Redaktionsgespräch mit Erk Westermann-Lammers

"Förderbanken waren und sind echte Stabilitätsgaranten"

Erk Westermann-Lammers, Foto: Anna Leste-Matzen

In dem Redaktionsgespräch mit dem Vorsitzenden des Vorstands der Investitionsbank Schleswig-Holstein bedankt sich dieser zunächst bei seinen Mitarbeitern. In der Corona-Krise sei starkes Engagement nötig gewesen. Neben einem stark gewachsenen regulären Förderprogramm bearbeitet das Institut auch Corona-Hilfsprogramme. Gleichzeitig wurde auch das Thema Nachhaltigkeit bei der IB.SH nicht vernachlässigt. Die Förderbank habe auch während der Krise richtungsweisende Projekte in diesem Bereich initiiert. Westermann-Lammers glaubt, dass die Krise in vielen Bereichen einen Perspektivwechsel in Gang gesetzt hat. So würden wir alle nun viel stärker die Vorteile der Digitalisierung sehen. Er denkt, dass Corona strukturelle Veränderungen angestoßen oder beschleunigt habe. Er lobt zudem im Verlauf des Gesprächs die Zusammenarbeit mit der EU. So habe beispielsweise die Zusammenarbeit mit der EIB gut funktioniert. (Red.)

Herr Westermann-Lammers, fühlen Sie sich derzeit als Vorstandsvorsitzender einer Förderbank noch mehr wertgeschätzt als dies ohnehin schon der Fall war?

Auftrag der Investitionsbank Schleswig-Holstein (IB.SH) ist es, in Schleswig-Holstein zu fördern. Das tun wir, in Krisenzeiten wie in allen anderen Zeiten. Für ihren engagierten Einsatz in der Corona-Krise haben die Kolleginnen und Kollegen in der IB.SH eine große Wertschätzung durch die Unternehmerschaft und Landesregierung in Schleswig-Holstein erfahren - darüber freue ich mich sehr.

Das zentrale Thema für Förderbanken war in diesem Jahr ja die Corona-Pandemie. Wieviel Ressourcen hat die Krisenbewältigung vom regulären Förderbankengeschäft abgezogen?

Die Kolleginnen und Kollegen in der Investitionsbank Schleswig-Holstein haben mit einem sehr starken En gagement - mit Überstunden und Wochenendarbeit - zur Krisenbewältigung beigetragen und die verschiedenen Corona-Hilfsprogramme ausgezahlt. Unser reguläres Förderbankengeschäft ist "nebenher" weitergelaufen - sogar mit einem deutlich größeren Volumen als im Vorjahr. Ich bin sehr dankbar und auch stolz auf die Kolleginnen und Kollegen, die diese besondere Kraftanstrengung im ersten Halbjahr 2020 vollbracht haben.

Sind die von den Unternehmen gestellten Förderanträge schon alle abgearbeitet in Schleswig-Holstein?

Bei der Corona-Soforthilfe des Bundes und des Landes endete die Antragsfrist am 31. Mai 2020 und die bewilligten Anträge sind inzwischen alle ausgezahlt. In Summe sprechen wir hier immerhin über fast 56 000 Anträge und knapp eine halbe Milliarde Euro Fördervolumen. Insgesamt haben wir knapp eine Milliarde Euro an Corona-Hilfsprogrammen bis zum 30. Juni 2020 ausgezahlt. Programme wie der Mittelstandssicherungsfonds, der Härtefallfonds oder die KfW-Programme bestehen fort, entsprechend gibt es auch weiterhin Auszahlungen.

Glauben Sie, dass es ein weiteres Hilfspaket geben wird?

Einige Corona-Hilfsprogramme laufen noch - Mittelstandssicherungsfonds, Härtefallfonds und KfW-Programme habe ich schon angesprochen. Die Bundesregierung hat jüngst die Verlängerung von Kurzarbeitergeld und Überbrückungshilfe als weitere Maßnahmen zur Krisenbewältigung beschlossen. Jetzt werden alle genau darauf schauen, wie sich die Pandemie und die Konjunktur in Deutschland entwickeln.

Die KfW ist im ersten Halbjahr infolge der Corona-Pandemie deutlich ins Minus gerutscht. Sieht es bei der IB.SH ähnlich aus?

Förderbanken sollen einen öffentlichen Auftrag erfüllen. Das haben wir in Schleswig-Holstein - und die KfW deutschlandweit - getan und im ersten Halbjahr so viel Fördermittel ausgegeben wie noch nie zuvor. 2020 ist ein besonderes Jahr, in dem wir bisher geltende Bewertungsmaßstäbe an Gewinne oder Verluste von Förderbanken schlecht anlegen können.

Welche Förderprogramme unabhängig von Corona werden derzeit am stärksten nachgefragt?

Zum ersten Halbjahr 2020 beläuft sich unser originäres Fördergeschäft auf 1,3 Milliarden Euro nach 1,1 Milliarden Euro im Vorjahr. Davon entfallen rund 200 Millionen Euro auf die Arbeitsmarkt- und Strukturförderung, 360 Millionen Euro auf Kommunalkunden, 380 Millionen Euro auf Immobilienkunden und gut 400 Millionen Euro Fördermittel auf Firmenkunden. Dazu kamen Corona-Hilfen in Höhe von über 900 Millionen Euro. Insgesamt haben wir mit 2,2 Milliarden Euro zum 30. Juni 2020 schon fast das Fördervolumen des Vorjahres erreicht.

Ist das Thema Nachhaltigkeit zuletzt in den Hintergrund gerückt oder täuscht der Eindruck?

Nachhaltigkeit ist ein zentraler Leitgedanke unserer Geschäftsstrategie, den wir mit unserem Nachhaltigkeitsmanagement konsequent verfolgen. Auch während der Corona-Krise haben wir in unterschiedlichen Bereichen der IB.SH einige richtungsweisende Projekte auf den Weg gebracht. Dabei nutzen wir die Ergebnisse eines 2020 vorgelegten Nachhaltigkeits-Ratings, um unsere Nachhaltigkeitsperformance zu verbessern. Die größte Wirkung bezüglich der Nachhaltigkeit erreichen wir natürlich durch unsere Förderprodukte.

Alle Dienstleistungen und Produkte unseres Hauses sind auf die massive Förderung der Sustainable Development Goals (SDGs) der UN ausgerichtet. In der Eigenanlage prüfen wir die Nachhaltigkeit nach einem ESG-Screening für unser Depot A und setzen Maßnahmen aus unserem Managementkonzept zur Ressourcenschonung im Zuge des Bankbetriebs um. Derzeit organsiert die IB.SH die Gründung eines Forums Sustainable Finance Schleswig-Holstein, das noch 2020 etabliert werden soll. Und trotz der Beschränkungen durch Corona haben wir Initiativen kommunaler Akteure im Rahmen der landesweiten Energie- und Klimaschutzinitiative durch die IB.SH Energieagentur im Auftrag des Energiewendeministeriums begleitet. Gerne erwähne ich auch noch unseren IB.SH Nachwuchspreis Nachhaltigkeit, den wir im Rahmen des Nachhaltigkeitswettbewerbs Schleswig-Holstein 2020 ausloben.

Und was sind - wiederum unabhängig von Corona - die größten Herausforderungen, mit denen sich Ihr Institut, aber auch die Kollegen "herumplagen" müssen?

Ich bin nicht sicher, ob sich das unabhängig von Corona betrachten lässt. Wir haben mit der Pandemie bei vielen Themen einen Perspektivwechsel erlebt. Denken Sie nur an die Digitalisierung. Hier sehen wir alle inzwischen noch viel stärker die Vorteile als noch vor ein paar Monaten. Viele Unternehmen denken verstärkt über neue Arbeitszeitmodelle nach und arbeiten mit Web- und Telefonkonferenzen anstelle von Präsenzmeetings. Wir merken, dass die Krise strukturelle Veränderungen angestoßen oder beschleunigt hat und wir sehen, wo noch Lücken sind und Handlungsbedarf besteht.

Wie wichtig sind für die Investitionsbank Schleswig-Holstein inzwischen die sozialen Medien geworden, zur Unternehmensdarstellung aber auch zur Kundenakquise?

Wir lernen noch viel im Umgang mit Social Media. Seit rund zwei Jahren haben wir eine Social-Media-Strategie und sind auf Facebook, Twitter, Xing und Kununu aktiv. Gerade Corona hat nochmal sehr deutlich gezeigt, das Social Media eine Möglichkeit bieten, sehr schnell, direkt und durchaus auch mal emotional zu kommunizieren. Für uns sind Social Media Kommunikationskanäle, die wir in Zukunft noch stärker für unsere Öffentlichkeitsarbeit nutzen möchten. Wir sehen darin einen sehr effizienten Weg zur Erläuterung unserer Förderprodukte.

Stichwort Regulierung: Sind Förderbanken ausreichend oder zu wenig, richtig oder verbesserungsfähig reguliert? An welchen Stellschrauben könnte man drehen?

Förderbanken waren und sind echte Stabilitätsgaranten, gerade auch in Krisenzeiten. Dem hat die Europäische Union damit Rechnung getragen, dass sie 2019 eine maßgeschneiderte nationale Aufsichtsregelung für die deutschen Förderbanken ermöglicht hat. Sie werden durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) und die Deutsche Bundesbank beaufsichtigt sowie durch den deutschen Gesetzgeber reguliert. Das deutsche Risikoreduzierungsgesetz (RiG) sollte jetzt noch der besonderen Rolle der Förderbanken hinreichend Rechnung tragen - ich sehe da einen guten Weg.

Im kommenden Jahr steht wieder eine neue Förderperiode der EU an. Bewirbt sich die IB.SH dann wieder um die Verwaltung des Ostseeanrainer-Förderprogramms Interreg Baltic Sea Region?

Wir sind sogar schon einen Schritt weiter. Das Joint Programming Committee hat bereits im Juni die Bewerbung der IB.SH für die Verwaltungsbehörde und das Programmsekretariat genehmigt. Das Joint Programming Committee ist ein internationales Gremium, dessen Aufgabe es ist, das Interreg-Baltic-Sea-Region-Programm für die Förderperiode 2021 bis 2027 vorzubereiten. Interreg Baltic Sea Region ist das erste von 15 multilateralen Interreg-Programmen, für das die Verwaltungsbehörde für die kommende Förderperiode formal benannt wurde.

Welche Aufgaben nimmt die IB.SH in diesem Rahmen wahr?

Bereits seit 1997 ist die IB.SH sowohl die Verwaltungsbehörde als auch die Trägerin des Programmsekretariats für Interreg Baltic Sea Region. Im Auftrag der Ostseeanrainerstaaten koordinieren wir das gesamte Förderprogramm mit einem weiten Spektrum an Aufgaben. Wir betreuen den Begleitausschuss aus Vertretern aller beteiligten Länder, rufen Fördergelder "aus Brüssel" ab, organisieren Zahlungen an die Projekte und berichten regelmäßig an die Europäische Kommission.

Wir beraten Konsortien intensiv bei der Antragsvorbereitung, begleiten sie während der Projektumsetzung mit Seminaren und Beratungen zum Berichtswesen, zu finanziellen Herausforderungen und zur Kommunikation mit ihren Zielgruppen.

Bei dem Interreg-Programm sind auch russische Gebiete enthalten. Befürchten Sie aufgrund der gegenwärtigen Spannungen zwischen den USA, der EU und Russland Nachteile für die Ostsee-Region und das Interreg-Programm?

In den über 20 Jahren der Programmgeschichte gab es wiederholt politische Spannungen zwischen der Europäischen Union und Russland. Das Programm hat es trotz dieser Spannungen auf nationaler Ebene immer wieder geschafft, die Zusammenarbeit von lokalen und regionalen Gebietskörperschaften, wissenschaftlichen Einrichtungen und zivilgesellschaftlichen Organisationen zwischen Russland und der EU aufrechtzuerhalten. Dies ermöglicht einen wichtigen Dialog auf verschiedenen Ebenen, der im kleinen Rahmen einen Beitrag leistet, Spannungen ab- und Vertrauen aufzubauen beziehungsweise zu erhalten. Unsere Projekte betonen immer wieder, dass Russland ein wichtiger Partner für das Interreg-Programm ist, zum Beispiel um die Umweltprobleme der Ostsee in den Griff zu bekommen.

Sie haben bereits vor gut zwei Jahren in einem Beitrag in der ZfgK den bedauernswerten ökologischen Zustand der Ostsee angesprochen. Hat sich dieser seitdem, auch durch Maßnahmen des Interreg-Programms verbessert?

Die Verbesserung des ökologischen Zustands der Ostsee ist eine große gemeinsame Herausforderung für alle Ostseeanrainerstaaten. Das Interreg-Programm ist in diesem Prozess eine Plattform für den Erfahrungsaustausch und zum Ausprobieren neuer Ideen und Maßnahmen. Eine großflächige Umsetzung erfolgt dann mit finanziellen Mitteln in den Ländern.

Zum Zustand der Ostsee gibt es durchaus positive Entwicklungstrends in den letzten Jahren, wie beispielsweise einen geringeren Nährstoffeintrag und weniger Verschmutzung durch gefährliche Substanzen. Es ist jedoch noch viel zu früh, um zu sagen, dass die Ostsee "über den Berg" ist. Dies ist ein sehr langfristiger Prozess, der nicht in Jahren, sondern in Jahrzehnten zu bemessen ist.

Wie beurteilen Sie in diesem Zusammenhang die Diskussionen um den Bau der "Nord Stream 2". Wäre diese Pipeline nicht eine weitere Bedrohung des ökologischen Gleichgewichts?

Das ist ein Projekt außerhalb unserer Förderprogramme. Das möchte ich weder aus fachlicher noch aus politischer Sicht kommentieren.

Wie funktioniert aus Ihrer Sicht generell die Zusammenarbeit von EU und nationalen Institutionen im Bereich der Fördermaßnahmen. Sind Sie zufrieden oder gibt es Verbesserungsbedarf?

Die Umsetzung des Programms Interreg Baltic Sea Region liegt im Wesentlichen in den Händen der programmbeteiligten Länder. Diese entscheiden weitgehend selbstständig, welche Projekte gefördert werden sollen. Die EU hält sich in der Umsetzung im Hintergrund. Alle sieben Jahre ringen die EU und die Mitgliedsstaaten um die Rahmenbedingungen für die nächste Förderperiode. Hier hat die EU das Vorschlagsrecht, aber auch die Länder haben einen entscheidenden Einfluss. Sie entscheiden - auf Basis von Analysen und Konzepten, die wir in der IB.SH erarbeiten - welche Themenbereiche gefördert werden sollen, welche Körperschaften förderfähig sind und welche Ziele verfolgt werden sollen.

Wir haben verschiedene Beispiele dafür, dass die Zusammenarbeit mit der EU gut funktioniert, wie etwa mit der EIB. Gerade hat sich unser Infrastruktur-Kompetenzzentrum erfolgreich als Durchführungspartner in Schleswig-Holstein für die europäische Beratungsplattform des European Investment Advisory Hub (EIAH) beworben.

Erk Westermann-Lammers Vorsitzender des Vorstands, Investitionsbank Schleswig-Holstein, Kiel, und Vorsitzender des Ausschusses für Förderbanken beim VÖB
 
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