Schwerpunkt: Unternehmensimmobilien

"Best Practices" versus "Best Fit" bei der Institutionalisierung des CREM

Peu à peu, aber zweifelsfrei wächst die Bedeutung des Corporate Real Estate Managements (CREM) in deutschen Unternehmen. Wurde es in den Anfängen noch als reaktive Liegenschaftsverwaltung wahrgenommen, stellte sich seitdem allseitig ein erhöhtes Kostenbewusstsein ein, in dessen Folge sich das CREM zunehmend in eine aktive Gestaltung der Immobiliennutzung und -bewirtschaftung als strategischem Hebel für den Erfolg des Gesamtunternehmens gewandelt hat.1) Dabei sind nicht nur Aufgabenbreite und -tiefe gewachsen; sie vollziehen zudem einen progressiven Reifeprozess.2) Dies bedingt nun eine Institutionalisierung des Themengebiets, das heißt eine ganzheitliche Gestaltungsbetrachtung der Institution CREM.

Ganzheitliche Überlegungen

Hierzu führte das Forschungscenter Betriebliche Immobilienwirtschaft der TU Darmstadt in Kooperation mit der Corpus Sireo Asset Management Commercial GmbH eine Studie durch.3) Angelegt als explorative Erhebung der CREM-Institutionalisierung sollten vor allem die für effektives Handeln entscheidenden Parameter identifiziert, aber auch erste Gestaltungsempfehlungen herausgearbeitet werden. Zehn europäische Großunternehmen aus den Bereichen Telekommunikation, Industrie/Logistik und Finanzwirtschaft, deren Entwicklungsstand im Immobilienmanagement als führend gilt, wurden auf der Basis von internen Dokumenten sowie mehrstündigen Interviews analysiert.

Dabei standen jeweils das handlungsleitende Zielsystem, die relevanten CREM-Strategien, ihre organisatorische Ausgestaltung, die verschiedenen Steuerungssysteme sowie die relevanten in- und externen Kontextvariablen, kurz, alle für eine Institutionalisierung relevanten Themen sowie deren Zusammenspiel im Fokus der Betrachtung.

Bereits während der Erhebung wurde deutlich: Selbst Unternehmen derselben Branche und/oder vergleichbarer Größe oder Nationalität haben für das Management ihrer Immobilien unterschiedliche inhaltliche und organisatorische Ausprägungen.

Erste Gründe hierfür liegen in den historischen Ausgangssituationen, Zielen und Strategien der einzelnen Unternehmen, die zu einer sehr heterogenen Entwicklung des CREM führten. Das beantwortet jedoch noch nicht die Frage, die sich (fast) alle stellen: "Welche Institutionalisierung ist (oder wäre) für mein Unternehmen am erfolgreichsten?"

Bei vielen besteht die Hoffnung, dass sich verbreitete Strategien (beispielsweise die maximale Reduktion der Eigentumsquote oder das vollständige Outsourcing von Facility-Services), als "Best Practice" identifizieren lassen, deren Anwendung zum Erfolg führen. Dies scheint jedoch nicht der Fall zu sein, denn schon bei den ausgewählten Unternehmen wurden signifikant voneinander abweichende, dennoch hoch effektive Ausprägungen vorgefunden. Isolierte Strategien oder ein singuläres "Best Model" sind somit nicht der Schlüssel.

Stattdessen ist wesentliche Erkenntnis der Studie, dass bezüglich solcher Strategien "Best Fit"-Überlegungen anzustellen sind,4) also eine ganzheitliche Abstimmung der relevanten Parameter der CREM-Map aufeinander (vergleiche Abbildung 1 und Erläuterung im Kasten).

So wäre im Beispiel die optimale Eigentumsquote in Abhängigkeit von den hiermit verbundenen Möglichkeiten und Einschränkungen des Unternehmens in seinem Kerngeschäft und dem "Fit" (das heißt der Passung) zu anderen Parametern festzulegen. Und auch für die optimale Organisation des Outsourcing von Services und Managementleistungen gibt es unterschiedlichste effektive und effiziente Alternativen - abhängig von den Unternehmensspezifika. Ableitung des Zielsystems Genauso, wie Unternehmensvision und -mission durch Unternehmensziele und -strategien konkretisiert werden müssen, bilden letztere wiederum die maßgebliche Vorgabe für die Institutionalisierung des CREM. Eine systematische Ableitung und Operationalisierung der CREM-Ziele aus den Corporate-Zielen und die institutionalisierte Abstimmung der Strategien ist zwar noch keineswegs Standard, bei im CREM führenden Unternehmen jedoch zunehmend vorzufinden. Beispielsweise ist für ein großes Logistikunternehmen (neben Aktienwertsteigerung und Kostensenkung) ein wesentliches Ziel, die Kundenzufriedenheit um X Prozentpunkte zu steigern. Daraus werden für die CREM-Aktivitäten Ziele zur Immobilienwertentwicklung, zur Immobilienkostensenkung sowie zur Steigerung der Nutzerzufriedenheit um Y Prozentpunkte abgeleitet - womit zudem klar kommuniziert wird, dass hier die Nutzer den Status interner Kunden haben.

Systematische Unternehmensführungsansätze im CREM - wie die methodische Ableitung der CREM-Ziele - können zwar als "Best Practices" verstanden werden; sie sind jedoch (im Gegensatz zum Eigentumsquotenminimierungsansatz) keine konkreten Strategien, sondern auszugestaltende Methoden. Die tatsächliche Ausgestaltung, hier die Konkretisierung der CREM-Ziele, muss wiederum dem "Best-Fit-Ansatz" folgen, denn eine Reihe individueller Parameter, in diesem Beispiel das konkrete Geschäftsmodell des Unternehmens und seine externen und internen Kontexte, bilden den Vorgabenrahmen.

Das Zielsystem kann entsprechend extrem unterschiedliche Konstellationen annehmen. Beispielsweise können zwei Telekommunikationsunternehmen desselben Landes, jedoch mit unterschiedlichen Geschäftsmodellen und Portfoliostrukturen, in einem Fall den höchsten Wert auf die Nutzerzufriedenheit und Arbeitgeberreputation legen, während im anderen Fall eher die Gebäudekostenreduktion und die Liquiditätsgenerierung im Vordergrund stehen (vergleiche Abbildung 2 für eine strukturierte Darstellung der in der Studie genannten Ziele und zwei divergente Unternehmensbeispiele).

Die beschriebene Systematik - eine übergeordnete "Best Practice", die kontextabhängig als "Best Fit" auszugestalten ist - gilt nach den Ergebnissen der Studie für alle Institutionalisierungsparameter (vergleiche Abbildung 3). Nachfolgend wird auszugsweise auf einige wesentliche Punkte eingegangen.

Positionierung und Strategien des CREM Die aus den übergeordneten Vorgaben abgeleiteten CREM-Ziele, gepaart mit Branche, Portfoliostruktur und CREM-Mandat6), definieren somit die Schwerpunkte des CREM, was zusammengefasst in der Positionierung innerhalb der Perspektivensicht der Immobilienwirtschaft7) dargestellt werden kann (vergleiche Abbildung 4).

Beispielsweise liegen die Schwerpunkte der in der Studie befragten Finanzdienstleistungsunternehmen F1 und F2, deren Immobilienportfolio ganz überwiegend aus angemieteten Büro- und Filialflächen besteht, im Bereich der Nutzerperspektive.

Dabei müssen Immobilien zwar auch als Anlageassets sowie als physisch-technische Flächen gemanagt werden, allerdings nur in geringerem Maße. Anders bei Unternehmen wie Telco 1 (Telekommunikationsbranche) oder IL 2 (Indus-trie/Logistik-Bereich), deren Immobilien heterogene, individuelle Technologien aufweisen und häufiger im Eigentum der Unternehmen liegen, damit hochgradig Kapital binden.

Beim Fokus auf Gebäude und Kapitalbindung dürfen aber die Nutzerbedürfnisse und die Auswirkungen der Flächengestaltung auf die Produktivität nicht ignoriert werden. Das erhöht die Anforderungen an das CREM im Allgemeinen (vergleiche Abbildung 5) und an eine ganzheitliche Betrachtung im Besonderen.

Passende Organisation und koordinierende Steuerung

Bei beschränkten Ressourcen, zu denen auch Kompetenzen gehören, fokussieren sich Unternehmen zunächst auf die Bereiche des stärksten Bedarfs. Höhere Immobilien-Eigentumsquoten etwa führen zu einem höheren Bedarf an finanzwirtschaftlichen Kompetenzen, wogegen höhere Nutzer- und Kerngeschäftsorientierung ein entsprechendes Verständnis des CREM für das Kernbusiness (seien es personalabhängige Dienstleistungen oder technikintensive Produktion) erfordern. Die organisatorische Anbindung des CREM erfolgt bei führenden Unternehmen deshalb ganz bewusst nach aktueller (oder angestrebter) Schwerpunktsetzung und "Best-Fit"-Betrachtung beim Vorstandsressort Finanzen, Operations, zentrale Services, oder ähnlich.

Angesichts der steigenden Bedeutung des CREM besteht die übergeordnete "Best Practice" darin, es in der Unternehmenshierarchie weit oben anzusiedeln. Beides zusammen (hohe Ansiedlung und bewusste Ressortzuordnung) prägt nicht nur das jeweilige Selbstverständnis des CREM, sondern fördert auch den Professionalisierungsgrad im priorisierten Ressort.

Allerdings: "Prioritäten setzen heißt auswählen, was liegenbleiben soll."8), im Management häufig bezeichnet als "Fokussierung auf die Kernkompetenzen", was einer notwendigen ganzheitlichen Betrachtung nicht unbedingt förderlich ist. Entsprechende organisatorische Strukturen, die Einschaltung von Spezialisten und anderen externen Dienstleistern sowie auf die Zielsysteme abgestimmte Steuerungssysteme, die den hiermit verbundenen Koordinationsaufwand unterstützen, sind deshalb notwendig.

Differenziertes 3-Ebenen-Modell

Für die Organisation orientieren sich die Unternehmen zunehmend an einem 3-Ebenen-Modell (vergleiche Abbildung 6), in dem die untere, die operative, Ebene angesichts der ursprünglichen Aufgabe des CREM als "Taskmaster"9) bereits stark ausgeprägt ist. Ähnliches gilt mittlerweile für die obere, die normativ-strategische Ebene. Demgegenüber bedarf es in vielen Fällen noch der Entwicklung im Mittelbau, der funktional-taktischen Ebene, wo gut ausgebildete Manager als regionale "Business Partner" gleichzeitig über Immobilien-/Facility- wie auch Kerngeschäftskenntnisse verfügen müssen, um effektiv ihren vielfältigen Koordinations- und Steuerungsaufgaben nachkommen zu können.

Die tatsächliche Ausgestaltung dieser Ebenen, das heißt sowohl die insgesamt wahrgenommenen Aufgaben als auch die Verteilung der Zuständigkeiten auf interne und externe, zentrale und regionale Einheiten, orientiert sich wiederum an Unternehmensspezifika (hier nicht zuletzt an der geografischen Verteilung der Standorte und den Immobilientypen, aber auch an der Gesamtkultur des Unternehmens, die maßgeblich die Einstellung zu Zentralisierung und Dezentralisierung beeinflusst). Während in den vorgenannten Themenfeldern nicht nur die übergeordneten Best Practices eine recht eindeutige Sprache sprechen und die zugehörigen Best-Fit-Überlegungen zwar komplex sind, sich aber an analogen Erkenntnissen der BWL orientieren können, zeigen sich die Themen Dienstleistungs-Sourcing und -Steuerung deutlich diffuser.

Unsicherheiten bei Sourcing und Steuerungssystemen

Dass gleichartige Aufgaben aus Kosten- und Spezialisierungsgründen gebündelt werden sollten und Transparenz über Flächen und Gebäudezustände, Kosten und Nutzerbedürfnisse notwendig ist, ist kaum noch ein Thema. Doch wo gebündelt wird und wer die Verantwortung trägt, wie und inwieweit Prozesse oder Ergebnisse vorgegeben werden können und müssen, und wer mithilfe welcher Systeme den Überblick behalten, koordinieren und kontrollieren soll und kann, sind weitgehend offene Fragen. Hierzu entwickelt die Studie verschiedene Hypothesen und Modelle, die jedoch weiter vertieft werden müssen.

Die optimale Institutionalisierung des CREM in einem Unternehmen darf sich nicht an einzelnen "Mode"-Strategien orientieren. Die Studie zeigt, dass unterschiedliche Unternehmen zum selben CREM-Thema teilweise konträre Ausgestaltungen aufweisen, die im jeweiligen Kontext aber die aktuell genau richtige Wahl sind.

Effektive Institutionalisierungen sind somit solche, die die identifizierten relevanten Parameter im Zusammenhang betrachten und eine bestmöglich in sich und auf das Unternehmen abgestimmte Konfiguration erarbeiten, die mit veränderten Rahmenbedingungen regelmäßig zu überprüfen und anzupassen ist.

Literaturverzeichnis

Hartmann, Steffen [2011]: Koordination des Corporate Real Estate Management: Kontext - Koordination - Gestaltung, Köln: Immobilien Manager Verlag IMV, 2011.

Joroff, Michael/Louargand, Marc [1993]: Strategic management of the fifth resource: Corporate real estate, in: Site Selection & Industrial Development 38, 1993.

Kämpf-Dern, Annette [2010]: Organisation des Immobilienmanagements als Professional Service - Performanceorientierte Konfigurationen am Beispiel des Real Estate Assetmanagements, Köln, Immobilien Manager Verlag IMV, 2010.

Kämpf-Dern, Annette/Pfnür, Andreas [2009]: Grundkonzept des Immobilienmanagements: Ein Vorschlag zur Strukturierung immobilienwirtschaftlicher Managementaufgaben, Bd. 14, Darmstadt: Fachgebiet Immobilienwirtschaft und Baubetriebswirtschaftslehre, 2009.

Kämpf-Dern, Annette/Pfnür, Andreas [2011]: "Institutionalisierung des CREM" - Europäische Corporate Real Estate Management Studie, Unveröffentlichter Projektbericht, Darmstadt, 2011.

Pfnür, Andreas [2011]: Modernes Immobilienmanagement: Immobilieninvestment, Immobiliennutzung, Immobilienentwicklung und -betrieb, Berlin Heidelberg: Springer-Verlag Berlin Heidelberg, 2011.

Fußnoten

1) Zur Rolle und zu Entwicklungstendenzen des CREM vergleiche Pfnür, A., 2011, S. 33 ff., S. 165 ff.

2) Zu Reifegrad und Entwicklungsstufen vergleiche Joroff, M./Louargand, M., 1993.

3) Zu Studienaufbau, Teilnehmern, Methodik, Untersuchungsthemen und -ergebnissen vergleiche Kämpf-Dern, A./Pfnür, A., 2011. Präsentiert werden diese unter anderem bei der Sommerkonferenz 2012 des Darmstädter Forschungscenters Betriebliche Immobilienwirtschaft (FBI) am 23. August 2012.

4) Zu "Fit"-Ansätzen im Allgemeinen sowie der Übertragung auf die Organisation des Immobilienmanagements vergleiche Kämpf-Dern, A., 2010, unter anderem S. 66 ff.

5) Zu Kontextfaktoren und Koordinationsinstrumenten des CREM vergleiche unter anderem Hartmann, 2011.

6) Das CREM-Mandat definiert, welche Mission das CREM beziehungsweise die CREM-Aktivitäten erfüllen sollen und welche Kompetenzen (hier im Sinne von Befugnissen) hierfür erteilt werden.

7) Die Perspektivensicht der Immobilienwirtschaft ist unter anderem erläutert in Kämpf- Dern, A./Pfnür, A., 2009, und Pfnür, A., 2011, S. 24 ff.

8) Helmar Nahr (geboren 1931), deutscher Mathematiker und Wirtschaftswissenschaftler. 9) Joroff, M./Louargand, M., 1993.

Prof. Dr. Andreas Pfnür , Leiter des Fachgebiets Immobilienwirtschaft und Baubetriebswirtschaftslehre, Technische Universität Darmstadt
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