Schwerpunkt: Unternehmensimmobilien

Die Bedeutung des Corporate Real Estate Managements in den Unternehmensstrategien

Anfang der neunziger Jahre nannte sich eines der bestimmenden Themen der Immobilienwirtschaft "Corporate Real Estate Management", kurz CREM. Auf die - wie so oft - aus dem angelsächsischen Raum herübergeschwappte Welle stürzten sich Wissenschaft und Wirtschaft gleichermaßen. Die Konzerne setzten Immobilienabteilungen auf oder entstaubten ihre Liegenschaftsverwaltungen. Doch schon bald wurde es zunehmend ruhig und erst mit Beginn der Finanzkrise im Jahr 2008 tauchte das Thema CREM wieder in der öffentlichen Wahrnehmung verstärkt auf. Warum ist dies so? Was war geschehen?

Produktionsfaktor Liegenschaft

Ein guter Einstieg zur Untersuchung ist wie so oft das Hinterfragen der Begrifflichkeit, insbesondere wenn es sich um einen englischsprachigen Fachbegriff handelt. Unter Corporate Real Estate Management wird gemeinhin das "wert- und erfolgsorientierte Beschaffen, Betreuen und Verwerten von betrieblichen Immobilien"1) verstanden. Es handelt sich also um das Immobilienvermögen von Unternehmen der Privatwirtschaft (sogenannte Corporates). Deren originärer Unternehmenszweck zielt auf jegliche Form unternehmerischer Tätigkeit ab, außer auf Errichtung, Bewirtschaftung oder Verwertung von Immobilien. Damit werden sie aus Sicht der Immobilienwirtschaft auch "Non-Property-Companies" genannt.

Die Tatsache, dass die Immobilie nicht Kerngeschäft, sondern - rein betriebswirtschaftlich gesehen - ein Betriebsmittel zur Erfüllung des (Kern-)Geschäftszweckes ist, führt bei den Corporates zu einigen Besonderheiten im Umgang mit ihren betrieblichen Immobilien. Dies ist zu beachten, auch wenn es sehr wohl eine Vielzahl von Parallelen hinsichtlich Aufbau, Struktur und Aufgabenverteilung mit der klassischen Immobilienwirtschaft gibt (siehe Abbildung 1). Die Berichtssaison der deutschen Unternehmen zum Jahresbeginn 2012 ermöglichte wieder etwas Einblick in die Unternehmen - nicht nur hinsichtlich ihrer wirtschaftlichen Situation, sondern auch bezüglich ihrer Ausrichtung. Gerade letztere ist - wenig überraschend - ausnahmslos geprägt vom Kerngeschäft des Unternehmens. Und hinter der Ausrichtung eines Unternehmens verbirgt sich schlussendlich die Unternehmensstrategie.

Anders als bei Property-Unternehmen, deren Kerngeschäft und somit auch die Unternehmensstrategie immobilienwirtschaftlich geprägt ist, haben sich immobilienbezogene Strategien bei Non-Pro-perty-Unternehmen der allgemeinen Konzernstrategie unterzuordnen. Kurz: Das Kerngeschäft bestimmt den Umgang mit Immobilien - und nicht umgekehrt. Genau hier liegt aber ein Problem, mit welchem sich die CRE-Manager seit Jahren auseinandersetzen. Dabei scheint bei genauerem Hinsehen eine reine Top-Down-Hierarchie zwischen Business und CREM nicht sonderlich angebracht, sondern eine Wechselwirkung zwischen klar definierten Vorgaben des Kerngeschäfts einerseits und einer Rückkopplung dieser mit den immobilienwirtschaftlichen Realitäten andererseits (siehe Abbildung 2).

Warum sollte dies so sein? Ein Blick in die Bilanzen deutscher Unternehmen verrät, dass diese immer noch ein sehr hohes Immobilienvermögen ausweisen (fünf bis 20 Prozent des Anlagevermögens). Eine Rückfrage in den Immobilienabteilungen führt zu nach wie vor sehr hohen Eigentumsquoten im Immobilienportfolio (geringer Rückgang von 75 auf 68 Prozent zwischen 2000 und 20102)). Bei detaillierten Nachfragen zu den immobilien- oder arbeitsplatzbezogenen Kosten, die eine recht hohe Transparenz hinsichtlich der Prozesse, des Immobilienbestandes und letztlich der Kosten erfordern, dünnt sich die Zahl der Ansprechpartner aufgrund des sehr heterogenen Reifegrades der jeweiligen Immobilienabteilungen in den Konzernen zudem sehr schnell aus. Dabei ist nicht einmal zu erkennen, dass wirtschaftlich schwächere Unternehmen wegen des Kostendrucks eine höhere Transparenz haben als vermeintlich renditestarke Unternehmen.

Von der Einbahnstraße zum Gegenverkehr

Grund hierfür ist unter anderem die Tatsache, dass in vielen Unternehmen der Abgleich zwischen Unternehmens- und Immobilienstrategie und somit zwischen operativen Anforderungen und immobilienwirtschaftlicher Umsetzung als Einbahnstraße verstanden wird - die CREM-Abteilung also reiner Abwickler von operativen Vorgaben ist. Das Ergebnis hiervon sind mangelnde Transparenz, ein umfangreiches Portfolio von nicht betriebsnotwendigen oder nicht effizient genutzten Flächen und somit hohe Immobilienkosten, welche letztlich zu nicht wettbewerbsfähigen Betriebs- und Arbeits(platz) kosten führen.

Gerade die unflexible, "immobile" Wesensart einer Immobilie macht es durchaus notwendig, aus der innerbetrieblichen strategischen Einbahnstraße einen Gegenverkehr werden zu lassen. Im heutigen dynamischen und anspruchsvollen Wirtschaftsumfeld zählen insbesondere Flexibilität, Schnelligkeit und Renditestärke - alles Vorgaben, für die Immobilien im klassischen Investmentmarkt gerade nicht bekannt sind. Dort werden sie gerade bei Versorgungswerken eher als Portfoliobeimischung wegen ihrer Stabilität und Sicherheit unter Inkaufnahme von niedrigeren Renditen geschätzt. Somit ist es nicht nur logisch, sondern auch betriebswirtschaftlich sinnvoll, ein "Alignment" zwischen Unternehmens- und Immobilienstrategie gerade hinsichtlich der Erfolgskenngrößen und somit letztlich der Vorgaben und ihrer Machbarkeit herzustellen. Die Widersprüche im jeweiligen Wertbeitrag lassen sich insbesondere an quantitativen Kenngrößen wie der möglichen Rendite und Produktivität oder qualitativen Kenngrößen wie Flexibilität - also zeitlicher Verfügbarkeit und Marktgängigkeit - sowie Zufriedenheitsgraden darstellen. Aus rein betriebswirtschaftlicher Sicht wird die Summe aller (ökonomischen) Ziele einer Unternehmung als deren "Zielkonzeption" bezeichnet. Diese lässt sich in drei Kategorien unterteilen:

- Leistungsziele (zum Beispiel Beschaf-fungs-, Lagerhaltungs-, Produktions- und Absatzziele), - Finanzziele (zum Beispiel Liquiditäts-, Investitions- und Finanzierungsziele),

- Erfolgsziele (zum Beispiel Umsatz-, Wertschöpfungs-, Gewinn- und Rentabilitätsziele).

Dabei werden die Finanz- und Leistungsziele als wirtschaftliche Sachziele bezeichnet. Diese konzentrieren sich auf die Art und Weise des Wirtschaftens in der jeweiligen Unternehmung. Dem gegenüber sind die Erfolgsziele als wirtschaftliche Formalziele auf die Darstellung der anzustrebenden Wirtschaftlichkeit bei der Verfolgung eben jener Sachziele abgestellt. Die Erfolgsziele wiederum können aus einer Vielzahl von Erfolgskenngrößen abgeleitet werden. Ein gängiges Instrument zur Messung von Erfolgszielen ist die Ableitung von Rentabilitätskennzahlen aus den Erfolgskenngrößen, wobei unter Rentabilität im Allgemeinen die Fähigkeit zu verstehen ist, die aus einem Geschäftsprozess erwachsenden Aufwendungen (Kosten) durch entsprechende Einnahmen (Erträge) abzudecken. Sehr häufig wird der Begriff "Rendite" als Ausdruck einer Rentabilität verwandt.

Renditeanforderungen an Betriebsimmobilien

Mit Blick auf ein Non-Property-Unternehmen bleiben die aus Immobilien zu erzielenden (Vergleichs-)Renditen üblicherweise hinter den Renditeerwartungen an das Kerngeschäft zurück. Je nach Immobilienart und Risikoprofil sind Renditen zwischen 4,5 und 8,0 Prozent für klassische Immobilieninvestments marktüblich. Renditeerwartungen an Kerngeschäftsfelder beginnen bei den meisten Corporates jedoch erst oberhalb dieses Bereiches, zum Teil sogar erst deutlich darüber. Derartige Messgrößen für einen "Erfolg" hinsichtlich der Rendite der Immobilie sind auf eine Investorensicht abgestellt.

Es stellt sich grundsätzlich die Frage, ob dieser Ansatz für Immobilien eines Corporates überhaupt anwendbar ist. Deren Sicht auf die Immobilie ergibt sich im Wesentlichen aus ihrer Nutzung. Diese Nutzung leitet sich aus einem vorhandenen Bedarf ab, welcher sich wiederum aus den Notwendigkeiten des Kerngeschäftes heraus ergibt. Diese definieren letztlich den Standort der Immobilie, ihre baulichen Gegebenheiten (Architektur, Innenausbau und so weiter) sowie wünschenswerterweise - auch die damit verbundenen kaufmännischen und rechtlichen Aspekte.

Optimierungspotenziale

Ein professionelles Immobilienmanagement kann in diesem Fall lediglich innerhalb des vom Kerngeschäft vorgegebenen Rahmens eine immobilienspezifische Optimierung durchführen. Daher ist ein Vergleich mit der reinen Investorensicht nur dann sinnvoll, wenn die betreffende Immobilie hinsichtlich ihrer Art und Lage umfassend marktgängig ist. Die Marktgängigkeit einer betrieblichen Immobilie leitet sich jedoch im Wesentlichen aus ihrer Drittverwendungsfähigkeit ab. Diese ist bei Unternehmensimmobilien oft nur bedingt gegeben. Produzierende Unternehmen sind aus sehr vielfältigen, aber auch sehr nachvollziehbaren Gründen (Immissionsschutz, Verkehrsanbindung, Grundstückspreise) gezwungen, Standorte am Rande oder weit außerhalb von urbanen Siedlungsgebieten aufzubauen und weiterzuentwickeln.

Im Falle von Verschiebungen der Produktionskapazitäten, welche zu einer Reduktion der Standortausnutzung führen, sind alternative Nutzungen nur begrenzt darstellbar. Vergleichsweise einfach ist eine Umnutzung oder Verwendung durch Dritte möglich, wenn es sich um standardisierte Produktions- und Lagerhallen handelt. Diese können noch einer Verwertung zugeführt werden, gegebenenfalls mit Abschlägen aufgrund verschiedenster nutzerspezifischer Besonderheiten bei Konstruktion, Ausbau, Anbindung oder Verwendung der Immobilie. Die bei Produktions- und Lagereinrichtungen noch einfach nachvollziehbaren Aspekte einer schwer darstellbaren Drittverwendungsfähigkeit können jedoch auch bei anderen Immobilienarten, zum Beispiel bei Büroimmobilien, zutreffen.

So ist beispielsweise grundsätzlich die Notwendigkeit zu hinterfragen, Verwaltungsbauten innerhalb von Produktionsstandorten oder in peripheren Gewerbegebieten und nicht an bürospezifischen Standorten zu errichten. Derartige Büroimmobilien können einerseits bei Leerständen kaum einem Markt zugeführt werden und sind somit de facto eine Spezialimmobilie, die für einen externen Financier zu risikoreich ist. Damit belasten derartige Immobilien letztlich als Kostenblock das Kerngeschäft.

Hier ist ein wesentlicher Hebel für einen Mehrwert aus einem Alignment zwischen Immobilien- und Unternehmensstrategie. Das Einfließen von immobilienwirtschaftlichem Know-how in kerngeschäftsspezifische Prozesse kann letztlich zu langfristigen Kostenvorteilen führen, wenn Objekte nicht nur auf die reinen Geschäftsspezifika, sondern auch auf die Realitäten des Immobilienmarktes abgestellt werden. Nur mit marktfähigen Objekten kann das Kerngeschäft auch flexibel hinsichtlich des Standortes bleiben und eine Kollektion nicht betriebsnotweniger oder stillgelegter Liegenschaften vermeiden, die Kapital und Managementressourcen binden. Hierzu tragen beispielsweise die nicht nur ge-schäfts-, sondern auch immobilienmarktgerechte Standortauswahl oder das Schaffen von Vorgaben im Sinne von marktüblichen und somit vermarktungsfähigen Bau- und Ausbaustandards für Industrie- und Lagerhallen bei.

Zeitliche Verfügbarkeit

Dem schließt sich unmittelbar als dritter Aspekt die Frage der zeitlichen Verfügbarkeit der Immobilie an. Im Prinzip haben zwar Grund und Boden eine "unbegrenzte Lebenszeit". Dem gegenüber steht aber eine Vielzahl externer Veränderungen, welche sich über die Zeit ergeben. So verändern sich Anforderungen an Immobilienobjekte über die Zeit (zeitgemäße Nutzung, Änderung des Bedarfs). Märkte - ob die der Immobilien oder des Kerngeschäftes - unterliegen Zyklen. Zudem benötigen Immobilienprojekte Zeit für Entscheidungsfindungen, Planungsleistungen und die Bauausführung.

Für investierende Corporates besteht die Herausforderung darin, dass sich die Machbarkeitsanalyse für ein Projekt selbstverständlich vornehmlich an den Bedürfnissen des Kerngeschäftes orientiert und zwar in jeglicher Hinsicht bezüglich der vorgenannten zeitspezifischen Aspekte: Marktzyklus, Anlagezeitraum et cetera. Hier besteht die Herausforderung darin, immobilienspezifische Aspekte zum Bestandteil einer Gesamtbetrachtung werden zu lassen. Marktzyklen des Kerngeschäfts und des jeweiligen Immobiliensegments korrelieren üblicherweise nicht beziehungsweise stehen erfahrungsgemäß selten in einem für das Gesamtinvestment günstigen Verhältnis. In Abhängigkeit von Immobilienmarkt und zeitlicher Perspektive kann hier beispielsweise gezielt aus wirtschaftlichen Gründen zwischen Eigeninvestition, Financial Lease oder einem Operate Lease gewählt werden.

Nutzerzufriedenheit und Produktivität

Eine weitere qualitative Erfolgskenngröße ist die (Nutzer-)Zufriedenheit und, mit dieser in einem direkten Zusammenhang stehend, die quantitative Kenngröße der (Nutzer-)Produktivität. Eine Studie der TU Darmstadt ermittelte allein hinsichtlich des Vorhandenseins unterschiedlicher Büroflächenkonzepte Produktivitätsabweichungen von bis zu 20 Prozent.3) Um jedoch Produktivitätsgewinne heben zu können, sind Eingriffe in traditionelle Flächennutzungskonzepte und somit auch in Betriebsabläufe, Hierarchieverständnisse, an der Vergabe von vermeintlichen Statussymbolen (zum Beispiel Einzelbüro, Parkplatz und so weiter) orientierte Personalkonzepte und Verfügbarkeit von IT-Tools unvermeidlich.

Hier zeigt sich eine weitere Notwendigkeit der Rückkopplung immobilienwirtschaftlicher Strategien mit gesamtunternehmerischen Vorgaben. Zudem liegt aber gerade bei diesen Sachfragen die höchste Schnittmenge zwischen den Zielstellungen eines professionellen CREM und einem proaktiv agierenden Kerngeschäft. Beide innerbetrieblichen Stakeholder - operatives Kerngeschäft und Stützfunktion - verfolgen hier auch ursächlich die gleichen Ziele. Ein Erfolg ist jedoch nur bei ganzheitlicher Vorgehensweise im Schulterschluss mit anderen funktionalen Facheinheiten wie zum Beispiel Personal und IT sowie deren fachbezogenen Teilstrategien zu erreichen. Eine aktuelle strategische Studie von Corenet Global4), dem internationalen CREM-Fachverband, sieht eine zunehmende Verschmelzung betrieblicher Immobilienthemen mit Personal- und IT-Fragen vor dem Hintergrund sich abzeichnender neuer Arbeitswelten.5)

Darauf aufbauend lässt sich zusammenfassen, dass trotz grundsätzlich strategischer Richtungskompetenz des Kerngeschäftes ein Alignment zwischen Unternehmens- und Immobilienstrategie wesentlich für den betriebswirtschaftlich effizienten und personalwirtschaftlich effektiven Umgang mit dem Betriebsmittel "Immobilie" und damit letztlich für einen gesamtunternehmerischen Erfolg ist. Nur über diesen Weg besteht eine reale Chance, als Unternehmen im Kerngeschäft anpassungsfähig für ein dynamisches Geschäftsumfeld zu bleiben, weitere Produktivitätssteigerungen und somit letztlich auch ambitionierte Renditeziele zu erreichen.

Fußnoten

1) Hartmann, S.; Lohse, M.; Pfnür, A.: 15 Jahre Corporate Real Estate Management in Deutschland: Entwicklungsstand und Perspektiven der Bündelung immobilienwirtschaftlicher Aufgaben bei ausgewählten Unternehmen; Arbeitspapiere zur immobilienwirtschaftlichen Forschung und Praxis, Band Nr. 10, S. 12; 2007.

2) Pfnür, A; Weiland, S.: CREM 2010: Welche Rolle spielt der Nutzer?; Arbeitspapiere zur immobilienwirtschaftlichen. Forschung und Praxis, Band Nr. 21; 2010.

3) Krupper, Dirk: Immobilienproduktivität: Der Einfluss von Büroimmobilien auf Nutzerzufriedenheit und Produktivität; Arbeitspapiere zur immobilienwirtschaftlichen Forschung und Praxis, Band Nr. 25; 2011.

4) siehe http://centraleurope.corenetglobal.org/. 5) Corenet Global Inc.: Corporate Real Estate 2020 - Enterprise Leadership; Final Report, Mai 2012, S. 7.

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