Besicherung

Einführung der datio in solutum in europäischen Rechtsordnungen

Im Gefolge der weltweiten Finanzkrise wird nach Möglichkeiten gesucht, Schuldner besser zu schützen. Hintergrund ist die zunehmende Überschuldung von Privathaushalten in verschiedenen europäischen Ländern und die manchmal vermutete Verantwortung von Banken für diese Situation. Da Wohnungskredite naturgemäß einen großen Teil der Schulden einer Privatperson ausmachen, erregen Möglichkeiten, diese Schulden zu verringern, besonderes Augenmerk der Gesetzgeber.

Vor diesem Hintergrund hat die Financial Services User Group (FSUG) für die EU-Generaldirektion Binnenmarkt und Dienstleistungen zur Untersuchung dieses Themas eine Studie in Auftrag gegeben, die Ende 2012 von London Economics vorgelegt wurde.1) Darin wird die "datio in solutum" als eine Lösungsmöglichkeit diskutiert. Als Grundlage für solche Diskussionen sollen in diesem Aufsatz die Ausgestaltungen und ihre Abgrenzung zu scheinbar ähnlichen Rechtsinstituten, die bisherigen Vorarbeiten sowie die wesentlichen Bedenken und Kritikpunkte an diesem Instrument dargestellt werden.

Definition und Ausgestaltungen

Datio in solutum wird definiert als ein "Verfahren, in dem die Immobilie durch den Verbraucher der Bank als vollständige Befriedigung der ausstehenden Forderung überlassen wird, unabhängig vom Verkaufswert".2) Dies bedeutet ein einseitiges Aufdrängungsrecht des Schuldners. Dabei wird noch unterschieden nach einer starken und einer schwachen datio in solutum3): In der starken Variante ist das Instrument durch den Gesetzgeber in die Zwangsvollstreckung aus allen Hypotheken aufgenommen. Bei der schwachen Variante ist kein allgemeines Verfahren, sondern nur die Anwendung für bestimmte Arten von Hypothekenkrediten vorgesehen. Nach den Erkenntnissen von London Economics ist die starke Form nirgends in der EU eingeführt.

- Datio in solutum kraft Gesetzes. Dabei hat der Eigentümer das Recht, sein Grundstück dem Gläubiger so anzudienen, dass dieser es annehmen muss und alle gesicherten Forderungen erlöschen (Aufdrängung). Eine solche Form findet sich bisher nur in Spanien und Portugal4). Allen anderen europäischen Ländern ist sie nicht bekannt.

- Datio in solutum durch Vereinbarung. Bei dieser Erscheinungsform können der Eigentümer und die die Zwangsvollstreckung betreibende Bank nach der Einleitung der Verwertung vereinbaren, dass die Bank das Grundstück übernimmt und alle gesicherten Forderungen dieses Gläubigers erlöschen. Dies ist zum Beispiel in Schweden die übliche Form der Verwertung. In anderen Ländern wie Deutschland, Österreich, England und Wales oder Italien ist dies zwar grundsätzlich möglich, in der Praxis aber nicht üblich. Ausgeschlossen ist diese Form der Vereinbarung in Tschechien, der Slowakei und Russland5).

- Quasi datio in solutum. Eine Sonderform hat sich in Russland entwickelt. Nach russischem Recht hat die die Zwangsvollstreckung betreibende Bank nach gescheiterter Verwertung das Recht, die Immobilie zu übernehmen (sogenannte lex commissoria). Soweit der Wert der Immobilie die Forderung der Bank nicht abdeckt, bleibt dabei die Forderung ungesichert bestehen. Erfolgt nach gescheiterter Verwertung keine Übernahme, erlischt die Hypothek.6) Wenn es sich beim Vollstreckungsobjekt jedoch um eine Wohnung handelt, gilt die Forderung bei Übernahme der Immobilie durch den Hypothekengläubiger als erfüllt und erlischt, auch wenn der Wert der Wohnung niedriger ist als die Höhe der ausstehenden gesicherten Forderung.

Zwar sieht das russische Recht für den Schuldner nicht die Möglichkeit vor, dem Gläubiger die belastete Wohnung zur vollständigen Befriedigung der gesicherten Forderung auch gegen dessen Willen aufzudrängen, wie dies in der Definition durch London Economics enthalten ist.

Die Übernahme der Immobilie mit Restschuldbefreiung bleibt eine Entscheidung der Bank. Diese hat allerdings nur mehr die Auswahl zwischen zwei Übeln: Übernahme der Wohnung mit vollständiger Restschuldbefreiung oder Erhalt der notleidenden Forderung in voller Höhe - allerdings unter Verlust der hypotheka rischen Sicherung. Im Ergebnis befindet sich die Bank also in einer Situation, die der bei der reinen datio in solutum durchaus vergleichbar ist. Daher scheint es auch angemessen, von einer quasi datio in solutum zu sprechen.7)

Abgrenzung zu scheinbar ähnlichen Rechtsinstituten

Drei Rechtsinstitute sind der datio in solutum scheinbar ähnlich, jedoch grundsätzlich anders zu bewerten.

1) Lex commissoria. Bereits im römischen Recht gab es für den Gläubiger die Möglichkeit, ein Grundstück durch Übernahme ohne weiteres Verfahren zu verwerten. Obwohl dies die schnellste Verwertungsvariante ist, bestehen gegen eine solche Übernahme der Immobilie durch den Hypothekengläubiger gewichtige rechtspolitische Einwände. Die meisten kontinentaleuropäischen Rechtsordnungen verbieten eine Übernahme völlig, einige Länder erlauben sie bei vorheriger vertraglicher Vereinbarung oder anderen Einschränkungen. Soweit in verschiedenen Ländern die Möglichkeit einer Lex commissoria - unabhängig in welchem Verfahrensstadium - besteht, muss der übernehmende Gläubiger, wenn der Wert der Immobilie die noch ausstehende gesicherte Forderung übersteigt, dem Eigentümer einen Wertausgleich zahlen.8)

Auf EU-Ebene wurden außerhalb des Immobilienrechts Möglichkeiten für eine Übernahme des Pfandgegenstandes bei außerverfahrensmäßiger Verwertung von Mobiliarsicherheiten bei Gewerbefinanzierungen durch die Finanzsicherheitenrichtlinie erweitert (vergleiche § 1259 BGB). Grundsätzlich ist der Unterschied der Lex commissoria zur datio in solutum, dass bei der ersten der Gläubiger in der Vollstreckung das Recht hat, die Immobilie zu übernehmen (mit der Pflicht zum Wertausgleich), bei der zweiten wiederum hat der Schuldner die Möglichkeit, dem Gläubiger die Immobilie gegen dessen Willen aufzudrängen (mit Restschuldbefreiung).9)

2) "Non-Recourse"-Finanzierung. An verschiedenen Stellen nennt London Economics "Non-Recourse"-Finanzierungen als Instrument zum Verbraucherschutz.10) Bei einer Non-Recourse-Finanzierung (auch Projektfinanzierung) wird die Immobilienfinanzierung mittels einer rechtlich selbstständigen Projektgesellschaft verwirklicht. Dadurch wird die Haftung des Investors auf das in die Projektgesellschaft eingebrachte Kapital (Eigenkapital oder Gesellschafterdarlehen) begrenzt. Dies wird in der Praxis gleichwohl häufig ergänzt durch Garantien oder Bürgschaften des Investors zugunsten der Kreditgeber.11) Zudem sind solche Projektfinanzierungen im Gewerbekredit auf die Bedienung des Darlehens durch den Zahlungsstrom aus der Immobilie ausgerichtet, dessen Höhe und Nachhaltigkeit für die Entscheidung der Kreditgeber ausschlaggebend sind und somit entsprechenden Prüfungen unterliegt.12)

Übertragen auf eine Wohnungsfinanzierung bedeutet dies, dass der Verbraucher als Investor zunächst eine teure Struktur errichten müsste, um dann im Verwertungsfall der kreditgebenden Bank eine als Zweckgesellschaft strukturierte Wohnung ohne Zahlungsstrom zu überlassen, zudem ohne Restschuldbefreiung. Es handelt sich also um eine aufwendige, nur für große Finanzierungen gerechtfertigte Strukturierungsform mit zahlreichen, zum Beispiel steuerlichen Sonderfragen.

3) Erwerb durch den Gläubiger in der Verwertung. Vom freihändigen Übernahmerecht der Lex commissoria ist die Ersteigerung der Immobilie durch den betreibenden Gläubiger zu unterscheiden. Auch hier besteht die Gefahr, dass der Gläubiger die Gelegenheit nutzt und billig ersteigert. Dabei wird der Schuldner durch die Formalisierung des Verfahrens vor Manipulationen geschützt.13) In jedem Fall handelt es sich hierbei um eine selbstständige wirtschaftliche Entscheidung des Kreditgebers, bei der er selbst das Für und Wider eines Erwerbs in der Verwertung abwägen kann. Dies unterscheidet diese Erwerbsart von der datio in solutum, bei der die Aufdrängungsentscheidung vom Schuldner getroffen wird.

Vorarbeiten auf EU-Ebene

Auf europäischer Ebene wird bereits seit einiger Zeit an einer Richtlinie über Verbraucherhypothekenkredit gearbeitet. Mittlerweile befindet sich im Europäischen Parlament ein Entwurf für eine "Richtlinie 2013/.../EU des Europäischen Parlaments und des Rates über Wohnimmobilienkreditverträge für Verbraucher und zur Änderung der Richtlinie 2008/ 48/EG" im parlamentarischen Verfahren. Nach dem Stand vom 10. September 2013 enthält der Entwurf in Art. 28 Abs. 5 S. 1 eine Regelung, wonach "die Mitgliedstaaten die Parteien eines Kreditvertrags nicht daran hindern, sich ausdrücklich darauf zu einigen, dass die Rückgabe oder Übertragung der Sicherheit oder des Erlöses aus der Verwertung der Sicherheit als für die Tilgung des Kredits ausreichend angesehen wird".

Dabei kann in der Formulierung der "Übertragung der Sicherheit ... als für die Tilgung des Kredits ausreichend" ein Element einer datio in solutum gesehen werden. Allerdings wird diese Auslegung vom Europäischen Hypothekenverband (EHV) ausdrücklich abgelehnt. Vielmehr bestätige diese Regelung durch die Formulierung "die Parteien ... nicht daran hindern, sich ... darauf zu einigen" das bestehende Prinzip der Vertragsfreiheit, das es den Parteien erlaubt, besondere Bedingungen bilateral zu vereinbaren.14)

Die FSUG hat zur Frage eines besseren Schutzes von Verbrauchern vor Verschuldung die erwähnte Studie bei London Economics in Auftrag gegeben. Darin wird die datio in solutum als ein Instrument des Verbraucherschutzes angesehen. Eingeräumt wird, dass ein solches Institut Hypothekendarlehen für Verbraucher verteuern wird. Doch sollen die Vorteile, also im Wesentlichen die Restschuldbefreiung, diese Nachteile wieder aufwiegen.Vorgeschlagen als beste Praxis für die datio in solutum wird - ausgehend von der spanischen Regelung und mit dem Ziel, deren Schwächen zu vermeiden - Folgendes15):

- Die datio in solutum darf nicht vor der Einleitung eines Zwangsvollstreckungsverfahrens genutzt werden.

- Sobald der Verbraucher über die geplante Zwangsvollstreckung informiert wird, wobei der Gläubiger beweisen kann, dass er Anstrengungen unternommen hat, mit dem Schuldner eine gangbare Restrukturierung zu vereinbaren, die dieser nicht annahm16), soll der Schuldner (Verbraucher) die sofortige Möglichkeit der Anwendung der datio in solutum haben.

- Einzige Einschränkung soll die Begrenzung des Anwendungsbereichs der datio in solutum auf den Hauptwohnsitz des Schuldners und seiner Familie sein. Als ein letztes Mittel soll auch der Vollstreckungszugriff auf andere Vermögensgegenstände des Schuldners möglich sein.

- Ausnahmen auf Grundlage der Einkommenshöhe des Schuldners sollen nicht eingeräumt werden, da diese bereits vor der Vollstreckungssituation vom Gläubiger zu berücksichtigen waren. Im März 2013 hat die FSUG sich in einem Positionspapier zu den Ergebnissen von London Economics geäußert.17) Darin unterstützt sie die meisten Vorschläge, die London Economics hinsichtlich der datio in solutum vorgelegt hat, insbesondere, dass der Verbraucher die gerade genannte Möglichkeit der Anwendung der datio in solutum haben soll, auch wenn der Gläubiger beweisen kann, dass er Anstrengungen unternommen hat, mit dem Schuldner eine gangbare Restrukturierung zu vereinbaren, die dieser nicht annahm. Die FSUG sieht für diesen Bereich des Verbraucherschutzes die Notwendigkeit einer europäischen Vereinheitlichung und empfiehlt, dass dabei auch die datio in solutum als eine mögliche neue Lösung der Schuldenproblematik näher untersucht werden könnte.18)

Bedenken und Gegenargumente

Der EHV hat sich in einem Positionspapier19) vom 4. Juli 2013 kritisch mit den Argumenten der FSUG und London Economics auseinandergesetzt.20) Darin erläutert der EHV, dass die Ursachen für Verbraucherüberschuldung nach wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht nachlässige Kreditvergaben21) sind, sondern persönliche Unglücksfälle wie Arbeitslosigkeit, Scheidung oder Krankheit. Weiter wird ausgeführt, dass das in Europa übliche Schema des langfristigen Haltens des Darlehens ("originate to hold model") dazu führt, dass die Überprüfung der persönlichen Kreditwürdigkeit bereits heute im Mittelpunkt der Kreditprüfung steht, nicht die Überlegung, wie viel Erlös in einer Verwertung zu erzielen ist. Dies wird - so der EHV - auch ausdrücklich durch die neuen CRD IV-Regeln gefordert. Die Vollstreckung stellt für Banken regelmäßig nur die letzte, dabei auch kostspielige Möglichkeit dar.

Der EHV ist nachdrücklich der Meinung, dass die datio in solutum keine förderliche Maßnahme zum Schutz privater Darlehensnehmer ist, sondern im Gegenteil viele extrem negative Folgen mit sich bringen würde. Hingewiesen wird auf die negative Einschätzung der datio in solutum in Spanien durch internationale Experten.22) Gegen die datio in solutum sprechen zahlreiche Bedenken, die sich nach verschiedenen Problemkreisen gliedern. Je nach Erscheinungsform der datio in solutum kann den einzelnen Bedenken unterschiedliches Gewicht zukommen.23)

- Immobilien- und Hypothekenrecht. Die datio in solutum weicht fundamental von den in Europa üblichen Prinzipien der Eigentumsübertragung ab. So ist es allgemein notwendig, dass die Parteien einen Vertrag zur Übertragung abschließen und dass die Übertragung im Grundbuch oder einem vergleichbaren Register in einer Dritten gegenüber wirksamen Form eingetragen wird.24) Wenn die Immobilie mit weiteren Hypotheken zugunsten anderer Gläubiger belastet ist, würde eines der beiden Institute durch die datio in solutum in die Rolle eines Drittsicherheitengebers gedrängt werden - mit dem Risiko, in einer vom anderen Hypothekengläubiger angestrengten weiteren Zwangsvollstreckung die Immobilie zu verlieren.25)

Noch absurder ist der Situation in dem Fall, dass die Bank eine eigene andere Forderung mit einer anderen Hypothek abgesichert hat: In diesem Fall würde die Bank eine Forderung gegen einen Kunden mit einer Hypothek an einer eigenen Immobilie sichern. In diesen Fällen hätte die datio in solutum die wirtschaftliche Entwertung der Hypothek zur Folge.

Ebenso ist unklar, was mit den in vielen europäischen Ländern üblichen Grundpfandrechten geschieht, die alle Forderungen der Bank aus der Geschäftsbeziehung sichern, nicht nur die Immobilienfinanzierung ("all money charge"). Würden in diesem Fall bei der datio in solutum alle Forderungen erlöschen oder nur die Immobilienfinanzierungsforderung, die anderen Forderungen dafür aber ungesichert zurückbleiben?26)

Eine weitere Frage entsteht, wenn in einer günstigen weiteren Entwicklung der Marktwert der Immobilie die Höhe der ursprünglich gesicherten Forderung wieder übersteigt und die Bank somit bei einem Verkauf mehr Geld erhält, als sie ursprünglich ausgeliehen hatte. Soll dann an den ehemaligen Eigentümer ein Ausgleich gezahlt werden und falls ja, in welchem Zeitraum nach der Übernahme soll diese Verpflichtung bestehen?

- Steuer- und Abgabenrecht. Geregelt werden müsste zudem, wer die Kosten für die Übertragung zu entrichten und zu tragen hat. Zudem hätte die Übertragung zur Folge, dass die Bank die auf dem Grundstück lastenden Steuern und Abgaben zu übernehmen hätte.

27) - Bankrecht. Jede Reduzierung des Sicherungswertes der Hypothek kann zur Folge haben, dass das Grundpfandrecht nicht länger für eine privilegierte Risikogewichtung geeignet ist - mit unabsehbaren Folgen für den Eigenkapitalbedarf der Banken in Europa.28) Zudem müsste eine Bank für eine ordnungsgemäße Geschäftstätigkeit einen ausreichend eingerichteten Betrieb für die Verwaltung der aufgedrängten Immobilien vorhalten - ohne zu wissen, in welchem Umfang ihr künftig Immobilien aufgedrängt werden. Zu berücksichtigen ist ebenfalls, dass der Bank auch beschädigte, eventuell nicht benutzbare Immobilien sowie mögliche Altlasten einseitig übertragen werden können. Fraglich wäre dann zum Beispiel deren Behandlung bei der Eigenkapitalgewichtung.

- Verteuerung von Wohnungsfinanzierungen. Die Kosten für den Gläubiger aus der Einführung eines datioinsolutum-Systems können nicht geschätzt werden. Das bedeutet nichts anderes, als dass auch die Kosten für den Darlehensnehmer nicht zu schätzen sind.29) Zwar könnten auch bei Wohnungsfinanzierungen Strukturen entwickelt werden, die einen Rückgriff auf den vollstreckungsrechtlich begünstigten Verbraucher ausschließen und damit die Finanzierungskosten erhöhen, wie dies in der Gewerbefinanzierung bereits heute üblich ist ("Non-Recourse"). Aber abgesehen von der Verteuerung aufgrund der Risikoerhöhung für die Bank durch die mögliche Restschuldbefreiung müsste der Schuldner hier zusätzlich die Kosten für die Errichtung der entsprechenden Strukturen tragen.

- Verbriefungen. Wird das fragliche Darlehen für eine Verbriefung genutzt, könnte die überraschende und für Investoren sicher unbefriedigende Situation entstehen, dass die Einzweckgesellschaft, die eigentlich nur die gesicherte Forderung halten soll, plötzlich Eigentümer von Immobilien wird und deren Verwaltung übernehmen beziehungsweise eine weitere Gesellschaft damit beauftragen muss.30) Die datio in solutum wirkt sich also verteuernd auf solche Strukturen aus - und damit indirekt auch auf die verbrieften Wohnhypothekenkredite.

- Covered Bonds. Die datio in solutum würde die Deckungsfähigkeit von Wohnungshypothekenkrediten für Covered Bonds in Frage stellen. Ein starker Rückgang der deckungsfähigen Hypothekendarlehen würde das bestehende Refinanzierungsmodell untergraben. Zudem hätte dies einen Anstieg der Verwaltungskosten für die Deckungsmasse bei wohl gleichzeitigem Anstieg der von den Investoren erwarteten Verzinsung zur Folge. Hypothekendeckungswerte, die mit einer datio in solutum belastet sind, zögen sicher höhere Überdeckungsanforderungen der Ratingagenturen für Covered Bonds nach sich. All dies wirkte sich verteuernd auf die durch Covered Bonds refinanzierten Wohnungshypothekenkredite aus, ginge also zulasten der Verbraucher.

Runder Tisch beim vdp

Inzwischen hat der runde Tisch "Grundpfandrechte" beim Verband deutscher Pfandbriefbanken auch die datio in solutum in seine Überlegungen aufgenommen. Zu erwarten ist, dass die Einführung eines solchen Instruments - in welcher Form auch immer - eine Verschlechterung der Bewertung des Komplexes "Verwertung aus der Hypothek" und über diesen wichtigen Bereich auch in der Gesamtbewertung der jeweiligen Rechtsordnung haben wird.

Festzustellen ist im Ergebnis, dass der Einführung einer datio in solutum aus Sicht der Banken, aber über erhöhte Kosten und den erschwerten Zugang zu Hypothekenfinanzierungen auch aus Sicht der Verbraucher erhebliche Bedenken entgegenstehen. Eine datio in solutum kann zudem auch für die Länder, die sie einführen, eine Erhöhung der Länder-Risikoprämie nach sich ziehen, gefolgt von einer langsameren Entwicklung von Immobilienmarkt und Bausektor in diesen Ländern.31)

Dem EHV ist zuzustimmen, dass die bisherigen Studien auf Kosten-Nutzen-Analysen aus der Verbraucherperspektive basieren. Sollten die Pläne für eine datio in solutum fortgeführt werden, sind umfangreiche Untersuchungen zu allen Kosten, auch denen der kreditgebenden und gegebenenfalls emittierenden Institute, der notwendigen Änderungen des Rechtsrahmens (unter Berücksichtigung sonstiger Auswirkungen) sowie der makroökonomischen Folgen unumgänglich.

Ebenfalls nicht außer Acht gelassen werden darf die moralische Versuchung, die durch eine zu einseitige Belastung der Kreditgeber, gerade in Zeiten eines wirtschaftlichen Abschwungs, auch für zahlungsfähige Schuldner besteht, sich von den Verbindlichkeiten durch Aufdrängung der Immobilie auf die Bank zu befreien.32) Richtig und in der Praxis üblich sind Maßnahmen, mit denen bereits heute Banken Kreditnehmer, die in Schwierigkeiten geraten sind, unterstützen. Dazu gehören der zeitweilige Aufschub von Tilgungs- und/oder Zinszahlungen, Anpassung von Zinsen, Verlängerung der Fälligkeit oder veränderte Rückzahlungsbedingungen.33)

Eine weitere Möglichkeit im Falle der Überschuldung von Privathaushalten ist die Privatinsolvenz. Ein solches Verfahren bietet die Möglichkeit der (Re-) Strukturierung der Verbindlichkeiten einer natürlichen Person, die anteilige Befriedigung von dessen Gläubigern und gegebenenfalls eine Restschuldbefreiung. Dieses Instrument schützt damit die Interessen des Schuldners, setzt aber anders als die datio in solutum keine falschen Anreize.

Allgemein ist hinzuzufügen, dass die Frage des notwendigen Schutzes von Bürgern vor Ausweisung aus Wohnungen mit nachfolgender Obdachlosigkeit ist und nicht mit Mitteln des Zivil- oder Vollstreckungsrechts gelöst werden sollte.34)

Fußnoten

1) London Economics: "Personal bankruptcy, datio in solutum of mortgages, and restrictions on debt collection abusive practices", Dezember 2012.

2) London Economics, S. 6.

3) London Economics, S. 106.

4) So die aktuellen - noch nicht veröffentlichten - Kenntnisse des runden Tisches "Grundpfandrechte" beim Verband deutscher Pfandbriefbanken, Berlin (vdp).

5) In Russland war eine entsprechende Vereinbarung nach Pfandreife möglich (Lassen, Tim: Die Hypothek nach russischem Recht als Kreditsicherungsmittel, Berlin 2007 (Bd. 30 der vdp-Schriftenreihe), S. 170 f., im Folgenden: Lassen, Hypothek), wurde aber mit einer Gesetzesänderung 2008 abgeschafft (ders., Reformen im russischen Recht: Stärkung der Pfandgläubiger, WiRO, 2009, S. 323, im Folgenden: Lassen, Reformen).

6) Lassen, Hypothek, S. 179 f., ders., Reformen, S. 325.

7) Folgerichtig stellt London Economics, S. 204 ("Right to cancel mortgage debt") dann auch fest, dass bei einer solchen Lösung die datio in solutum für den Schuldner keine weiteren Vorteile hätte.

8) Zu verschiedenen Möglichkeiten und ihrer Verbreitung in Europa siehe Stöcker, Otmar M./Stürner, Rolf: Flexibilität, Sicherheit und Effizienz der Grundpfandrechte in Europa - Band III, 3. A. Berlin 2012 (Bd. 50 der vdp-Schriftenreihe), S. 88, im Folgenden: Stöcker/Stürner.

9) Allerdings sind - wie zum Beispiel bei der Quasidatio in solutum in Russland - auch Formen denkbar, die juristisch eine Lex commissoria darstellen, in den wirtschaftlichen Auswirkungen für den Gläubiger aber einer datio in solutum gleichkommen.

10) Dafür wird als Beispiel die Lage in den USA genannt, vergleiche zum Beispiel London Economics, S. 201, 212. Kritisiert wird, dass eine solche Gestaltungsmöglichkeit nicht allen Verbrauchern offen steht (London Economics, S. 107).

11) Siebel, Ulf R./Röver, Jan-Hendrik/Knütel, Christian: Rechtshandbuch Projektfinanzierung und PPP, 2. A. Köln - München 2008, S. 500, Nr. 1642 (Bearb.: Knütel). Deutlicher wird noch in Nr. 1644 erläutert, dass Kreditgeber häufig nicht bereit sind, auf jedwede Personalsicherheit zu verzichten.

12) Siebel/Röver/Knütel - Knütel, S. 501, Nr. 1646 f. Vergleiche dazu entsprechende Definitionen für "Spezialfinanzierung" in § 81 SolvV sowie Art. 147 Abs. 8 der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen ("CRR").

13) Stöcker/Stürner, S. 90 f.

14) Presseerklärung des EHV vom 18. September 2013 "EMF Clarifies Misleading Reports on Impact of the Mortgage Credit Directive" und Johnson, Jennifer: Mortgage Credit Directive: Final adoption delayed; EMF Mortgage.Info 09.2013, S. 1 f.

15) London Economics, S. 210 f., S. 214.

16) "the borrower's failure to comply".

17) FSUG Position Paper on the "Study on means to protect consumers in financial difficulty: personal bankruptcy, datio in solutum of mortgages, and restrictions on debt collective abusive practices". Im Folgenden: FSUG.

18) FSUG, S. 3, Nr. 8; S. 5, Nr. 11.

19) EMF Response to FSUG Position Paper on the London Economics Study on Means to Protect Consumers in Financial Difficulty. Im Folgenden: EHV. Vergleiche auch die Presseerklärung des EHV vom gleichen Tag zu diesem Thema sowie Johnson, Jennifer: EMF Responds to FSUG; EMF Mortgage.Info 07/08.2013, S. 4.

20) Auch der Europäische Bankenverband (European Banking Industry Committee, EBIC) hat sich mit seinem in vielen Punkten gleichlautenden Positionspapier "Final EBIC Response to FSUG Position Paper vom 18. September 2013 kritisch zu den Ergebnissen der FSUG und von London Economics geäußert.

21) "Irresponsible lending", EHV, S. 3 f.

22) EHV, S. 4-6, 8, 10 mit weiteren Nennungen.

23) Einige der folgenden Bedenken werden auch von London Economics, S. 253 f. angerissen, allerdings ohne sie zu beantworten. Ebenso werden einiger dieser Punkte auch vom EHV, S. 9-11 kritisch angeführt.

24) Stöcker/Stürner, S. 39 f. Die Einschätzung als Problem wird vom EHV, S. 9, Pkt. 2 geteilt. Als Lösung dieser Problematik nennt London Economics, S. 253 eine grundlegende Neufassung ("fundamental rewriting") der europäischen Gesetzbücher und des Hypothekenrechts.

25) Als Lösung könnte angeführt werden, dass sich der andere Gläubiger an der ersten Zwangsvollstreckung beteiligen soll und das Eigentum dann beiden Gläubigern aufgedrängt werden kann. Aber zu welchen Anteilen? Soll auch das bisherige Rangverhältnis berücksichtigt werden?

26) Gesehen wird von London Economics, S. 211 immerhin, dass eine datio in solutum solche anderen Darlehen verteuern würde.

27) Nach London Economics, S. 212 sollen die Eintragungsgebühren vom Gläubiger oder gar vom Staat ("Government"), also dem Steuerzahler getragen werden. Nicht vergessen wird dort der Hinweis, dass in Ländern mit nicht aktuellen Registrierungssystemen oder im US-Non-Recourse-Markt diese Kosten nicht anfallen. Augenscheinlich bedeutet dies Konsumentenschutz durch Inkaufnahme von Rechtsunsicherheit.

28) Der EHV, S. 9, Pkt. 1 erläutert, dass dies nach CRD IV zu höheren Kapital- und Liquiditätsanforderungen führen würde.

29) Der EHV, S. 9, Pkt. 3 greift dieses Argument ebenfalls auf. London Economics, S. 210, S. 212 räumt dies ein.

30) Diese Probleme werden auch von London Economics, S. 254 gesehen, aber keine Lösung vorgeschlagen.

31) EHV, S. 9, Nr. 4.

32) Sogenannter "moral hazard", vergleiche EHV, S. 10 f. mit weiteren Nennungen.

33) Vergleiche EHV, S. 5.34) Ebenso EHV, S. 11.

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