Immobilienbanken 2007

Chancen und Grenzen der Margengestaltung

Wie viel lässt sich in der privaten Immobilienfinanzierung überhaupt noch verdienen? Diese Frage beschäftigt die Kreditwirtschaft in ganz Europa immer mehr, denn die Margen sinken. Allein in den letzten vier Jahren sind die Margen europaweit im Durchschnitt um 30 Basispunkte zurückgegangen. Dies ist das Ergebnis einer aktuellen Untersuchung zur Margenentwicklung auf den europäischen Immobilienfinanzierungsmärkten, die Mercer Oliver Wyman im Auftrag des Europäischen Hypothekenverbandes durchgeführt hat.

Am niedrigsten sind die Margen in Deutschland. Bereinigt um Risikokosten, Entgelte für Vorfälligkeitsentschädigungen und andere Positionen liegt die Zinsmarge hier bei durchschnittlich 0,35 Prozent. 2003, als der Europäische Hypothekenverband erstmals die Margen in Europa analysieren ließ, lag die Zinsmarge in Deutschland noch bei 0,70 Prozent. Damit hat sich die Gewinnspanne für die deutschen Immobilienfinanzierer in knapp vier Jahren halbiert.

Ursachen des Margenrückgangs

Es sind vor allem drei Entwicklungen, die es den deutschen Kreditinstituten in der privaten Immobilienfinanzierung heute schwerer machen, auskömmliche Margen zu erzielen.

- Erstens stagniert das Marktvolumen in der privaten Immobilienfinanzierung. Seit Ende 2003 ist der Gesamtbestand der in Deutschland vergebenen Wohnungsbaukredite lediglich um 2,9 Prozent gestiegen. In den Jahren 2000 bis 2003 gab es immerhin noch ein Wachstum von insgesamt 5,1 Prozent, so die Zahlen der Deutschen Bundesbank. Im gesamten Euro-Raum erhöhten sich dagegen die Bestände der Wohnungsbaukredite an private Haushalte nach Angaben der EZB zwischen 2003 und 2006 um rund 36 Prozent. Mit solchen Wachstumsraten ließen sich auch in Deutschland höhere Erträge realisieren.

Ein wesentlicher Grund für das ausbleibende Wachstum ist die zurückhaltende Bautätigkeit. Seit Beginn dieses Jahrzehnts werden in Deutschland nur noch etwa halb so viel Wohnungen und Häuser genehmigt beziehungsweise fertig gestellt wie Mitte der Neunziger Jahre. So entsteht eine immer größere Bedarfslücke, der in den kommenden Jahren eine wachsende Nachfrage gegenüberstehen wird. Denn die meisten Bundesbürger wollen im eigenen Heim leben. Ein Wunsch, der durch den demografischen Wandel unserer Gesellschaft künftig noch mehr Nachdruck erhält, da die selbstgenutzte Immobilie ein Schlüsselfaktor der privaten Altersvorsorge ist.

- Der steigende Bedarf macht den deutschen Markt attraktiv. Aus diesem Grund herrscht zweitens ein äußerst harter Wettbewerb in der privaten Immobilienfinanzierung. Neue Anbieter wie Direktbanken, Maklervertriebe und ausländische Institute drängen mit aller Kraft in den Markt, um die Kunden für sich zu gewinnen. Die klassischen Anbieter werden dadurch besonders herausgefordert. Als Ankerprodukt sind private Immobilienfinanzierungen für sie wegen der langfristigen Kundenbindung von besonderer strategischer Bedeutung. Weil kein Kreditinstitut auf dieses Geschäft verzichten kann, verschärft sich der Wettbewerb zusehends und drückt weiter auf die Margen.

- Drittens hat sich die Preistransparenz deutlich erhöht. Die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien - vor allem das Internet -, aber auch Immobilienvermittler, die auf der Grundlage der neuen Technologien umfangreiche Preisvergleiche anbieten, haben bislang nicht gekannte Informationsmöglichkeiten geschaffen. Es ist kein Wunder, dass die Kunden daraufhin erheblich preissensibler geworden sind. Wer die günstigsten Konditionen selbst suchen kann oder sich suchen lässt, will diese natürlich auch bekommen.

Kürzere Kreditlaufzeiten

Gerade die neuen Anbieter im Markt setzen bei dem ausgeprägten Preisempfinden der Kunden an und versuchen, mit aggressivem Marketing und Rabattschlachten Marktanteile zu erobern. Dauerhaft lassen sich solche Markteintrittsstrategien sicher nicht durchhalten. Dies gilt besonders für Angebote, die unterhalb des Zinsniveaus risikofreier Kapitalanlagen liegen und die seit einiger Zeit immer wieder auftauchen.

Durch die aggressiven Konditionen mancher Anbieter sind allerdings die Preise für Immobilienfinanzierungen in Bewegung gekommen - und zwar nicht nur in Deutschland, sondern auch in allen anderen großen europäischen Immobilienmärkten wie Frankreich, Großbritannien, Italien oder die Niederlande. In Großbritannien hat dies sogar dazu geführt, dass die Kunden ihren Kredit immer kürzer behalten, um zwischenzeitlich günstigere Konditionen auszunützen. Laut der eingangs genannten Studie des Europäischen Hypothekenverbandes wurde im Jahr 2003 erwartet, dass die britischen Kunden einen Immobilienkredit im Schnitt sechs Jahre behalten. Im Jahr 2006 waren es nur noch vier Jahre.

Es ist davon auszugehen, dass die veränderten Rahmenbedingungen Bestand haben, sich sogar weiter verfestigen werden. Der deutsche Immobilienfinanzierungsmarkt als Ganzes ist funktionstüchtig und hoch attraktiv, das wird den Wettbewerb weiter intensivieren. Auch werden die Informationsmöglichkeiten der Kunden noch mehr zunehmen; die Preisgestaltung wird also noch transparenter werden. Der Druck auf die Margen wird damit anhalten.

Bislang konnten die Immobilienfinanzierer den Margenrückgang teilweise durch Effizienzsteigerungen ausgleichen. Die Kalkulations- und Steuerungsverfahren wurden deutlich verbessert. Diese Möglichkeiten sind inzwischen weitgehend ausgeschöpft. Das zeigt das von Basel II geforderte risikoadjustierte Pricing, durch das die Kreditvergabe fairer werden soll, weil der Preis nun exakt der Bonität des Kunden entspricht.

Die praktischen Auswirkungen aber werden überschaubar bleiben. Es werden sich wohl die Preise zwischen Prime- und Subprime-Segment spreizen. Innerhalb des nicht risikorelevanten Geschäfts mit Kunden guter Bonität und bei moderaten Beleihungsausläufen werden aber nur wenige Risikoabstufungen erforderlich sein. Daraus können sich keine zusätzlichen Preisspielräume zur Margengestaltung ergeben.

Mehr Preistransparenz, aber weniger Preiskenntnis

Dennoch bleibt die Preisgestaltung ein Ansatzpunkt, um wieder höhere Margen erzielen zu können. Das liegt an einer auf den ersten Blick widersprüchlichen Entwicklung: Die Preistransparenz nimmt zu und zugleich nimmt die Preiskenntnis der Kunden ab. Dafür gibt es zwei Gründe.

Zum einem gab es vor gut zehn Jahren gerade einmal eine Handvoll von Produkten. Heute lassen sich Zinsbindungen, Tilgungssätze, Beleihungsausläufe, Sondertilgungsoptionen und weitere Angebote zu einer Vielzahl von Produktvarianten kombinieren. In diesem Produkt-Dschungel können die Kunden trotz der Informationsmöglichkeiten des Internets kaum die Übersicht behalten und nicht stets den günstigsten Preis wissen.

Zum anderen sind die Preise in der Regel nur noch für kurze Zeit gültig. Während früher die veröffentlichen Konditionen oft über Wochen Bestand hatten, werden sie heute zum Teil täglich angepasst. Dies macht es den Kunden nahezu unmöglich, eine genaue Vorstellung zu entwickeln, was günstig und was teuer ist.

Selbst nach einem preisgünstigen Produkt zu suchen, das genau auf die eigenen Bedürfnisse zugeschnitten ist, führt deshalb meist in die Sackgasse. Dies haben die Kunden erkannt und sie erwarten deshalb von den Anbietern eine professionelle Beratung. Marktforschungsergebnisse zeigen, dass die Kunden gerade bei komplexen Produkten wie einer Baufinanzierung nicht allein auf den Preis achten. Der Preis ist für sie ein wichtiges, aber nicht das einzig entscheidende Kriterium. Sie wollen in einer klaren Finanzierungssituation ein optimales Angebot zu einem guten Preis-Leistungs-Verhältnis. Das macht eine hohe Beratungs- und Betreuungsqualität in der privaten Immobilienfinanzierung so wichtig.

Standardprodukte verlieren an Bedeutung

Die mit preisaggressiven Konditionen hart umkämpften klassischen Standardfinanzierungen werden aus diesem Grund immer weniger den tatsächlichen Bedürfnissen der Kunden gerecht. Sie sind zu fest an bestimmte Parameter gebunden und damit zu wenig flexibel. Diese Mängel können auch besonders preisgünstige Konditionen nur bedingt ausgleichen.

Hinzu kommt: Weil Standardprodukte charakteristische und unveränderliche Eigenschaften aufweisen, sind sie direkt vergleichbar und unterliegen einem hohen und ständig steigenden Preisdruck. Ähnliches ist beim Handel mit Rohstoffen zu beobachten. Reine Rohstoffproduzenten sind in hohem Maße von den Schwankungen des Weltmarkpreises abhängig. Hingegen können für veredelte Produkte höhere und stabilere Preise verlangt werden. Nicht viel anders verhält es sich im Markt für private Immobilienfinanzierungen. Anbieter, die sich auf Standardprodukte spezialisiert haben, sind vom Rückgang der Margen deutlich stärker betroffen.

Der hohe Preisdruck, der auf den Standardprodukten lastet, führt zudem bereits heute zu einer Verschiebung der Umsatzverteilung in der privaten Immobilienfinanzierung. Die klassische Regel, nach der 20 Prozent der Produkte für 80 Prozent des Umsatzes sorgen, verliert zunehmend an Gültigkeit. Stattdessen beginnt sich eine sogenannte Long-TailÖkonomie herauszubilden. Das bedeutet: Einige wenige Standardprodukte machen weiterhin einen bedeutenden Teil des Umsatzes aus, doch der Löwenanteil entfällt auf eine große Zahl von Produktvarianten - genau genommen Nischenprodukte -, die den "Long Tail" bilden.

Die wachsende Zahl von Produktvarianten beziehungsweise Nischenprodukten schafft neue Preisspielräume, da individualisierbare, bedarfsgerechte Produkte dem Beratungsbedürfnis der Kunden entgegenkommen und überdies schwieriger zu vergleichen sind. Davon profitieren Kreditinstitut und Kunde gemeinsam. Das Kreditinstitut differenziert sich als Qualitätsanbieter im Wettbewerb und kann für diesen Mehrwert einen angemessenen Preis verlangen. Der Kunde wiederum spart über die gesamte Kreditlaufzeit viel Geld, weil die Finanzierung optimal auf seine Möglichkeiten und Bedürfnisse angepasst wird. Ein modernes Produktkonzept muss deshalb zwei Voraussetzungen erfüllen:

Vielfalt im Angebot und Standardisierung in der Abwicklung. Entscheidend ist dabei, dass das Pricing und die Erstellung von vielgestaltigen Produktvarianten ohne Mehrkosten möglich sind. Dann bieten sich durch zusätzliche Preisspielräume auch Ansätze, die Margen zu verbessern. Zudem muss die Produktvielfalt in Marketing und Vertrieb einer klaren Struktur folgen. Der Kunde muss erkennen können, dass die angebotene Produktvielfalt einen Mehrwert bietet und trotzdem für ihn überschaubar bleibt.

Neues Produktkonzept

Die Münchener Hypothekenbank hat die veränderten Kundenbedürfnisse mit ihrem neuen Produktkonzept aufgegriffen. Nach dem Baukastenprinzip erhält der Kunde ausgehend von einem preisattraktiven Basisangebot durch Zusatzleistungen eine exakt auf seinen Bedarf zugeschnittene Finanzierung. Die einzelnen Bausteine wie Tilgungs- und Sondertilgungsoptionen oder Beleihungsausläufe lassen sich nahezu vollständig miteinander kombinieren. Das ermöglicht Finanzierungslösungen, die flexibel und innovativ sind und von kaum einem anderen Wettbewerber angeboten werden. Und es können Produktinnovationen geschaffen werden, die die aktuellen Entwicklungen im Markt für Immobilienfinanzierungen schnell aufgreifen.

Darüber hinaus sorgt die enge Partnerschaft mit den Volksbanken und Raiffeisenbanken für die entscheidende Differenzierung im Wettbewerb. Viele der neuen Anbieter sind nicht in der Lage, komplexere Produkte mit einem höheren Beratungsbedarf anzubieten. Ganz anders die Genossenschaftsbanken: Sie bieten mit ihrem Ansatz ein Mehr an Beratung. Der Kunde kann nachvollziehen, welchen Mehrwert es ihm bringt, die Kredittilgung durch Sondertilgungen oder Tilgungssatzänderungen exakt seinen finanziellen Gegebenheiten anzupassen oder wie viel Eigenkapital er in eine für ihn optimale Finanzierung einbringen sollte.

Mit dem neuen Produktkonzept wird einerseits Preiskompetenz durch günstige Basisprodukte vermittelt. Andererseits werden durch differenzierte Beratung Zweck und Vorteilhaftigkeit jedes einzelnen Bausteins verständlich und transparent gemacht. Die Stärke des Baukastenprinzips liegt darin, dass beides miteinander verknüpft wird. So wird aus dem Mehr an Beratung ein Mehrwert für die Kunden. Die neuen Rahmenbedingungen in der privaten

Immobilienfinanzierung fordern von den Anbietern mehr Flexibilität. Mit Standardprodukten allein werden künftig voraussichtlich nur noch wenige hochspezialisierte und schlank aufgestellte Direktanbieter den Markt profitabel bearbeiten können. Gerade bei diesen Produkten wird der Margendruck noch weiter zunehmen.

Die Nischen besetzen

Breit aufgestellte Anbieter haben demgegenüber vor allem dann eine Chance, die Margen wieder positiv zu gestalten, wenn sie ihre Geschäftsstrategie auf die immer größere Vielzahl von Produktnischen ausrichten. Sie können damit am besten dem Wunsch vieler Kunden nach einer individuellen und bedarfsgerechten Finanzierung entsprechen.

Gemäß der Long-Tail-Ökonomie gelingt es ihnen auf diese Weise auch, die Auswirkungen des Preiskampfs bei Standardprodukten abzumildern, indem die Umsatzverteilung diversifiziert wird. Voraussetzung für den Erfolg einer solchen bedarfsorientierten Strategie ist allerdings, die optimale Synergie zwischen Beratungs- und Produktkonzept sowie Abwicklungskompetenz zu schaffen.

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