Regulierung

Neue Ansätze gefragt

"Wie sollen wir den Bankern Grenzen setzen?" Diese Frage werfen viele auf, die meinen, dass Banker Angehörige einer habgierigen, räuberischen Kaste sind und ihre eigene Großmutter verkaufen würden, wenn sie damit etwas verdienen könnten. Viele Bürger meinen, dass die Bemühungen um Bankenregulierung und Rechtsdurchsetzung gegen Banker zu kurz greifen. Weniger wird hingegen darüber gesprochen, wie auf der Grundlage erfahrungsbasierter, zuverlässiger Theorien das Verhalten von Unternehmen überhaupt unter Kontrolle gehalten werden kann. Ich habe mir die Theorien der Abschreckung und des rational handelnden homo oeconomicus angesehen, die der Verhaltenspsychologie und welche breite Palette an Maßnahmen Aufsichtsbehörden und Unternehmen ergreifen, um rechtstreues Verhalten zu erreichen.

Kultur ohne Schuldzuweisungen

Dies führte zu einem interessanten Ergebnis: Strafen funktionieren nicht wirklich; die Leute gehorchen Normen nur, wenn sie den Eindruck haben, dass die Regeln fair angewendet werden und im Einklang mit ihren eigenen Moralvorstellungen stehen - und wahrscheinlich ist das bei Bankern ebenso. Dieses Ergebnis spricht für parlamentarische Gesetzgebung und für Prozesse der Regelbildung, die die Betroffenen einbeziehen, doch es unterstützt darüber hinaus auch die Idee verhältnismäßiger Sanktionen für Fehlverhalten, also solche Sanktionen, die dem jeweiligen Anlass angemessen sind. Höhere Strafen zu verhängen und durch Angst und Schrecken Einfluss nehmen zu wollen ist kein wirksamer Ansatz.

Jedes Regulierungs- und Steuerungssystem beruht auf einem ständigen Informationsaustausch sowie einem transparenten Kontrollsystem, das systematisch Leistungen und Abläufe überwacht, mit dem Ziel sicherzustellen, dass die geforderten Standards erfüllt und aufrechterhalten werden. Kulturen, die sich auf Schuldzuweisungen für Fehlverhalten gründen, produzieren kein Klima, in dem die Mitarbeiter von sich aus Informationen weitergeben die für das Funktionieren des Kontrollsystems unerlässlich sind. Dies zeigt sich überzeugend am Beispiel der Luftfahrtindustrie, die nur dank ihrer "no blame culture", also einer Kultur ohne Schuldzuweisungen, so sicher funktionieren kann.

Daraus sollte jeder andere Wirtschaftszweig und jedes andere Steuerungssystem lernen. Ein Ansatz ohne Schuldzuweisungen stellt seine volle Leistungsfähigkeit umso mehr unter Beweis, als er in allen jeweils für die handelnden Menschen relevanten regulatorischen, beruflichen, Arbeits-, Schadensersatzzahlungs- und sozialen Kontexten verankert wird.

Abschreckung verändert wenig

Dies hat tiefgreifende Folgen für Maßgaben zur Durchsetzung von Verhaltensrichtlinien, aber auch für den Aufbau von Steuerungssystemen im Ganzen. Es bedeutet, dass traditionelle, auf Abschreckung basierende Durchsetzungsrichtlinien (wie sie von Kartellämtern und einigen Finanzaufsichtsbehörden praktiziert werden) das Verhalten der Unternehmen nicht wirksam verändern werden: Die Kosten von Geldstrafen und rechtlichen Verfahren werden von den Unternehmen internalisiert, ignoriert, und von den - künftigen - Kunden bezahlt. Zusammenarbeit, kollektive Überwachung und ein überzeugtes, gemeinsames Engagement für Leistungsverbesserungen würden schnell Probleme identifizieren, die behoben werden müssen. Ein kooperativer Ansatz würde zu einer neuen Loyalität aller Beteiligten führen, wäre aber zugleich auch einzufordern - durch soziale, arbeitsvertragliche, berufsständische und die von der zuständigen Regulierungsbehörde erlassenen Regelwerke. Dieser Ansatz wäre besser geeignet, die Dinge in Ordnung zu bringen sowie Verhalten und Ergebnisse zu optimieren.

Kooperativer Ansatz spart Kosten

Zudem könnten Kosten gespart werden, sowohl bei öffentlichen Behörden als auch bei privaten Geschäftsmodellen. Elemente dieses Ansatzes sind bereits in vielen aktuellen Systemen existent, werden aber meist nicht richtig koordiniert. Kooperationsvereinbarungen - wie in Großbritannien beim Modell der "Primary Authority" (nur eine Behörde spricht im Auftrag aller beteiligten Behörden mit dem Unternehmen) oder ethische Selbstverpflichtungen wie sie das deutsche Konzept des "ehrbaren Kaufmanns" verkörpert, könnten hier effiziente Lösungsansätze darstellen. Die Luftfahrtindustrie hat sich den kooperativen Ansatz zu eigen gemacht, um die Flugzeuge sicher in der Luft zu halten. Dies ist aber kein Denken für Schönwetterpiloten, und Wirtschaft und Regulierer sollten anfangen, diesen kooperativen Ansatz mehr in die Breite der Wirtschaftswelt zu tragen.

Christopher Hodges, Professor of Justice Systems, University of Oxford

Der Verfasser dankt Herrn Rechtsanwalt Dr. Herbert Woopen, Köln, für die deutsche Fassung dieses Beitrags.

Noch keine Bewertungen vorhanden


X