DIE ZUKUNFT DER FILIALE

"Die Kunden sind in der Krise digitaler geworden" / Interview mit Andreas Schulz

Andreas Schulz, Foto: MBS

Auch während des Lockdowns im Frühjahr 2020 hat die Mittelbrandenburgische Sparkasse ihre Filialen offen gehalten. Darauf ist Andreas Schulz stolz. Die Anzahl der Beratungsgespräche hat sich dennoch halbiert, weil die Privatkunden viele Anliegen über andere Kanäle erledigt haben. Im Firmenkundengeschäft war die Nachfrage nach Beratung jedoch hoch. Mittlerweile hat sich die Kundenfrequenz in den Filialen wieder auf Vorkrisenniveau eingependelt. Und das persönliche Gespräch wird sogar stärker wertgeschätzt als zuvor. Red.

Foto: MBS
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Wie hat die Mittelbrandenburgische Sparkasse während des Lockdowns das Filialgeschäft gehandhabt? Was waren die Gründe dafür?

Es galt, wie für andere Institute auch, in der MBS die Lage täglich neu nach Nachrichtenlage im "Team Corona" zu bewerten und die Maßnahmen zum Infektionsschutz jeweils schnell und flexibel anzupassen. Es war uns sehr wichtig, den Kunden in dieser unruhigen Zeit zu vermitteln, dass die Versorgung mit Finanzdienstleistungen jederzeit gesichert ist und wir ihnen auch in schwierigen Lebenslagen verlässlich zur Seite stehen, weiterhin über alle Kanäle erreichbar sind und Lösungen finden. Zeitweilige coronabedingte Filialschließungen aufgrund mangelnder Personalkapazitäten oder gar möglicher Infektionsfälle wollten wir deshalb möglichst vermeiden.

Als größte Flächensparkasse in Deutschland mit rund 140 Filialen ist es der MBS trotz dieser vielfältigen Herausforderungen bisher gelungen, alle Filialen für den Publikumsverkehr offen zu halten, auch ohne Einschränkungen bei den Öffnungszeiten. Neben den bekannten Infektionsschutzmaßnahmen (wie Desinfektionsmittel, Versorgung mit waschbaren Mund-Nase-Bedeckungen, Abstandmarkierungen, Hygieneaufsteller) wurden die Filialen mit Plexiglasaufstellern am Schalter und in den Beratungsräumen ausgerüstet. Zeitweise wurde, um den Höhepunkt des Lockdowns herum, der Kundenstrom über einen Einzeleinlass gesteuert. Das haben die Kunden sehr gut akzeptiert.

Um den Geschäftsbetrieb aufrechterhalten zu können, wurden insbesondere die Arbeitszeiten deutlich flexibler gestaltet, indem Rahmen für variable Zeiten ausgeweitet wurden, teilweise Schichtsysteme zur Abdeckung der Öffnungszeiten durch die Führungskräfte und Filialteams organisiert wurden. Lokal konnte das anwesende Personal auch aufgrund der abnehmenden Besucherzahl zum Teil reduziert werden. Auch die Kapazitäten für mobiles Arbeiten wurden kurzfristig deutlich erweitert, damit die Kollegen mit Kindern oder pflegebedürftigen Angehörigen ihre Betreuungspflichten mit Beginn der Schulschließungen erfüllen konnten.

Wie kam das bei den Mitarbeitern an?

Viele waren aufgrund der Lage natürlich verunsichert. Darum haben wir Wert darauf gelegt, die Beschäftigten tagtäglich mit den notwendigen Informationen zu versorgen. Auch wenn viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter es für sich als selbstverständlich angesehen haben, am Markt die Stellung zu halten und für ihre Kunden da zu sein, war es das mitnichten. Denn natürlich mussten alle recht schnell lernen, mit ihren Befürchtungen und Ängsten umzugehen und handlungsfähig zu bleiben. Die ergriffenen Maßnahmen - wie die schnelle Ausrüstung mit Mund-Nase-Bedeckungen und Schutzwänden sowie eine transparente Kommunikation - halfen, das Vertrauen der Beschäftigten in die MBS als Arbeitgeber zu stärken.

Auf welche Resonanz stieß die Filialöffnung auf dem Höhepunkt der Krise bei den Kunden?

Die vielen positiven Reaktionen der Kunden haben den Marktkollegen schon sehr durch diese unsicheren Zeiten geholfen. Solche Krisen schweißen ja auch zusammen. Insbesondere ältere Kunden zeigten sich oft sehr dankbar, dass die Filialen überhaupt geöffnet waren, und kamen manchmal auch mit ganz banalen Anliegen, einfach um mal ein Wörtchen loszuwerden. Da kam dann auch schon der Faktor soziale Isolation der Menschen ins Spiel.

Die Kunden mussten in der Filiale keine Maske tragen, solange die Abstandsregelungen gewahrt werden konnten. Alle Maßnahmen stießen weitestgehend auf Verständnis und Akzeptanz bei Mitarbeitern und Kunden und gaben ein Gefühl relativer Sicherheit.

Wie stark wurde die Möglichkeit, in die Filialen zu kommen, genutzt? Und mit welchen Anliegen sind Kunden in die Geschäftsstellen gekommen?

Insgesamt hatten die Eindämmungsmaßnahmen natürlich deutliche Auswirkungen auf den Kundenverkehr in den Filialen. Die Anzahl der Beratungsgespräche hat sich während des Lockdowns ungefähr halbiert, inzwischen jedoch wieder halbwegs stabilisiert, wenngleich noch nicht auf Vor-Corona-Niveau. Viele Angelegenheiten wurden einfach am Telefon oder per E Mail beziehungsweise Post erledigt. Diejenigen Kunden, die in die Geschäftsstelle kamen, hatten aber ganz übliche Anliegen - also meist die alltäglichen Bankgeschäfte. Es gab naheliegender Weise vermehrt Nachfragen, das Online-Banking freizuschalten. Einen kurzen Ansturm auf das Bargeld unserer Geldautomaten hatten wir nur kurzzeitig im März zu verzeichnen - zur Zeit der Hamsterkäufe wurde vorübergehend auch mehr Bargeld gehortet.

Hat die Sparkasse in einer Zeit, als andere Institute ihre Standorte geschlossen hatten, verstärkt Neukunden gewinnen können? Oder ging es eher um Kundenbindung?

Sowohl als auch. Natürlich haben auch Kunden anderer Banken, die während des Lockdowns Filialen schließen mussten oder Öffnungszeiten reduziert haben, registriert, dass wir da und erreichbar sind - auch in schlechten Zeiten. Und diese Kunden wurden auch willkommen geheißen, es wurden wie sonst auch Termine vereinbart, Konten eröffnet und beraten. Mit Terminvereinbarung waren Beratungen oder Kontoeröffnungen möglich - alles mit Abstand.

Gerade bei den Firmenkunden ging es aber vor allem um die schnelle und unbürokratische Unterstützung bei der Versorgung mit ausreichender Liquidität und Hilfestellung bei der Beantragung von Fördermitteln. Da liefen viele Gespräche und die Berater kamen an ihre Belastungsgrenzen.

Mit Plexiglasscheiben und Abstandsmarkierungen konnten die Filialen offengehalten werden
Mit Plexiglasscheiben und Abstandsmarkierungen konnten die Filialen offengehalten werden

Was hat sich wie stark auf die digitalen Kanäle verlagert? Gab es einen starken Anstieg beim Telefonaufkommen oder der Videoberatung?

Die Kunden sind in der Krise digitaler geworden: beim Banking ebenso wie beim Bezahlen. Die kontaktlosen Bezahlvorgänge haben sich im ersten Halbjahr nahezu verdoppelt (plus 93 Prozent) auf fast elf Millionen Transaktionen. Nachdem im April viele Kunden aus Vorsicht ihre Beratungstermine absagten, wurden viele dringende Kundenanliegen dann per Telefon oder E Mail bearbeitet.

Auch im Kunden-Service-Center galt es in der Anfangsphase, ein um rund 30 Prozent gestiegenes Anrufvolumen zu meistern. Da ging es vor allem darum, Online-Banking freizuschalten, um Anfragen zur Tilgungsaussetzung und Kreditanfragen beziehungsweise Terminvereinbarungen bei den Firmenkundenberatern. Die MBS hat deshalb ihre personellen Kapazitäten in den Kunden-Service-Centern kurzfristig ausgeweitet. Dafür wurden sogar einige pfiffige Auszubildende schnell eingearbeitet und in der Potsdamer Zentrale eingesetzt - in Schulungsräumen, die coronabedingt nicht genutzt werden konnten und rasch zum weiteren Callcenter umfunktioniert wurden.

Als zukunftsweisend hat sich auch herausgestellt, dass die Sparkasse bereits 2019 viele weitere Geschäftsstellen mit Videoberatungsmöglichkeiten ausgestattet hatte. Das wurde weiter rege genutzt, wenn auch durch die insgesamt gesunkene Anzahl von Beratungsterminen gerade zum Anfang des Lockdowns nicht signifikant mehr. Viele Kunden zogen bei komplexeren Beratungsthemen wie dem Depotcheck auch das persönliche Gespräch dem Telefon vor und wollten gern warten, bis dies nach Lockerung der Kontaktsperren wieder vermeintlich gefahrlos möglich sei.

Zudem konnten wir von einer technischen Weichenstellung Ende 2019 profitieren, der zufolge etwa 500 Beschäftigte mit Token für das mobile Arbeiten ausgestattet wurden, die nun viele Dinge von zu Hause aus erledigen konnten.

Wie sieht das Filialgeschäft heute aus?

Mit den Lockerungen im Mai stieg auch die Anzahl der Beratungstermine wieder spürbar an. Heute sieht es in der Filiale ähnlich aus wie vorher, nur eben mit einer Plexiglasscheibe an den Plätzen. Die Besucherfrequenz hat sich im Mai/Juni wieder an das Vor-Corona-Niveau angeglichen, aber es finden auch weiterhin viele Telefonberatungen statt. Die Kunden haben viel Gesprächsbedarf und Beratungen werden wieder gern in Anspruch genommen - mit Abstand natürlich.

Erstaunlicherweise ist nach den drastischen Bewegungen an der Börse eine Vielzahl von Kunden beim Thema Geldanlage deutlich entspannter geworden. Nach jeder Krise geht es auch wieder bergauf. Nicht zuletzt aus Mangel an klassischen Anlagealternativen sind viele Anleger in der Krise sogar offener für Neues und nutzen die gefallenen Kurse teilweise auch als Chance für den Einstieg in den Kapitalmarkt.

Und welche Auswirkungen könnte die Corona-Krise längerfristig auf die persönliche Beratung haben? Wird das persönliche Gespräch jetzt eher wertgeschätzt?

Die persönliche Beratung bleibt unverändert wichtig! Gerade in der Krise haben uns auch unsere Kunden gespiegelt, wie sehr sie diese wertschätzen. Denn es war nicht mehr selbstverständlich, dass alle Geschäftsstellen offengehalten werden konnten, wenn allerorts Geschäfte schließen mussten und auch viele unserer Wettbewerber dies taten. Was die Berater in dieser Krise sehr oft hörten: "Man lernt etwas oft erst dann richtig zu schätzen, wenn es nicht mehr da ist". Für viele war es einfach ein Stück Normalität, in die Filiale gehen zu können und einen vertrauten Ansprechpartner in der Nähe zu haben. Das gab Sicherheit.

Aber auch gerade jüngere Kunden honorierten die persönliche Präsenz in dieser Krisenzeit. Denn bei Finanzthemen fehlt es zunehmend an Wissen und Bildung. Hier zuverlässig für alle Kunden erreichbar zu sein - auch persönlich - war ein wichtiges Signal der MBS in der Krise, dass wir ihnen auch in schwierigen Zeiten zur Seite stehen. Ich bin überzeugt, dass unsere Maßnahmen in der Krise das Vertrauen und die Bindung der Kunden zur MBS weiter gestärkt haben.

Andreas Schulz, Vorsitzender des Vorstands, Mittelbrandenburgische Sparkasse in Potsdam (MBS), Potsdam

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