Gespräch des Tages

Risikomanagement - Strafandrohung als Wahlkampfrhetorik

Gute Ratingnoten für eigentlich schlechte Wertpapiere, eine ungeheure Risikoanhäufung in manchen Bankbilanzen, zweifelhafte Vertriebspraktiken für hochkomplexe Anlageprodukte, Manipulation an Libor, Euribor oder anderen wichtigen Indizes für die globalen Finanzmärkte, das Gerangel um Steuerflucht und den Ankauf von Steuer-CDs durch die Finanzämter und dieser Tage dann die Offenlegung von Informationen über Praktiken und Akteure in internationalen Steueroasen. All das waren und sind Mosaiksteine für ein mögliches Fehlverhalten von Bankern im Ablauf der globalen Finanzkrise, die in der breiten Öffentlichkeit tiefes Misstrauen erweckt haben. Es ist der Eindruck entstanden, als sei die Finanzwirtschaft bis in die Breite der täglichen Arbeit hinein von Geschäftsusancen bestimmt, die zumindest in der Nähe von zwielichtiger Arbeitsweise angesiedelt werden können und im schlimmsten Fall sogar strafbar sind. Für Politiker in demokratischen Staaten, die ihre Karriere in turnusmäßigen Wahlgängen immer wieder neu justieren müssen, erzeugen solche negativen Meinungsbilder instinktiv Handlungsbedarf. Insbesondere in Wahlkampfzeiten müssen sie den Bürgern glaubhaft verdeutlichen, die Rahmenbedingungen so zu ändern, dass solche unerwünschten Entwicklungen sich möglichst nicht wiederholen und die Verantwortlichen für ihre Verfehlungen zur Rechenschaft gezogen werden.

Wiederholt ist deshalb seitens der Politik die Forderung nach deutlich schärferen Strafen für Bankmanager laut geworden, und zwar längst nicht nur aus den Reihen der Opposition, sondern auch aus dem Regierungslager. Noch Anfang Februar dieses Jahres wurde im Zusammenhang mit der Verabschiedung des anstehenden Kabinettsbeschlusses zum Entwurf des sogenannten "Trennbankengesetzes" ausdrücklich eine drastische Verschärfung der Strafregelungen für verantwortliche Geschäfts leiter aus Banken und Versicherungen betont. Sie soll jene Verantwortlichen treffen, denen "grobe Pflichtverletzung" nachgewiesen werden kann, die letztlich zu einer Schieflage des eigenen Hauses geführt hat. "Die Verletzung wesentlicher Risikomanagementpflichten wird unter Strafe mit bis zu fünf Jahren Gefängnis gestellt, wenn in der Folge das Kreditinstitut in seinem Bestand (KWG) oder bei Versicherungen die Erfüllbarkeit der Versicherungsverträge gefährdet ist (VAG)", heißt es aus dem BMF. Mit Besorgnis wurde diese "geplante Strafbarkeit von Versäumnissen im Risikomanagement" beispielsweise beim Verband Öffentlicher Banken registriert und als unscharf und unbestimmt kritisiert. Es geht dabei maßgeblich um die künftige Handhabung des § 25a KWG, der der BaFin unter anderem die Möglichkeit von Eingriffen gibt, wenn verantwortliche Mitarbeiter in Kreditinstituten das Risikomanagement nicht angemessen und wirksam organisieren und überwachen. Doch bis aus solchen Mängeln ein von der Staatsanwaltschaft verfolgtes und belegbares Strafdelikt wird, muss der nach wie vor sehr vage und unscharfe Tatbestand der Untreue beziehungsweise der vorsätzlichen Verletzung von Treuepflichten greifen.

Abseits solcher Wahlkampfrhetorik um den § 25a KWG registrieren Juristen gleichwohl seit Längerem eine zweifelhafte Tendenz, bei der Aufarbeitung bank- und kapitalmarktrechtlicher Sach verhalte viel stärker als früher das Strafrecht zu bemühen (siehe Kreditwesen 1-2013). Nicht nur bei konkreten Gesetzesvorhaben, sondern auch bei der unvermeidlichen Umsetzung der Regulierungsvorhaben auf europäischer Ebene mahnen sie zu Recht eine präventive Auseinandersetzung mit mög lichen strafrechtlichen Folgen an. Eine breite Verunsicherung von Bankmitarbeitern, wie sie auf anderem Terrain durch die Registrierungspflicht für Bankberater im Sinne des Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetzes (AnsFuG) bereits eingetreten ist, dient auch in Wahlkampfzeiten nicht dem wohlgemeinten Ziel einer Stabilisierung der Finanzmärkte, sondern wirkt eher kontraproduktiv.

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