Erst der Anfang?

Das Streben nach Größe in der deutschen Wohnungswirtschaft erreicht eine neue Dimension. Wenn im kommenden Jahr der beschlossene Zusammenschluss von Gagfah und Deutscher Annington tatsächlich vollzogen wird, entsteht mit rund 350 000 Wohnungen im Wert von 21 Milliarden Euro nicht nur ein "nationaler Champion", wie es die Beteiligten betont haben, sondern ein europäischer Gigant. Dieser wird nur noch von der französischen Unibail-Rodanco Gruppe übertroffen, die allerdings nicht in Wohnungen, sondern Büros und Shoppingcentern macht.

Diesen Aufstieg lässt sich die Bochumer Annington rund 3,9 Milliarden Euro kosten. Sie bietet den Gagfah-Aktionären für jeweils 14 Aktien 122,52 Euro in bar sowie fünf Aktien der neuen Deutschen Annington-Gagfah. Damit zahlt sie jeweils die Hälfte in bar und in eigenen Aktien. Das Angebot an die Gagfah-Aktionäre lag mit rund 18 Euro um gut 16 Prozent über dem letzten Schlusskurs vor der Übernahmeankündigung. Finanziert wird die Übernahme etwa zur Hälfte durch eine bereits genehmigte Kapitalerhöhung bei Annington. Für den Rest stellt JP Morgan einen Brückenkredit zur Verfügung. Bis zum 21. Januar 2015 muss sich entscheiden, ob sich die Gagfah-Aktionäre gewinnen lassen. Voraussetzung für das Zustandekommen der Übernahme ist eine Annahmequote von mehr als 50 Prozent.

Die Konzernspitzen der beiden Gesellschaften - der heutige Annington-Chef soll künftiger Vorstandsvorsitzender der neuen Gesellschaft werden, der jetzige Gagfah-Chef sein Stellvertreter - erhoffen sich durch den Zusammenschluss jährliche Synergien von 84 Millionen Euro. Sie sollen einerseits aus dem operativen Geschäft stammen, etwa aus wegfallenden Doppelspurigkeiten oder Zusammenarbeiten in den Bereichen Bewirtschaftung, Einkauf, Bestandsmanagement und Dienstleistungen. Andererseits rechnen die Unternehmen nach dem Zusammenschluss aber auch mit günstigeren Finanzierungsbedingungen. Da die Kapitalstruktur der kombinierten Gesellschaft möglicherweise ein besseres Kreditprofil ausweisen werde als die bestehende, könnte das zu einer vorteilhafteren Bonitätseinschätzung durch die Rating-Agenturen führen, schrieb Annington in einer Stellungnahme.

Branchenbeobachter gehen nun davon aus, dass eine Konsolidierungswelle unter den deutschen Immobiliengesellschaften einsetzen wird. Erst vor einem Jahr hat die Deutsche Wohnen, Nummer 2 der Branche hinter der Deutsche Annington, die Berliner GSW Immobilien geschluckt. Im Frühjahr hat sich die Annington schon die Wohnungs-Portfolios von Dewag und Vitus einverleibt. Nun wird mit weiteren Übernahmen gerechnet, vor allem die LEG Immobilien wird immer wieder genannt.

Ein solcher Schritt ruft aber natürlich auch Kritiker auf den Plan: So hofft der Deutsche Mieterbund fast schon vorhersehbar, dass die Ankündigungen von Annington-Chef Rolf Buch nicht nur Leerformeln bleiben, sondern künftig verstärkt in die Instandsetzung und Instandhaltung investiert wird. Das sei dringend notwendig, da bei vielen Wohnungsbeständen der Annington noch immer großer Investitionsstau herrsche und die Mieter teils mit schwerwiegenden Mängeln zu kämpfen hätten. Und auch die Politik ist skeptisch. So schreibt Linken-Vize-Fraktionsvorsitzende Sahra Wagenknecht in einem Kommentar für Wallstreet Online: "Wenn zwei riesige Miethaie wie Gagfah und Annington fusionieren, werden nicht nur die enormen Kosten der Übernahme von 3,2 Milliarden Euro auf die Mieterinnen und Mieter abgewälzt, sondern die betroffenen Hausbewohner in NRW sind anschließend auch noch der enormen Marktmacht des zukünftig zweitgrößten europäischen Wohnungskonzern ausgeliefert. Das Bundeskartellamt ist daher aufgerufen, die geplante Fusion zum Schutz der Mieterinnen und Mieter zu verhindern.

Bereits jetzt stehen beide Wohnungskonzerne massiv in der Kritik, lediglich die Mieten abzukassieren und ihre Wohnungen verkommen zu lassen. So wurde in einem kürzlich bekannt gewordenen internen Strategiepapier der Annington skizziert, wie Mieter im Falle von dringend notwendigen Reparaturen abgewimmelt werden sollen. Wenn die Annington investiert, dann mit dem Ziel, anschließend die Mieten erhöhen zu können. Während die Finanzinvestoren der börsennotierten Unternehmen den großen Reibach machen, bleiben die Normal- und Geringverdiener bei dieser Wohnungspolitik auf der Strecke."

Wer aber an den internationalen Kapitalmärkten mitspielen will, muss sich deren Regeln unterwerfen. Und dazu gehört in allererster Linie eine gute Story - immer und immer wieder auf das Neue. Red.

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