Ausland

Auswirkungen der neu organisierten US-Steuerverwaltung

Wer sich derzeit mit Veränderungen im internationalen Steuerrecht der USA beschäftigt, findet primär nur ein Thema - den Foreign Account Tax Compliance Act oder kurz FATCA. Es wäre jedoch verkehrt zu glauben, dass FATCA die einzige Maßnahme ist, die internationale Investoren betreffen könnte. Letztlich unbeachtet von einer größeren Öffentlichkeit hat sich die US-Finanzverwaltung (Internal Revenue Service, IRS) intern neu organisiert. Während FATCA im Endeffekt (nur) unbeschränkt US-Steuerpflichtige treffen und dazu die Finanzindustrie als "Hilfssheriff" eingesetzt werden soll, zielt die Umgestaltung des IRS vor allem auf international agierende Unternehmen ab.

Angetrieben von der Vorstellung, dass international tätige Unternehmen dazu neigen, Steuersubstrat in niedrig(er) besteuerte Länder zu verlagern, versuchen nun (auch) die USA, das von multinationalen Unternehmungen generierte Steueraufkommen zu erhöhen. Dieses Ziel soll indes nicht durch neue oder schärfere Steuergesetze, sondern allein im Verwaltungswege und mittels eines verstärkten Betriebsprüfungsdrucks erreicht werden.

Zu diesem Zweck hat sich der IRS drastisch umorganisiert und neu aufgestellt. Auf den ersten Blick scheint dies vor allem eine Thematik zu sein, die lediglich US-Steuerpflichtige betrifft. Schaut man sich aber die neuen Strukturen und das Ziel der IRS-Reorganisation genauer an, wird schnell klar, dass eine Distanz zu diesem Thema auch für deutsche Unternehmen mit US-Präsenz schnell zu einem teuren Fehler werden kann.

Innerhalb der bisherigen Struktur des IRS war zumeist die "Large and Midsized Business Division" (LMSB) für international tätige Unternehmen zuständig. Die Teams des LMSB waren im Rahmen von Betriebsprüfungen mit allen Aspekten eines Steuerfalls betraut, das heißt neben reinen US-Steuerfragen wurden auch internationale Sachverhalte einschließlich eventueller Verrechnungspreisthematiken untersucht. Änderungen und Anpassungen, die sich aus einer Betriebsprüfung ergaben, standen stets unter dem Vorbehalt der Zustimmung durch den jeweiligen "Team Manager". Diese Team Manager waren allerdings zumeist Spezialisten für das (nationale) US-Steuerrecht und so fehlte es im Bereich der internationalen Steuerthemen häufig an dem notwendigen Wissen und/oder der Kompetenz, sodass der Steuerpflichtige regelmäßig die Ergebnisse der Betriebsprüfung in seinem Sinne "wegdiskutieren" konnte.

Die (interne) Neuaufstellung des IRS

Die nun angegangene Reorganisation des IRS kam keinesfalls völlig überraschend. Bereits 2007 kündigte der damalige IRS-Commissioner Mark Everson1) in einer Stellungnahme an den Kongress an, dass er Millionen von US-Dollar investieren werde, um sicherzustellen, dass gerade international tätige Unternehmen einer ausreichend steuerlichen Prüfung unterzogen werden. Diese Aussage wurde durch nachfolgende Äußerungen anderer IRS-Vertreter bestätigt und sogar bestärkt.2)

Im Rahmen der Reorganisation des IRS wurde aus der Abteilung LMSB die Large Businesses and International Division (LB&I). Als erste Neuerung fällt auf, dass zukünftig US-Steuerthemen und internationale Steuerfragen in Betriebsprüfungen durch eigene, entsprechend spezialisierte Teams geprüft werden. Die "Allzuständigkeit" eines Prüfers wird es mithin nicht mehr geben.

Daneben erfolgte auch eine komplette Umorganisation der Zuständigkeiten. Während die LMSB lediglich nach Regionen organisiert und ansonsten aber für alle Industriezweige zuständig war, gibt es innerhalb der LB&I nun spezialisierte Abteilungen, um den jeweiligen Besonderheiten der unterschiedlichen Wirtschaftzweige Rechnung tragen zu können. Die Aufteilung wurde dabei wie folgt vorgenommen:

- Communications, Technology and Media,

- Financial Services,

- Heavy Manufacturing and Transportation,

- Natural Resources and Construction,

- Retailers, Food, Pharmaceuticals and Healthcare,

- Global High Wealth and

- Field Specialists.

Durch diese Neuausrichtung erhofft sich der IRS nicht nur, Kompetenz im internationalen Steuerrecht zu bündeln, sondern darüber hinaus auch spezielle Branchenkenntnisse aufzubauen. Gerade mit Blick auf die unterschiedlichen Verrechnungspreisproblematiken dürfte dieses Spezialwissen dazu führen, dass sich der IRS in Zukunft nicht mehr auf das schlichte Abwehren von Argumenten beschränken muss, sondern ein sehr kompetenter Sparringspartner werden wird, der sich nicht mehr mit einem einfachen Hinweis auf die Besonderheiten einer Branche von seiner aufgebauten Position abbringen lassen wird. Aus Sicht des IRS ist dies ein nicht zu unterschätzender Vorteil.

Bei dem Aufbau dieser besonderen Kompetenz begnügt sich der IRS nicht nur damit, den Personalstamm der LB&I durch "normale" Verwaltungsangestellte aufzustocken, sondern es werden auch ganz gezielt Experten aus der Wirtschaft (beispielsweise Anwaltskanzleien und Beratungsunternehmen) abgeworben. Diese Fachleute von "der anderen Seite des Tisches" sollen nicht nur ihre speziellen (technischen) Branchenkenntnisse einbringen, sondern darüber hinaus auch dafür sorgen, dass dem LB&I die (mehr oder weniger) tatsächlichen Schwächen eines Steuerpflichtigen bei der Ermittlung der Verrechnungspreise bekannt sind.

Auswirkung auf die Betriebsprüfungspraxis

Abgerundet wird die Neuaufstellung des IRS durch eine Führungsposition innerhalb der LB&I Division, die vor allem für die erfolgreiche Durchsetzung der IRS-Auffassung in Fragen der Verrechnungspreise zuständig sein soll - auch im Rahmen eines Rechtsstreits mit dem jeweils betroffenen Unternehmen. In diesem Zusammenhang ist eine Bemerkung des innerhalb des IRS für Verrechnungspreise zuständigen Direktors vom 11. Juni 2011 interessant, nach der das Produzieren von "Gewinnern" in Steuerstreitverfahren das Schlüsselelement in dem neu belebten Fokus "Verrechnungspreise" sein wird.

Wie dargestellt, verfolgt der IRS mit seiner Neuausrichtung das Ziel, insbesondere im internationalen Steuerrecht sowie im Bereich der Verrechnungspreise Know-how aufzubauen und sich so besser auf die individuelle Situation des Steuerpflichtigen einstellen zu können.

Je erfolgreicher dieser Aufbau sein wird, desto mehr wird die Bereitschaft des IRS sinken, sich in Betriebsprüfungen bei Verrechnungspreisfragen verhandlungsbereit zu zeigen. Die in der Vergangenheit häufig vorhandene Möglichkeit, das fehlende Detailwissen eines Prüfers (beziehungsweise des Team Managers) zu nutzen und im Verhandlungswege ein günstiges Ergebnis zu erzielen, wird es so nicht mehr geben.

Vielmehr ist damit zu rechnen, dass die mit branchenspezifischen Kenntnissen ausgestatteten Betriebsprüfer bereit sind, kontroverse Fragestellungen auch im Rechtswege voranzutreiben und die Position des IRS auf die gerichtliche "Haltbarkeit" hin zu testen. Der Rückhalt des IRS ist den Prüfern hier sicher.

APA und MAP

Mehr noch als früher ist es also für einen Steuerpflichtigen wichtig, seine Verrechnungspreise so gut wie möglich zu dokumentieren und keine Flanken für den Betriebsprüfer zu öffnen. Dies gilt insbesondere auch für US-Tochtergesellschaften/Betriebsstätten einer in Deutschland ansässigen Muttergesellschaft, da gerade die grenzüberschreitenden Beziehungen in den Fokus des IRS gerückt sind.

Im Rahmen von Doppelbesteuerungsabkommen spielen sogenannte Advance Pricing Agreements (APA) und Mutual Agreement Procedures (MAP) eine wichtige Rolle, um dem Steuerpflichtigen die erforderliche Rechtssicherheit bei Vertragsbeziehungen innerhalb eines Konzerns zu geben. Zuständig für die Prüfung und Erteilung solcher APA und MAP ist in den USA die Competent Authority. Vor der Reorganisation des IRS war die Competent Authority Teil des Office of Chief Counsel. Diese Zuordnung wurde bewusst gewählt, um Verhandlungen von APA und MAP unabhängig von Betriebsprüfungen zu halten (sogenannter "hands off"). Zukünftig wird indes auch die Competent Authority in die LB&I eingegliedert sein (Ende des "hands off").3)

Die Eingliederung der Competent Authority in die LB&I mag zunächst lediglich als ein rein organisatorischer Akt erscheinen. Verdeutlicht man sich aber, welche Informationen ein Steuerpflichtiger im Rahmen eines APA- oder MAP-Antrages offenlegen muss, so wird klar, dass die Umhängung der Competent Authority dem IRS einen fast unschätzbaren Vorteil bringt. Insbesondere im Rahmen eines APA-Verfahrens ist der Steuerpflichtige gezwungen, vorab seine steuerliche Situation sowie seine internationale Struktur offenzulegen - und dies in einem sehr viel höheren Maße, als es der IRS (oder die deutsche Finanzverwaltung) mit Mitteln der Betriebsprüfung mit einem noch vertretbaren Aufwand ermitteln könnte.

Eingliederung der Competent Authority

Die Eingliederung der Competent Authority in die LB&I führt mithin dazu, dass dieses Know-how von dem Steuerpflichtigen quasi "freiwillig" der LB&I im Rahmen der Verhandlung von APA und MAP zur Verfügung gestellt wird. Eine direkte Verwertung dieses Wissens in nachfolgenden Betriebsprüfungen ist nicht auszuschließen.

Mit der Eingliederung der Competent Authority in die LB&I geht auch ein Ausbau des Mitarbeiterstammes einher. Betreuen derzeit rund 39Mitarbeiter 222offene APA-Anträge, sollen es künftig rund doppelt so viele sein. Dies ist nicht nur ein Vorteil für den IRS, sondern auch für die Steuerpflichtigen, denn zumindest auf US-Seite stehen künftig mehr Personalressourcen zur Bearbeitung von APA-Anträgen zur Verfügung. Da auf deutscher Seite kein entsprechender Personalaufbau beabsichtigt ist4), bleibt abzuwarten, ob sich die Bearbeitungszeit für APA bei einem Anstieg von Anträgen verlängert oder ob die deutschen Behörden in diesem Fall eher bereit sein werden, Anträge "durchzuwinken", um dem gesteigerten Arbeitsaufwand gerecht werden zu können.

Joint Audits

Einer OECD-Empfehlung aus dem Jahr 20105) folgend will der IRS zudem zukünftig mit partizipierenden Staaten sogenannte Joint Audits durchführen. Derartige "gemeinsame Betriebsprüfungen" bedeuten nicht, dass die jeweiligen Mitarbeiter einer Betriebsprüfung in den USA auch im anderen Staat ermitteln können oder sollen. Vielmehr werden lediglich die Betriebsprüfungsergebnisse eines Steuerpflichtigen im Rahmen des nach nationalem und DBA-Recht Zulässigen mit den Ergebnissen des anderen Staates abgeglichen.

Art und Umfang der Beteiligung der deutschen Finanzverwaltung an derartigen Prüfungen kann noch nicht abgeschätzt werden. Die deutsche Finanzverwaltung gibt derzeit zu diesem Themenkomplex keine Stellungnahme ab. Zwar kann aus einem Schweigen der Verwaltung noch nicht auf eine baldige Joint-Audit-Vereinbarung geschlossen werden, die Erfahrung zeigt aber, dass Finanzverwaltungen international, soweit rechtlich möglich, immer enger zusammenarbeiten. Letztlich würden Joint Audits beiden (Fiskal-)Seiten dienen - international tätige Steuerpflichtige sind daher gut beraten, sich bereits heute auf diese Möglichkeit einzustellen.

Mehreinnahmen erwartet

Ihrem Ruf als Trendsetter in Sachen Steuern und Compliance gerecht werdend, haben die USA ihre Finanzbehörden neu ausgerichtet. Diese Neuausrichtung wird ein aggressiveres Herangehen des IRS an internationale Steuerthemen nach sich ziehen. Die USA erwarten sicherlich nicht zu Unrecht eine Dividende in Form von Steuermehreinnahmen.

Unternehmen mit US-Präsenz sollten sich auf diese Neuerungen einstellen und rechtzeitig eine Überprüfung ihrer Verrechnungspreisdokumentation durchführen. Es steht zu erwarten, dass diese künftig einen Prüfungsschwerpunkt bilden wird. Je nach Größe des Unternehmens werden künftig auf der anderen Seite des Tisches Prüfer sitzen, die mit Branchenwissen ausgestattet sind. Der IRS wird sich zukünftig nicht mehr mit einem einfachen Hinweis auf die Besonderheiten der Branchen zufrieden geben. Gerade die Finanzindustrie wird hier in das Blickfeld des IRS rücken.

Fußnoten

1) IRS Commissioner Mark Everson, Testimony before Congress, BNA Daily Tax Report.

2) S. Musher, Associate Chief Counsel in the IRS Office of Chief Counsel 06/2009; IRS Commissioner Doug Shulmann August 2010.

3) Zieldatum ist der 1. Januar 2012.

4) Zum Vergleich: Das Bundeszentralamt für Steuern beschäftigt derzeit rund 22Mitarbeiter für den Bereich APA und diese bearbeiten derzeit rund 138offene Fälle.

5) OECD Joint Audits Participants Guide, 2010.

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