Leitartikel

Private Baufinanzierung - Geschäft ohne Gewinn?

Ist mit privaten Baudarlehen noch Geld zu verdienen? Angesichts der sinkenden Margen für Wohnungsfinanzierungen wollen die Propheten nicht verstummen, die einige Kreditinstitute schon in die Ertraglosigkeit trudeln sehen. Die Warnungen sind zweifellos nützlich und zuweilen bedarf es - um Gehör zu finden - auch ein paar deutlicher Worte. Zu denken geben sollte, wenn die Deutsche Bundesbank in ihrem Finanzstabilitätsbericht feststellt, dass sowohl die Sparkassen als auch die Genossenschaftsbanken trotz nennenswerter Verbesserungen bei der Ertragsentwicklung hinter den Wettbewerbern zurückbleiben und im operativen Geschäft sogar rückläufige Erträge verbuchen. Vor allem die bislang verlässliche Hauptertragsquelle, das zinsabhängige Geschäft, erodiert.

Dass die Bundesbank die Profitabilität der Primärbanken in beiden Verbünden auch auf mittlere Sicht für ungesichert hält, lässt aufhorchen. Denn ohne Staats- und Interbankengeschäft erfolgt knapp die Hälfte der Kreditvergaben an private Haushalte, von denen wiederum etwa drei Viertel auf Baudarlehen entfallen. Damit zählen die Sparkassen und die Kreditgenossenschaften zu den wichtigsten Finanzierern des privaten Wohnungsbaus. Allein die Sparkassen haben einen Anteil von 26 Prozent, den sie seit fast vier Jahrzehnten nahezu konstant halten. Die Kreditgenossenschaften kommen immerhin auf 16 Prozent, womit sie noch vor den fünf Großbanken liegen, die zusammen fast 13 Prozent des Marktes bedienen (siehe Daten und Fakten, Seite 457).

Doch offensichtlich vermag selbst diese Marktmacht der Verbünde den fortschreitenden Margenverfall nicht aufzuhalten. Denn zwischen Frühjahr 2003 und Sommer 2006 hat sich die durchschnittliche Nettozinsmarge der deutschen Banken in der privaten Baufinanzierung mehr als halbiert, wie Mercer Oliver Wyman im Auftrag des Europäischen Hypothekenverbandes ermittelte. Während in Europa ein Rückgang von 30 Basispunkten gemessen wurde, brachen die Margen hierzulande noch stärker weg. Mit durchschnittlich 0,35 Prozent wird nirgendwo so wenig an Wohnungsbaukrediten verdient wie hierzulande. Vor vier Jahren lag die Zinsmarge noch bei 0,70 Prozent.

Auf der Suche nach den Ursachen des Preisverfalls wird immer wieder der enorme Wettbewerbsdruck genannt, der in Deutschland ohnehin höher sei als anderswo, denn kaum ein Hypothekenmarkt ist so fragmentiert. Weil Baufinanzierungen praktisch "jeder kann", haben die Universalbanken vor allem durch objektunabhängige und hochauslaufende Baukredite spätestens seit Ende der siebziger Jahre zu Lasten der Spezialisten Marktanteile gewonnen. Hatten die Bausparkassen 1980 noch gut ein Fünftel aller Wohnungsbaukredite auf ihren Bilanzen, so verwalten sie aktuell kaum ein Zehntel. Auch die Realkreditinstitute, die 1970 noch ein Drittel aller Wohnungsbaufinanzierungen betreuten, bringen es mittlerweile nur noch auf 10, 6 Prozent Marktanteil.

Freie Vermittler verschärfen diesen Wettbewerb, weil sie sich Direktanbietern und ausländischen Produzenten bedienen, die in Deutschland auch ohne teures Filialnetz einen nennenswerten Anteil am Neugeschäft erreichen wollen. Erleichtert wird deren Markteintritt durch die auf "Geiz ist geil" konditionierten Kunden, die zwar Beratung erwarten und schätzen, aber in der Mehrheit nicht dafür bezahlen wollen. Zuweilen versuchen einige der etablierten Banken mit ihrem Know-how, dem Kundenvertrauen und der Präsenz vor Ort gegenzusteuern - mit allenfalls mäßigem Erfolg. Aber viele fügen sich dem Preisverfall. So will der Immobilienmakler Planethome ermittelt haben, dass über 30 Prozent der Sparkassen und Genossenschaftsbanken bereit wären, ihre Margen unter die eigenen Profitabilitätsziele zu senken, wenn damit die Kunden gehalten werden können.

Dass die Banken bei Baufinanzierungen derart opferbereit sind, begründen sie gerne mit der Langfristigkeit der Kundenbindung, den umfassenden Informationen und die sich daraus ergebenden Anknüpfungspunkte für weiteren Produktvertrieb. Allerdings erfüllt sich letztere Hoffnung immer weniger. Denn die Kunden können Preise und Leistungen dank neuer Informationsmedien besser vergleichen. Zudem sind sie kaum noch bereit, sich zu sehr in Abhängigkeit von nur einem Kreditinstitut zu begeben. Angesichts dieser sinkenden Kundenloyalität muss jedes Produkt für sich profitabel sein, denn die Quersubventionierung über Cross Selling wird zunehmend schwieriger. Wenn die Banken bislang noch versuchen, mit Standardisierung und Automatisierung dem Margenverfall kostenseitig zu begegnen, so dürften auch diese Potenziale inzwischen weitgehend ausgereizt sein.

Immer mehr Banken sind deshalb bereit, für bessere Erträge deutlich mehr Risiken in Kauf zu nehmen - auch wenn Basel II dafür mehr Eigenkapitalunterlegung verlangt. Bis 100, manchmal auch bis 120 Prozent wird inzwischen finanziert. Für die Baukreditspezialisten erhöht das den Druck, ihre bewährten Standardprodukte um neue Angebote zu ergänzen. Doch während die wenigen Realkreditinstitute, die das Massengeschäft noch betreiben, dank Pfandbriefgesetz wie Universalbanken agieren dürfen und dies auch nutzen, sind die Bausparkassen gesetzlich eingeschränkt. Margenschwaches Kollektivgeschäft hoffen sie mit mehr Außerkollektivem zu kompensieren. Allerdings nehmen damit die bilanziellen Risiken zu. So registriert die Bundesbank bei den Bausparkassen seit 1999 einen Anstieg der notleidenden Kredite. Dass gleichzeitig das außerkollektive zu Lasten des kollektiven Geschäfts verstärkt wird, ist politisch nicht unproblematisch, argwöhnt doch Brüssel ohnehin allen nationalen Marktspezialitäten.

Sollte sich die Erosion der Margen fortsetzen, ist nicht nur die Ertragsstärke der in diesem Bereich besonders aktiven Banken in Gefahr. Die Entwicklung ist geeignet, weite Teile des hiesigen Finanzsystems in Frage zu stellen. Vor allem die Verbünde, die nicht nur über das dichteste Filialnetz, sondern auch die größten Spezialfinanzierer in diesem Segment verfügen, könnten versuchen über neue Vertriebswege und Produkte Kunden zurückzugewinnen. Der Preis bleibt freilich auch dann das entscheidende Absatzargument. L. H.

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