Schwerpunkt Unternehmensimmobilien

Bedeutung von professionellem CREM nimmt zu

Dr. Zsolt Sluitner, Chief Executive Officer, Siemens Real Estate, München

Deutsche Unternehmen halten laut einer Studie der TU Darmstadt durchschnittlich 70 Prozent der von ihnen genutzten Immobilien im eigenen Vermögen. Im Vergleich zu Ländern wie etwa den USA, wo die Eigentumsquote bei gerade einmal 30 Prozent liegt, ist dies ein enorm hoher Wert. Dennoch wird die strategische Bedeutung der Unternehmensimmobilien bislang häufig unterschätzt. Inwiefern ein professionelles Corporate Real Estate Management (CREM) zum Unternehmenserfolg beitragen kann, beantwortet der Autor des folgenden Beitrags. Er erläutert die wichtigsten Grundsätze einer der größten und erfolgreichsten deutschen Akteure auf diesem Gebiet. Dabei wird unter anderem deutlich, dass auch für die Manager von Unternehmensimmobilien die Megatrends Digitalisierung, Nachhaltigkeit und neue Arbeitswelten zunehmend in den Fokus rücken. Red.

Immobilien bilden die physische Voraussetzung für jede Art von Unternehmen. Dennoch führt das Corporate Real Estate Management (CREM) in vielen deutschen Unternehmen nach wie vor ein Schattendasein. Dafür gibt es viele Gründe, doch interessieren weniger die Ursachen, als die Möglichkeiten und Potenziale, die sich aus einem professionellen CREM ergeben. Denn wer versteht, welchen Hebel CREM für den wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens, für seine öffentliche Wahrnehmung aber auch seinen ökologischen Fußabdruck bietet, der versteht auch die Bedeutung des CREM.

Doch zunächst erst einmal einen Schritt zurück. Was versteht man eigentlich unter CREM? Das Corporate Real Estate Management, also das betriebliche Immobilienmanagement, umfasst alle liegenschaftsbezogenen Aktivitäten eines Unternehmens, dessen Kerngeschäft nicht in der Immobilie liegt. Zu den wesentlichen Aufgaben des CREM gehören das Entwickeln, Bauen, Kaufen/Verkaufen, Mieten/Vermieten sowie Finanzieren und Betreiben der Unternehmensimmobilien, wobei Tiefe und Umfang der Aufgaben je nach Unternehmen variieren. Um das CREM in Deutschland weiter zu professionalisieren, wurde im Zentralen Immobilien Ausschuss (ZIA) mit dem Branchenkodex wesentliche Eckpunkte definiert. Er soll Grundsätze etablieren, gleichzeitig aber der Property-Welt auch die Inhalte, Zielsetzungen und den Bedarf der Corporate-Real-Estate-Unternehmen verständlich machen. Denn Unternehmensimmobilien entwickeln sich mehr und mehr zu einer eigenen Assetklasse, und 85 Prozent der Akteure auf diesem nicht unbeträchtlichen Investmentmarkt kommen aus Deutschland.

Daten schaffen Transparenz und Kompetenz

Siemens hat all dies früh erkannt und Siemens Real Estate (SRE) bereits 1994 sukzessive die Gesamtverantwortung für alle Immobilienaktivitäten übertragen. In enger Verbindung zum operativen Geschäft ist SRE heute ein strategischer Partner des Konzerns, der so aktiv beim Erreichen seiner Ziele unterstützt wird. Dabei trägt SRE die Immobilien-Risiken und müssen ein operatives Ergebnis erzielen. Das betrifft sowohl das Portfoliomanagement, als auch Leerstandsrisiken und die Immobilienbewirtschaftung, bei der wir uns wie jeder große Bestandshalter den Möglichkeiten des Marktes bedienen.

Für SRE bedeutet dies, dass der komplette Lebenszyklus unserer Immobilien aus einer Hand angeboten werden muss. Und genau das ist es, was jeden professionellen CRE-Manager kennzeichnet. Dabei bewegen uns zentrale Themen, die aktuell auch in den Unternehmen wie in der Gesellschaft eine bedeutende Rolle spielen: Digitalisierung, Nachhaltigkeit und die Arbeitswelten der Zukunft.

Daten sind das Öl des 21. Jahrhunderts, heißt es. Für das CREM bietet sich mit dem Eintritt des Zeitalters der Digitalisierung eine unglaubliche Chance. Denn Daten bieten die valide Basis für das Immobiliengeschäft und den -betrieb. Darum hat SRE im vergangenen Jahr die neue Position des "Digitalization Officer" geschaffen (siehe Interview mit Petra Michaely) und führen derzeit ein komplett neues IT-System ein. Das kommt einem Paradigmenwechsel gleich. Zum ersten Mal verfügt SRE über ein System, in dem sämtliche Geschäftsabläufe und die damit verbundenen Berichts- und Kennzahlen erfasst, verarbeitet und verfügbar gemacht werden.

Dafür setzen wir die Standardsoftware unseres Partners Planon ein. Die cloudbasierte Software, die auf das Real-Estate-Geschäft spezialisiert ist, kann das Immobilienmanagement über den gesamten Lebenszyklus einer Immobilie hinweg unterstützen. Gleichzeitig verbindet sie alle Fachdisziplinen auf einer zentralen Plattform. Damit wird die Grundlage für ein weltweit einheit liches, zentrales und integriertes Real-Estate-Managementsystem geschaffen. Gleichzeitig verändert sich auch unser Kundenmanagement. Dazu wurden Apps entwickelt, über die unsere Kunden in Ergänzung zum persönlichen Dialog mit uns in Kontakt treten können.

Und schließlich wird inzwischen sehr intensiv das Building Information Modeling (BIM) genutzt. Mit BIM verabschiedet sich die Baubranche vom klassischen zweidimensionalen Bauplan, der abstrakt ist und immer wieder zu Missverständnissen führt. Das Herz von BIM ist ein virtuelles Gebäudemodell mit allen Daten, also ein digitaler Zwilling des Gebäudes, das man planen, bauen, betreiben und instandhalten will.

Der digitale Zwilling eines Gebäudes

Bei unserem aktuellen Neubauprojekt im schweizerischen Zug gehen wir den entscheidenden Schritt weiter und docken die BIM-Daten an unsere Planon IT-Plattform an. Während bisher BIM-Daten in der Regel nur für das Planen und Bauen genutzt werden, entsteht so erstmals ein Modell, in dem wir bereits während der Planung die Betreiberphase in BIM modellieren können. Das digitale Modell des Standorts kann so über den gesamten Lebenszyklus der Immobilien hinweg anpassen, erweitern und nutzen. Natürlich verursacht das erst einmal Kosten. Aber bereits beim Bau und natürlich beim späteren Betrieb werden Einsparungen realisiert, die diese Anfangskosten um ein Vielfaches aufwiegen. Mit Hilfe von Daten wird so der Sprung vom Real Estate Management zum Real Time Management geschafft, wodurch die Immobilien in Zukunft noch effizienter gemanagt und betrieben werden können.

Der Begriff der Nachhaltigkeit existiert in der deutschen Sprache bereits seit dem frühen 18. Jahrhundert. Doch erst seit einigen Jahren wird Nachhaltigkeit als Synonym für ein ethisches, auf die Zukunft ausgerichtetes Handeln verwendet. Im Rahmen seiner Nachhaltigkeitsstrategie hat sich Siemens das ehrgeizige Ziel gesetzt, als erster Industriekonzern weltweit bis 2030 eine neutrale CO2-Bilanz zu erzielen. Eine wichtige Rolle spielen dabei die Immobilien, denn europaweit entfallen 40 Prozent des Energieverbrauchs allein auf Gebäude.

Dies bedeutet, Neubauten unter strengsten Nachhaltigkeitsgesichtspunkten planen und errichten zu müssen. Egal ob Büro oder Werk - bei allen Neubauten wird inzwischen generell eine LEED-Zertifizierung angestrebt. Gleichzeitig gilt es aber auch, den Bestand zu optimieren. Mit der Mitte vergangenen Jahres eingeweihten neuen Konzernzentrale von Siemens in München kann anschaulich belegt werden, was im Neubaubereich möglich ist. Nachhaltigkeit war bei ihrer Planung und Errichtung integraler Bestandteil und sie verbraucht heute 90 Prozent weniger Strom und 75 Prozent weniger Wasser als der Altbestand.

SRE unterzieht seinen Bestand parallel strengen Überprüfungen. Dazu wurde das "Energy Efficiency Program" - kurz EEP - aufgelegt. Bis 2020 werden rund 100 Millionen Euro in Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz investiert. Das jährliche Einsparpotenzial dieser Maßnahmen liegt bei 20 Millionen Euro. Das betrifft übrigens nicht nur Büroimmobilien. Ein Beispiel: Im Siemens Schaltanlagenwerk in Frankfurt Fechenheim wurde die Mess-, Steuer- und Regeltechnik erneuert, ein gasbetriebenes Blockheizkraftwerk zur Stromerzeugung installiert, gewinnen Wärme aus den entstehenden Abgasen und binden diese in das Heizungsnetz ein. Damit stößt das Fechenheimer Werk heute nicht nur rund 1000 Tonnen weniger CO2 aus, sondern spart jährlich satte 313000 Euro ein - Geld, das sich unmittelbar in den Produktionskosten niederschlägt.

In diesem Zusammenhang soll nicht unerwähnt bleiben, dass viele dieser Maßnahmen nicht nur der Umwelt und dem Unternehmen, sondern direkt auch den Mitarbeitern zugutekommen. Sie profitieren von modernen Arbeitsplätzen, an denen das Raumklima und die Beleuchtung bedarfsgerecht gesteuert werden. Gleichzeitig unterstützt Siemens seine Mitarbeiter auch beim großen Thema Elektromobilität. Seit Anfang dieses Jahres können Siemens-Mitarbeiter an rund 100 Firmenstandorten in Deutschland ihre Elektrofahrzeuge kostenlos auftanken.

Ehrgeizige Nachhaltigkeitsziele

Ein Ziel, das heute viele Unternehmen umtreibt, blieb dabei bisher unerwähnt: Der "war for talents" genannte Kampf um die besten Arbeitskräfte, der uns gerade in Deutschland besonders intensiv umtreibt. Der demografische Wandel mit sinkenden Geburtenraten hat dazu geführt und trifft gerade Unternehmen besonders hart, die stark in Forschung und Entwicklung investieren. Dem professionellen CREM kommt dabei eine zentrale Aufgabe zu, denn es unterstützt sein Mutter-Unternehmen bei dem Ziel, ein attraktiver Arbeitgeber zu sein. SRE hat dies früh erkannt und bei Siemens bereits 2009 das Konzept "Siemens Office - New Way of Working" eingeführt. Das Arbeitsplatzkonzept bietet Flexibilität bei der Arbeitsplatzwahl, modernste IT, die freie Auswahl von unterschiedlichen Arbeitsplatztypen sowie eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf über die Möglichkeit, von zuhause aus zu arbeiten.

Mehr als 72 000 Mitarbeiter an 120 Standorten in 43 Ländern arbeiten heute bei Siemens in einer dieser offenen und modernen Arbeitsumgebungen. Doch die Arbeitswelten und die Anforderungen, die sich daraus an uns als CREM-Unternehmen ergeben, entwickeln sich kontinuierlich weiter. Neue Geschäftsmodelle resultieren in neuen Nutzeranforderungen an die Arbeitswelten der Zukunft. "Siemens Office" war darum von Beginn an kein statisches Modell. Es wurde über die Jahre kontinuierlich verbessert und angepasst.

Und in Zukunft? Unter dem Titel "Easy Space" arbeitet SRE derzeit an neuen Modellen, um "Siemens Office" für einen größtmöglichen Kundennutzen zu optimieren. So bietet "Easy Space" dem Flächennutzer alles, was er benötigt, aus einer Hand. Die Fläche, aber auch die komplette Büroausstattung einschließlich Möblierung, der benötigten IT-Infrastruktur und -Ausstattung bis hin zum Drucker und Kopierer. Alles wird - einschließlich der anfallenden Service- und Nebenkosten - von SRE angeboten und abgerechnet.

Dabei sind wir uns mehr als bewusst, dass die Arbeitswelten der Zukunft noch viele Herausforderungen für uns bereithalten werden. Denn die zunehmende Flexibilität und Mobilität des Arbeitens wird große Auswirkungen auf die Nachfrage nach Flächen haben. Derzeit entwickelt SRE darum neue Modelle, bei denen Flächen auch unter dem Gesichtspunkt der gemeinsamen Nutzung mit anderen ("Co-Sharing") angeboten werden können. Andere Modelle sehen vor, dass der Nutzer nur dann zahlen muss, wenn er die Flächen auch wirklich nutzt (pay-per-use).

Getrieben werden diese Themen zusehends auch von dem Wunsch nach einer besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Mit "Siemens Office" und der Möglichkeit, flexibel aus dem Home Office zu arbeiten, hat Siemens hier bereits früh Pionierarbeit geleistet. Darüber hinaus hat SRE allein in Deutschland in den vergangenen Jahren über 70 Millionen Euro in den Bau von Kitas investiert. Das Resultat: Mit 2000 betriebsnahen Kinderbetreuungsplätzen ist Siemens heute deutschlandweit führend. Auch das ist Teil des professionellen CREM.

Bei alldem darf das CREM jedoch nie die Sensibilität für die Kosten verlieren. Die übergreifende Aufgabe von SRE ist das aktive Portfoliomanagement. Wir müssen Bau-, Miet- und Verkaufsentscheidungen treffen, "Sale-and-Lease-back"-Optionen prüfen und dabei den Flächenverbrauch sowie die Nutzung der Objekte optimieren und flexibel an die Konzernbedürfnisse anpassen. Dabei gilt es genauso auf regionale Gegebenheiten zu reagieren wie auf die Entwicklungen des Geschäfts, des Marktes und der Immobilie.

Unter dem Gesichtspunkt der Optimierung des in Immobilien gebundenen Kapitals nehmen die bereits erwähnten "Sale-and-Lease-back"-Lösungen dabei einen immer größer werdenden Anteil ein. Während sie zu Beginn primär für Büroimmobilien genutzt wurden, hat SRE im vergangenen Jahr beispielsweise einen kompletten Gewerbepark - das Nordareal des Siemens Industrieparks in Karlsruhe - an einen Investor verkauft und die genutzten Gebäude langfristig rückgemietet. Außerdem plant und baut SRE teilweise von Beginn an gemeinsam mit Investoren - auch Fertigungen ("Built-to-suit").

Aktives Portfoliomanagement

Inzwischen erstellt SRE für alle Vorhaben im ersten Schritt immer einen Corporate Business Case. In ihm werden die möglichen Lösungsalternativen und ihre Auswirkungen auf die geschäftsführende Einheit wie auf den Gesamtkonzern untersucht und bewertet. Dabei steht weniger die Optimierung der Rendite im Vordergrund, als ein effizientes und an den Strategien der operativen Bereiche orientiertes Portfolio. Gleiches gilt bei anstehenden Flächenoptimierungen. Über all dem schwebt dabei immer die Frage der Flexibilität. Flächen müssen Veränderungspotenzial besitzen. Das betrifft sowohl die Gestaltung des Arbeitsumfelds als auch ihre Größe und Nutzungsdauer. Denn der Konzern will flexibel reagieren können - effizient und mit transparenten Kosten.

Um diese Kostentransparenz weiter zu optimieren hat SRE im vergangenen Jahr in Portugal ein globales Center of Competence errichtet, in dem eine Vielzahl der kaufmännischen Prozesse länderübergreifend gebündelt werden. Auch dies sieht SRE als einen von vielen Schritten, um das CREM weiter zu professionalisieren.

Die Liste der Aktivitäten eines CREM-Unternehmens ließe sich weiter fortsetzen. Die Corporate Architecture zählt genauso dazu wie ein funktionierendes Facility Management und Serviceleistungen, Sicherheitsfragen, Mitarbeiterrestaurants oder die heute bereits an vielen Siemens Standorten selbstverständlichen und bereits erwähnten Kitas, Freizeit- und Sporteinrichtungen oder Einkaufsmöglichkeiten. All diese Aktivitäten belegen eindrücklich die übergreifende Rolle, die das Corporate Real Estate Management in einem Konzern spielt. Eindrücklich beweist es gleichzeitig die übergreifende Bedeutung, die dem CREM zukommt. Darum lautet das Credo bei SRE: Ein professionelles Corporate Real Estate Management ist für Unternehmen kein "nice to have" - es ist eine entscheidende Größe für den geschäftlichen Erfolg.

Der Autor Dr. Zsolt Sluitner Chief Executive Officer, Siemens Real Estate, München
Dr. Zsolt Sluitner , CEO , Siemens Real Estate, München
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