Im Gespräch

"Banken wandeln sich vom Kreditgeber zum Problemlöser in Finanzierungsfragen"

I&F Weil die Banken als ein Verursacher der Finanzmarktkrise ausgemacht wurden, will die Politik sie jetzt mit einer Finanztransaktionssteuer zur Kasse bitten. Welche Folgen wird das für die Immobilienfinanzierer und die Immobilienwirtschaft in Europa haben?

Bisher wird viel über die Finanztransaktionssteuer diskutiert. Klar ist aber nur: Sie soll kommen und bislang steuerfreie Finanztransaktionen mit einer Art Umsatzsteuer belegen. Dagegen ist zunächst nichts einzuwenden, doch ist eine europaweite Harmonisierung anzustreben, damit die Steuer wettbewerbsneutral ist. Solange aber unbekannt ist, wie die Steuer konkret ausgestaltet sein wird, lässt sich über ihre Auswirkungen nur spekulieren.

Wahrscheinlich werden Finanzdienstleistungen teurer, weil die Steuer in der Preiskalkulation der Banken berücksichtigt werden muss. Für die klassischen Hypothekenbanken, die in der Regel nur Zinssicherungsgeschäfte und Währungsswaps tätigen, dürfte die Steuer daher allenfalls geringe Auswirkungen auf das Geschäft und die Marge haben.

I&F Werden die Banken überreguliert?

Einmal als Quelle allen Übels ausgemacht, will die Politik Europas Banken stärker an die Kandare nehmen, obwohl der Finanzsektor heute schon extrem hoch reguliert ist und sehr engmaschig kontrolliert wird. Um alle regulatorischen Anforderungen zu erfüllen, müssen die Banken bereits enorme Ressourcen - vor allem in der IT - binden. Das verursacht natürlich Kosten, die betriebswirtschaftlich in den Preiskalkulationen für die Produkte und Dienstleistungen berücksichtigt werden müssen. Mit der Finanztransaktionssteuer wächst die Last zweifellos.

I&F Obwohl die Notenbank den Geschäftsbanken enorm viel Liquidität zu extrem niedrigen Zinsen bereitstellt, klagen Immobilienunternehmen über prohibitive Kreditkonditionen. Ist die Immobilienwirtschaft hinsichtlich günstiger und scheinbar grenzenloser Liquidität verwöhnt?

Für den deutschen Kreditmarkt im Allgemeinen und das Firmenkundengeschäft im Besonderen gilt, dass das Produkt Kredit im internationalen Vergleich sehr günstig angeboten wurde. In Deutschland lag die Marge im Mittelstandsgeschäft bei etwa einem Prozent, während zur gleichen Zeit in England drei Prozent üblich waren. Heute müssen die Kunden zum Beispiel Liquiditätsaufschläge akzeptieren, weil Liquiditätskosten für die Banken inzwischen recht unkalkulierbar geworden sind.

Hinzu kommt: In der Vergangenheit bemühten sich relativ viele Banken um den Kunden und dieser profitierte vom Wettbewerb. Mittlerweile ist die Zahl der Anbieter gesunken und sie konzentrieren sich oft nur noch auf bestimmte, eng definierte Geschäftsfelder, Märkte und Produkte. Gleichzeitig entdecken aber auch einige neue Anbieter den Markt. So sind immer häufiger Sparkassen und Genossenschaftsbanken auch in der gewerblichen Immobilienfinanzierung aktiv. Zudem finanzieren Versicherungsunternehmen Gewerbeimmobilien, wenn sie ihren spezifischen Anforderungen hinsichtlich Sicherhein, Kredithöhe, Beleihungsauslauf und vor allem Laufzeit entsprechen.

I&F Tatsächlich richten sich die Beschwerden weniger gegen die geforderten Zinsen, sondern vielmehr gegen die hohen Eigenkapitalanforderungen. Wollen die Banken keine Risiken mehr nehmen?

Wesentlicher Gestaltungsfaktor der Kreditvergabe ist heute die Refinanzierung. War es früher so, dass zunächst das Aktivgeschäft abgeschlossen und anschließend im Treasury das Geld bestellt wurde, so ist aktuell vor allem bei größeren Abschnitten und im unbesicherten Bereich zu beobachten, dass das Aktivgeschäft auf das Passivgeschäft folgt. Inzwischen ist aber auch hier eine Entwicklung zum Besseren zu beobachten. Derzeit refinanziert die Deutsche Hypo den erstrangigen Kreditabschnitt - bis zu 60 Prozent des Beleihungswertes - über Pfandbriefe, deren Platzierung nach wie vor problemlos und günstig ist. Aber auch die Refinanzierung eines nachrangigen Kreditteils von 20 bis 30 Prozent über unbesicherte Anleihen ist möglich, jedoch anspruchsvoll. Folglich bleiben die Eigenkapitalanforderungen an die Kreditnehmer hoch.

I&F Was muss der Kunde mitbringen, um eine Finanzierung von der Deutschen Hypo zu bekommen? Zum einen wird der Kunde betrachtet, der sich als professioneller Geschäftspartner in seinen Märkten auskennen und die Risiken in der Planung, Entwicklung und dem Vertrieb beherrschen muss. Zudem sollten eine möglichst gute Bonität und Eigenkapital in angemessener Höhe vorhanden sein.

Zum anderen steht das Projekt beziehungsweise das Beleihungsobjekt im Fokus. Wie hoch ist die Vorvermietung? Welche Bonität haben die Mieter? Wie sind die Mietverträge ausgestaltet? Das sind einige der zu klärenden Fragen. Die Immobilie und ihr Markt werden sehr eingehend analysiert. Wenn die Qualität eines Standorts oder eines Konzepts unzureichend ist, wird die Immobilie auch bei hohem Eigenkapitaleinsatz nicht von der Deutschen Hypo finanziert.

I&F Weniger Anbieter in der gewerblichen Immobilienfinanzierung gibt aktiven Häusern die Gelegenheit, kräftig zu wachsen. Steigt bei geringem Wettbewerb die Gefahr der Selbstüberschätzung?

Nicht bei der Deutschen Hypo. Für die Kreditvergabe und die Geschäftsentwicklung wurden innerhalb des Nord-LB-Konzerns Korridore für Kosten- und Rentabilitätsziele vorgegeben, die es einzuhalten gilt. Danach kann die Deutsche Hypo wachsen.

Tatsächlich hat die Deutsche Hypo das originäre Neugeschäft in der gewerblichen Immobilienfinanzierung 2011 um 40 Prozent auf rund drei Milliarden Euro ausgeweitet. Unsere Planungen für 2012 gehen davon aus, das Vorjahresvolumen mindestens wieder zu erreichen.

Dabei bleiben wir den traditionellen Märkten treu. Auf Deutschland sollen etwa 60 Prozent des Neugeschäfts entfallen. Auch in Großbritannien und Frankreich wird ein Wachstum des Neugeschäfts angestrebt. In den Niederlanden will die Bank weiter präsent sein, während in Spanien die Entwicklung der Immobilienmärkte und der Baubranche abzuwarten sein wird. Als Zielmarkt neu auf der Agenda ist Polen, wo bereits in diesem Jahr der Einstieg erfolgen könnte.

I&F Hilft die Zugehörigkeit zur Nord-LB bei der ungedeckten Refinanzierung?

Grundsätzlich hat es ein Spezialfinanzierer in einem Konzernverbund einfacher, als wenn er auf sich allein gestellt am Kapitalmarkt agieren muss. So hat die Nord-LB insbesondere Zugang zu vielen Sparkassen, die gedeckte und ungedeckte Bankschuldverschreibungen der Deutschen Hypo zeichnen beziehungsweise vertreiben. Grundsätzlich ist die Deutsche Hypo natürlich für ihre Refinanzierung allein verantwortlich. Dabei helfen vor allem die in 140 Jahren aufgebaute Reputation und der direkte Zugang zu privaten und institutionellen Investoren. Zudem bieten Privatbanken ihren Kunden sowohl Pfandbriefe als auch ungedeckte Anleihen der Deutschen Hypo an.

I&F Wie attraktiv ist der Pfandbrief noch, wenn er einerseits für Investoren nur noch magere Renditen bietet und andererseits für die Emittenten aufgrund wachsender Anforderungen seitens des Gesetzes und seitens der Ratingagenturen teurer wird?

Da sich der Pfandbrief weiterhin zu Spreads absetzen lässt, die wesentlich niedriger als die anderer Covered Bonds sind, ist das Produkt aus Investorensicht offensichtlich nicht zu teuer. Der Pfandbrief ist ein Qualitätsprodukt, an dessen Verbesserung die Emittenten - besonders hinsichtlich Transparenzanforderungen - weiter arbeiten. Das hat selbstverständlich seinen Preis.

I&F Neue Anbieter drängen in den Markt der gewerblichen Immobilienfinanzierung. Wie definieren die Immobilienbanken ihre künftige Rolle?

Zwar wird die Kreditvergabe anspruchsvoll bleiben, aber sie ist zugleich die Kernkompetenz der Banken. Es macht keinen Sinn, nur immer mehr Eigenkapital von den Kunden zu fordern. Wenn beispielsweise ein Projektentwickler statt bisher 15 Prozent heute 30 Prozent Eigenmittel mitbringen muss, dann kann er ceteris paribus nur noch die Hälfte der möglichen Projekte realisieren. Das heißt aber auch, dass die Bank nur halb so viele Geschäfte wie früher mit ihm machen kann.

Alternativ kann sich die Bank überlegen, wie sie den Kundentunterstützt, die Eigenkapitallücke zu schließen. So könnten Kreditinstitute zum Beispiel den Kontakt zu Co-Investoren oder Mezzani-ne-Kapitalgebern herstellen oder Joint Ventures initiieren. Damit wandeln sich die Banken vom reinen Kreditgeber zum generellen Problemlöser in Finanzierungsfragen.

I&F Es wird viel über Mezzanine Capital gesprochen, aber besteht auch Nachfrage? Sind im Markt schon entsprechende Transaktionen zu sehen?

Es sind - wenn auch wenige - Fälle bekannt, bei denen Investoren, die nicht originär aus der Immobilienfinanzierung kommen, als Kapitalgeber aktiv wurden. Dabei kann das Engagement ganz unterschiedlich ausgestaltet sein, sodass es wohl eine Definitionsfrage ist, wo Mezzanine Capital jeweils anfängt und endet. Letztlich kommt es doch mehr darauf an, dass die Transaktion zustande kommt und die jeweiligen Risiken fair bepreist sind, als darauf, wie nun welcher Teil der Finanzierungslösung genannt wird.

I&F Ziehen sich die Banken neue Wettbewerber heran, wenn sie Versicherungsunternehmen oder Fonds als Finanzierungspartner einbinden?

Zweifellos lernen zum Beispiel Versicherungsunternehmen ein Stück weit, wie gewerbliche Immobilienfinanzierung funktioniert. Das könnten die Banken aber ohnehin nicht verhindern. Neue Kapitalgeber und Konsortialpartner sind im Markt hoch willkommen, weil ansonsten ein Teil der Investitionen gar nicht stattfinden würde und somit auch den Banken Geschäft verloren ginge.

Doch auch die neuen Anbieter konzentrieren sich auf die Segmente des Marktes, die ihrem Risiko-Rendite-Profil entsprechen und in denen sie sich auskennen. Zudem zeigt sich immer wieder, dass sowohl bei internationalen Großbanken als auch bei Versicherungsunternehmen die Immobilienfinanzierung häufig nur ein opportunistisches Geschäftsfeld ist. Bekanntlich haben zum Beispiel die Lebensversicherer im aktuellen Niedrigzinsumfeld Schwierigkeiten, Kapitalanlagen zu finden, mit denen sie ihre Renditeverpflichtungen gegenüber den Versicherten erfüllen können.

Zudem macht das neue Regelwerk Solvency II Immobilienfinanzierungen für die Assekuranz attraktiver. Ob das langfristig auch so sein wird, bleibt abzuwarten. Deshalb braucht die Immobilienwirtschaft weiterhin spezialisierte Finanzierer, sodass einem um die Zukunft der Immobilienbanken nicht bange sein muss.

I&F Wie geht es mit dem Verbriefungsmarkt weiter? Was passiert mit den Fälligkeiten?

Ein erstes nennenswertes Volumen an CMBS wird 2012 fällig, doch die große Welle ist erst in den Jahren 2013 und 2014 zu erwarten. Es laufen bereits Gespräche mit den Banken über die Möglichkeiten einer Refinanzierung. Die gesamten Volumina werden die Kreditinstitute allein wohl nicht übernehmen können. Dafür wird es aber andere Akteure im Markt geben, zum Beispiel Fonds, die derzeit nach Opportunitäten suchen und diese gewiss auch finden werden. Selbstverständlich könnten auch die Zeichner von Verbriefungstranchen die Sicherheiten direkt übernehmen.

Es wird auch wieder Verbriefungen geben. Sie werden einfacher, konservativer und transparenter strukturiert sein und der risikoreichste Teil wird bei den Banken verbleiben, um Interessengleichheit zwischen Investor und verbriefender Bank sicherzustellen.

I&F Welche Erwartungen haben Sie an die MIPIM 2012?

Gedämpfter Optimismus beschreibt die aktuelle Stimmung an den Immobilienmärkten wohl am besten. Wie in den Vorjahren bietet die MIPIM ein hervorragendes Forum für die Kontaktpflege.

I&F Warum braucht es in Zeiten von Multimedia und Social Media sowie immer transparenteren Immobilien- und Kreditmärkten noch eine Veranstaltung, auf der die Akteure persönlich erscheinen?

Die Immobilienfinanzierung und die Immobilienwirtschaft sind ein sehr individuelles Geschäft, weil jede Immobilie nun einmal einzigartig ist. Investitionen in Projektentwicklungen oder Bestandsobjekte sowie deren Finanzierungen werden nicht virtuell gehandelt. Entsprechend kommt es auf die Einschätzung der Immobilie und der handelnden Menschen an, die man am besten persönlich in Augenschein nimmt. Die Immobilienbranche geht mit der Zeit und kommuniziert viel über neue Medien, aber es ist wichtig, die Menschen auch im direkten Gespräch besser kennenzulernen.

Dr. Jürgen Allerkamp , Vorsitzender des Vorstands, Investitionsbank Berlin
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