Im Blickfeld

Commerzbank als Interhyp-Filiale

Je mehr das Onlinebanking an Bedeutung gewinnt, desto näher rückt das Ende der Bankfiliale, prophezeien Markt- und Konsumforscher. Allenfalls bei komplexeren Anlageprodukten und Baufinanzierungen würden sich die Kunden noch persönlich zum Bankschalter bemühen.

Dass die meisten privaten Immobilienkäufer zwar Konditionen bevorzugt im Internet vergleichen, vor dem konkreten Abschluss jedoch gerne von Angesicht zu Angesicht mit dem Berater sprechen möchten, haben auch webbasierte Hypothekenbroker längst gemerkt. Was sie in ihrem Online-Schleppnetz an Finanzierungsanfragen einfangen, wird bislang an die eigenen Geschäftsstellen weitergeleitet, die allerdings rar gesät sind.

Wie wäre es, die Angebotsvielfalt eines Hypothekenbrokers mit der Nähe einer Filialbank zu verbinden? Interhyp und Commerzbank haben diese Kombination seit Dezember 2011 in Hamburg und Schleswig-Holstein getestet. Durchaus erfolgreich, denn allein im ersten Quartal 2012 stieg das Neugeschäft an privaten Baufinanzierungen, das an den Com-merzbank-Schaltern in beiden Bundesländern abgeschlossen wurde, um rund 20 Prozentpunkte stärker als im Bundesdurchschnitt.

Davon geht zwar nur ein Teil in die Bücher der Commerzbank, doch partizipiert das Kreditinstitut bei den für Wettbewerber abgeschlossenen Produkten an den Vermittlungsprovisionen. Wie diese zwischen der Interhyp und der Commerzbank aufgeteilt werden, erfährt der Kunde nicht. Zumindest die Bankberater werden an der Provision nicht direkt beteiligt, auch Absatzvorgaben für einzelne Produkte gibt es seit Jahresbeginn in dem Kreditinstitut nicht mehr. Vielmehr sind die Profitabilität der gesamten Filiale, das Wachstum des vermittelten Volumens, zum Beispiel der Baufinanzierungen, und die Kundenzufriedenheit ausschlaggebend für die erfolgsabhängige Vergütung.

Auf diese Weise soll sichergestellt werden, dass die Berater auch Produkte von Wettbewerbern unabhängig vermitteln. Es muss jedoch dahingestellt bleiben, ob in jedem Fall die Qualität der Beratung gewährleistet ist. Baufinanzierungen sind immer ein individuelles und darum beratungsintensives Geschäft, das sich bisher allen weitergehenden Standardisierungsbemühungen widersetzt hat. Neben der Vielzahl eigener Bankprodukte werden die Kundenberater in den Filialen der Commerzbank künftig noch die Baufinanzierungsangebote von mehr als 250 regionalen und überregionalen Anbietern im Detail kennen und erklären müssen, wenn sie wirklich umfassend beraten wollen.

Sollte die "Beratung" lediglich darin bestehen, die Eingabemaske der Interhyp zu befüllen oder - wie bei den Hypothekenbrokern üblich - sich auf Auswahl des Anbieters mit den niedrigsten Zinsen reduzieren, braucht es keine Filialbank, denn das bietet schon das Internet. Von einer Filialbank erwartet der Kunde mehr. Von daher kann dieser Schuss nach hinten losgehen. L. H.

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