Sepa

"Solche Nachlaufphasen dürfen nicht zum Regelfall werden" - Interview mit Andreas Martin

War die Galgenfrist für die Nachzügler bei der Sepa-Umstellung Sinn oder Unsinn?

Sie war nicht notwendig, aber hat dem Umstellungsprozess nicht geschadet, wenn man sie als Einzelfall begreift. In keinem Fall darf jedoch aus dieser Sechs-Monats-Phase und der Art und Weise, wie sie verkündet wurde, der Schluss gezogen werden, dass so ein Vorgehen künftig zum Regelfall wird. Alle Beteiligten sehen das Verfahren sehr kritisch, drei Wochen vor dem Termin des Inkrafttretens über eine einseitige Presseerklärung (die vorher nicht konsultiert war) Fakten zu schaffen. In diesem Zusammenhang ist auch zu erwähnen, dass die Kreditwirtschaft durch die europäischen Vorgaben wie die Zahlungsdiensterichtlinie gehalten sind, bei Änderung von Kundenbedingungen eine zweimonatige Vorlaufphase einzuhalten!

Dieses Verfahren darf deshalb auf keinen Fall zum Regelfall werden. Keinesfalls darf es sich 2016 wiederholen. Und es darf sich auch nicht bei weiteren Systemumstellungen wiederholen. Denn dann würden die Marktteilnehmer künftig antizipieren, dass es solche Nachlaufphasen gibt.

Die Sorgen, dass es ohne eine Übergangsphase für die Nachzügler zu ernsten Störungen im Zahlungsverkehr kommen könnte, waren offenbar nicht berechtigt?

Es war sicher richtig, dass Finanzministerium, Bundesbank und Kreditwirtschaft immer wieder darauf hingewiesen haben, dass der Countdown läuft. Daraus zu schließen, dass Deutschland auf Sepa nicht vorbereitet ist, war jedoch sicher ein falscher Schluss. Im Vollzug zeigt sich, dass die Befürchtungen der EU-Kommission unbegründet waren. Ganz offensichtlich hat die Sepa-Umstellung funktioniert.

Da Deutschland ein Land ist, dass bereits ein entwickeltes Lastschriftverfahren hatte, war es verständlich, dass viele Unternehmen die Umstellung in ihrem Dezember- oder Januar-Release planten und bis dahin die alten Verfahren nutzten.

Deshalb gab es auch bei der Beantragung der Gläubiger-IDs einen exponentiellen Verlauf. Dieser hat zwar nicht dazu geführt, dass alle im Handelsregister eingetragenen Unternehmen eine Gläubiger-ID beantragt haben. Das ist aber auch nicht überraschend. Schließlich gab und gibt es eine Reihe von Unternehmen, die das Instrument Lastschrift gar nicht nutzen. Es lässt sich also gar nicht sagen, welche Zahl von Gläubiger-IDs realistisch 100 Prozent entsprechen würde.

Wie Sepa-fit waren die Unternehmen und Vereine zum 1. Februar tatsächlich?

Wir hatten für die genossenschaftliche Finanzgruppe geschätzt, dass etwa 70 Prozent der Lastschriften migrationsrelevant waren. Herausrechnen muss man zum einen ELV, das bis 2016 der Ausnahmeregelung unterliegt, aber auch andere Transaktionen, bei denen zum Beispiel auf Dauerauftrag umgestellt wird.

Von diesen 70 Prozent sind jetzt 80 Prozent umgestellt. Ein Thema dabei sind Vereine und andere Lastschrifteinreicher, die nur einmal im Jahr einreichen.

Inzwischen erfolgen Stand Ende Februar 95 Prozent aller Überweisungen und über 80 Prozent aller migrationsrelevanten Lastschriften im Sepa-Format. Das heißt, dass die Umstellung erfolgreich stattgefunden hat. Die Gewährung dieser sechsmonatigen Nicht-Sanktionsphase wäre also nicht erforderlich gewesen. Nun haben wir sie jedoch, deshalb sollten wir sie nutzen.

Was bedeutet das konkret?

Ich weiß von vielen Instituten aus unserer Gruppe, die die Zeit nutzen, um die verbliebenen Einreicher im Altformat ganz individuell und gezielt anzusprechen, um Vereinbarungen mit den Kunden hinsichtlich konkreter Umstellungstermine vor dem 31. Juli zu treffen. So will man vermeiden, dass diese Kunden sich bis zum Ende der Sechs-Monats-Phase Zeit lassen. Das ist natürlich die Aufgabe einer Firmenkundenbank, und es ist aus meiner Sicht auch gelebter Förderauftrag. An dieser Stelle sehe ich die Banken jetzt wirklich in der Pflicht.

Gleiches gilt für die Vereine, die nur ein-mal im Jahr einreichen. Auch hier kommt es jetzt wirklich auf die Hausbank ein, auf die Vereine zuzugehen, die in diesem Jahr noch per Lastschrift eingereicht haben, und nicht erst im nächsten Jahr zu klären, ob die Voraussetzungen geschaffen sind.

Was wäre passiert, wenn es die Galgenfrist nicht gegeben hätte?

Wie alle anderen Bankengruppen auch hatten wir Notfallpläne mit Konvertierungsleistungen bereitgestellt, beispielsweise über Equens. Die Institute haben uns jedoch zurückgespiegelt, dass es keine nennenswerte Anfrage von Kunden nach solchen Konvertierungsleistungen gegeben hat. Das spricht dafür, das viele Kunden davon überzeugt waren, es zum Stichtag 1. Februar zu schaffen. Möglicherweise haben sich aber auch einige wenige so wenig mit dem Thema befasst, dass ihnen auch die Möglichkeit solcher Konvertierungsleistungen nicht bekannt war.

Auch mit Blick auf den 1. August wird das Thema wohl keine große Bedeutung mehr erlangen. Das ist auch durchaus in unserem Sinn. Denn auch mit den Konvertierungsleistungen sind natürlich operationelle Risiken verbunden. Insofern ist es in jedem Fall besser, die Kunden stellen direkt um.

Wie viel hat Sepa die Genossenschaftsorganisation insgesamt gekostet?

Seit 2006 sind wir in der Projektarbeit, um aus dem Verbund heraus die infrastrukturellen, IT- und rechtlichen Voraussetzungen zu schaffen. Seitdem hat dieses Projekt unzählige Manntage bei BVR, Zentralbanken, Rechenzentralen und DG Verlag verschlungen.

Zudem gibt es einen enormen Aufwand auf der Ebene der Primärbanken. Denn wir mussten die Kundenverträge der Girokontoinhaber anpassen, neue Kundenbedingungen, Anschreiben, hinzu kommen Schulungsmaßnahmen und unzählige Gespräche in der Bank. Alles zusammengenommen kommen wir auf einen Betrag von 250 bis 350 Millionen Euro für die genossenschaftliche Finanzgruppe.

Welcher Kostenblock ist mit der sechsmonatigen Verlängerung verbunden?

Das haben wir nicht separat errechnet. Denn auch ohne die sechsmonatige Verlängerung müssen wir die alten Datenformate ja noch bis 2016 weiter pflegen, um die Privatkunden und die ELV-Umstellung zu unterstützen. Aber natürlich verursacht die Überlappung der alten und der neuen Welt zusätzlichen Aufwand. Das alles sind sicher Kosten, die nicht durch Effizienzgewinne oder spezifische Sepa-Entgelte wieder hereingeholt werden können.

Hinzu kommt: Sämtliche Zahlungsverkehrsabkommen, die eigentlich zum 31. Januar gekündigt waren, mussten wieder neu in Kraft gesetzt werden. Das haben wir in einem großen Kraftakt auf der Ebene der Deutschen Kreditwirtschaft vollzogen und gleichzeitig diesen Übergang kommunikativ begleitet.

Auch der Sepa-Rat unter Führung von Bundesbank und Bundesfinanzministerium hat sich hier bewährt, um die Kommunikation zu bündeln. Hilfreich war auch das BaFin-Rundschreiben an die Institute, um auch die rechtliche Seite so abzudecken, dass der Übergang problemlos gestaltet werden konnte.

Privatkunden können ja noch bis 2016 die alten Formate nutzen. In welchem Maß nutzen Privatkunden heute schon die Sepa-Überweisung? Auf vielen Rechnungen sind ja heute schon nur noch IBAN und BIC angegeben ...

Dadurch, dass die Umstellung zum 1. Februar dieses Jahres gelaufen ist und zudem eine begleitende Diskussion stattgefunden hat, ist die Transparenz über Sepa auch auf Seiten der Privatkunden deutlich ange stiegen.

Dazu trägt auch bei, dass das Online-Banking entsprechend umgestellt ist, dass viele Rechnungsstellungen mit IBAN erfolgen, die Briefbögen mit IBAN ausgestattet sind und viele Überweisungsformulare entsprechend vorausgefüllt werden.

Auch die Debitkarten werden ab der Hauptausstattung 2014 die IBAN auf der Vorderseite tragen, die seit 2003 auf der Rückseite zwischen Magnetstreifen und Unterschriftsfeld untergebracht war.

Das sind alles Details, die die Privatkunden sehr viel näher an die IBAN heranführen, als es sicher noch im letzten Jahr der Fall war.

So werden die Privatkunden am 31. Januar 2016 nicht vor einem Big Bang stehen, sondern auch auf Seiten der Privatkunden wird sich bis dahin eine weitgehende Gewöhnung und aktive Nutzung der IBAN eingestellt haben. Das ist sicher ein Nutzen der zweigeteilten Umstellung.

Sehen Sie in bestimmten Bereichen einen Trend weg von der Lastschrift?

Ein genereller Trend ist sicher nicht zu erkennen. Das wäre zu weit gegriffen. Aber es gibt durchaus bestimmte Zahlungsvorfälle, bei denen der Dauerauftrag auch seine Berechtigung und die Umstellung zu der Überlegung geführt hat, ob man auf Sepa-Basislastschrift oder Firmenkundenlastschriftverfahren umstellen will oder der Dauerauftrag ein geeignetes Instrument ist.

Wird die Lastschrift als bisher vor allem im deutschsprachigen Raum verbreitetes Zahlungsinstrument durch Sepa in Europa zu einem "Exportschlager" werden?

Ich denke schon, dass diejenigen Staaten in Europa, die bisher keine Lastschrifttradition haben, durchaus auch für nationale und nicht nur grenzüberschreitende Zahlungen die Vorzüge der Lastschrift entdecken werden.

Letztlich wird sich Sepa ja auch daran messen lassen müssen, ob am Ende tatsächlich eine Binnenmarktharmonisierung herauskommt.

Ob die Harmonisierung in Sachen Lastschrift auch für das elektronische Lastschriftverfahren mit Debitkarten gilt, ist eine andere Frage. Ich würde nicht so weit gehen zu sagen, dass ELV durch Sepa in Ländern gefördert wird, die bisher kein Lastschriftverfahren hatten. Das ist eher eine Frage, die im Kontext der Interchange-Regulierung interessant werden wird.

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