Multikanalstrategien

Fallstricke in der Social-Media-Kommunikation

You-Tube, Facebook, Twitter und Co. sind heute die wohl bedeutendsten Social-Me-dia-Plattformen. Marketingverantwortliche beobachten deshalb vor allem bei diesen Anbietern die Entwicklung. Hier hoffen sie, für die unternehmerische Entscheidung zum eigenen Schritt in die neue Welt Anhaltspunkte zu finden. Viel Zeit scheint den Verantwortlichen nicht mehr zu bleiben, zumindest wenn man die aktuellen Nutzerzahlen etwa von Facebook betrachtet.

Gleichzeitig steigt die Onlinezeit rasant an. Man geht davon aus, dass mittlerweile 75 Prozent aller Deutschen ab dem 14. Lebensjahr regelmäßig online sind. Früher informierte man sich vor einem Kauf/Vertragsabschluss bei Wiso und Stiftung Warentest oder bei Freunden, Bekannten und Kollegen, im stationären (Fach-)Handel oder in der Bankfiliale. Heute dagegen werden die kaufentscheidenden Informationen für einen Abschluss online, zum Beispiel in Internet-Foren, gesucht - und gefunden. Besonders Nutzerkommentare sowie Produkt- und Preisvergleichsseiten sind bei der Kaufentscheidung etwa von Altersvorsorgeprodukten von Relevanz. Bei Aktien- und Immobilienkäufen sind dagegen eher Suchmaschinenergebnisse und der Internetauftritt der Anbieter von Bedeutung.

Der sogenannte Ropo-Effekt (Research Online, Purchase Offline) umfasst mittlerweile 50 Prozent des Neugeschäfts.

Vor Abschluss eines neuen Finanzvertrages recherchieren rund 60 Prozent der Internet-User online.

Im Durchschnitt dauert ein Online-Informationsprozess 7,5 Wochen. Dabei besuchen Interessenten mehr als 40 Internetseiten auf vier verschiedenen Domains.

Aber auch über die Grenzen des Marketings hinaus hat Social Media Einzug gehalten, so etwa in den Bereichen Customer Service, Sales und Produktentwicklung.

Der Einstieg in Social Media ist also keine Frage mehr nach dem "Ob", sondern nach dem "Wann" und "Wie". Bei dem inzwischen hohen Verbreitungsgrad kann grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass über jedes Unternehmen öffentlich "gesprochen" wird - aber nicht immer mit ihm. Untersuchungen zeigen, dass nur ein Prozent der Onlinenutzer regelmäßige Schreiber sind, rund neun Prozent zu den gelegentlichen Schreibern gehören, aber 90 Prozent aller Nutzer die Beiträge lesen und glauben, was dort geschrieben steht.

Zusatzinformationen über den Kunden

Der von vielen empfohlene und als sicher angesehene Start in die Welt der Social Media beginnt mit dem Social-Media-Monitoring. "Zuhören" schärft den Blick auf die eigene Zielgruppe und hält für viele Neueinsteiger immer "Aha-Effekte" parat. Sehr schnell wird das zum Start häufig gesetzte Ziel "Vermeidung von Reputationsschäden" ergänzt durch den Wunsch, die Kundeninformationen strukturiert analysieren zu können. Die reine Auswertung von Zahlen (zum Beispiel wie viele Beiträge werden pro Tag, Woche und Monat zum Unternehmen oder Produkt im Internet gefunden) ist dabei nur eine Ergänzung der eigentlichen Arbeit.

Im Kern steht hier die - auch inhaltliche - Interpretation der aufgefundenen Beiträge: Welche Tonalität wird gewählt, welche Themen sind den Kunden so wichtig, dass darüber online berichtet wird, in welchen Sentimenten (Klassifizierung der Beiträge in positiv, neutral oder negativ) erfolgen die Beiträge.

Bei der Sammlung dieser Kundeninformationen aus erster Hand beginnt die Ergänzung der in vielen Unternehmen bereits vorhandenen Customer Relationship Management (CRM)-Bausteine durch die Social-Media-Informationen. Das häufig in Marketing-Datenbanken vorliegende Wissen bezüglich der eigenen Zielgruppen kann mit den neuen Social-Media-Infor mationen inhaltlich abgeglichen und durch sie ergänzt werden.

Wie zufrieden sind die Kunden tatsächlich mit einzelnen Produkten? Gibt es Ansatzpunkte für Produktweiterentwicklungen? Welche Verbesserungsmöglichkeiten sehen die Kunden für den Kundenservice? Gibt es Beiträge mit Eskalationscharakter? Welche für die Marktforschung relevanten Trends sind erkennbar? Social Media bietet somit schon im ersten Schritt sehr nützliche Zusatzinformationen von und über den Kunden.

Aber Achtung: Vor der Datenerhebung muss geklärt werden, welche Daten mit welchem Ziel erhoben werden sollen, um die Datenschutzkonformität sicherzustellen und um mögliche Risiken auszuschließen. Häufig herrscht über die datenschutzrechtliche Relevanz von der Erhebung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe der Daten in Unternehmen allerdings Ungewissheit. Tatsächlich sind die Auswirkungen der in den letzten Jahren zu beobachtenden Aufwertung des Datenschutzes mit seinen verschiedenen Novellierungen auch sehr komplex.

Web-2.0-Monitoring datenschutzrechtlich absichern

Grundsätzlich ist eine datenschutzrechtliche Relevanz erst dann gegeben, wenn es bei der Auswertung von Daten auch tatsächlich um personenbezogene Daten im Sinne von § 3 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) geht. Solange personenbezogene Daten nicht erhoben werden, kommt das BDSG auch nicht zum Tragen. Dennoch gilt es diesen Punkt sehr genau zu betrachten, um den gesetzeskonformen Umgang mit den zu erhebenden Daten zu gewährleisten.

Dies gilt auch für eine mögliche Beauftragung Dritter, da der Auftraggeber für die Einhaltung der Datenschutzgesetzgebung verantwortlich ist. Für diese Fälle sollte neben dem Dienstleistungsvertrag ein Vertrag über die Auftragsdatenverarbeitung geschlossen werden, in dem die Dienstleistung (unter anderem Pflichten des Auftragnehmers; Umfang der Weisungsbefugnis durch den Auftraggeber; Berichtigung, Löschung und Sperrung von Daten) genau beschrieben wird. Sofern diese Inhalte bedacht werden, die in aller Regel gut umsetzbar sind, steht der Nutzung eines Social-Media-Monitorings aus datenschutzrechtlicher Sicht nichts im Wege. Die

Ergänzung der bestehenden Kommunikationsstrategie durch Social Media wird unter anderem dazu führen, dass sich der heutige Kundenservice hin zum Multimedia-Contact-Center entwickeln muss. Von dort aus wird der aktive Dialog mit dem Kunden geführt. Voraussetzung für eine erfolgreiche Umsetzung der Strategie ist eine Reihe von Faktoren. Der zu betreibende Aufwand darf dabei nicht unterschätzt werden.

Ein in sich geschlossenes Angebot an den Kunden

Neben den technischen Voraussetzungen wie Monitoring-Tools, einer Erweiterung der Marketing-Datenbank oder Business-Intelligence-Lösungen ist es notwendig, speziell ausgebildete Mitarbeiter einzusetzen. Diese Mitarbeiter müssen die Regeln und Funktionsweisen des Social-Media-Netzwerks kennen, um den Kunden auch adäquate Antworten auf ihre Beiträge geben zu können.

Um die Kommunikation zwischen Mitarbeiter und Kunde steuern zu können, ist es darüber hinaus notwendig, Social-Media-Guidelines aufzustellen. Diese Guidelines definieren die Leitplanken dafür, wie in den Einzelfällen mit dem Kunden zu kommunizieren ist. Da jeder Mitarbeiter auch privat in den Social Media vernetzt ist, muss klar getrennt werden zwischen den beruflichen und privaten Meinungen und Äußerungen der handelnden Personen. Die verbindliche Vereinbarung zur Verschwiegenheitspflicht und zur Einhaltung der "Netiquette" sind hierfür wichtige Voraussetzung.

Zusätzlich zur Qualität muss die ausreichende Verfügbarkeit von geschulten Mitarbeitern gewährleistet sein. Die Einladung zur Kommunikation darf in der Folge nicht aufgrund unternehmensinterner Prioritätenverschiebungen schleichend vernachlässigt werden. Fragen von Kunden, die nicht mehr beantwortet werden, führen schnell und unweigerlich zu berechtigten Beschwerden.

Die in der Startphase gesammelten Erfahrungen sind die Basis für die Entscheidung, welche Ziele im nächsten Schritt erreicht werden sollen und welche Strategie dabei verfolgt wird. Es kann beispielsweise durchaus vorteilhafter sein, binnen 30 Minuten eine schriftliche Antwort zu erhalten als 15 Minuten in der Warteschleife einer Hotline zu verweilen. Welcher Mehrwert und welcher Service soll den Kunden in welchem Umfeld angeboten werden? Steht die Unternehmenspräsentation im Vordergrund, der Verkauf von Produkten oder die Bereitstellung von Zusatznutzen beispielsweise in Form von themenbasiertem Content? Die Anonymität im Internet führt dazu, schnell einen Kontakt zwischen Kunde und Unternehmen herstellen zu können, aber genauso schnell hat der Kunde die Unternehmensseite auch wieder verlassen. Um eine Strategie zu entwickeln und ein in sich geschlossenes und für den Kunden als solches auch erkennbare Angebot zu präsentieren, hilft die Beantwortung folgender Fragen:

Wie tritt man mit den Kunden in den Dialog?

Wie kann die zeitnahe Beantwortung oder Kommentierung von Kundenbeiträgen aus Unternehmenssicht sichergestellt werden?

Wie werden nicht nur zeitnahe Antworten sondern authentische und vertrauensbildende Beiträge erstellt?

Wie wird mit kritischen Beiträgen umgegangen?

Wie kann oder muss ein Kundendialog aufgebaut sein, um Informationen über Trends zu erhalten?

Welche Kommunikations- und Con-tent-Bestandteile sind für ein Recruiting notwendig?

Social CRM bietet neben der Kundenbetreuung und der Steigerung der Kundenloyalität die Möglichkeit, Kunden und Interessenten aktiv in sozialen Netzwerken zu bewerben. Chancen entstehen hierbei einerseits durch den neuen Social-Media-Kommunikationskanal selbst und andererseits durch die ansteigende Menge an verfügbaren Kundendaten, die über Social Media erhoben werden können. Die Möglichkeiten auch der anonymisierten Profilbildung (etwa durch die Soziodemografie des sozialen Netzwerkes) von Kundengruppen lassen zumindest positive Ergebnisse erhoffen.

Dabei darf aber nicht vergessen werden, dass für die werbliche Ansprache in den einzelnen sozialen Netzwerken ebenso eine Einverständniserklärung der Kunden/Interessenten erforderlich ist wie beispielsweise für E-Mail- oder Telefonwerbung. Auch in diesen Fällen muss davon ausgegangen werden, dass das Unternehmen gegenüber den Kunden darüber auskunftspflichtig ist, welche personenbezogenen Daten gespeichert sind und wie/wann die Zustimmung des Kunden zur werblichen Ansprache in sozialen Netzwerken erfolgt ist.

Diffiziler Umgang mit personenbezogenen Daten

Grundsätzlich empfiehlt es sich, die Angaben der Kunden zur werblichen Nutzung ihrer personenbezogenen Daten aus den sozialen Netzwerken historisiert zu speichern, um Auskünfte über den genauen Umfang der Datenhaltung sowie die bestehenden Berechtigungen im Umgang mit ihren Daten erteilen zu können. Dies kann durchaus zu Schwierigkeiten in der Kundenkommunikation und dem Datenschutzrecht führen, weil ein Nutzer seine Zustimmung zur aktiven werblichen Ansprache mehrmals am Tag ändern kann und nun genau zu dem Zeitpunkt, als er die Werbung erhält, die Zustimmung durch ihn nicht mehr gegeben ist. Der Nachweis für eine korrekte Vorgehensweise ist meist nur durch die Speicherung dieser Daten - etwa in einem Data Warehouse - gegeben.

Die jüngsten Datenschutznovellen verfolgen stringent den Schutz der Betroffenen, ohne gleichzeitig auch die wirtschaftlichen Interessen zu beachten. Die generelle Tendenz zur Verschärfung der Datenschutzrichtlinien wird auch in den sozialen Netzwerken weiter verfolgt werden.

Die werbungtreibenden Unternehmen, die personenbezogene Daten speichern, um Profile zu erstellen und Direktmarketing zu betreiben, sind gut beraten, den neuen gesetzlichen Anforderungen auch Folge zu leisten - einerseits, um möglichen Bußgeldern und Reputationsschäden zu entgehen und um andererseits im Rahmen der gesetzlichen Einschränkungen auch weiterhin ein erfolgreiches Dialogmarketing betreiben zu können. Dies scheint in der aktuellen Phase eine Möglichkeit zu sein, sich Wettbewerbsvorteile gegenüber der Konkurrenz zu verschaffen, die die anhaltende Entwicklung der Datenschutzgesetzgebung noch negiert.

Ein Einstieg in die Social Media birgt riesige Chancen und wird für viele Unternehmen und vor allem Finanzdienstleister, deren wichtigstes Asset das Vertrauen der Kunden ist, zum Muss. Der Einstieg sollte allerdings gut vorbereitet sein. Die Wahrnehmung des Unternehmens steigt und es wird noch mehr als vorher an seinen kundennahen Expertisen bewertet. Kundenservice, Kauferlebnis, Produktpolitik und Preispolitik stehen im Zentrum der öffentlichen Diskussion.

Für die Kommunikation mit Kunden und Interessenten gilt es Regeln einzuhalten und seinen Mitarbeitern Richtlinien an die Hand zu geben, wie mit den unterschiedlichen Betreuungs- und Beschwerdefällen umzugehen ist, in welcher Zeitspanne die Antworten zu erfolgen haben und in welcher Tonalität die Antworten verfasst werden sollen. Unbedachte Äußerungen können sich schnell verselbstständigen.

Die Kunden werden es schätzen, authentische Antworten in kurzer Antwortzeit und mit hoher Sachkenntnis von zu erhalten. Aber sie werden sich von ihrem Kommunikationsangebot per Social Media verabschieden, wenn sie in diesen Punkten enttäuscht werden. Einige namhafte Unternehmen haben dies bereits erlebt. Es gilt, die notwendigen Techniken zu verstehen, Strategien festzulegen und die möglichen Fallstricke zu erkennen und ihnen auszuweichen.

Noch keine Bewertungen vorhanden


X