Schwerpunkt Immobilien in der Förderung

Die Bedeutung der Wohnungsmarktbeobachtung als politische Entscheidungshilfe

Im Herbst dieses Jahres wird die NRW Bank den 20. Wohnungsmarktbericht für Nordrhein-Westfalen veröffentlichen. Dieser jährliche Report fasst die Ergebnisse der landesweiten Wohnungsmarktbeobachtung zusammen. Als erstes Bundesland hatte Nordrhein-Westfalen Anfang der neunziger Jahre ein solches Wohnungsmarktmonitoring eingerichtet.

Notwendigkeit des Monitorings

Die Diskussion um die Einführung einer kontinuierlichen Wohnungsmarktbeobachtung begann Ende der achtziger Jahre. Damals unterlagen Wohnpolitik und Wohnungswirtschaft in der alten Bundesrepublik einer Fehleinschätzung: Die Wohnungsmarktlage galt als entspannt, der Bedarf an Wohnraum als gesättigt. Rechnerisch waren die Zahl der Haushalte als Wohnungsnachfrager und der vorhandene Wohnungsbestand nahezu ausgeglichen; in vielen Wohnungsbeständen traten Leerstände auf. Folge waren eine Reduzierung der Neubau-Investitionen der Wohnungswirtschaft und ein Rückzug der Politik aus der sozialen Wohnraumförderung.

Die Bevölkerungs- und Wohnraumzählungen 1987 brachten dann aber ein hohes Wohnungsdefizit ans Licht, weil bei der amtlichen Fortschreibung der Abgang an Wohnraum aufgrund von Zweckentfremdungen, Abrissen und Zusammenlegungen nicht erfasst worden war. Ersichtlich wurde, dass eine genauere und regional differenzierte Analyse der Wohnungsmärkte notwendig ist. Die bis dahin üblichen Berechnungen bezogen sich im Wesentlichen auf die Ebene der einzelnen Bundesländer, regionale Analysen waren nicht üblich; kommunale Bedarfsprognosen standen isoliert.

Regional differenzierte Entwicklungen wie das Nebeneinander von Wohnungsüberhängen und -engpässen in unterschiedlichen Regionen wurden so nicht erkannt. Zudem entzog sich die Frage nach der vorhandenen und nachgefragten Qualität der Wohnungen (zum Beispiel hinsichtlich der Wohnungsgrößen und Wohnungszuschnitte sowie der Mieten und Preise) gänzlich dem Blick. Die Situation am Wohnungsmarkt wurde zusätzlich durch die hohe Zahl der Zuwanderer nach Wegfall des Eisernen Vorhangs erschwert.

Vor diesem Hintergrund wurde das Konzept der Wohnungsmarktbeobachtung entwickelt. Kennzeichnend für dieses Konzept sind regelmäßige Berichte (statt langfristiger Bedarfsprognosen), ein breites Spektrum an Indikatoren (anstatt der Fokussierung auf Einwohnerentwicklung und Bautätigkeit) und der Blick "durch die Lupe" auf Kreise und kreisfreie Städte sowie auf Marktsegmente (anstatt der vorherigen Beschränkung auf die Landesebene). Der entscheidende Vorteil des neuen Konzepts: Die laufende Beobachtung ermöglicht es, auch Veränderungen, die sich zu wichtigen Trends entwickeln können, und Sonderentwicklungen in einzelnen Marktsegmenten und Regionen frühzeitig zu erkennen.

Datenerhebung und Analyse

Grundlage des Monitorings ist ein Indikatorenset zu Wohnungsnachfrage und -angebot sowie ihren Rahmenbedingungen. Dieser wiederum greift auf die amtliche Statistik sowie auf eigene, gewerbliche und kommunale Datenquellen zurück. So liefert die amtliche Statistik zum Beispiel Daten zur Bevölkerungsentwicklung, zur Struktur der Altersgruppen, zu Wohnungsbestand und Bautätigkeit. Gewerbliche Anbieter liefern Daten zu Kaufkraft, Mieten- und Preisentwicklung.

Eigene Daten der NRW Bank - sie stammen aus der Wohnraumförderung - liefern beispielsweise Informationen zu Bestand und Entwicklung des preisgebundenen Wohnungsbestands. Ergänzende qualitative Daten zur Markteinschätzung, die bei der Interpretation der quantitativen Daten helfen, gewinnt die Bank zudem aus eigenen Erhebungen wie zum Beispiel einer jährlichen Befragung von Wohnungsmarktexperten (Wohnungsmarktbarometer) und einer jährlichen Befragung der Wohnungswirtschaft.

Verständlich aufbereitet in Berichten und Vorträgen, will das Monitoring die Markttransparenz für alle Akteure verbessern und so dazu beitragen, die Entwicklung politischer Strategien sowie die Investitionsentscheidungen der Bau-, Wohnungs- und Kreditwirtschaft auf eine objektive und aktuelle Informationsgrundlage zu stellen. Die regelmäßige Kommunikation der Ergebnisse hat dazu geführt, dass das Thema Wohnen in Politik und Verwaltung auch in Zeiten ohne akute Wohnungskrisen im Gespräch bleibt. Dazu gehört auch, dass die Wohnungsmarktbeobachtung der NRW Bank immer wieder wichtige Themen und Entwicklungen aufgreift und in Fachveranstaltungen mit den verschiedenen Marktakteuren diskutiert.

Um die sich ändernden Trends und regionalen Differenzierungen angemessen erfassen zu können, muss die Wohnungsmarktbeobachtung ihr Instrumentarium ständig weiterentwickeln. Neue Datenquellen und Methoden werden entwickelt, der Erfahrungsaustausch mit Fachkundigen wird verstärkt. Besonders wichtig war dies zum Beispiel bei den Beobachtungsbausteinen zu Leerständen oder zu Mieten und Preisen, weil es hierzu keine bezeihungsweise keine regionalisierten Daten gab.

Die regionale Differenzierung der Wohnungsmarktentwicklung verdeutlicht aber auch die Grenzen einer landesweiten Marktbeobachtung. Zwar analysiert die NRW Bank die Indikatoren in der Regel bis auf die Ebene der Städte und Gemeinden, eine umfassende Bewertung örtlicher Entwicklungen oder gar kleinräumige (innerstädtische) Analysen sind nicht möglich. Hier ist eine Ergänzung durch lokale oder regionale Berichtssysteme erforderlich. Ein Vorreiter war diesbezüglich die Stadt Dortmund, die ebenfalls seit Anfang der neunziger Jahre eine eigene, kommunale Wohnungsmarktbeobachtung betreibt und diese mittlerweile bis auf die Quartiersebene heruntergebrochen hat.

Die gewachsenen Erfahrungen mit einer kommunalen Wohnungsmarktbeobachtung wurden in einem Modellversuch mit mehreren Kommunen vertieft und haben unter anderem zum heutigen "Forum KomWoB" geführt. Das Forum verfolgt als Städtenetz das Ziel, die Kommunen bei der Einrichtung und Weiterentwicklung kommunaler Wohnungsmarktbeobachtung ("KomWoB") zu unterstützen.

Auf kommunaler Ebene ist das Ziel, vorhandene Daten und verstreutes Knowhow zusammenzuführen, sich mit den relevanten Akteuren intensiv über die Ergebnisse auszutauschen und daraus Handlungsimpulse für die Wohnungsmarktakteure entstehen zu lassen. Ergänzend sind inzwischen auch einige regionale Netzwerke entstanden. Im Ruhrgebiet und in Ostwestfalen tauschen sich Städte und Kreise, die die Bedeutung regionaler Verflechtungen erkannt haben, über die Marktdaten aus und erarbeiten gemeinsame Berichte.

Einfluss auf politische Entscheidungen

Seit der Einführung der Wohnungsmarktbeobachtung haben sich die jeweils vorrangigen Themen immer wieder verändert. Nach den Angebotsengpässen der neunziger Jahre trat zunächst die Stadt-Umland-Wanderung als Problematik hervor. Heute sind vor allem das altersgerechte Wohnen, die energetische Sanierung, der Rückgang der Wohnungsnachfrage mit Leerstandsproblematik in gealterten Wohnungsbeständen sowie die Veränderung von Anbieterstrukturen auf dem Mietwohnungsmarkt (Stichwort "Neue Finanzinvestoren") die vorherrschenden Themen. In stabilen bis schrumpfenden Regionen ist auch die qualitative Anpassung des Wohnungsbestands an die sich verändernden Ansprüche potenzieller Bewohner ein Thema, das die Diskussionen zur Wohnungsmarktentwicklung dominiert; in wachsenden Regionen sind es hingegen (erneute) Engpässe im preiswerten Marktsegment.

All dies sind Themen, die politische Weichenstellungen und entsprechende Reaktionen der Marktakteure nötig machen. Ziel aller Wohnungsmarktbeobachtungssysteme ist es deshalb, Marktentwicklungen zu erkennen und mögliche Problemfelder aufzuzeigen und einzuschätzen. Wohnungsmarktberichte sind dabei aber keine Leitfäden oder Handlungsprogramme. Sie formulieren eher Handlungsbedarfe und liefern Denkanstöße für die unterschiedlichen Marktteilnehmer.

Natürlich sollen dadurch auch Dialog- und Kooperationsprozesse in Gang kommen, die zur Entwicklung von Zielen und Maßnahmen führen. Die Rolle der Wohnungsmarktbeobachtung bei der Ausgestaltung solcher Kommunikations- und Strategieentwicklungsprozesse ist je nach politisch-administrativer Ebene ganz unterschiedlich. In den Kommunen, wo die Marktbeobachtung in der Verwaltung angesiedelt ist, kann sie - je nach Ressourcen und politischem Willen - auch bei der Organisation von Abstimmungs- und Entscheidungsprozessen und bei der Entwicklung wohnungspolitischer Handlungs- oder Stadtentwicklungskonzepte eine zentrale Rolle spielen. Auf Landesebene steht demgegenüber eher die Kommunikation der Ergebnisse über Berichte, Vorträge und Fachveranstaltungen im Vordergrund, außerdem natürlich die Unterstützung der Fachnetzwerke für Städte und Regionen sowie nicht zuletzt die Beratung des zuständigen Ministeriums.

Für die Wohnraumförderung des Landes Nordrhein-Westfalen ist die Wohnungsmarktbeobachtung der NRW Bank eine wichtige Unterstützung. Sie analysiert das Datenmaterial, das im Rahmen der Förderaufgaben im eigenen Haus anfällt. So sind aus den Förderanträgen und -zusagen der Wohnraumförderung alle wesentlichen Informationen zu Kosten, Finanzierung, Wohnfläche, Belastung beziehungsweise Miethöhe und so weiter bis auf die Gemeindeebene bekannt. Auch wird die Entwicklung des preisgebundenen Wohnungsbestands und der Wohnungssuchenden regional analysiert. Die Zusammenschau mit anderen Wohnungsmarktdaten liefert dann wichtige Erkenntnisse zur Rolle der geförderten Bestände im Gesamtmarkt sowie zu Erfolg und Treffsicherheit der aktuellen Förderprodukte. So erlauben die Daten zur räumlichen Verteilung der in Anspruch genommenen Fördermittel und ihr Anteil an der Gesamtbautätigkeit Rückschlüsse darauf, ob die Förderdarlehen richtig bemessen sind, die Miethöhe im Vergleich zur Marktmiete adäquat ist und die Fördergebietskulisse dem Bedarf gerecht wird.

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