Im Blickfeld

Last des Liegengelassenen

In Deutschland werden in den kommenden vier Jahren rund 125 Milliarden Euro Darlehen aus gewerblichen Immobilienkrediten fällig. Da unter anderem die zunehmende Regulierung der Banken weiterhin für eine angespannte Kreditsituation sorgt, ist es wahrscheinlich, dass nicht alle Kredite prolongiert werden. Dementsprechend dürften in der nächsten Zeit vermehrt notleidende Immobilien auf den Markt kommen. Für die zunehmende Anzahl notleidender Objekte und Kredite gibt es verschiedene Auslöser wie zum Beispiel Fehleinschätzungen der Finanzierer bei der Kreditvergabe und -betreuung und Versäumnisse im Real Estate Asset Management seitens der Investoren.

Vor allem ausländische Investoren verfolgten vor der Finanzkrise eher risikoreiche Investmentstrategien und schätzten den Markt oftmals nicht richtig ein. Sie kauften in der Boomphase mangels hinreichender Marktkenntnisse zu teuer ein und glaubten, die Immobilie erfolgreich managen zu können, ohne selbst auf dem Markt präsent zu sein. Für einen Großteil jener Immobilieninvestitionen ist die erhoffte Miet- beziehungsweise Wertentwicklung ausgeblieben. Die Folge: Ohne stabilen Einnahmefluss ist es nicht mehr möglich, den Kapitaldienst zu decken, und die Immobilie wird zum "Problem".

Das Management solcher "distressed objects" gestaltet sich erwartungsgemäß besonders schwierig: Einzuhaltende Zahlungsziele, auslaufende Mietverträge oder plötzliche Veränderungen des Marktumfelds erhöhen den Zeitdruck. Gleichzeitig wird die Krisenbewältigung durch immobilienspezifische Besonderheiten wie beispielsweise vertragliche Bindungen oder langwierige Baumaßnahmen und Entscheidungsprozesse erschwert.

Daher gilt es, die in der Krise befindliche Immobilie in die Hände eines professionellen Real-Estate-Managements zu geben. Und es gilt, eine sich anbahnende Krise so früh wie möglich zu erkennen. Gerade aber in diesem Zusammenhang hat es in der Vergangenheit Versäumnisse seitens der Bestandshalter und auch der Kreditgeber gegeben - daran lässt sich heute nichts mehr ändern. Umso wichtiger ist es, dass solche Versäumnisse künftig vermieden werden. Die Praxis jedoch zeigt, dass es auch heute noch häufig an einem adäquaten Monitoring zur Früherkennung fehlt. Stattdessen reagieren die Kontrollmechanismen erst, wenn die ökonomische Performance einbricht. Würden Krisensituationen aber bereits erkannt, bevor sie sich anbahnen, könnte der Handlungs- und Zeitdruck, unter dem das Real-Estate-Management steht, entsprechend reduziert werden. Und es stünde eine größere Bandbreite an Lösungsmöglichkeiten zur Verfügung.

Ein solch frühzeitiges Risikomanagement ist durchaus möglich. Denn meist zeichnen sich negative Entwicklungen deutlich vor Einbrüchen in der Performance auf Ebene der einzelnen Immobilie ab. Der finalen Liquiditätskrise, in der sich die Immobilie nicht mehr eigenständig trägt und etwaige Darlehen nicht mehr aus dem Objekt-Cash-Flow bedient werden können, sind weitere Krisenstadien vorgelagert.

Bevor eine Immobilie in die Liquiditätskrise hineinrutscht, befindet sie sich meist in einer operativen Krise. Diese Phase ist von einer sukzessiven Verschlechterung des ökonomischen Erfolgs gekennzeichnet: Zunehmender Leerstand, steigende Kosten und eine Verschlechterung des Marktwerts deuten auf eine drohende Zahlungsunfähigkeit hin - typischerweise setzen heutige Monitoring-Systeme an dieser Stelle an.

Diesem Problemfeld geht wiederum eine strategische Krise voraus. Sie weist auf eine Gefährdung der zukünftigen Potenziale einer Immobilie hin und wird häufig mit dem Markteintritt neuer Wettbewerbsobjekte und negativen Entwicklungen des Umfelds oder des Objektimages eingeleitet. In den Augen des Nutzers sinkt die Attraktivität der Immobilie - und die Wechselbereitsschaft steigt.

Genau hier, in der Anfangsphase eines möglichen Krisenverlaufs, müssen die Instrumente und Prozesse eines adäquaten Monitoring ansetzen. Und zwar mit einer permanenten, kritischen Analyse der Wettbewerbsstruktur und der Nutzeranforderungen sowie mit einer umfassenden Evaluierung der Nutzerzufriedenheit. Nur auf diese Weise könnten negative Entwicklungen bereits im Keim erkannt und entsprechende Gegenmaßnahmen eingeleitet werden.

Dominique Pfrang, Consultant, Ernst & Young Real Estate GmbH, Eschborn

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