Das Ende der Garantien - auch in der bAV

Spätestens mit der zum 1. Januar dieses Jahres erfolgten Absenkung des Höchstrechnungszinses in der Lebensversicherung von 0,9 auf 0,25 Prozent ist sich die Branche einig: Eine 100-prozentige Beitragsgarantie mit dem Niedrigzinsniveau ist nicht nur bei Riester, sondern auch in der betrieblichen Altersvorsorge nicht mehr darstellbar. Forscher des Instituts für Finanz- und Aktuarwissenschaften an der Universität Ulm etwa haben im Sommer 2021 dargelegt, dass ein Versicherer beziehungsweise eine Pensionskasse eine 100-prozentige Bruttobeitragsgarantie bei einem Rechnungszins von 0,25 Prozent selbst bei Laufzeiten von 30 und mehr Jahren nicht abbilden kann - selbst dann, wenn keinerlei Vertriebskosten berücksichtigt werden.

Kaum noch Beitragszusagen mit Mindestleistung

In den versicherungsförmigen Durchführungswegen, also Direktversicherung und Pensionskasse, je nach Ausgestaltung auch Pensionsfonds sowie bei rückgedeckten Unterstützungskassen, ist die Garantieleistung des Versicherers beziehungsweise der Pensionskasse ein maßgebliches Kriterium für Arbeitgeber und Arbeitnehmer: für die Beschäftigten, weil es die Höhe der Versorgungsleistung beeinflusst, für das Unternehmen, da sich daraus gegebenenfalls das Risiko der sogenannten Subsidiär-(Nach-)Haftung ableitet.

Zum Jahreswechsel 2021/2022 haben sich deshalb fast alle Anbieter aus der Beitragszusage mit Mindestleistung zurückgezogen oder angekündigt, dies in naher Zukunft zu tun. Nahezu alle bAV-Versicherer bieten mit dem neuen Rechnungszins daher nur noch Produkte als beitragsorientierte Leistungszusage an. Laut Assekurate bietet nur noch einer von 23 untersuchten Anbieter eine 100-prozentige Bruttobeitragsgarantie an, mehr als 90 Prozent Bruttobeitragsgarantie gibt es nur bei wenigen Anbietern, während die Mehrheit lediglich 80 bis 90 Prozent der eingezahlten Beiträge garantiert.

Einzelne überlassen dem Arbeitgeber die Wahl, ein Garantieniveau zwischen 60 und 90 Prozent der eingezahlten Beiträge festzulegen. Das bedeutet: Mit den hohen Garantiezinsen ist zugleich die Zeit der 100-prozentigen Bruttobeitragsgarantie vorbei - zum Leidwesen vieler Arbeitnehmer. Damit hält das Garantieverbot, wie es das Betriebsrentenstärkungsgesetz für bAV-Konzepte nach dem Sozialpartnermodell vorschreibt, gewissermaßen durch die Hintertür, auch dort Einzug, wo seit Langem Versorgungslösungen bestehen.

Dass dies nicht nur ein Nachteil sein muss, sondern durch die erweiterten Möglichkeiten der Anlage am Kapitalmarkt auch Chancen auf höhere Versorgungsleistungen bietet, muss den Menschen erst einmal vermittelt werden, zumal dies noch nicht mit empirischem Zahlenmaterial nachdrücklich unterlegt werden kann.

Wenn Arbeitgeber bestehende Versorgungsregelungen umstellen, dabei vielfach bestehende Lösungen mit Beitragszusage mit Mindestleistungen für Neueintritte schließen und stattdessen eine neue Versorgungsregelung als beitragsorientierte Leistungszusage aufsetzen, dann schaffen sie damit eine Art Zweiklassengesellschaft in der bAV. Welche Beschäftigtengruppe letztlich besser fährt, wird sich erst mit der Zeit zeigen.

Eigenleistungen der Mitarbeiter seit 2018 gestiegen

Eine positive Auswirkung hat das Betriebsrentenstärkungsgesetz offenbar auch bisher schon mit sich gebracht, obwohl es bei Tarifverträgen mit Sozialpartnermodell bislang eher schleppend voranging: Sowohl die Arbeitgeberzuschüsse zur bAV als auch die Eigenleistungen der Beschäftigten sind seit Einführung des Gesetzes gestiegen.

Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der DCS Deutsche Clearing-Stelle GmbH auf Basis der Auswertung von 4500 Datensätzen aus 120 Unternehmen. Demnach sind die Arbeitgeberzuschüsse seit 2018 im Schnitt um 58 Prozent gestiegen. Zudem leisten auch 25 Prozent der Arbeitnehmer freiwillig einen höheren Eigenanteil. Die gesamte Beitragshöhe stieg damit durchschnittlich um knapp 35 Prozent.

Die höhere Eigenleistung der Arbeitnehmer führt die Studie in erster Linie auf die mit dem Betriebsrentenstärkungsgesetz festgeschriebene Zuschusspflicht für Arbeitgeber zurück, da der vonseiten des Arbeitgebers geleistete Zuschuss die Beschäftigen offensichtlich dazu motiviere, ihre eigenen Leistungen zur betrieblichen Altersversorgung zu erhöhen. Damit wiederum kann die von der Politik erhoffte bessere finanzielle Absicherung im Rentenalter erreicht werden - selbst wenn es am Ende nicht so sein sollte, dass der Garantieverzicht zu höheren Versorgungsleistungen führt.

Das BRSG wirkt

Aufgrund der genannten Zahlen kommt die Studie zu dem Ergebnis: Die Ziele, die der Gesetzgeber mit der Gesetzesnovelle verbindet, werden erreicht. Dennoch besteht laut DCS noch erheblicher Nachholbedarf bei der Umsetzung insbesondere der letzten Stufe des BRSG, die Anfang 2022 in Kraft trat. Dies wiederum sei einem hohen Verwaltungsaufwand aufseiten der Unternehmen geschuldet.

Den gestiegenen Verwaltungsaufwand, der mit dem BRSG verbunden ist, bewertet die Analyse als bedenklich: Weil bestehende Systeme angepasst werden müssen, stehen HR-Abteilungen vor hohen administrativen Hürden, für die häufig die personellen Ressourcen fehlen. Gerade unter kleinen und mittleren Unternehmen habe deshalb eine beträchtliche Anzahl die letzte Stufe des BRSG bislang nicht erfüllt, die Anfang 2022 in Kraft getreten ist und wonach auch vor 2018 abgeschlossene bAV-Verträge vom Arbeitgeber bezuschusst werden müssen. Diese Missachtung der Zuschusspflicht hat jedoch nicht nur Auswirkungen auf die Handelsbilanz, sondern kann sogar zivil- oder sogar strafrechtliche Konsequenzen haben. Gerade kleinere Unternehmen wird dies vielfach gar nicht bewusst sein. Hier besteht entsprechender Beratungsbedarf in Form eines proaktiven Beratungsangebots.

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