Leitartikel

Neue Freiheiten

sb - Der Vertrieb von Versicherungsprodukten ist für Kreditinstitute ein attraktives Zusatzgeschäft. Zum einen lässt sich so die Angebotspalette im Sinne des "Alles aus einer Hand" abrunden. Zum anderen liefert die Bankassurance vergleichsweise verlässliche Erträge. Zwar gibt es Moden (wie den mittlerweile wieder abflauenden Boom bei den Lebensversicherungen gegen Einmalbeitrag) oder "Schlussverkäufe" bei Änderungen der steuerlichen Rahmenbedingungen, die die Abschlusserfolge schwanken lassen. Doch im Vergleich zum Wertpapiergeschäft, dessen Beitrag zum Provisionsgeschäft in Abhängigkeit von Marktlage und Verbrauchervertrauen starken Ausschlägen unterliegt, sind die Erträge vergleichsweise verlässlich - zumindest, solange der Gesetzgeber die Rahmenbedingungen für Vertrieb und Vergütung nicht drastisch ändert.

Doch in die Zusammenarbeit zwischen Banken und Sparkassen und der Assekuranz hat sich ein Misston eingeschlichen: Denn die Versicherungen liebäugeln zunehmend mit klassischen Produkten ihrer Partner. An der Tagesgeld-Front werden sie dabei vermutlich noch am wenigsten wahrgenommen. In den Rankings finden sie sich zwar im oberen Mittelfeld, aber doch nicht auf den Spitzenplätzen, auf die die "Zinshopper" schauen. Denn Anlageprodukte spielen zwar inzwischen für eine Reihe von Anbietern im Wiederanlagemanagement eine Rolle. Angesichts der Tatsache, dass die Lebensversicherer im aktuellen Niedrigzinsumfeld eher einen "Anlagenotstand" haben, sprich nach vergleichsweise sicheren Anlagemöglichkeiten suchen, hat dieses Thema jedoch keine besondere Priorität für sie. Anders sieht das schon bei der Baufinanzierung aus. Sie erfreut sich zunehmender Beliebtheit bei der Assekuranz - und nicht selten sind die von Versicherern gebotenen Konditionen bei langen Zinsfestschreibungen deutlich günstiger als das, was (Filial-)Banken bieten können - zumal dann, wenn noch "Stammkundenrabatte" hinzukommen, wie es sie bei der Bündelung mehrerer Versicherungspolicen beim selben Anbieter gibt.

Vergleichsweise in Ordnung ist die Welt noch in den Verbünden: R+V und die öffentlichen Versicherer halten sich mit entsprechenden Angeboten noch zurück - doch stellt sich die Frage, wie lange sie sich dies werden leisten können. Generell sehen sich vor allem Volksbanken und Sparkassen somit im Zwiespalt zwischen ihrer Rolle als Eigentümer der verbundeigenen Versicherer, der sich einer Weiterentwicklung des Geschäftsmodells nicht verschließen darf, und der als Vertriebspartner, der keine Konkurrenz durch den Partner wünscht. Doch warum soll eigentlich der verbundeigene Versicherer keine Baufinanzierung anbieten? Das Geschäft bliebe dann zumindest in der Organisation - und das Institut vor Ort könnte dem Kunden, der zum Beispiel eine längere Zinsbindung wünscht, die entsprechende Alternative bieten und ergänzend zu den Versicherungsprodukten auch die Baufinanzierung des Versicherungspartners vermitteln.

Doch nicht nur in dieser Hinsicht werden Kooperationsmodelle zwischen Banken und Versicherungen vermutlich auf eine neue Basis gestellt werden müssen. Neue Freiheiten brauchen beide Seiten: die Versicherer auf der Produktseite und beim Direktvertrieb, die Vertriebspartner aus der Kreditwirtschaft bei der Wahl ihrer Partner. Denn insbesondere dann, wenn Kapital- und somit auch Interessensverflechtungen bestehen, lässt sich nur schwer erklären, wie sich Exklusivvertriebsvereinbarungen mit einer allein an den Interessen der Kunden orientierten Beratung vertragen. In eine Zeit der Vergleichsportale passen solche Ausschließlichkeitsmodelle ohnehin nur noch bedingt hinein. Auch bei der Bankassurance wird die Anzahl der Produktpartner deshalb künftig wohl erweitert werden müssen. Ansonsten droht der bei Schaden-/Unfallversicherungen ohnehin unterrepräsentierte Bankvertrieb zumindest im Kompositgeschäft endgültig in der Marginalität zu verschwinden - zulasten der Versicherer, die ganz auf die Partner aus der Kreditwirtschaft setzen. Ein Mehr an Auswahl könnte somit auch den Versicherern zugute kommen.

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