Leitartikel

Zu alt?

PO - Im Jahr 2050 wird der Anteil der über 55-Jährigen an der deutschen Bevölkerung von derzeit einem Drittel auf gut die Hälfte angewachsen sein. Und bereits im Jahre 2030 wird es in der Bundesrepublik ebenso viele Rentner wie Erwerbstätige geben. Eine solche Entwicklung verheißt vor allem für die beiden großen Bankenverbünde in Deutschland nichts Gutes. Zwar sparen ältere Mitbürger in der Regel mehr und sicherlich eröffnen sich auch Potenziale für neue Produkte aus dem Bereich der Altersvorsorge. Doch ist die Klientel gerade von Sparkassen und Volks- und Raiffeisenbanken heute schon eher der älteren Generation zuzurechnen. Die hohen Marktanteilsquoten stammen vor allem aus der Altersgruppe der über 45-Jährigen. Bei den Kreditgenossenschaften beispielsweise beläuft sich das Durchschnittsalter der Kunden auf rund 48 Jahre. Dagegen sind beide Verbünde in der Kategorie unter 30 Jahre eher (zu) schwach aufgestellt. Das ist gefähr lich, denn mit dem Ableben der Kunden über 65 gehen häufig auch deren Einlagen verloren, sind doch die Erben meist woanders "unter Vertrag".

Dass man darauf schnellstens reagieren muss, haben beide Verbünde inzwischen längst begriffen, doch tun sie sich mit der Umsetzung schwer. Es reicht bei der jüngeren Klientel nicht mehr aus, mit dem Image der regionalen Verankerung und der Zuverlässigkeit zu werben. Da darf man sich von dem aus Unsicherheit geprägten Zustrom von Kunden und Geldern im Zuge der Finanzkrise nicht blenden lassen. Die bekannten klassischen Ansprachen durch Medien, Mailings, Telefonakquise oder Produktaktionen bringen den Instituten immer weniger Erfolg. Denn gerade um die Privatkundschaft herrscht ein erbarmungsloser, nicht immer gesunder Verdrängungswettbewerb und im reinen Preiskampf unterliegen die Platzbanken den aggressiven Anbietern meist. Und damit sind nicht die für die Anleger wie das Finanzsystem ungesunden Beispiele wie Kaupthing oder Noa gemeint. Es ist unverständlich, wie Kunden aus reiner Renditegier so schnell nach den Erfahrungen aus 2008 ihr Geld wieder einer nicht dem Einlagensicherungsfonds angehörenden und äußerst undurchsichtigen Bank wie Noa anvertrauen konnten. Doch zeigt gerade das, wie wechselwillig und sprunghaft die Kundschaft von heute ist, wie schnell sie wieder vergisst, wie wenig sie über den deutschen Bankenmarkt und seine Strukturen weiß und wie schnell sie neuen, unbekannten Anbietern vertraut. Drei, vier, fünf Bankverbindungen nicht nur im Mittelstands- und Firmenkundengeschäft, sondern auch bei privaten Sparern sind heute eher die Regel denn die Ausnahme. So gehen den Verbünden entscheidende Marktanteile bei Kunden zwischen 20 und 40 verloren.

Noch Ende der neunziger Jahre konzentrierte sich laut Deutscher Bundesbank drei Vier tel der gesamten Bankverschuldung der Unternehmen auf die jeweilige Hausbank, 40 Prozent der kleineren und mittleren Unternehmen besaßen damals nur eine Bankverbindung - die zur Hausbank. Im Privatkundenbereich lagen die Quoten noch höher. Ist die Hausbank also tot? Nein, ist sie nicht. Doch heute muss sich als Hausbank definieren, wer das Girokonto verwalten darf, über das der Großteil der Zahlungen abgewickelt wird und wer ein in seinen Augen ausreichend großes Stück vom Anlage- und Kreditkuchen abbekommen hat. Das heißt, dass Banken ihre Rolle zunehmend anders ausfüllen müssen. Das fängt bei einer überschaubareren Produkt- und Konditionengestaltung an, geht über sinnvolle, keineswegs allumfassende Verbindung verschiedener Vertriebswege mit einem dauerhaft bezahlbaren Filial- und Selbstbedienungsnetz bis hin zu gut geschulten Verkäufern und entsprechend aktiver Beratung. Dass es immer noch zu eklatanten Fehlern im Kundengespräch und bei der Dokumentation kommt, es massenhaft Kritik von Verbraucherschutz und Politik hagelt und es beispielsweise tatsächlich eines Kodex "Verantwortungsvolle Kreditvergabe" des Bankenfachverbandes bedarf, ist für eine Branche, deren ureigene Aufgabe es ist, Geld zu verwalten und zu verleihen, ein Armutszeugnis. Das können auch deutsche Banken besser, und das werden sie zeigen müssen. Sonst werden sie den Kunden schnell "zu alt" werden.

Noch keine Bewertungen vorhanden


X