Risikomanagement

Hypothekenversicherungen und Basel II

Wirtschaftlich betrachtet sind Hypothekenversicherungen als typische
Kreditausfallversicherungen gut geeignet, die Kreditausfallrisiken von
Banken zu verringern. Kommt es zum Ausfall von Zins- und
Tilgungszahlungen eines versicherten Baukredits, so erstattet die
Hypothekenversicherung nach Abschluss der Sicherheitenverwertung der
Bank deren entstandene Verluste. Die Hypothekenversicherung stellt
also aus Sicht der Bank eine zusätzliche Sicherheit dar, die geeignet
ist, die jeweilige Risikovorsorge und somit Eigenkapitalbindung von
Finanzdienstleistern zu reduzieren.
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Absicherungsbedarf steigt
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Allerdings schauen Bankenaufseher sehr genau hin, wenn sie
Versicherungen oder Gewährleistungen anerkennen sollen. Es kommt also
auf die passende Lösung an. Während die Bankenaufseher von
verschiedenen großen Hypothekenmärkten (zum Beispiel USA, Kanada oder
Australien) bereits als Folge des ersten Baseler Regelwerks
verschiedene Bestimmungen zur Anerkennung, Gestaltung und (teilweise
verpflichtenden) Nutzung der Hypothekenversicherung für riskante
Kredite getroffen haben, tauchen in den meisten europäischen Ländern
entsprechende Regelungen erst im Zuge der Umsetzung von Basel II auf.
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Die Gründe dafür liegen im Baseler Regelwerk selbst, aber auch in der
generellen Entwicklung der Immobilien- und Immobilienkreditmärkte in
Europa. So haben vielerorts sinkende oder stagnierende
Immobilienpreise, die schwache gesamtwirtschaftliche Entwicklung und
hohe Arbeitslosigkeit bei etlichen Banken zu höheren Verlusten und
stärkerem Bedarf für Risikovorsorge bei privaten Immobilienkrediten
geführt. Dies hat das Interesse von vielen deutschen Banken an
Möglichkeiten der Absicherung der traditionell als "sicher" geltenden
Baufinanzierungen geweckt. Der Verkauf von Non-performing Loans und
Kreditverbriefungen sind die sichtbarsten Zeichen des wachsenden
Risikobewusstseins.
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In anderen europäischen Märkten steigen die Hauspreise stark an und
die damit verbundene Sorge der Banken vor dem Platzen einer möglichen
Preisblase stimuliert die Nachfrage nach Absicherungsmöglichkeiten.
Auch der Wandel bei privaten Hypothekenkrediten verstärkt diesen
Trend: Zunehmend werden Kreditverträge mit Beleihungsausläufen von
über 80 Prozent abgeschlossen, während noch vor wenigen Jahren maximal
75 bis 80 Prozent üblich waren. Wer Marktanteile halten oder ausbauen
möchte, muss sich mit dem Einstieg in den bisher vielfach gemiedenen
Bereich der Vollfinanzierungen auseinander setzen. In vielen
angelsächsischen Ländern gehört diese Art der Finanzierung schon lange
zum Standard-Kreditangebot.
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Bislang haben die meisten deutschen Banken diesen Schritt gescheut,
gelten doch Immobilienfinanzierungen mit nur geringem oder gar ohne
Eigenkapitaleinsatz des Kunden als verstärkt ausfallgefährdet.1) Um
die damit einhergehende höhere Eigenkapitalbindung und höhere
Risikovorsorge zu reduzieren - und letztlich die Kreditvergabe und
somit Marktanteile der Bank auszuweiten - ist der Einsatz von
Absicherungsinstrumenten sinnvoll. Aus strategischer Sicht entsteht
hier also ein Bedarf der Banken an Hypothekenversicherungen.
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Entlastung des Eigenkapitals
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Unter Basel I gelten Versicherungen ohne Ansehen ihrer Bonität als
Unternehmen und sind daher mit 100 Prozent Risikogewicht zu bewerten.
Damit ist eine Hypothekenversicherung unter regulatorischen Aspekten
unter Basel I uninteressant. Erst mit dem Inkrafttreten von Basel II
stellen Versicherungen mit guter bis sehr guter Bonität als
Garantiegeber eine Entlastung in der Eigenkapitalbindung dar. So hat
eine "AA" geratete Assekuranz aus Sicht einer Standard-Bank ein
Risikogewicht von lediglich 20 Prozent.
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Da international aktive Hypothekenversicherungen überwiegend Töchter
von amerikanischen Hypothekenversicherungen sind, die aufgrund der
strengen Regulierung in den USA alle mindestens mit "AA" geratet sein
müssen2), stellen Hypothekenversicherer für Banken eine potenziell
sehr hohe Risiko- und Eigenkapitalentlastung dar. Und die Stärkung
ihrer Eigenkapitalbasis ist für viele Banken ein aktuelles Thema, sei
es zur Abwehr oder Durchführung von Akquisitionen oder zur Erhaltung
des Instituts-Ratings.
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Basel II setzt Anreize für Kreditrisikominderung
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Zusätzlich setzt Basel II Anreize für die Nutzung von so genannten
kreditrisikomindernden Sicherungsinstrumenten (KRM), wie
beispielsweise Garantien. Zwar verringern sich für Banken in
Deutschland und in anderen Ländern Europas gegenüber Basel I im
Standard-Ansatz von Basel II die Risikogewichte für Hypothekenkredite
(siehe Tabelle 1), die Standard-Banken stehen aber auch im
Privatkundengeschäft im Wettbewerb mit IRB-Banken, die für private
Hypothekenkredite noch deutlich geringere Risikogewichte erreichen
dürften. Insofern ist die Verringerung der Eigenkapitalbindung bei
zunehmend preissensiblen Kunden für viele Banken eine Überlegung wert.
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Auch für IRB-Banken ist die Nutzung von KRM aktuell aus anderen
Gründen interessant: Die eigenkapitalentlastende Wirkung der ersten
Säule von Basel II wird in den kommenden Jahren im Vergleich zu ihrer
jeweiligen Eigenkapitalbindung unter Basel I zwar nur stufenweise und
erst in 2009 voll zugute kommen. Dennoch ist es für IRB-Banken
interessant, bereits jetzt ihre Eigenkapitalbindung unter Basel I zu
reduzieren. Einige ausländische Banken nutzen bereits in erheblichem
Umfang Garantien oder Kreditverbriefungen zur Eigenkapitalreduzierung
unter Basel I, um sie möglichst heute schon auf das Niveau zu bringen,
welches sie unter Basel II in voraussichtlich drei Jahren erhalten
werden. Auch zeichnet sich ab, dass die Eigenkapitalbelastung für
Kredite mit hohen Beleihungsausläufen für IRB-Banken exponentiell
ansteigen wird.
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Beispielrechnungen von Rating-Agenturen kommen zu dem Schluss, dass
sich die Eigenkapitalbindung eines riskanten Portfolios im Vergleich
zu der eines weniger riskanten Portfolios von privaten
Immobilienkrediten im Extremfall sogar verdreifachen kann.3)
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Sind Hypothekenversicherungen eine Garantie?
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Sowohl Anbieter von Hypothekenversicherungen als auch Banken haben
jüngst die europäischen Bankenaufseher gebeten, die Bedingungen zu
präzisieren, unter denen eine Hypothekenversicherung als KRM anerkannt
wird. Einige der bekanntesten KRM sind Gewährleistungen, zum Beispiel
eine Garantie. Von der Aufsicht anerkannte Garantien ermöglichen es
Standard-Banken, das Risikogewicht des garantierten Aktivums gegen das
Risikogewicht des Garantiegebers auszutauschen. IRB-Banken bilden die
mit der Garantie einhergehende Verringerung der
Ausfallwahrscheinlichkeit und des erwarteten Verlusts in ihrem
internen Risikomodell ab und erhalten auf diese Weise als Ergebnis das
individuell verringerte Bonitätsgewicht des garantierten Kredits.
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Die BaFin hat in ihrem aktuellen Entwurf der Solvabilitätsverordnung
vom März 2006 (SolvV) und der dazugehörigen Begründung erstmals
Hypothekenversicherungen als eine grundsätzlich
berücksichtigungsfähige Garantie klassifiziert4) und damit
ausdrücklich als Mittel zur Risikominderung anerkannt.
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Bislang war unklar, ob Hypothekenversicherungen im Sinne der
Bankenaufsicht tatsächlich eine Garantie darstellen. Im Konzept der
KRM sind Garantien grundsätzlich nur dann anerkennungsfähig, wenn sie
ausfallbasiert sind. Ausfallbasiert heißt, dass eine Bank vom
Garantiegeber zeitnah zum Ausfall der Zahlungen des garantierten
Kredits die Erstattung der ausgefallenen Beträge verlangen kann. Die
Bank muss also nicht erst die ausgefallenen Beträge beim Schuldner
beitreiben, sondern kann gleich die Garantie in Anspruch nehmen. Das
vermeidet Ärger und Aufwand.
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Eine Hypothekenversicherung ist grundsätzlich aber ein
verlustbasiertes Sicherungsinstrument, das heißt der Versicherer zahlt
normalerweise erst, wenn der tatsächliche Verlust feststeht, also nach
Beitreibung der ausstehenden Zahlungen und Vollstreckung der
Sicherheiten. In dem aktuellen Entwurf der SolvV wird in § 164 nun
festgelegt, dass verlustbasierte Garantien von Hypothekenkrediten auf
Wohnimmobilien ausnahmsweise als KRM anerkannt werden, sofern die
Zahlung spätestens 24 Monate nach Eintritt des Garantiefalls verlangt
werden kann.
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Damit trägt die Aufsicht der zumeist hohen Werthaltigkeit von
Wohnimmobilien als Kreditbesicherung sowie der Praxis der relativ
langwierigen Sicherheitenverwertung Rechnung. Ohne diese
Ausnahmeregelung hätten Garantiegeber den Banken zeitnah zum
Ausfallereignis alle Zahlungsausfälle erstatten müssen, um dann nach
Abschluss des Verwertungsprozesses im Normalfall eine Rückerstattung
von der Bank zu erhalten. Dieser Weg ist aufgrund des hohen
administrativen Aufwands und des impliziten Kontrahentenrisikos, das
der Garantiegeber zu tragen hat, weder für Banken noch für
Garantiegeber praktikabel.
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Da die Abwicklung von notleidenden privaten Immobilienkrediten aber
auch länger als zwei Jahre dauern kann, mag es in diesen Fällen trotz
der genannten Ausnahme notwendig sein, aus Hypothekenversicherungen zu
zahlen, bevor der tatsächliche Verlust festgestellt werden kann. Ob in
diesen Fällen mit der Erstattung von Schätzverlusten oder anderen
aufsichtlich anerkannten Konzepten gearbeitet werden kann, ist noch zu
klären.
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Weitere Bedingungen für die Anerkennung
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Neben der erwähnten Anforderung zum Zeitpunkt der Verlustzahlungen
müssen Hypothekenversicherungen auch alle anderen Bedingungen für
berücksichtigungsfähige Gewährleistungen erfüllen. Darunter fallen die
rechtliche Wirksamkeit, Unmittelbarkeit, Bestimmtheit,
Kostenstabilität, Fristenkongruenz und Unwiderrufbarkeit der
Gewährleistung.5)
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Auch der Deckungsumfang von Hypothekenversicherungen dürfte im
Einklang mit den Anforderungen der Bankenaufsicht stehen. Schließlich
umfasst er standardmäßig Kapitalverluste, rückständige Zinszahlungen,
Rechtskosten, vom Darlehensgeber geleistete Vorauszahlungen, zum Teil
auch Reparatur- und Unterhaltskosten sowie sonstige Kosten in
Zusammenhang mit einer Zwangsvollstreckung und/oder dem Verkauf des
Objekts.
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Unklar ist hingegen noch, wie die geforderte Vorbehaltlosigkeit der
Garantie definiert ist. Demnach darf die Garantie beziehungsweise die
Hypothekenversicherung "keine Vertragsbedingung enthalten, über deren
Bedingungseintritt das sicherungsnehmende Institut keine unmittelbare
Kontrolle hat".6) Hier werden einige Fragen, wie zum Beispiel ob
Banken das Vorliegen von Betrug kontrollieren können, zu klären sein.
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Schließlich fordert die Aufsicht, dass das garantienehmende Institut
über Kreditrisikosteuerungsprozesse verfügt, mit denen es die
vorhandene Garantie ausreichend kontrollieren kann.7) Es ist davon
auszugehen, dass bei Einhaltung von MaRisk diese Anforderung vielfach
von der Aufsicht als erfüllt angesehen werden dürften. Die
Einzelheiten werden jedoch erst in der Praxis von der Aufsicht
präzisiert werden.
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Ein Rechenbeispiel
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Da Hypothekenversicherungen in ihrer Deckung jeweils auf die
Bedürfnisse der garantienehmenden Bank zugeschnitten sind und nur in
Ausnahmefällen der gesamte Kredit versichert wird, veranschaulicht an
dieser Stelle ein Rechenbeispiel die eigenkapitalentlastende Wirkung
von Hypothekenversicherungen.
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In der Regel werden Banken eine Hypothekenversicherung vor allem zur
Absicherung der Ausfallrisiken oberhalb des Realkreditbereichs nutzen,
da darüber liegende Beleihungen mit einer höheren
Eigenkapitalanforderung versehen sind. Hier entfacht also die
Ausplatzierung von unerwarteten Verlusten die größte ökonomische
Wirkung. Tabelle 2 zeigt aus Sicht einer Standardbank für einen
Wohnungsbaukredit mit einem Beleihungsauslauf von 100 Prozent die
jeweilige Eigenkapitalbelastung mit und ohne Hypothekenversicherung.
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Nur noch Details zu klären
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Angenommen die Hypothekenversicherung ist "AA" geratet und trägt alle
Verluste, die oberhalb des Betrages von 60 Prozent des Beleihungswert
liegen. Die Hypothekenversicherung ist somit in einer typischen
Nachrangposition.8) Wie das Beispiel zeigt, kann die
Eigenkapitalbindung spürbar gesenkt werden.
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Zusammenfassend ist mit großer Wahrscheinlichkeit davon auszugehen,
dass die Hypothekenversicherung als grundsätzlich anerkennungsfähige
Garantie kommt. Die meisten aufsichtlichen Anforderungen sind schon
bekannt, lediglich Detailfragen müssen noch im Dialog mit der
Bankenaufsicht geklärt werden. Und im Gegensatz zur REITs-Debatte
scheint politischer Gegenwind keine Hürde darzustellen.
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Somit würde Deutschland anderen wichtigen Märkten folgen, in denen
Hypothekenversicherungen schon seit langem ein fester Bestandteil der
Immobilienfinanzierungsinstrumente sind. Die Vorteile liegen auf der
Hand: Banken und Bausparkassen können ihr Risiko mindern und
gleichzeitig ihr Hypothekengeschäft ausweiten, in neue Kundensegmente
und Märkte vorstoßen, die ihnen zuvor verschlossen waren. Darunter
fallen zum Beispiel Kunden mit wenig Eigenkapital und niedrigem
Einkommen. Hierfür besteht in Deutschland ein bedeutender Markt, der
sich nach dem Wegfall der Eigenheimzulage weiter vergrößern dürfte.
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Auch volkswirtschaftlich gesehen spricht in Zeiten unsicherer Renten
vieles dafür, dass breitere Bevölkerungsschichten die Chance haben,
Wohneigentum zu erwerben und somit ihre private Altersvorsorge zu
stärken. Was in Großbritannien und den USA möglich ist, sollte auch in
Deutschland möglich sein. Die Bankenaufseher arbeiten daran, den
passenden regulatorischen Rahmen unter Berücksichtigung von Basel II
zu schaffen. Dann wird es an Banken und Hypothekenversicherungen
liegen, attraktive Produkte anzubieten und Neugeschäft zu gewinnen.

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