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Provisionsabgabeverbot: Gute Gründe für den Fortbestand

Das Verwaltungsgericht Frankfurt hat am 24. Oktober der Klage eines Versicherungsvermittlers gegen die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht stattgegeben. Die Aufsichtsbehörde hatte dem Kläger, einem freien Versicherungsvermittler, die Einleitung eines Bußgeldverfahrens in Aussicht gestellt, weil er den überwiegenden Teil der Provisionszahlungen für die Vermittlung von Lebensversicherungen an seine Kunden weiterleite. Sie berief sich dabei auf eine Rechtsverordnung vom 8. März 1934, die es Versicherungsunternehmen und -vermittlern untersagt, den Versicherungsnehmern "in irgendeiner Form Sondervergütungen zu gewähren." Dieses allgemeine Verbot in der Verordnung hielten die Frankfurter Richter für zu unbestimmt (Aktenzeichen 9 K 105/11F).

Mehr Preiswettbewerb

Die Reaktionen auf das Urteil sind erwartungsgemäß gespalten. Der Bund der Versicherten reagierte positiv. Er bezeichnet das Provisionsabgabeverbot als Relikt aus der NS-Zeit, das längst abgeschafft gehöre. Da es den Preiswettbewerb einschränke, sei es mit europäischem Recht nicht vereinbar.

Das Stichwort Preiswettbewerb ist aber gerade die Crux: Denn ein Fall des Provisionsabgabeverbots kann durchaus dazu führen, dass Verbraucher die Entscheidung für einen Abschluss davon abhängig machen, ob und in welchem Umfang ein Vermittler Provisionen an sie weiterleitet. Diese Gefahr sieht auch Axel Kleinlein, derVorstandsvorsitzende des Bunds der Versicherten und hebt damit auf das Risiko für Verbraucher ab: Wer seine Vorsorgeentscheidungen vom Discount-Gedanken abhängig macht, läuft Gefahr, dabei auf die optimale Beratung beziehungsweise Lösung zu verzichten. Denn dass die billigste Versicherung nicht immer die beste (und der günstigste Fonds nicht unbedingt der passende) ist, darüber herrscht Einigkeit.

GDV und BVK warnen vor Discount-Mentalität bei der Vorsorge

Genau diesen Punkt betonen auch der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V. (GDV), Berlin, und der Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute e. V. (BVK). Beide sprechen sich nachdrücklich für die Beibehaltung des bestehenden Provisionsabgabeverbots aus. Denn es schütze Vermittler und Kunden vor Auseinandersetzungen über Fragen jenseits der bedarfsorientierten Beratung.

Ohne das Verbot würde sich der Fokus des Verbrauchers weg vom individuell besten Produkt hin zum "billigsten" Vermittler verlagern, so Jürgen Fürstenwerth, Vorsitzender der GDV-Hauptgeschäftsführung. Eine Discount-Mentalität in der Versicherungsvermittlung aber würde dem Gedanken einer hochwer tigen Beratung wider sprechen.

Auch der BVK-Vorstandsvorsitzende Michael Heinz warnt vor den unabsehbaren Folgen für das Absicherungsniveau in Deutschland, wenn mit einer Aufhebung des Verbots einer Geiz-ist-Geil-Mentalität Vorschub geleistet würde. Insofern sei das Frankfurter Urteil ein Bärendienst für die Verbraucher.

Darüber hinaus werde ein Fall des Provisionsabgabeverbots durch den angefachten Wettbewerb de facto einem Provisionsabgabegebot gleichkommen, durch das letztlich viele Vermittler ihre Existenz verlieren würden. Denkbar ist freilich auch, dass eine Aufhebung des Verbots zu einer (politisch durchaus gewollten) stärkeren Verbreitung der Honorarberatung führt denn von irgend etwas müssen die Vermittler ja schließlich leben. Auf einen verstärkten Preiswettbewerb bei der Beratung liefe es aber vermutlich in jedem Fall hinaus.

Deshalb ist sicher einzuräumen, dass es den Befürwortern des Provisionsabgabeverbots auch um ihre "Besitzstände" geht, wie es neudeutsch heißt. Dennoch darf man ihre Argumente nicht ganz vom Tisch wischen. Denn die Geiz-ist-geil-Mentalität gerade der Deutschen ist nun einmal eine Realität. Auch im Lebensmittelbereich hat schließlich der Wunsch nach hoher Qualität in der Breite nicht zu nenneswert steigender Zahlungsbereitschaft für hochwertige Produkte geführt. Die Befürchtung, dass es in Sachen Vorsorge genauso kommen könnte, ist insofern nicht abwegig.

Gesetzgeber am Zug?

Das letzte Wort in der Sache ist sicher noch nicht gesprochen. Denn das Gericht hat aufgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Frage nicht nur die Berufung beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof, sondern sogar die Sprungrevision direkt beim Bundesverwaltungsgericht zugelassen.

Das Verwaltungsgericht Frankfurt hat, wie der GDV ausdrücklich betont, kein grundsätzliches Urteil über die Zulässigkeit des Provisionsabgabeverbots gesprochen, sondern lediglich die Formulierung in der in Rede stehenden Rechtsverordnung als zu unbestimmt erklärt. Gut möglich also, dass hier letztlich der Gesetzgeber gefragt sein wird, für eine Klarstellung zu sorgen.

Dabei wird die Politik entscheiden müssen, ob sie den Verbraucher eher vor einer stärker provisionsgesteuerten denn bedarfsorientierten Beratung schützen will oder vor Fehlentscheidungen, die sich aus einem zu starken Schielen auf den Preis ergeben könnten. Beim Thema Ratenkredite hat man die Verbraucher vor Lockangeboten mit dem günstigsten Preis geschützt. Bei der Anlageberatung scheint der Trend - auf nationaler wie europäischer Ebene - in die gegenläufige Richtung zu deuten. Im Einzelfall durchaus unguten Preiswettbewerb in kauf nehmend, geht die Tendenz hier eher gegen eine Finanzierung der Berater über Provisionen. Und dies spräche dafür, dass der Gesetzgeber sich für eine Aufhebung des umstrittenen Verbots entscheiden würde.

In jedem Fall macht der Rechtsstreit und die durch das Urteil neu entfachte Diskussion eines klar: Es wird nicht reichen, nur die Honorarberatung gesetzlich zu regeln, wie es Ilse Aigner angekündigt (aber noch nicht in die Wege geleitet) hat. Auch Regelungen zum Vertrieb auf Provisionsbasis sind notwendig und längst angemahnt worden. Freilich: Ziehen sich die gerichtliche Auseinandersetzung und der politische Denkprozess noch lange hin, könnte das Thema sich durch Entscheidungen auf europäischer Ebene von selbst erledigen. Würde der Vertrieb auf Provisionsbasis ganz verboten, müsste man auch nicht mehr über die Rechtmäßigkeit der Weitergabe von Provisionen an Versicherungsnehmer streiten. Red.

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