Leitartikel

Was sind die letzten Werte?

"Eigentlich" ist das ziemlich aufgeregte Geschehen dieser Wochen vor der Expo Real doch auch wieder beruhigend. Denn was man in der kapitalmarktorientierten Immobilienfinanzierung nun hoffentlich doch wieder für einige Zeit begriffen haben sollte, ist für viele der allzu euphorischen Innovateure schrecklich enttäuschend, für steinalte Bedenkenträger aber eben nicht: Der Wert einer Immobilie schlägt "zu guter Letzt" leider doch auf den Wert ihrer verbrieften Finanzierung durch. Die ganze, schöne Securitization mag die Bodenhaftung (im Wortsinne) zwar vermindert haben. Aber aufgehoben hat sie sie mitnichten. Die klassische nationalökonomische Betrachtung von Geld und Kapital als bloßem Schleier über der Realwirtschaft bleibt brauchbar.

Bemerkenswert erscheint dem Chronisten dafür die auf den folgenden Seiten dargestellte Strategie der Eurohypo. Da heißt es zunächst höchst zeitgemäß, man habe die Immobilie via Investmentbanking zu einer eigenständigen Assetklasse zwischen Daueranlage und Day-Trading entwickelt. Denn ein großes Kreditbuch zugeschlagen liegen zu lassen, wenn die Kapitalmarktrenditen jede Originator-Marge schlagen, das sei ja wohl schon lange nicht mehr hinnehmbar. Und mehr noch, die moderne Bank brauche "Exit-Instrumente um Risikoaktiva abzubauen und Eigenkapital zu entlasten". Das ist heute wie selbstverständlich herrschende Lehre.

Der Ursprung des ganzen Geschehens, nämlich der mit einer Immobilie unterlegte Kredit, kommt aber im Beitrag von Bernd Knobloch an mindestens zwei Stellen eindringlich ins Geschäft. Zum Ersten lobt man sich nämlich (zu Recht) dafür, dass trotz der Kapitalmarktorientierung die Kunde-Bank-Beziehung bestehen bleibe: "Während der Laufzeit übernimmt die Bank unverändert die Administration". Auch der notleidende Kredit trifft somit zunächst den Verursacher, das Ausgangsglied der folgenden Kapitalmarktkette - (fast) gleichgültig, wohin das Risiko später verkauft worden ist. Das garantiert von Hause aus eine anhaltende Marktnähe.

Zum Zweiten mag der Immobilienwert per Verbriefung, Strukturierung und Derivatisierung durchaus vielfach ver- und umgepackt worden sein. Wenn jedoch die "adäquate Bepreisung des Risikos" (Knobloch) bereits im originären Kreditgeschäft nicht stimmte, fügt der refinanzierende Kapitalmarkt wie in der Subprime-Geschichte ganz schnell ein Liquiditätsrisiko hinzu. Überspitzt ausgedrückt: Asset Backed Securities kleben, welche Banalität, tatsächlich an den Assets.

Etwas irreführend erscheint in dem Zusammenhang, wenigstens auf den ersten Blick, der schöne neue Begriff "Non-Recourse-Finanzierung". Denn Non Recourse soll im Jargon bekanntlich ausdrücken, man mache das Geschäft ohne Rückgriff, also sozusagen pur. Das stimmt jedoch, wie die HSH Nordbank sehr fein erklärt, bei den Immobilienfinanzierungen nach diesem Muster nur bedingt: Lediglich der Investor haftet bei Leistungsstörungen nicht mit seinem Vermögen, die Immobilie tut es aber sehr wohl, weil sie in einer voll verantwortlichen Zweckgesellschaft steckt.

Und wenn dann auch heute die Cash-Flow-Betrachtung im Vordergrund zu stehen hat, um Zins und Tilgung dauerhaft darzustellen - der materielle Kern dieses Fortschritts geht nicht wesentlich über das hinaus, was die alten Hypothekarier schlicht als "Kapitaldienstfähigkeit" bezeichneten. Selbst so neu moderne Errungenschaften wie die Invest-Cover-Ratio und die Debt-Service-Cover-Ratio waren den klassischen Kreditverträgen inhaltlich keineswegs unbekannt. Wer nicht schon alles kennt, was globale Immobilienfinanzierung an weiteren Aha-Effekten enthält, möge im Übrigen den Beitrag "Islamic Financing" auf mögliche Anwendbarkeit anderswohin prüfen: Ähnlich wie in den deutschen Restkredit-Versicherungen für Konsumenten die Prämie mitfinanziert wird, kann für gute Moslems zwecks "Gestaltung" von Zinszahlungen ein Objekt mit der Summe aus Immobilienwert plus Zinsschuld bepreist werden ...

Auf dem ABS-Kongress der True Sale International in Berlin hat ein Deutschbankier (nein, nicht der Herr Vorsitzende) jüngst angemerkt, es sei seit jeher Zeichen anständiger Kaufmannschaft, jedes, aber auch wirklich jedes mögliche Risiko in seiner Bilanz zu bewerten. Er zielte damit zu Recht auf die hochentwickelte Neigung der Banken von heute ab, die eigenen Wirtschaftsprüfer zu Beratern für die Konstruktion von nicht konsolidierten Conduits zu degradieren. Der Ansatz des Deutschbankiers ist überaus edel. Ob er jedoch stets Anwendung finden kann, darf bezweifelt werden, weil die Arbeitsteilung bei Finanzgeschäften zu einer irreparablen Intransparenz geführt hat.

Da hat zum Beispiel, wie der Boulevard es wunderschön nacherzählen kann, eine von der alten Zentralbank der Kreditgenossenschaften initiierte Fondsgesellschaft früher einmal Geschlossene Immobilienfonds aufgelegt. Die Primärgenossen verkauften die Anteile massenhaft. Leider waren nicht alle Assets gute. Wer "haftet"? Bei anständiger Anlageberatung nicht die verkaufenden Platzbanken. Dass diese und/oder die neue Zentralbank dennoch wie eine liebe Servicestation über Kulanzen gegenüber netten Kunden nachdenken müssen, liegt in der Natur der geschürten Erwartungen. Also doch gleich immer eine Rückstellung für Immobilien-Goodwill bilden? K. O.

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