Nachhaltigkeit und Immobilienwerte

"Die Energiepreise sollten proportional zur Effizienz steigen"

Worin liegen für Sie die Ursachen der Finanzmarktkrise?

Die Krise hat mehrere Ursachen. Bekannt ist die unvernünftige Deregulierung der Finanzmärkte. Weniger bekannt ist, dass die Subprime-Mortgages-Krise auf einer US-amerikanischen Politik aufbaute, die jeder Familie ein eigenes Haus ermöglichen wollte. Dafür mussten die Energiepreise lächerlich niedrig sein, sodass in Amerika - anders als in Deutschland, Europa oder Japan - faktisch keine Mineralölsteuer erhoben wurde. Daraufhin vollzog sich eine riesige Ausdehnung der urbanen Räume und die Pendlerentfernungen haben sich in einem Vierteljahrhundert nahezu verdoppelt. Und auf einmal war das Land enorm anfällig für Ölpreisschwankungen auf dem Weltmarkt.

Als 2007 die Ölpreise eine Spitze von etwa 140 Dollar pro Barrel erreichten, wurden die Immobilien, die fern von den Arbeitsplätzen lagen, plötzlich sehr viel weniger wert, weil sich die Eigentümer und potenziellen Immobilienerwerber das weite Pendeln nicht mehr leisten konnten. Die Häuser waren zeitweise unbenutzbar geworden.

Dieser Prozess wurde überlagert von einem Mangel an Wert- und Bonitätsprüfungen vor der Vergabe von Immobilienfinanzierungen und der Nichtregulierung der indirekten Papiere, die diese Risiken versicherten - die sogenannten Credit Default Swaps. Über das Letztere ist sehr viel geschrieben worden, aber die Hintergründe wurden viel zu wenig analysiert.

Ist es nicht ein bisschen zu einfach, nur den Amerikanern die Schuld zu geben? Haben nicht auch andere das Spiel bereitwillig mitgespielt?

In den USA wurde in der Präsidentschaftsära von Ronald Reagan der Optimismus zur patriotischen Pflicht erhoben. Davon haben sich viele Manager weltweit anstecken lassen und gedacht, unkritischer Optimismus sei Bürgerpflicht. Außerdem pflegten einige deutsche Bankvorstände die Illusion, dass Immobilien im "heiligen Land des Kapitalismus" eine prinzipiell sichere Geldanlage sind. Bestärkt wurden die Manager durch die Ratingagenturen, die den Enthusiasmus durch Bestnoten für Investmentschrott mitgetragen haben, obwohl ihre Berufspflicht eher der Pessimismus ist. Zu viele Europäer sind auf den amerikanischen Optimismus hereingefallen.

Die aktuelle Regierungskoalition möchte die Bildung von Wohneigentum vorantreiben. Wiederholen wir die amerikanischen Fehler?

Dass staatliche Gelder in Wohneigentum gelenkt werden, ist grundsätzlich nichts Schlimmes. Die Frage ist jedoch, welche ökologischen Wirkungen sich daraus ergeben. Kommt es zum Beispiel zu einer Zersiedelung der Landschaft wie in den USA mit einer Ausweitung der Transportwege oder werden die Siedlungsräume stärker verdichtet, wie dies in Asien zu beobachten ist. Entscheidend ist, an welche Bedingungen die Förderung geknüpft ist. Das Ziel "für jeden ein Häuschen im Grünen" ist ökologisch und wirtschaftlich falsch. Denn dann nimmt die Abhängigkeit von den Energiepreisen zu.

Reicht die Förderung ökologischen Bauens und Sanierens in Deutschland, um Ihre Vorstellungen von nachhaltigem Wohnen in Deutschland Wirklichkeit werden zu lassen?

Die deutschen Förderbanken machen eine sehr gute und verdienstvolle Arbeit. Insbesondere die Forcierung des Passivhausstandards, vor allem bei bestehenden Gebäuden, ist ökologisch vernünftig. Aber dies reicht noch nicht. Denn es muss gleichzeitig dafür gesorgt werden, dass der öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) besser ausgebaut wird.

Der ÖPNV kostete natürlich eine Menge Geld. Deshalb gab es früher die meines Erachtens legitime Quersubventionierung der städtischen Verkehrsbetriebe durch die kommunalen Energielieferanten. Auf diese Weise konnte der ÖPNV mit akzeptablen Tarifen betrieben werden. Dies ist vielerorts ein Opfer des Liberalisierungsgedankens geworden. Hier wirkt sich die von der Europäischen Union durchgesetzte Entflechtungsdoktrin negativ aus. Mittlerweile ist allein die Aufrechterhaltung des ÖPNV in vielen Städten ein großes Finanzproblem.

Auch die Immobilienwirtschaft sollte ein originäres Interesse an einem funktionierenden, eng getakteten und gut ausgebauten ÖPNV haben, denn schließlich hängt der Wert einer Immobilie in erheblichem Maße von deren Erreichbarkeit ab - dies zeigen ja gerade die amerikanischen Erfahrungen sehr deutlich.

Ökologische Nachhaltigkeit ist in der Immobilienwirtschaft mittlerweile ein reichlich strapaziertes Schlagwort. Haben Sie den Eindruck, dass dieser Anspruch auch tatsächlich gelebt wird oder verkommt er zum bloßen Marketingspruch?

Ich nehme an, dass das Bekenntnis ehrlich gemeint ist. Allerdings müssen auch die Rahmenbedingungen stimmen. Denn wenn ein Investor Geld verliert, weil er sich nachhaltig verhält, dann wird ökologisch korrektes Handeln ein Lippenbekenntnis bleiben. Die Politik sollte dafür sorgen, so schreibe ich im neuen Buch "Faktor Fünf" (Droemer Knaur 2010), dass die Energiepreise in kleinen Schritten immer weiter angehoben werden. Dann werden die Architekten auch endlich aufhören zu behaupten, ein Gebäude müsse "atmen". Denn dies bedeutet letztendlich nichts anderes als permanenten Energieverlust. Dies ging nur unter den Bedingungen extrem niedriger Energiepreise. Das Passivhaus atmet dagegen über die Wärmeaustauscherbelüftung. Das ist wesentlich energieeffizienter und sorgt zudem für eine bessere Luftqualität.

Wie viel sollte Energie kosten, um diesen intellektuellen Wandel durchzusetzen?

Eine feste Zahl vorzugeben wäre Unsinn. Die Energiepreise sollten proportional zur Erhöhung der Energieeffizienz wachsen. Dann nehmen die Wirtschaft und die Gesellschaft keinen Schaden. Wenn eines Tages ein Auto nur noch einen Liter auf 100 Kilometern verbraucht, ist ein Benzinpreis von fünf Euro kein Problem.

Billiger Sprit hingegen führt relativ schnell zu einem ökologisch schädlichen Mehrverbrauch. Dieser sogenannte Re-bound-Effekt ist schon in den Zeiten der industriellen Revolution in Großbritannien von William Jevons beschrieben worden: Die Effizienz der Kohlenutzung durch James Watts Dampfmaschine senkte den Kohleverbrauch nicht etwa, sondern ließ ihn am Ende etwa auf das Zehnfache ansteigen. Diesen Rebound-Effekt können wir nur überwinden, wenn gleichzeitig die Ressourcenpreise steigen.

Für wie sinnvoll halten Sie staatliche Zwangsmaßnahmen wie die sich schrittweise verschärfenden Energieeinsparverordnungen?

Das ist der mildeste, freiheitlichste und unbürokratischste "Zwang". Der Versuch, die ökologischen Probleme auf dem Verordnungswege zu lösen, bedeutet dagegen viel mehr Staat, viel mehr Aufwand, den wir letztlich viel teurer zu bezahlen hätten. Als freiheitlich denkender Mensch möchte ich, dass 80 Millionen Einzelbürger auf kreative Weise mit den unvermeidlichen Randbedingungen umgehen. Um dem sozialpolitischen Einwand zu begegnen kann man ja Vorzugspreissockel für Ärmere gestatten. Theoretisch lassen sich die Preise auch über den Zertifikatshandel beeinflussen, aber das bedeutet Fluktuationen, Spekulation und irrationales Investieren. Die Festlegung eines Preispfades hingegen ist ein Paradies für Langfristinvestoren. Allerdings: Solange der Preispfad politisch noch nicht durchgesetzt ist, solange sind die freiheitseinschränkenden Vorgaben von Gebäudenormen das einzig Machbare.

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