Leitartikel

Ein Jahr Pfandbriefgesetz: Lob, Lob

Das Titelbild dieser I&F-Ausgabe ist schön. Aber wie so oft im
richtigen Leben: Die Optik trifft den Inhalt nur bedingt. Denn das nun
einjährige deutsche Pfandbriefgesetz ist mitnichten ein Wickelkind,
das zögerlich in die weite Welt stapft. Sondern es wäre vielleicht am
besten durch einen schon lange prächtig fruchtenden Baum zu
symbolisieren, dem fleißige Gärtner mehr Platz freigeräumt und noch
dazu neue Pfropfreiser okuliert haben. Jörg Asmussen vom BMF lobt zu
Recht, wie gut ein Finanzmarktgesetz sogar (oder gerade?) im
schnörkeligen Parlamentarismus der Bundesrepublik gebaut werden kann,
wenn Regierung und Lobbyisten aufeinander hören.
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Was man mit dem Gesetz vor allem wegen der strukturellen Veränderungen
der nationalen wie internationalen Bankenszene ändern musste und
wollte, ist in der Hauptsache die "Entinstitutionalisierung" des
Produkts "deutscher Pfandbrief" gewesen. Man erklärte ihn für
weitgehend souverän von einem bestimmten Banktypus. Das erwies sich
aber als gar nicht schwer, weil man auf schlappen 200 Jahre
Pfandbrief-Fortschritt aufbauen konnte. Denn diese besondere
Bank-Schuldverschreibung ist durch die Qualität des Emissionshauses
schon lange nur zusätzlich gesichert gewesen. So unabhängig von dessen
Schicksal sollte der Brief sein, insbesondere durch die Klasse seines
Pfandes (seiner Deckung), dass das Produkt im Prinzip besser als der
Produzent gesichert worden ist.
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Daran nicht nur eisern festzuhalten, sondern noch ein paar
Sicherungsseile dazuzuhängen, hat sich gleich im ersten Lebensjahr des
Pfandbriefgesetzes als überaus beruhigend und damit nützlich erwiesen:
"Die Zuverlässigkeit der Pfandbriefanlage wurde im Fall der
Allgemeinen Hypothekenbank Rheinboden bestätigt. Deren
Pfandbriefratings blieben unverändert. Selbst als größte Unsicherheit
herrschte, was aus der AHBR würde, bestand nie die Gefahr, dass ihre
Pfandbriefe ausfielen." (Asmussen).
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Sobald nun freilich am Kapitalmarkt ein Produktrating das
Institutsrating schlägt und sich, wie beim Pfandbrief, fast wie ein
Gattungsrating entwickelt, wirkt diese Art der Differenzierung aller
Erfahrung nach ausgesprochen anregend. Einige Emittenten schieben sich
dann nur zu gern via Produkt in eine Liga hinein, in der sie allein
nicht spielen dürften. Das Pfandbriefgesetz hat diese Neigungen
glücklicherweise antizipiert. Denn die Voraussetzungen für die
Genehmigung der Aufsicht zur Pfandbriefemission sind nach den ersten
Erfahrungen doch streng genug formuliert, um nicht lockend zu wirken.
Nicht ohne Befriedigung wird in den Kommentaren angemerkt, dass sich
"der Kreis der Erlaubnisinhaber bisher nur geringfügig erweitert hat."
Wie erwartet sind vor allem Sparkassen sowie immobilienorientierte
Universalbanken hinzugekommen, und die bisherigen Pfandbriefemittenten
dabeigeblieben.
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Innerhalb des öffentlich-rechtlichen Bankensektors wird es interessant
zu beobachten sein, wie sich die Schaffung des
"Refinanzierungsregisters" (im Nachgang zum Pfandbriefgesetz) für die
(manchmal noch vorhandene) Arbeitsteilung zwischen Landesbanken und
Girozentralen auswirkt. Denn die Sparkassen erschließen sich per
Pfandbrief nicht nur einen direkten eigenen Weg zum Kapitalmarkt,
sondern sie können nun eben auch ohne die Girozentrale ihre
Forderungsstöcke bewegen. Die freie Haspa freut sich schon: Man werde
als aufnehmendes oder abgebendes Institut auftreten - zum Beispiel
"ausgewählte Aktiva anderer Kreditinstitute" via eigenem Deckungsstock
pfandbrieffähig machen. Der Markt schätzt die Haspa hoch. Nach 27
Minuten war die erste Pfandbriefemission der Haspa im April 2006
bekanntlich ausverkauft.
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Thomas R. Fischer erklärt die neue Arbeitsteilung im WestLB-Konzern.
Drei Pfandbriefemittenten habe man da - die WestLB AG, die WestLB
Covered Bond Bank und die WIB. Die WIB soll sich auf die
hypothekarisch besicherte Emissionen konzentrieren, AG und Covered
Bond Bank auf das Geschäft mit öffentlich besicherten Deckungswerten.
Und ähnlich dem Geschehen bei der Hypo Real Estate via Stuttgart
profitiert auch in Düsseldorf der Finanzplatz von der Neuordnung.
"Aufgrund ihrer starken Verwurzelung im deutschen Markt wird sich die
WestLB künftig auf das öffentliche Pfandbriefgeschäft aus Deutschland
heraus konzentrieren." Per Refinanzierungsregister bereitet die WestLB
im Übrigen eine erste Pilottransaktion mit vier NRW-Sparkassen vor:
Der neue Kapitalmarkt-Wettbewerb wird hautnah.
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Der Verband deutscher Pfandbriefbanken verweist im Kontext auf die
Möglichkeit, dass die Sparkassen ungarantierte Sparbriefe in Luxemburg
als öffentliche Lettre de Gage einliefern können. Dies sei aber keine
echte Ausweichmöglichkeit, weil die Agenturen bei Massenandrang wohl
die luxemburger Deckungsmassen herabstufen würden. Man wird sehen.
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Dass der Pfandbrief sowohl am deutschen als auch am internationalen
Rentenmarkt zuletzt deutlich Marktanteile verloren hat, verdient
dennoch Aufmerksamtkeit. Im Bruttoabsatz der ersten Eurorechnung von
1999 stehen insgesamt 571 Milliarden, davon 215 Milliarden an
Hypotheken- und Öffentlichen Pfandbriefen. Das waren 38 Prozent. Im
Statistikjahr 2005 ist der Gesamtabsatz auf 989 Milliarden gestiegen,
der Pfandbriefabsatz aber nur auf 132 Milliarden Euro. Das entsprach
einem Anteil von nur noch 13 Prozent. Dazu wird gerne angeführt, dass
eben das verhaltene Kreditgeschäft keine höheren
Pfandbriefrefinanzierungen erfordert habe. Allerdings sind
gleichzeitig an "Sonstigen" nach 173 Milliarden 1999 dann 400
Milliarden 2005 verkauft worden. "Ungedeckt" passt in die diversen
Strukturierungen der aktuellen Refinanzierung also doch oft sehr schön
hinein - auch bei den Pfandbriefemittenten.
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Im internationalen Geschäft hat sich der deutsche Jumbo seit 1999
geradezu rapide den neuen Covered Bonds der Nachbarn fügen müssen.
Sein Marktanteil 2005 lag bei den Neuemissionen bereits unter 40
Prozent. Der Verkauf nähert sich inzwischen mit gut 300 Milliarden
Euro etwa dem Stand von 1999, ohne große Schwankungen: Expandiert
haben "die Anderen". Muss, wie das BMF schreibt, der "Rechtsrahmen des
deutschen Pfandbriefs" doch schon bald wieder "überprüft" werden?
Diesmal, weil er zu gut ist? K.O.

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