mit hohem technischem Knowhow, jahrelanger Erfahrung, geschicktem Grundstückseinkauf, Herstellung eines Quartiersbezuges und Einbeziehung von Fördergeldern können die bauordnungsrechtlichen Anforderungen an Energieeffizienz und an die Einbindung von erneuerbaren Energien so erfüllt werden, dass Eigentums- oder Mietwohnungen im mittleren und unteren Preissegment entstehen.

Laut Koalitionsvertrag sollen die aktuell geltenden ordnungsrechtlichen Vorgaben nicht verschärft und ihre Wirkungen evaluiert werden. Dies entspricht den Forderungen des BFW, denn immer höhere Mindestanforderungen in immer kürzeren Abständen würden sich langfristig negativ auf die Investitionsbereitschaft der Branche auswirken: Investoren werden sich aus dem Markt zurückziehen, wenn es sich nicht mehr lohnt und das eingesetzte Kapital nicht rentiert.

Doch muss die Branche mit Enttäuschung feststellen, dass der Koalitionsvertrag mit Blick auf die mietrechtlichen Punkte mehr Negatives als Positives mit sich bringt: Die Mietpreisbremse, die Befristung des Mieterhöhungsanspruchs bei Modernisierung bis zur Amortisation der Modernisierungskosten kombiniert mit einem Absenken auf zehn Prozent und das Herausstreichen der degressiven AfA stehen Investitionen in den dringend benötigten Neubau, aber auch in den Bestand entgegen. Die Immobilienwirtschaft braucht verlässliche, kalkulierbare Rahmenbedingungen über langfristige Zeiträume und darf nicht länger zum Spielball sich ständig ändernder Anforderungen werden. Nur so kann sie ihrer gesamtgesellschaftlichen Aufgabe gerecht werden.

Hinzu kommen immer schwieriger werdende Finanzierungsbedingungen. Die Immobilienfinanzierung in Deutschland gilt zwar als sicheres Geschäft, Sicherheit bedeutet in der Finanzwelt aber auch geringere Margen. Wenn die Banken jetzt aufgrund der Eigenkapitalvorschriften weniger Geschäft machen können, heißt das nicht, dass sie mehr sichere Geschäfte machen. Werden die Gewinnerwartungen nicht zurückgeschraubt, müssen sie im Gegenteil viel riskantere Geschäfte eingehen, um diese Erwartungen zu erfüllen. Ordnungsrechtliche Anforderungen und Finanzierungsbedingungen nehmen damit direkten Einfluss auf die Anzahl der möglichen Anbieter am Wohnungs- und Immobilienmarkt. Noch hat die Immobilienwirtschaft und insbesondere die Bauträgerbranche diese gesunde Basis. Um diese zu erhalten, muss sie sich auf die zukünftigen Herausforderungen und Wohntrends einstellen. Obwohl nahezu nichts beständiger ist als das eigene Zuhause, verändern sich die Anforderungen und Wünsche an das Wohnen permanent. An erster Stelle sind hier die demografischen Trends zu nennen.

Demografischer Wandel

Der demografische Wandel findet im Vergleich zum Klimaschutz im Wohnungsbereich noch immer zu wenig Beachtung. Doch künftig werden wir am Thema Wohnen im Alter nicht mehr vorbeikommen. Im Zuge der demografischen Entwicklung nimmt der Anteil älterer Menschen stetig zu. Der Anteil der über 65-Jährigen wird sich bis 2030 auf knapp 30 Prozent und bis 2060 auf rund ein Drittel der Bevölkerung erhöhen.

Nach den Berechnungen des Statistischen Bundesamtes und des Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) wird die Zahl der Hochbetagten ab 80 Jahren von etwa 4,2 Millionen Menschen im Jahr 2010 auf etwa 6,5 Millionen Menschen im Jahr 2030 kontinuierlich ansteigen und 2050 mit über zehn Millionen ihren Höchstwert erreichen. Damit gewinnt zunehmend die Frage des Wohnens im Alter an Bedeutung und dem Wohnungsmarkt steht ein großer Anpassungsprozess bevor.

Mehr altersgerechte Wohnungen sind nicht nur für Einzelpersonen, sondern auch für die Volkswirtschaft von entscheidender Bedeutung. Das Einsparpotenzial von häuslicher Pflege im Vergleich zur stationären liegt bei rund 1 500 Euro monatlich. Die gesamtwirtschaftliche Einsparung bei 100 000 altersgerechten Wohnungen im Vergleich zu Heimplätzen liegt damit bei etwa zwei Milliarden Euro jährlich.

Neben der Versorgung von pflegebedürftigen Personen in Wohn- und Pflegeheimen ist eine Stärkung des selbstständigen Wohnens mit niedrigschwelligen ambulanten und häuslichen Pflegeangeboten im Wohnquartier von Vorteil für die Betroffenen und die Sozialkassen. Einer Immonet-Umfrage zufolge möchten 27 Prozent der be fragten 2 460 User im Alter autark in der eigenen Wohnung leben. Doch nur etwa 1,2 Prozent der Wohnungen in Deutschland sind derzeit altersgerecht. Dies entspricht etwa 500 000 Wohnungen.

Laut der Studie "Wohnen im Alter" des Kuratoriums deutsche Altershilfe (KDA) im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung gibt es bis 2015 einen Mehrbedarf von 2,5 Millionen altersgerechten Wohnungen, bis zum Jahr 2030 wird dieser Bedarf sogar auf etwa drei Millionen steigen. Um diese herzustellen werden geschätzte 39 Milliarden Euro Investitionen benötigt. Zu hoffen ist, dass das im Koalitionsvertrag erwähnte Förderprogramm "Altersgerechtes Wohnen" dieser Entwicklung gerecht wird und die dafür bereitgestellte Summe nicht an der Realität vorbeigeht.

Energiewende und Klimaschutz

In diesem Jahr werden die Verbraucher über die EEG-Umlage für die Stromproduktion aus erneuerbaren Energien etwa 20 Milliarden Euro zahlen, obwohl der Strom an der Börse gerade mal 2,5 Milliarden Euro einbringen wird. Zwei Jahre EEG-Umlage entsprechen also ungefähr dem Gesamtinvestitionsbedarf für die Bewältigung des demografischen Wandels im Wohnungsbereich bis zum Jahr 2030. Die Wohnungswirtschaft hat nach einer Studie im Jahr 2010 rund 40 Milliarden Euro in die energetische Sanierung von Bestandsgebäuden investiert.

Mit dem EEG-Gesetz setzt die Bundesregierung falsche Signale, denn 20 Milliarden Euro für die Ökostrom-Förderung stehen 1,8 Milliarden Euro für die Förderung energetischer Sanierung gegenüber. Würde die energetische Sanierung so gefördert wie die erneuerbaren Energien, käme jeder zweite Euro vom Staat und über die Sozialverträglichkeit von energetischen Sanierungen müsste nicht diskutiert werden.

Zudem wird jedes Gebäude nur einmal gefördert, trägt dann zum Klimaschutz bei und spart Energiekosten. Die Windkraft- oder Solaranlage wird 20 Jahre lang mit einer festgeschriebenen Vergütung gefördert. Ob hier ökonomisch, ökologisch und sozial verantwortlich gehandelt wird, darf zumindest angezweifelt werden.

Kostensteigernde Effekte im Wohnungsbau haben dazu geführt, dass sich seit dem Jahr 2000 die Lebenshaltungskosten um 24 Prozent erhöht haben, die Wohnungsneubaukosten jedoch um 31 Prozent. Allein die Verschärfungen der Energieeinsparverordnung schlagen dabei mit sechs Prozentpunkten zu Buche. Die Schere zwischen den Baukosten und Lebenshaltungskosten hat sich insbesondere seit der letzten Novelle der Energieeinsparverordnung im Jahr 2009 geöffnet. Die hohen Anforderungen an Energieeffizienz verteuern den Bau zusätzlich.

Eine vom BFW beauftragte Studie erklärt diesen Preissprung so: "Die höchsten Preissteigerungen fanden sich im Bereich der haustechnischen Gewerke. Als hierfür maßgeblich werden vor allem die mit den verschärften gesetzlichen Mindestanforderungen angestiegenen Steuerungsfunktion und Komplexität der Aufgaben in Verbindung mit höheren Effizienzansprüchen ... gesehen". Wer nun glaubt, höhere Kosten bedeuten auch höhere Wertstabilität, muss sich eines Besseren belehren lassen. Die Gutachter führen aus: "Angesichts der Tatsache, dass genau bei diesen Arbeiten die Bauteile entstehen, die die geringste Lebensdauer und den größten Instandhaltungsbedarf aufweisen, wird sich diese Tatsache mittel- und langfristig als zusätzlich kostensteigernd auswirken."

Dabei soll ebenso wie im Neubau nicht in Abrede gestellt werden, dass es Gebäude, Märkte und Situationen geben kann, in denen sogar Plusenergiehäuser von innovativen Bauträgern oder Wohnungsunternehmen wirtschaftlich realisierbar sind. Dies kann aber nicht jeder Investor an jedem Standort und allein aufgrund ordnungsrechtlicher Anordnung leisten. Politik kann daher solche Dinge fördern und über Lösungen informieren. Unwirtschaftliche Anforderungen werden hingegen immer zu Investitionsstau führen.

Die deutsche, aber auch europäische Regelsucht bremst die Wirtschaft und produziert mehr Bürokratie. Daher braucht die Immobilienwirtschaft prozyklische Anreize, um bei den großen Zukunftsaufgaben wie Energieeinsparung, demografischer Wandel und Wohnungsversorgung mit sozial verträglichen Mieten ihren gesellschaftlichen Beitrag leisten und so ihre überragende Bedeutung als Stabilitätsanker in Deutschland behalten zu können.

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