Schwerpunkt Sponsoring

Die Wirkung klassischer Bandenwerbung

Bei Sportsponsoren setzt sich zunehmend die Erkenntnis durch, dass die
Unterstützung von Einzelsportlern oder Teams äußerst riskant sein
kann, da im Falle einer Niederlagenserie oder eines Imageeinbruchs
seitens der Gesponserten auch das Ansehen des Sponsors in
Mitleidenschaft gezogen werden kann. Insbesondere international
agierende Sponsoren gehen deshalb vermehrt auf die Suche nach
attraktiven Sportveranstaltungen, bei denen sie dieses Risiko nicht
fürchten müssen. Man spricht in diesem Zusammenhang vom
Event-Sponsoring.
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Die folgenden Ausführungen basieren auf einer umfassenden empirischen
Untersuchung zu den Wirkungen von Event-Sponsoring im Rahmen der
Fußball-Weltmeisterschaft 1998 in Frankreich. Im Zentrum des
vorliegenden Beitrages stehen Erinnerungs- und Imagewirkungen, die die
offiziellen Sponsoren der WM mit dem Einsatz von Bandenwerbung in den
Stadien bei jugendlichen Fernsehzuschauern erzielt haben.
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Gegenstand der Untersuchung
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Für zahlreiche Unternehmen ist eine Fuß-ball-Weltmeisterschaft das
Top-Event schlechthin, um sich vor einem weltweiten Publikum in Szene
zu setzen. Bei der WM 1998 in Frankreich engagierten sich insgesamt 45
Unternehmen als offizielle Sponsoren. Neben den zwölf offiziellen
Hauptsponsoren agierten 33 offizielle Lieferanten verschiedener
Kategorien, hinzu kamen zusätzlich zahlreiche Lizenznehmer. Die zwölf
offiziellen Hauptsponsoren hatten die exklusive Möglichkeit, bei allen
Spielen auf den Banden im Stadion präsent zu sein. Pro Stadion wurden
den Hauptsponsoren jeweils zwei exponiert platzierte Bandenplätze zur
Verfügung gestellt, die so im Stadion verteilt waren, dass sich bei
normalem Spielverlauf für jede Marke ungefähr dieselbe kumulierte
Expositionsdauer ergab. Die Positionen der einzelnen Banden der
Hauptsponsoren blieben für die gesamte Dauer der WM unverändert.
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Allerdings gab es bei der Belegung der Bandenplätze auch
Sonderregelungen: Wegen des in Frankreich geltenden
Alko-hol-Werbeverbots im Rahmen von Sportereignissen musste die
US-Brauerei An-heuser-Busch ihre Bandenfläche an das Unternehmen Casio
weitervermieten, agierte jedoch außerhalb der Stadien weiterhin als
offizieller Hauptsponsor. Bei der auf den Banden vertretenen Marke
Braun, die eigentlich nicht zum Kreis der Hauptsponsoren gehörte,
handelt es sich um ein Tochterunternehmen des Gillette-Konzerns.
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Die Zielgruppe der im Folgenden skizzierten empirischen Untersuchung
stellten Jugendliche in Deutschland im Alter zwischen 14 und 18 Jahren
dar. Um innerhalb dieser Zielgruppe eine repräsentative Stichprobe zu
erhalten, wurde bei der Auswahl der Erhebungseinheiten auf das
Verfahren der einfachen Zufallsauswahl zurückgegriffen, parallel
jedoch neben dem Alter zusätzlich die Merkmale Geschlecht und
Schulbildung quotiert. Die empirische Datenerhebung wurde in zwei
voneinander unabhängigen Wellen durchgeführt:
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Welle 1: Nullmessung vor der WM (April 1998)
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Welle 2: Vergleichsmessung während der WM (Juni 1998)
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Betrachtet werden zunächst die Ergebnisse der zweiten
Untersuchungswelle. Berücksichtigt wurden ferner nur Probanden, die
angaben, die WM im Fernsehen verfolgt zu haben. Im Rahmen eines
ungestützten Erinnerungstests (Unaided Recall) wurden die
Versuchspersonen gebeten, ohne Erinnerungshilfen die Produkt-, Marken-
oder Unternehmensnamen wiederzugeben, die ihnen als Bandenwerber
aufgefallen sind. Richtig sind somit ausschließlich Nennungen der
zwölf offiziellen Hauptsponsoren plus Casio und Braun (siehe Abbildung
1). Aus Gründen der Übersichtlichkeit wurden die zahlreichen
irrtümlich abgegebenen Antworten nicht mit aufgelistet, der Tabelle
kann jedoch der Rangplatz entnommen werden.
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Der durchschnittliche prozentuale Recall-Wert der zwölf offiziellen
Hauptsponsoren liegt bei 9,9 Prozent. Lässt man den nicht auf den
Banden vertretenen Hauptsponsor Budweiser außer Acht und bezieht
stattdessen Casio und Braun mit ein, so ergibt sich ein
Durchschnittswert von 9,8 Prozent. Es ist nicht überraschend, dass
Marken derjenigen Branchen die höchsten Recall-Werte erzielten, mit
denen die Jugendlichen am ehesten in Kontakt treten - namentlich
Adidas, McDonald´s, Nike, Snickers und Coca-Cola. Unbefriedigend
dürfte das Ergebnis dieser Untersuchung für den Hauptsponsor
Mastercard sein, an den sich gar niemand erinnern konnte. Darüber
hinaus ist es erstaunlich, dass von den einbezogenen Probanden 18,8
Prozent offen bekannten, sich an überhaupt keine Marke zu erinnern.
Weitere 12,7 Prozent beantworteten diese Frage nicht, was den Schluss
zulässt, dass auch sie nicht in der Lage waren, sich an irgendwelche
Marken zu erinnern. Insgesamt sind dies 31,5 Prozent aller Befragten,
bei denen die Bandenwerbung keine Wirkung gezeigt zu haben scheint.
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Beim anschließend durchgeführten gestützten Erinnerungstest (Aided
Recall) wurden den Probanden Listen mit Sponsoren sowie Namen von
Nicht-Sponsoren der Sportveranstaltung als Gedächtnisstützen
beziehungsweise zur Auswahl vorgegeben. In der vorliegenden
Untersuchung lag eine Liste mit acht ausgewählten Marken zu Grunde,
die vier offizielle Hauptsponsoren (in Abbildung 2 orange unterlegt)
sowie deren direkte Branchenkonkurrenten, die nicht als Sponsoren der
WM fungierten, beinhaltete.
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Die ausgewählten offiziellen Hauptsponsoren erreichten mit einem
durchschnittlichen Aided-Recall-Wert von 66,8 Prozent ein sehr gutes
Ergebnis. Aber auch die Distraktoren der vorgegebenen Liste erzielten
einen Durchschnittswert von immerhin 25,3 Prozent. Dieser ist in
erster Linie auf den sehr hohen Wert von Nike zurückzuführen, der
sogar höher ist als der von zwei offiziellen Sponsoren. Aufgrund
dieser Ergebnisse kann tendenziell vermutet werden, dass die
Versuchspersonen zwischen Hauptsponsoren und Nicht-Sponsoren
unterscheiden können. Um dies zu überprüfen, wurden die Mittelwerte
der jeweiligen Branchenkonkurrenten auf statistische Signifikanz
getestet. Bei allen vier Vergleichen ergaben sich höchst signifikante
Unterschiede, das heißt es kann tatsächlich davon ausgegangen werden,
dass die Befragten dazu in der Lage sind, zwischen offiziellen
Hauptsponsoren und Nicht-Sponsoren zu differenzieren.
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Allerdings waren aber nur 4,6 Prozent der Probanden dazu in der Lage,
die Aufgabe komplett richtig zu beantworten, also exakt und fehlerfrei
die vier richtigen Sponsoren gestützt zu nennen und die vier
Nicht-Sponsoren abzulehnen.
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Nutzen der Bandenwerbung für das Marken-Image
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In diesem Analyseteil werden die im Vorfeld der WM erhobenen
Imagewerte ausgewählter Marken denjenigen gegenübergestellt, die bei
der Vergleichsmessung während der WM realisiert wurden. Die dabei
untersuchte Hypothese lautete: Das Image der betrachteten Marken ist
nach der Fußball-Weltmeisterschaft besser als vorher. Hierzu wurden
die erzielten Sympathiewerte der vier ausgewählten Hauptsponsoren und
deren Branchenkonkurrenten in den beiden Untersuchungswellen
miteinander verglichen (Skala von 1 gleich sehr sympathisch bis 6
gleich sehr unsympathisch). In einem weiteren Schritt wurden die
Mittelwertunterschiede auf statistische Signifikanz überprüft (die
offiziellen Hauptsponsoren sind in Abbildung 3 erneut blau
hervorgehoben).
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Das insgesamt beste Image weist Coca-Cola auf, gefolgt von Adidas und
Nike. Die Vergleiche bei den Sympathiewerten konnten jedoch keinen
einzigen signifikanten Unterschied im Vorher-Nachher-Vergleich
ermitteln. Wenigstens gelingt insgesamt fünf Marken zumindest eine
tendenzielle, wenngleich nicht signifikante Verbesserung (McDonald´s,
Burger King, Mars, Adidas, Nike); unter diesen fünf befinden sich mit
McDonald´s und Adidas allerdings nur zwei WM-Sponsoren. Dagegen geht,
gerade bei den zwei offiziellen Hauptsponsoren Coca-Cola und Snickers,
die Tendenz in die entgegengesetzte Richtung, genauso wie bei
Nicht-Sponsor Pepsi. Die eingangs formulierte Hypothese kann somit
nicht aufrechterhalten werden.
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Kritik
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Auf Basis der vorliegenden Ergebnisse soll zunächst eine in Thesen
zusammengefasste Kritik des Sponsorenengagements mit der gegenwärtig
praktizierten Form von Bandenwerbung erfolgen.
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These 1: Der einzelne offizielle Sponsor geht im Dschungel der großen
Zahl an Sponsoren unter. Insbesondere wenn direkte
Branchenkonkurrenten parallel als offizielle Sponsoren ein und
derselben Veranstaltung fungieren (zum Beispiel in unterschiedlichen
Sponsoring-Kategorien), verkommen deren Sponsorenengagements zur
reinen Gattungswerbung.
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These 2: Fernseh-Programmsponsoren, das heißt Unternehmen, die als
Präsentatoren von Sport-Live-Übertragungen auftreten und direkt vor
und nach der Übertragung sowie in Pausen einen kurzen Trailer
einblenden, der auf die Verbindung von Marke und Sportereignis
hinweist, überstrahlen die Ergebnisse der Bandenwerber.
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These 3: Ambush Marketing kannibalisiert. Das heißt die Vorgehensweise
von Unternehmen, die keine legalisierten oder lediglich
unterprivilegierte Vermarktungsrechte an einer gesponserten
Veranstaltung besitzen, aber trotzdem dem direkten und indirekten
Publikum durch ihre Kommunikationsmaßnahmen eine autorisierte
Verbindung zu diesem Event signalisieren, mindern den Erfolg von
offiziellen Sponsoren und insbesondere von deren Bandenwerbung
zunehmend.
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These 4: Die Wirkung eines umfassenden Sponsorenengagements lässt sich
kurzfristig nur schwer messen. Nur ein langfristiges
Sponsoringengagement zahlt sich aus.
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Empfehlungen
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Nachdem mit Banden in zweiter und dritter Reihe mit bisweilen
insgesamt über 50 Werbern pro Spiel schon aufgrund der Reizüberflutung
keine entsprechende Awareness erzielt werden konnte und auf dem Kopf
stehende Banden nichts weiter als einen einmaligen Marketing-Gag
darstellen, bilden Drehbanden, die seit einiger Zeit immer häufiger
die Permanentwerbung auf statischen Banden ersetzen, eine
wirkungsvolle Weiterentwicklung. Drehbanden erzielen auf zweifache
Weise höhere Aufmerksamkeitswerte:
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Zum einen wird durch das Rotieren der Bande von einem
Unternehmensschriftzug zu einem anderen die Aufmerksamkeit der
Zuschauer auf die Bandenwerbung gelenkt. Zum anderen wird der
Schriftzug eines Unternehmens nicht nur auf einer einzigen Bande
platziert, sondern in der Regel auf allen Banden im Stadion
gleichzeitig, was einem erheblichen Multiplikatoreffekt gleichkommt.
Parallel dazu ist die Anzahl der Werber pro Spiel rigoros zu
begrenzen, um eine bessere Wahrnehmung zu garantieren.
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Die Potenziale von Bandenwerbung sind noch lange nicht ausgeschöpft.
Allein im Fußball sind gerade in den letzten Jahren immer wieder neue
aufmerksamkeitsstärkere Werbeformen als Alternativen zur klassischen
Bandenwerbung zu beobachten, von denen zwei im Folgenden kurz
vorgestellt werden sollen:
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Virtuelle Banden sind zunächst freie Werbeflächen auf den Banden im
Stadion, die elektronisch mit Unternehmensschriftzügen belegt und in
das TV-Bild eingearbeitet werden. Durch länderspezifisch
differenzierte Belegungen der Werbeflächen lassen sich bei
internationalen Übertragungen auf diese Weise einzelne nationale
Zielgruppen effizienter erreichen.
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Bei Get Ups handelt es sich um Werbeteppiche, die hauptsächlich neben
den Toren platziert werden und die durch ihren optisch ausgeklügelten
Aufdruck so wirken, als seien sie aufgestellte, großformatige
Werbereiter. Was aus nächster Nähe wie verzerrte Schriftbilder
anmutet, wird für die Fernsehzuschauer von der Tribüne aus betrachtet
zum überdimensional großen Werbeträger.
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Seien wir also auf die Ergebnisse von Untersuchungen zu den Wirkungen
des Sponsorenengagements im Rahmen der WM 2006 gespannt!
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Eine umfassende Literaturliste zu diesem Aufsatz kann im Internet
unter www.kreditwesen.de abgerufen werden.

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