Leitartikel

Das schnelle Geschäft

sb - Für Banker mit einem hehren Berufsethos muss es geradezu schmerzhaft sein. Die Mastercard bei Lidl, die Rechtsschutzversicherung bei Penny - Finanzdienstleistung verkommt zur Aktionsware beim Discounter! Immerhin sind solche Aktionen zeitlich begrenzt. Einen systematischen Vertrieb im Geschäftsregal gibt es (noch) nicht, auch wenn sich die Produktgeber in solchen Allianzen selbstverständlich um Kundenbindung und Cross-Selling der so gewonnenen Kunden bemühen. Wer freilich hofft, dass es sich um Eintagsfliegen handelt, der könnte leicht enttäuscht werden. Im Zuge des Einzelhandels-Trends, die Produktpalette vom ursprünglichen Kerngeschäft immer stärker zu erweitern, scheint der Handel angesichts seiner dauerhaft schwachen Margen zunehmend auf den Geschmack zu kommen, sich mit dem Vertrieb von Finanzprodukten ein Zubrot zu verdienen, wie es die Automobilkonzerne so eindrucksvoll vormachen.

Zwei neue Beispiele sind in diesem Herbst zu nennen. Der Otto-Konzern hat Mitte Oktober eine Tochtergesellschaft für Finanzdienstleistungen gegründet. Otto Finanzplus will sich zwar auf Vertriebskooperationen beschränken. Das Angebot soll aber deutlich mehr umfassen als nur die üblichen Ratenkredite und vergleichsweise einfache Versicherungsprodukte. Einstieg ist die Kfz-Versicherung, doch schon Anfang 2007 sollen weitere Sach- und Haftpflichtpolicen hinzukommen. Und im weiteren Jahresverlauf will man sich auch in die komplexe Vorsorgethematik vorwagen. Noch einen Schritt weiter geht man bei C&A. Der Textilhändler hat im Oktober bei der BaFin eine eigene Banklizenz beantragt. Das Geschäftsfeld Finanzdienstleistungen soll als gleichberechtigte Produktlinie neben Damen-, Herren- und Kindermode fest integriert werden. Der seit September 2006 angebotenen Kfz-Versicherung der DA Direkt sollen dann im ersten Halbjahr 2007 ein Raten- und ein Dispositionskredit folgen. Insgesamt ist eine "umfangreiche" Palette von Bank- und Versicherungsprodukten angekündigt. Die aus Filialbank-Perspektive gute Nachricht: Auch bei "C&A Money" bleibt es beim Direktvertrieb über Call Center und Internet. Bank-Ecken in den 380 C&A-Modehäusern wird es nicht geben. Die Angebote werden zwar - unter anderem mit Aufklebern am Boden - aufmerksamstark beworben. Durch die Beschränkung auf den Direktvertrieb wird aber vermutlich dennoch nicht unbeträchtliches Potenzial der Filialen verschenkt.

Allzu erleichtert zurücklehnen darf sich gleichwohl niemand. Rund eine Million Kunden, die täglich zu C&A kommen, sind in jedem Fall ein beträchtliches Potenzial, auch wenn nur ein Teil davon direktbankaffin ist. Ein Übriges tut die Positionierung über den Preis, der auch in Zukunft beibehalten werden können. Bei der Kfz-Versicherung ist der Vertrieb vielversprechend angelaufen: In knapp zwei Monaten konnten "mehrere Tausend" Verträge abgeschlossen und damit die selbstgesteckten Ziele deutlich übertroffen werden.

Wie können nun die Banken auf das immer weitere Vordringen Branchenfremder in ihr Kerngeschäft reagieren? Die Bedeutung der Beratung zu komplexen Themenfeldern zu betonen, wie es derzeit geschieht, ist sicher richtig. Die genannten Beispiele zeigen, dass die Neueinsteiger gar nicht versuchen, hier gegen die Kernkompetenz der Banken anzukommen. Sich allein darauf auszuruhen, wird aber auf Dauer vielleicht auch nicht ausreichen. Wenn selbst Vorsorgeprodukte per Versandhandelskatalog vertrieben werden, könnte die Erosion des Geschäfts mit der Zeit doch zu deutlich spürbar werden. Warum also nicht aus der Not eine Tugend machen und aktiv die Kooperation mit dem Handel suchen? Beispiele, wie man Finanzprodukte "regalfähig"macht, gibt es mittlerweile genug. Wenn der Verbraucher die Standard-Versicherungspolice dem maßgeschneiderten Vorsorgekonzept nun einmal vorzieht, geht es darum, wenigstens dieses "schnelle Geschäft" nicht dem Wettbewerber zu überlassen. Den so gewonnenen Kunden auf die Beratung ansprechen kann man dann immer noch.

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