Kommunikation

Social Media - wohin mit den Kontakten?

Presse- und Öffentlichkeitsarbeit war früher so viel einfacher, und Marketing auch. So erscheint es zumindest vielen Banken. Ein Pressekontakt wurde von der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit eines Unternehmens gehegt und gepflegt. Anfragen, die das Bild des Unternehmens in der Gesellschaft betrafen, wurden ebenfalls hier bearbeitet. Unter Umständen mussten Äußerungen mit der Geschäftsleitung abgestimmt werden. Anfragen, die sich um das Produkt des Unternehmens drehten, wurden mit dem Marketing oder dem Produktmanagement besprochen.

Allen Anfragen war jedoch eines gleich: Dem Unternehmen blieb Zeit zum Reagieren. Durch die Möglichkeiten des Web 2.0 bekommen Kunden und Interessenten nun die Möglichkeit, nicht nur am Telefon, sondern auch online einen direkten Dialog mit einem Unternehmen zu führen - und sich dort sogar gleichzeitig oder parallel mit anderen Kunden und Interessenten auszutauschen.

Für ein Unternehmen gibt es dadurch jedoch umso mehr Fallstricke. So können Anfragen über eine Community beispielsweise nicht gleich einer Anfrage per Mail oder Brief behandelt werden. Dies ergibt sich vor allem aus folgenden Gründen:

Das Netz ist öffentlich. Auch dann, wenn eine Community nur Kunden beziehungsweise nur eingeloggten Mitgliedern zugänglich gemacht wird, sind Einträge und Antworten auf Anfragen nicht nur für einen Kunden, sondern für alle Mitglieder sichtbar.

Das Netz vergisst nicht. Auch wenn Beiträge gelöscht werden oder in der Historie weiter nach unten rutschen - über Suchfunktionen sind zum Beispiel negative Beiträge auch lange nach der Veröffentlichung noch wiederzufinden.

Das Netz hat keinen "Pause"-Button. Sobald über neue Kontaktwege eine Anfrage an das Unternehmen abgegeben wird, rechnet der Kunde auch sofort mit einer Antwort zu seinem Anliegen. Es besteht kaum die Möglichkeit, eine Reaktion lange zu überdenken.

Gut geplant ist halb gewonnen

Insbesondere in Banken werden die Herausforderungen der Web-2.0-Anwendungen häufig unterschätzt. Sofern das entsprechende Budget vorhanden ist, ist eine erste Ausstattung - beispielsweise eine Xing- oder Facebook-Unternehmensseite oder eine Community - schnell aufgebaut. Vergessen wird häufig der Folgeaufwand, der in Form von zusätzlichem Budget sowie zusätzlichen Mitarbeiterkapazitäten einzuplanen ist.

Wichtig ist daher, keinen Schnellstart in den Trend-Medien hinzulegen, sondern den Einstieg strategisch zu planen. Ein Unternehmen muss sich von daher vorab viele Fragen beantworten, die bereits über den Erfolg oder Misserfolg einer Social-Media-Präsenz entscheiden können. Diese wichtigen vier Punkte sollte jedes Kreditinstitut vor seinem Engagement genau beleuchten:

1. Klärung der Zuständigkeiten: Ein Unternehmen braucht für soziale Medien kurze Wege beziehungsweise kompetente Mitarbeiter, die in der Lage sind, Anfragen schnell und aussagekräftig zu bearbeiten. Daher muss zuverlässig geklärt sein, wer in erster, in zweiter und gegebenenfalls in dritter Linie für Anfragen verantwortlich ist. Diese Verantwortlichkeit muss konsequenterweise mit einer entsprechenden Kompetenz ausgestattet werden.

2. Kritische Betrachtung der Hierarchien: Soziale Medien interessieren keine Hierarchien. Somit sind Abstimmungswege im Unternehmen kritisch zu hinterfragen und darauf zu prüfen, inwieweit sie auch für soziale Netzwerke beachtet werden müssen und können. Zu lange Wege durch Abstimmungen in den Hierarchien beeinträchtigen auch die überaus wichtige Reaktionsgeschwindigkeit.

3. Handlungsempfehlung für negative Kommentare: Genauso wie postalisch oder per Telefon negative Meinungen über das Unternehmen oder deren Produkte eintreffen, kann dies auch online passieren. Die schlechteste Reaktion wäre mit Sicherheit die unüberlegte Löschung eines solchen Kommentars. Denn dies lässt das Thema nicht verschwinden, sondern wird garantiert wieder aufgegriffen. Eine Antwort will zwar gut überlegt sein, darf aber dennoch nicht zu lang dauern und muss eine entsprechende weitere Reaktion oder öffentliche Diskussion aushalten. Mit Kritik konstruktiv umzugehen und sie dazu zu nutzen, die Produkte und Dienstleistungen zu überarbeiten hilft dem Image.

4. Inhalte lebendig halten: Schnell haben Interessenten heraus, wenn auf den sozialen Kanälen eines Unternehmens nur eigene Mitarbeiter oder immer die gleichen Personen miteinander diskutieren. Auch ein "like"-Button, der ausschließlich von Mitarbeitern gedrückt wird, ist nicht unbedingt glaubwürdig. Um ein wirkliches Wachstum an Interessenten zu verzeichnen und Fans auch weiterhin zu motivieren, sind spannende Inhalte wichtig. Diese Inhalte müssen redaktionell erarbeitet und lebendig gehalten werden - vor allem müssen sie für den Kanal geeignet sein. Das kann nicht nur die Zweitverwertung einer Pressemitteilung sein und benötigt daher laufend Budget und Mitarbeiter und muss in der Planung bedacht werden.

Wer ist zuständig?

Die Frage nach der Zuständigkeit ist eine entscheidende. Ähnlich wie bei Anfragen per Mail oder Telefon bietet es sich zudem an, unterschiedliche Level für Anfragen über soziale Kanäle vorzuhalten. So ist es denkbar, auch hier ein Service Center - gegebenenfalls eine separate Gruppe im Call-Center - als erste Anlaufstelle (First Level Support), vorzuschalten (siehe Abbildung 1).

Laut einer Umfrage des Hightech-Verbands Bitkom ist die Erkenntnis, dass die Social-Media-Bemühungen eines Unternehmens nicht allein vom vorhandenen Personal mitbearbeitet werden können, bereits da. Sie ergab, dass derzeit über alle Unternehmen hinweg etwa 90 000 Stellen im Bereich der Internetkommunikation in Deutschland bestehen. Und es sollen mehr werden. Insbesondere bei Unternehmen mit einem Jahresumsatz von mehr als 50 Millionen Euro gibt es bereits heute speziell für den Kommunikationskanal Internet tätige Mitarbeiter. Bereits 28 Prozent der Unternehmen dieser Größenordnung haben solche Mitarbeiter beschäftigt, 20 Prozent der Unternehmen planen diese Stellen in Kürze.1)

Zunächst müssen Banken sich somit entscheiden, ob eine minimale oder eine maximale Nutzung der Social-Media-Kanäle verfolgt werden soll. Den Unternehmen muss bewusst sein, dass - egal ob eine eigene Strategie für diese Kanäle verfolgt werden soll - sich kein Finanzdienstleister komplett verschließen kann. Zumindest muss sich die Bank informieren, in welchen Online-Medien über das Haus berichtet oder diskutiert wird. Dies kann ähnlich wie bei einem täglichen Pressespiegel dokumentiert werden. Ob dieses Monitoring der Online-Reputation im eigenen Unternehmen durch einen Mitarbeiter durchgeführt wird oder ob dies extern beispielsweise an eine Agentur vergeben wird, ist im Einzelfall zu klären.

Service Level Agreements festlegen?

Mit der Entscheidung über den Umfang der Aktivitäten und den Zuständigkeiten ist jedoch lediglich ein erster Schritt getan. Ähnlich wie bei allen anderen Kommunikationskanälen müssen auch für die sozialen Medien im weiteren Verlauf Details zur Bearbeitung und Reaktionszeit sowie eventuell auch Service Level Agreements im Unternehmen festgelegt werden. Eine Auswahl der anzusprechenden Themen verdeutlicht Abbildung 2.

Es zeigt sich, dass der Kommunikationskanal soziale Medien voraussichtlich eine höhere Bindung von Mitarbeitern beinhalten wird als Kanäle, bei denen vom Kunden beziehungsweise Interessenten eine Wartezeit zur Beantwortung von Anfragen in Kauf genommen wird. Von daher ist genau zu prüfen, wie umfassend sich ein Kreditinstitut in diesen Medien platzieren möchte.

Von Cross-Channel zu Multi-Channel

Gerade durch die hohe Mitarbeiter-Bindung ist eine rechtzeitige Planung unumgänglich. Wenn sich die Banken zu spät um die organisatorische Einbindung des neuen Vertriebs- und Kommunikationskanals kümmern, drohen Schwierigkeiten. Schon jetzt lösen unterschiedliche Verantwortlichkeiten in der Steuerung der Vertriebskanäle die häufigsten Konflikte aus, wie 75 Prozent der von Steria Mummelt Consulting für den "Managementkompass Channel Management" befragten Entscheider aus Kreditinstituten angeben. In anderen Branchen wie dem Handel sind es nur 54 Prozent. Wenn im Vorfeld monetäre und personelle Einteilungen nicht stattgefunden haben, kommt es später zu unnötigen und zeitraubenden Diskussionen. Gerade Banken klagen überdurchschnittlich häufig über Konflikte bei der Verteilung finanzieller Mittel oder der Zuordnung von Personal. 59 Prozent der Bankmanager gaben diesen Konflikt an.

In die Marketingplanung integrieren

Liegt beispielsweise die Verantwortung für den Kanal Social Media im Marketing, so sind auch in diesem Bereich die Aktionsplanungen in die Marketingplanung mit hinein zu nehmen. Das heißt auch für einen schnelllebigen Kanal ist eine Monatsund Jahresplanung der Aktionen, eventueller Anschlussketten und damit auch der Verteilung des Budgets erforderlich. Natürlich immer mit der beim Kanal notwendigen Flexibilität. Es kann somit kein Aktionsplan strikt durchgesetzt werden, wenn die aktuelle Situation, beispielsweise durch Presseberichte, eine Anpassung erforderlich macht. Eben dafür muss auch entsprechend Personal zur Verfügung stehen, das auf solche Änderungsanforderungen aufmerksam macht und diese umsetzt.

Banken können Probleme vermeiden, wenn sie frühzeitig Zuständigkeiten bezüglich Personal und Budget klären. Aktivitäten in sozialen Netzwerken sollten genauso strategisch geplant werden wie andere Ansprachewege. Sie gehören in eine umfassende Marketingplanung mit hinein. Sonst wartet der Interessent womöglich vergeblich oder zu lange auf eine Antwort - und das bei einem Medium, das eigentlich eine direkte Interaktion zulässt. Dadurch ist eine Enttäuschung beim Gegenüber bereits programmiert.

Anmerkung:

1) www.tagesspiegel.de , Artikel vom 27.11.2011 "Immer in Kontakt", Abruf am 23. April 2012.

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