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Interchange-Konsequenzen: kein Mastercard-Boyko tt

Eine Woche vor dem Verstreichen der Sechs-Monats-Frist nach der Entscheidung der EU-Kommission vom 19. Dezember 2007 hat Mastercard bekannt gegeben, fristgemäß zum 21. Juni die Mastercard- und Maestro-Interchange für grenzüberschreitende Zahlungen in Europa abzuschaffen - vorübergehend, wie in einer Pressemitteilung betont wird. Diese Entscheidung ist den Verantwortlichen in Waterloo gewiss nicht leicht gefallen. Schließlich wird mit dem Wegfall der Interchange das gesamte Geschäftsmodell berührt. Der Unmut der Emittenten, die gedroht haben sollen, die Zusammenarbeit mit Master card aufzukündigen, ist insofern nur zu verständlich.

Keine Wahl gehabt

Dennoch gab es zum jetzigen Zeitpunkt wohl keine andere Wahl. Denn trotz ver schiedener in den vergangenen sechs Monaten unternommenen Versuche, auf der Basis einer "substanziellen Senkung" der Interchange-Sätze eine Einigung mit der Kommission zu erzielen, sind diese Bemühungen gescheitert. Ohne die Aussetzung der beanstandeten Gebühren wäre ab dem 22. Juni ein tägliches Zwangsgeld in Höhe von 3,5 Prozent des täglichen Gesamtumsatzes 2007 fällig geworden. Überdies hätte eine Demonstration der Sturheit vermutlich Ähnliches auf Seiten von Neelie Kroes und ihren Mitarbeitern zur Folge gehabt und damit die Chancen zu einer Einigung drastisch dahinschwinden lassen.

Nach gegenwärtigem Stand der Dinge er klären beide Seiten, den Dialog fortsetzen zu wollen. Ganz aussichtslos ist das nicht - hat die Kommission doch verschiedentlich bekundet, dass die Interchange nicht grundsätzlich als rechtswidrig eingestuft wird. Vielleicht war die sechs-Monats-Frist für die Gespräche nur einfach zu kurz. In Waterloo ist man jedenfalls zuversichtlich, dass die Kommission letztlich doch "some level of Interchange" als notwendig für das Funktionieren eines Kartensystems einschätzen wird. Und weil doppelt genäht bekanntlich besser hält, hat Mastercard noch ein weiteres Eisen im Feuer: Beim europäischen Gerichtshof ist seit dem 1. März 2008 eine Klage gegen die Entscheidung vom Dezember 2007 anhängig, bei der freilich kaum mit einer raschen Entscheidung zu rechnen sein dürfte. Auch wenn in der Angelegenheit das letzte Wort noch nicht gesprochen sein dürfte: Für die Karten emittierenden Banken ist die Lage zweifellos unschön. Schließlich erhalten sie von nun an für die Autorisierung grenzüberschreitender Zahlungen und die Abgabe der Zahlungsgarantie kein Entgelt mehr. Einziger Trost ist die Tatsache, dass dies nur für einen kleinen Teil des Kartengeschäfts gilt. Die von der Änderung betroffenen Transaktionen machen laut Mastercard weniger als fünf Prozent des Maestro- beziehungsweise Mast ercard-Volumens von Mastercard Europe aus.

Inlandszahlungen forcieren

Die Aufkündigung der Geschäftsverbindungen mit Mastercard dürfte insofern für viele Häuser zum jetzigen Zeitpunkt nur sehr bedingt eine Option sein. Partner schaften mit American Express könnten stärker gesucht werden als bisher, werden die Emission von Mastercard-Karten aber wohl nicht ersetzen können. Auch einen massenhaften Wechsel der Emittenten von Mastercard zu Visa wird es vermutlich nicht geben. Schließlich ist die Umstellung eines kompletten Portfolios mit einigem Aufwand verbunden, und auch auf Visa-Seite ist die künftige Ertragsbasis offen. Die Galgenfrist, die die laufende Antitrust-Untersuchung der EU-Kommission bietet, reicht als Entscheidungsgrundlage wohl kaum aus.

Im Kreditkartengeschäft gewinnt deshalb aus Emittentensicht der von den Kartenor ganisationen seit einigen Jahren betriebene Paradigmenwechsel vom Reise- zum Alltagszahlungsmittel ganz neue Bedeutung. Ging es dabei bisher vor allem darum, den Kartenumsatz und damit -ertrag insgesamt zu stärken, müssen durch eine Förderung des Inlandsumsatzes jetzt Er tragsausfälle aus dem europäischen Auslandsgeschäft kompensiert werden. Als Reisezahlungsmittel könnte dagegen der Reisescheck stärker beworben werden.

Auftrieb für EAPS

Anders sieht die Sache im Debitgeschäft aus. Schließlich sind hier im Zuge von Sepa die alternativen Möglichkeiten größer geworden. Von dem Ertragsnachteil auf Seiten Maestros könnte das Visa-Produkt V-Pay profitieren. Auftrieb bekommen wird aber vermutlich vor allem EAPS. Zwar kritisieren die Verfechter eines "Top-Down-Ansatzes" für ein europäisches System das Modell der bilateralen Vereinbarungen als umständlich. Gerade dieses Konzepts wegen aber darf sich die Euro Alliance of Payment Systems des wiederholt bestätigten politischen Wohlwollens aus Brüssel sicher sein.

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