Im Blickfeld

Deutsche Wohnen - wo bleibt die Story?

Die Börse liebt Fantasie. Wer auf dem Parkett eine vielversprechende Story zu bieten hat, darf sich großen Interesses und hoher Wertschätzung erfreuen. Umso bedauerlicher ist, dass der Deutschen Wohnen nicht viel mehr einfällt, als den Wettbewerber GSW übernehmen zu wollen. Damit steht das Unternehmen jedoch nicht allein da. Vielmehr reiht es sich in den Kreis der börsennotierten Bestandshalter ein, die in der Flucht internationaler Investoren in deutsche Mietwohnungen eine Bestätigung der eigenen Managementqualitäten wähnen. Tatsächlich greifen Kapitalanleger, wenn sie denn hiesige Immobilienaktien ins Portfolio nehmen wollen, derzeit immer noch eher zu Wohnungen als zu Gewerbeliegenschaften.

Allerdings besteht kein Anlass zum Schulterklopfen. Bekanntlich sind deutsche Immobilien nur deshalb so gefragt, weil erstens kaum eine andere Kapitalanlage bei vergleichbarem Risiko ähnlich attraktive Renditen bietet. Zweitens machen Volkswirtschaft und Staatshaushalt Deutschlands einen im internationalen Vergleich noch recht soliden Eindruck. Drittens sorgen extrem niedrige Zinsen dafür, dass die Fremdkapitalaufnahme äußerst günstig ist und viertens finanzieren die Banken Mehrfamilienhäuser auch noch an den Standorten, wo sie für Gewerbeimmobilien schon keinen Kredit mehr geben.

Wer in deutsche Wohnungen investiert, bekommt vor allem Sicherheit. Verglichen mit der Industrie bietet das Management von Mietverträgen relativ wenig Wachstums- und erst recht kaum Innovationspotenzial. Dass Wohnen in Deutschlands Ballungsräumen und Universitätsstädten teurer wird, ist hinreichend belegt. Demografische Effekte wie der zunehmende Wohnraumbedarf pro Person haben dazu ebenso beigetragen wie die Vernachlässigung der Neubauförderung durch die Politik oder der Abgang von vermeintlich unrentablen Wohnungsbeständen nach Privatisierungen.

Die möglichen Wachstumspotenziale der gewerblichen Wohnungswirtschaft sind also vor allem durch externe und weniger durch interne Faktoren getrieben. Gewiss ist in einst öffentlichen Wohnungsbeständen nach der Privatisierung einiges optimiert worden. Das fängt bei der Investition in IT-Systeme an, geht über die Neuordnung der Bankverbindlichkeiten und hört beim Einkauf von Facility Management und Energie noch lange nicht auf. Doch zum einen hat es diesen Wandel nicht nur in den privaten, sondern auch in öffentlichen Unternehmen gegeben, und zum anderen sind die Potenziale der internen Effizienzsteigerung endlich oder zumindest mit Mehrkosten verbunden, die zum möglichen Mehrertrag in keinem wirtschaftlich wünschenswerten oder nachhaltigen Verhältnis stehen.

Sobald die Möglichkeiten der internen Optimierung ausgereizt sind, wird es für börsennotierte Wohnungsvermieter schwierig, eine attraktive Story zu liefern. Produktionssteigerung durch Neubau ist in den Zuzugsregionen zwar vielversprechend, doch wegen der knappen und teuren Grundstücke sehr schwierig. Also werden Bestandswohnungen zugekauft. Doch auch die sind wegen der hohen Nachfrage teuer. Mit einer Ausnahme: In Aktiengesellschaften verpackte Wohnungsportfolios werden an der Börse noch relativ günstig gehandelt. So bewertet die Deutsche Wohnen die GSW um 15,4 Prozent besser als deren Börsenkurs. Die Anteilseigner der GSW freute es, zog die Aktie nach Bekanntgabe des Übernahmeangebots von 31,50 Euro auf 34,35 Euro in der Spitze an. Dagegen verlor die Aktie der Deutschen Wohnen binnen eines Tages etwa sechs Prozent.

Zumindest an der Börse findet die Strategie "Wachstum durch Übernahme" also keine Zustimmung. Dabei rechnet die Deutsche Wohnen vor, dass sie mit 25 Millionen Euro Integrationskosten nach insgesamt 24 Monaten jährliche Synergiepotenziale in Höhe von 25 Millionen Euro realisieren könne. Neben der eigenen Verwaltung und der Bestandsbewirtschaftung sollen vor allem das Facility Management, die Versicherungen und der Energieeinkauf besser skaliert werden. Damit sollen sich die operativen Erträge (FFO) je Aktie im mittleren einstelligen Prozentbereich verbessern. Außerdem erhofft sich das Management der Deutschen Wohnen von der neuen Größe eine noch bessere Wahrnehmung an den internationalen Kapitalmärkten.

Mit der Strategie ist die Deutsche Wohnen nicht allein. Es findet ein regelrechter Wettlauf statt, welche der börsennotierten Wohnungsgesellschaften am schnellsten wächst und die größte Marktkapitalisierung ausweist. Doch passen der Drang nach Größe und der Anspruch, in Europas erster Liga spielen zu wollen, zum relativ kleinen Markt der deutschen Immobilienaktien? Die IVG, die sich noch vor wenigen Jahren als das größte deutsche Immobilienunternehmen an der Börse feierte, dieser Tage aber Insolvenzantrag stellen musste, mahnt, Ambitionen und Möglichkeiten realistisch einzuschätzen.

Einen andern Weg geht dagegen Patrizia Immobilien. Sie verkauft ihre Bestände zu einem Zeitpunkt, in dem die Nachfrage und die Preise hoch sind, und bietet stattdessen ihre Kernkompetenz - das Asset Management großer Immobilienbestände - institutionellen Kapitalanlegern an. Dabei sichert sich die Gesellschaft ihre Mandate, indem sie als Co-Investor fungiert und dafür die Gewinne nutzt, die aus dem Verkauf der Bestands objekte erzielt wurden. Im Ergebnis managt das Augsburger Unternehmen wesentlich mehr Wohnungen, als es selbst je hatte oder aus eigener Kraft hätte kaufen können. Und in der Anbindung neuer Investoren liegen noch gewaltige "Produktionspotenziale". Daran sollten sich Deutsche Wohnen und Co. mehr orientieren als an Unternehmen in völlig anderen Immobilienmärkten. L.H.

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