Die Zukunft der Filiale

Erste Group: Das Filialgeschäft neu denken

Der digitale Wandel hat in den vergangenen zehn Jahren den Bankensektor nachhaltig verändert: Überweisungen und andere Transaktionen können bequem von Zuhause oder unterwegs getätigt werden. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, welche Funktion die Bankfiliale heute noch hat. Es gilt, ihre Funktion und Ausstattung neu zu denken und dabei nicht nur die neuen Technologien einzubinden, sondern vor allem die Menschen, die diese für sich nutzen.

Die digitale Welt, die in den Fernsehserien der achtziger Jahren Fantasie war, ist längst Wirklichkeit. Zwei Drittel der Österreicher besitzen bereits ein Smartphone, die mobile Nutzung des Internets steigt rasend schnell. Keine Frage: Der digitale Wandel hat unsere Gesellschaft grundlegend verändert. Anders als oftmals vermutet, geht die zunehmende Automatisierung aber keineswegs damit einher, dass die Menschen nur noch mit Computern kommunizieren wollen. Im Gegenteil: Der persönliche und individuelle Kontakt gewinnt in der digitalen Welt wieder erheblich an Wert.

Fokus auf mobile Anwendungen allein reicht nicht aus

Bezogen auf Finanzdienstleistungen bedeutet das, dass die Kunden heute mehr denn je die Unterstützung von Experten suchen, denen sie vertrauen und die ihnen helfen können, die Flut der im Internet und in anderen öffentlichen Foren kursierenden Finanz-Informationen einzuordnen und zu bewerten. Unter anderem daraus lässt sich auch die Daseinsberechtigung der Bankfiliale ableiten. Die Voraussetzung ist allerdings, dass die Finanzinstitute die Filialen dahingehend weiterentwickeln, dass sie die veränderten Bedürfnisse und steigenden Anforderungen der Kunden erfüllen. Bankgeschäft ist heute nichts mehr, wo man hingeht, sondern etwas, das man tut. Zumindest gehen die Kunden nicht mehr so oft in ihre Bankfiliale, wie noch vor zehn oder 20 Jahren. Aber wenn sie kommen, möchten sie Top-Beratung und das Gefühl, wirklich willkommen zu sein.

Da wird der Fokus auf mobile Anwendungen alleine nicht ausreichen, um Kunden zu gewinnen und langfristig zu binden. Menschen suchen jemanden, dem sie vertrauen können, wenn sie Hilfe bei ihren Finanzen brauchen. Für diese Begegnung braucht es den richtigen Rahmen - und das ist und bleibt die Filiale. Die Erste Bank hat sie aus der traditionellen Rolle heraus weitergedacht und einen Pilotstandort entwickelt.

Station Zukunft: Das Future Lab

Eine von außen unscheinbare Erste-Filiale im 8. Wiener Bezirk beherbergt das Future Lab. Innen unkonventionell, anders. "Ist das überhaupt eine Bank?", haben sich die ersten Besucher nach der Eröffnung gefragt. Auf den zweiten Blick wird es klar, auch wenn auf Logos und aufdringliches Branding im gesamten Innenraum verzichtet wurde. Zwischen Bankomaten und Kontoauszugsdruckern steht ein Getränkeautomat - mitten im Raum eine Bar mit einer großen Kaffeemaschine darauf. Keine Trennung zwischen der Selbstbedienungszone und dem Hauptraum. Eine Bankfiliale, die nach völlig neuen Gesichtspunkten errichtet wurde.

Das Future Lab ist ein Ort der Begegnung und Kommunikation. Sie soll den Gedankenaustausch und die Begegnung zwischen Kunden und Beratern auf Augenhöhe fördern. Das muss auch im digitalen Zeitalter nicht alles zwingend auf Bildschirmen erfolgen. Eine kleine Leihbibliothek mit Büchern zu völlig bankfremden Themen steht zur Verfügung - genau wie ein Dialogforum, wo Veranstaltungen abgehalten werden. Eines der hervorstechenden Elemente ist der "Walk of Life", ein Weg durch mehrere Räume der Filiale. Besucher können dabei unterschiedliche Lebensphasen "durchlaufen". Ziel dieser Installation ist es, nicht nur eine rationale, sondern auch emotionale Auseinandersetzung mit der Frage, wo sich der Kunde in seinem Leben befindet, in Gang zu setzen. Dabei stehen nicht Bankprodukte im Vordergrund, sondern die einzelnen Lebensphasen und die damit verbundenen Themen.

Das Future Lab ist ein Unikat. Es ist kein fertiges Konzept, nach dessen Vorbild alle Filialen umgestaltet werden. Vielmehr ist es ein Probierfeld, wo intensiv getestet wird, was bei den Kunden gut ankommt. Elemente, die sich in diesem Umfeld bewährt haben, werden ab 2015 nach und nach in unseren neu gestalteten Beratungszentren zu finden sein. Der Kunde gestaltet somit die Filiale der Zukunft mit, er gibt also den Ton an.

Auch wenn sich die Konsum- und Mediengewohnheiten unserer Kunden verändern, sind wir davon überzeugt, dass Bankkunden nach wie vor hochwertige Beratung brauchen und auch wollen. Und das ist es, worauf es in der Filiale der Zukunft ankommt: Experten, die zuhören, eine angenehme Atmosphäre und Öffnungszeiten, die für Berufstätige keinen Stress bedeuten. So testet die Pilotfiliale auch erweiterte Öffnungszeiten. Das Future Lab ist während der Woche von 8.00 bis 18.00 Uhr durchgehend geöffnet.

Auch die Entwicklung der letzten Jahre spricht darüber hinaus für die persönliche Beratung: Weniger Abwicklungstätigkeiten, mehr Zeit für die Menschen. Überweisungen, Kontostand abfragen - all das passiert heute mobil, online oder in Selbstbedienung. Nicht etwa, weil Banken sich das wünschen, sondern weil Kunden die freien Wahlmöglichkeiten nutzen und selbst bestimmen, wann sie was erledigen möchten. Eine Zeit lang - und das war bestimmt ein Fehler in den späten neunziger Jahren, waren Banken allzu sehr damit beschäftigt, Kunden möglichst in die SB-Foyers abzuschieben. Das hat sich bei massiv verändert - das Gespräch mit den Kunden steht wieder viel stärker im Mittelpunkt.

Querdenken im Erste Hub

Bei allen technologischen Errungenschaften der letzten Jahre: Wie reagiert man als Bank auf die Trends, die immer schneller aufeinander folgen? Um diese tief greifenden Veränderungen für das Bankgeschäft richtig zu interpretieren, wurde bereits Ende 2012 der Erste Hub geschaffen. Dabei handelt es sich nicht etwa um eine bankinterne Abteilung, sondern um ein eigens dafür geschaffenes Projekt, das unabhängig von herkömmlichen Abteilungsstrukturen arbeitet. Dort herrscht richtige Start-up-Mentalität.

Dieses Innovationslabor bringt neue, bisher noch nie angedachte Produkte, Dienstleistungen oder andere Features hervor. Banprodukte werden in die App-Welt der Smartphones übersetzt. Ganz bewusst wurden dafür talentierte Persönlichkeiten aus völlig unterschiedlichen Bereichen geholt, die sich der Bank völlig anders annähern als ein Bankmitarbeiter. Rund fünfzig Personen, Designer, Soziologen, IT-Entwickler, Volkswirte und Kreative aus diversen Ländern sitzen hier im Innovationslabor zusammen mit Bankmitarbeitern an einem Tisch, um Online- und Smartphone-Lösungen für den Finanzdienstleistungssektor zu entwickeln.

Dabei werden nicht etwa graue Thesen erarbeitet, die in Aktenordnern verschwinden. Vielmehr wird jede Idee, die eine sogenannte Idea-Shooting-Session überstanden hat, rasch in einen Prototypen umgesetzt und von unterschiedlichen Menschen getestet.

Auf Basis dessen wird entschieden, ob zum Beispiel eine App tatsächlich eingeführt und umgesetzt wird. Eine völlig andere Entscheidungsgrundlage, als Ideen auf ein paar Powerpoint-Folien einfach vom Tisch zu wischen. Damit kann die Erste Bank rasch mit Services am Markt sein, die einen Mehrwert für die Kunden bieten.

Erfolgreiche Kontostands-App

Dieser interdisziplinäre Ansatz trägt bereits Früchte: Eines der ersten erfolgreichen Produkte aus dem Erste Hub ist die Quick-Check-App, eine simple Anwendung, um per Knopfdruck den Kontostand abzurufen. Je nach Sicherheitsstufe auch ohne Login, da keine Transaktionen möglich sind. Diese App ist aus der Analyse des Kundenverhaltens entstanden: Neun von zehn Kunden die sich ins Online-Banking einloggen, tätigen nicht etwa eine Überweisung, sondern wollen nur rasch ihre Kontoinformation abrufen. Warum also komplizierte Login-Verfahren, wenn es nur um eine rasche Information geht, bei der keine Art von Transaktion möglich ist?

Innerhalb kürzester Zeit wurde die App mehr als 220 000 Mal heruntergeladen - ein Fakt, der uns zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Der Fokus dabei liegt ganz bewusst auf den Menschen der Generation Internet, die auch in die Produktentwicklung eingebunden werden.

S-Lab: Interaktiver Dialog über die Themen von morgen

Jeder, der an der Filiale, neuen Apps oder an künftigen Services mitgestalten will, kann dies auch tun: Im S-Lab (www.s-lab. at) der Erste Bank. Als eine der wenigen österreichischen Unternehmen haben wir eine echte Co-Creation-Plattform ins Leben gerufen. Nicht etwa, um Usern eine Plattform zu geben, wo sie Ideen posten können, die sich dann ohnehin niemand ernsthaft anschaut, sondern um echten Dialog zu ermöglichen zwischen den Experten und den Kunden.

Die Menschen sind eingeladen, ihre Ideen und ihr Feedback zu konkreten Projekten zu geben und direkt mit Projektleitern zu diskutieren beziehungsweise an Beta-Tests teilzunehmen. Zusätzlich können offene Ideen und Verbesserungsvorschläge gepostet, kommentiert und "geliked" werden. Das S-Lab hilft, den Dialog zwischen Kunden und Mitarbeitern auf eine neue Ebene zu heben und rasch Stimmungsbilder und Ideen zu gewinnen. Außerdem lässt sich intern eine noch stärkere Ausrichtung an den Kundenbedürfnissen erreichen. Die User werden für ihr Engagement belohnt: Regelmäßig wird ein "Held des Monats" sowie die beste Idee des Monats gekürt.

Co-Creation und Design-Thinking- Methode

Die Einbindung von Kunden auf S-Lab ist aber erst der Anfang: Co-Creation-Workshops gestalten gemeinsam aus Ideen konkrete Konzepte. Wichtig ist dabei die Diskussion zwischen Kunden und Projektmitarbeitern - denn dadurch wird ein höheres Verständnis für die Kundensicht erreicht.

Des Weiteren arbeiten wir in Projekten mit Design-Thinking-Methode. Das ist eine Arbeitsweise, die auf der Annahme basiert, dass innovative Produkte und Services nur dann gestaltet werden können, wenn Menschen unterschiedlicher Disziplinen zusammenarbeiten, gemeinsam eine Fragestellung untersuchen und im nächsten Schritt Konzepte entwickeln, die mehrfach mit potenziellen Kunden geprüft werden. Das Verfahren orientiert sich an der Arbeit von Designern, die als eine Kombination aus Verstehen, Beobachtung, Ideenfindung, Verfeinerung, Ausführung und Lernen verstanden wird. Mehrere Hundert User bringen sich seit rund einem Jahr in die Weiterentwicklung ein und arbeiten an konkreten Projekten mit.

Digitaler Wandel heißt nicht Komplettverlagerung ins Internet

Auch wenn der digitale Wandel alle betrifft, bedeutet dies keineswegs, dass jede Kundenbeziehung automatisiert und ins Internet verlagert wird. Vielmehr geht es darum, alle Zugänge zur Bank zu ermöglichen, der Kunde entscheidet, wie er mit seiner Bank in Kontakt treten möchte. Das kann auch bedeuten, neue Dialogformen, die ihren Ursprung in der digitalen Welt haben, für das Filialgeschäft zu adaptieren. Wir wollen die Fläche in den Filialen erlebbarer gestalten und die Chancen der Begegnung mit Kunden nutzen, um sie von der Qualität der Dienstleistungen zu überzeugen. Auf der anderen Seite, können wir auch jene mit besten Services überzeugen, deren erster Weg nicht in die Filiale ist, sondern zum Smartphone.

Die Zukunft ist keine sterile Projektionsfläche für Hightech-Fantasien der achtziger Jahre, sondern die einmalige Chance, die Beziehung zu den Kunden noch persönlicher, lebendiger und individueller zu gestalten - sei es im Internet, auf mobilen Endgeräten oder in der Filiale um die Ecke. Das ist die Konstante seit der Gründung der Erste Bank als "Erste österreichische Spar-Casse" vor fast 200 Jahren. Seit jeher ist es unser Auftrag, Lösungen für die individuellen Bedürfnisse und Situationen der Kunden zu finden. Nur das Tempo der Veränderungen hat sich in den letzten Jahren drastisch erhöht. Das, was wir im Moment erleben, ist die größte Veränderung im Bankgeschäft seit über 30 Jahren. Und das ist gut so.

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