Risikomanagement

Hypothekenversicherung: mehr Spielraum unter Basel II

Die deutschen Kreditinstitute bewegen sich in einem Spannungsfeld von verschiedenen Anforderungen. Basel II fördert ausdrücklich Bestrebungen, das Kreditrisiko zu mindern. Gleichzeitig führen das Internet und die wachsende Zahl auch ausländischer Anbieter zu einem verschärftem Wettbewerb unter den Darlehensgebern. Jeder Bürger mit Internetzugang kann die günstigsten Konditionen bequem recherchieren.

Die erhöhte Transparenz der Konditionen und Produkte führt dazu, dass Anbieter, um Marktanteile zu halten oder zu gewinnen, sich an einer bundesweiten Angebotssituation messen lassen müssen, die zunehmend innovative und weniger konservative Produkte umfasst. Gleichzeitig fordert gerade Basel II für Produkte mit höheren Risiken eine zum Teil deutlich höhere Eigenkapitalunterlegung.

Vollfinanzierungen versus Basel II

Diese scheinbar paradoxe Situation entfaltet sich vor einem spannenden Marktumfeld. Denn der prinzipielle Bedarf an Hypothekenkrediten ist bei den Verbrauchern ungebrochen vorhanden, der Wunsch nach dem Erwerb einer Immobilie - sei es zur Selbstnutzung, sei es als Kapitalanlage - besteht weiterhin bei großen Teilen der Bevölkerung. Insbesondere angesichts der unsicheren staatlichen Renten ist dies nachvollziehbar, schließlich sind sich die meisten bewusst, dass Mieter im Ruhestand mit steigenden Mieten bei geringerem Einkommen rechnen müssen. Trotz der sinkenden Bevölkerungszahl wird aufgrund der eingebrochenen Neubautätigkeit von Wohnungen in den westdeutschen Ballungsräumen ein signifikanter Anstieg der Mietniveaus unvermeidbar sein.

Allerdings stehen zahlreiche Käufer vor dem Problem, trotz eines angemessenen Einkommens nur wenig oder gar kein Eigenkapital zur Verfügung zu haben. Ob lange Studienzeiten oder ein verändertes Konsumverhalten die Ursache dafür sind, ist sekundär. Tatsache ist, dass Erstkäufer immer weniger Eigenkapital mitbringen. Immer weniger dieser potenziellen Immobilienkäufer kommen somit für die klassische Finanzierung mit mindestens 20 Prozent Eigenkapital in Frage.

Innovative Lösungen für diese Zielgruppen können allerdings sehr teuer sein, da Basel II für Kredite mit hohen Beleihungsausläufen eine erhöhte Eigenkapitalunterlegung fordert. Banken, die im Standardansatz arbeiten, müssen oberhalb von 60 Prozent Beleihungsauslauf ein Risikogewicht von 75 Prozent ansetzen. Für die vielen Institute, die einen der IRB-Ansätze anwenden, steigt die Risikogewichtung für private Immobilienkredite ab Beleihungsausläufen von über 85 bis 95 Prozent exponentiell auf Werte von über 100 Prozent an.

Das ist nachvollziehbar, denn Basel II hat zum Ziel, die regulatorische Eigenkapitalunterlegung an die wirtschaftlichen Risiken der Kreditforderungen anzupassen. Zahlreiche Erfahrungen aus verschiedenen Ländern belegen, dass Kredite mit höheren Beleihungsausläufen statistisch höhere Ausfallrisiken aufweisen. Mit Basel II werden neben der steigenden wirtschaftlichen Notwendigkeit einer Absicherung von Risiken aus Krediten mit hohen Beleihungsausläufen auch regulatorische Anreize für eine solche Kreditrisikominderung gesetzt. Diese Anreize gibt es in einigen anderen Ländern schon lange.

Absicherungsinstrumente werden attraktiver

So haben die Bankenaufseher von verschiedenen großen Hypothekenmärkten (zum Beispiel USA, Australien, Italien) bereits als Folge des ersten Baseler Regelwerks verschiedene Bestimmungen zur Anerkennung, Gestaltung und Nutzung der Hypothekenversicherung für hochauslaufende Kredite getroffen.

Die Gründe für die verschiedenartigen Regulierungen liegen auch in der unterschiedlichen Entwicklung der Immobilien- und Immobilienkreditmärkte. So haben mancherorts sinkende oder stagnierende Immobilienpreise und hohe Arbeitslosigkeit bei etlichen Banken zu höheren Verlusten und stärkerem Bedarf für Risikovorsorge bei privaten Immobilienkrediten geführt. Eine Vielzahl von Risikoabsicherungen in Form von Verbriefungen sind daher die sichtbarsten Zeichen des wachsenden Risikobewusstseins der Branche.

In einigen Fällen schreibt die nationale Bankenaufsicht sogar eine Risikoabsicherung oberhalb von bestimmten Beleihungsausläufen vor (beispielsweise in den USA). In anderen Märkten wie England oder Spanien, um zwei prominente europäische Beispiele zu nennen, sind die Hauspreise jahrelang rapide angestiegen und mit ihnen die Sorge der Banken vor dem Platzen einer möglichen Preisblase.

Dies stimuliert die Nachfrage nach Absicherungsmöglichkeiten bei den Kreditinstituten. Auch der Wandel bei privaten Hypothekenkrediten verstärkt wie erwähnt diesen Trend: Zunehmend werden Kreditverträge mit Beleihungsausläufen von über 80 Prozent angefragt und auch abgeschlossen, während noch vor wenigen Jahren maximal 75 bis 80 Prozent üblich waren. Wer Marktanteile halten oder sogar ausbauen möchte, muss sich

mit der Thematik der hochauslaufenden Beleihung inklusive der Vollfinanzierung auseinandersetzen. In vielen angelsächsischen Ländern gehört diese Art der Finanzierung schon lange zum Standard-Kreditangebot.

Zur wirksamen Risikoentlastung, die auch den Regelungen der Solvabilitätsverordnung (SolvV) beziehungsweise Basel II entspricht, stehen Banken verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung. Neben traditionellen Garantien oder Bürgschaften können Banken alternativ Kreditderivate oder Hypothekenversicherungen, die in § 164 der aktuellen SolvV ausdrücklich als Instrument der Risikominderung anerkannt sind, einsetzen. Diesen Instrumenten ist jeweils gemeinsam, dass die Bank unter bestimmten Voraussetzungen auf das Risiko der absichernden Gegenpartei abstellen darf und damit das Risiko des abgesicherten Kredits mit dem des Vertragspartners tauscht.

Mit dem Inkrafttreten von Basel II stellen Versicherungen mit guter bis sehr guter Bonität als Garantiegeber oder sonstiger Absicherungspartner eine spürbare Entlastung in der Eigenkapitalbindung dar. So hat eine "AA" geratete Versicherung aus Sicht einer Standardbank ein Risikogewicht von lediglich 20 Prozent. Aus Sicht einer IRB-Bank liegt das Risikogewicht je nach internem Modell oftmals noch darunter.

Eigenkapitalentlastung durch Hypothekenversicherer

Da international aktive Hypothekenversicherer wie zum Beispiel PMI Mortgage Insurance vorwiegend Töchter von amerikanischen Hypothekenversicherungen sind, die aufgrund der geltenden Marktbedingungen in den USA alle mindestens im "AA-Bereich" geratet sein müssen, ermöglichen vor allem Hypothekenversicherer Banken potenziell eine sehr hohe Risiko- und Eigenkapitalentlastung. Banken können demnach bei der Versicherung der hohen Beleihungsausläufe (zum Beispiel der Versicherung der sogenannten "Freien Spitze") Eigenkapitalbelastungen je nach Beleihungsauslauf und angewendetem Modell rund drei Viertel und mehr reduzieren. Mit einer geringeren Eigenkapitalbindung sowie Risikovorsorge gewinnen Banken Spielraum in der Ausweitung ihres Geschäfts.

Eine wesentliche Frage, die im vergangenen Jahr noch offen war, ist mittlerweile durch die Ba Fin für alle der SolvV unterliegenden Institute geklärt: Die aktuelle SolvV legt fest, dass verlustbasierende Garantien von Hypothekenkrediten auf Wohnimmobilien als kreditrisikominderndes Sicherungsinstrument anerkannt werden, sofern die Zahlung spätestens 24 Monate nach Eintritt des Garantiefalls verlangt werden kann.

Wenn dies durch den Hypothekenversicherer vertraglich gewährleistet wird, ist die Hypothekenversicherung als Garantie anzusehen, sollten alle anderen Anforderungen wie zum Beispiel der Deckungsumfang und die berücksichtigungsfähigen Gewährleistungen (dazu gehören rechtliche Wirksamkeit, Unmittelbarkeit, Fristenkongruenz und Unwiderrufbarkeit) erfüllt werden.

Faktisch kann die Hypothekenversicherung somit als Garantie angesehen werden. Baufinanzierern steht damit neben den klassischen Avalen ein weiteres Absicherungsprodukt zur Verfügung, welches jeweils speziell auf ihre Bedürfnisse und Prozesse zugeschnitten wird.

Da die SolvV nur für Kreditinstitute im Sinne des KWG gilt, bleibt zu prüfen, inwiefern diese Regelungen auch analog für Lebensversicherungen gelten, die ebenfalls Baufinanzierungen anbieten. Der Sachverhalt wird derzeit von verschiedenen Beteiligten geprüft. Dass Lebensversicherer in der Behandlung von Absicherungsproduk-ten schlechter gestellt werden als Banken, dürfte allerdings kaum zu erwarten sein.

Noch offene Fragen bei Lebensversicherern und Bausparkassen

Für Bausparkassen sind zusätzlich zu den Regelungen der SolvV auch die Regelungen des Bausparkassengesetzes zu beachten. Dieses fordert Zusatzsicherheiten für Beleihungen oberhalb von 80 Prozent. Die Anerkennung von Hypothekenversicherung als Garantie legt eine analoge Behandlung von Hypothekenversicherung und den als Zusatzsicherheiten zugelassenen Bankgarantien nahe. Eine offizielle Stellungnahme der Ba Fin zu diesem Sachverhalt ist allerdings noch nicht bekannt. Bei entsprechend gutem Rating des Hypothekenversicherers ergibt sich für eine Bank im Standardansatz durch die Hypothekenversicherung also eine sofortige Ersparnis von Risiko- und Eigenkapitalkosten. IRB-Banken haben zumindest während der Übergangsphase bis 2009 noch die theoretische Eigenkapitalbelastung unter Basel I in der Vergleichsrechnung zu beachten.

Darüber hinaus wirkt der Einsatz einer Hypothekenversicherung zusätzlich disziplinierend auf die Einhaltung der Kreditstandards der Bank. Denn der Versicherungsanspruch ist in der Regel von der Einhaltung der bankinternen Richtlinien abhängig. Auch in der Risikoüberwachung und im Risikomanagement kann eine Hypothekenversicherung zusätzlich Vorteile bieten, die sich nicht zuletzt auch positiv auf die Minimierung von operationalen Risiken - die ja unter Basel II ebenfalls Eigenkapital kosten auswirken.

Subprime-Krise als Systemtest

In zahlreichen Märkten wie in den USA hat sich die Hypothekenversicherung inzwischen zu einem hoch standardisierten Produkt entwickelt, das seit vielen Jahren zur Steigerung der Eigentumsquote beiträgt. Die kürzlich auftretenden Schwierigkeiten mit Subprime Mortgages in den USA haben in beeindruckender Weise die Stabilität des Systems bewiesen.

Subprime-Kunden sind Darlehensnehmer, die entweder eine besonders geringe Bonität aufweisen (zum Beispiel relativ geringes nachhaltiges Einkommen) oder ihre Bonität nicht hinreichend nachweisen können. Einige dieser Kunden konnten ihre Darlehen nicht mehr bedienen. Allerdings entfallen nur etwa 14 Prozent aller privaten Immobilienfinanzierungen auf diese Kategorie.

Eine Anzahl von Hypothekenbanken ging zwar in die Insolvenz, aber die überwältigende Mehrheit an Hypothekenkrediten, die von Menschen mit wenig oder ohne Eigenkapital aufgenommen wurden, werden weiterhin bedient. Insofern ist die von manchen geäußerte Befürchtung, dass Vollfinanzierungen deutsche Immobilienkäufer womöglich ins Unglück treiben, unbegründet. Eine sorgfältige Bonitätsprüfung des Kunden, gekoppelt mit der Absicherung durch eine Hypothekenversicherung, verhindert in den allermeisten Fällen für den Kunden und die Bank unliebsame Überraschungen.

Die Finanzierung hoher Beleihungen bis hin zur Vollfinanzierung privat genutzter Wohnimmobilien, kombiniert mit einer Hypothekenversicherung, bringt der Finanzierungsbranche ebenso wie den Kunden erhebliche Vorteile. Den Banken ermöglicht sie eine deutliche Ausweitung des Geschäftes bei gleichzeitiger Risikominderung im Sinne von Basel II. Den Privatkunden erleichtert sie den nicht zuletzt unter Vorsorgegesichtpunkten wichtigen Immobilienerwerb.

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