ING Group

Von Töchtern lernen

Es ist schön, wenn man Töchter hat, von denen man etwas lernen kann. Die Commerzbank hat in diesem Sinne kürzlich auf den Erfolg der polnischen Tochter M-Bank verwiesen. Sie will möglichst viele von deren erfolgreichen Produkten und Dienstleistungen auf die hiesige Privatkundenstrategie übertragen, die künftig zudem die kleinen und mittleren Unternehmerkunden umfassen soll. Bei der Suche nach Impulsen für die Zukunftsgestaltung hat die niederländische ING Group im eigenen Haus eine noch viel größere Auswahl. Sie kann nicht nur auf den Ableger in Deutschland schauen, sondern auch nach Spanien, nach Australien und in einige Schwellenländer, in denen sie mit ihren Einheiten gut positioniert ist. Überall findet, betreibt oder sucht sie nach innovativen Lösungen, die den Anforderungen der Kunden an ein modernes Banking möglichst nahekommen. In den im eigenen Haus definierten Tätigkeitsfeldern wie etwa Zahlungsdienstleistungen, Robo Advisor oder auch Wholesale Banking zeigt sie sich betont offen für die Zusammenarbeit mit Fintechs. Mit rund 60 arbeitet sie bereits zusammen.

Vor dem Internationalen Club Frankfurter Wirtschaftsjournalisten hat der CEO Ralph Hamers in diesem Sinne kürzlich mit einem gewissen Anflug von Euphorie zum Ausdruck gebracht, dass sein Haus in puncto Digitalisierung des Bankgeschäftes nicht hinter den anderen Kreditinstituten hinterherzulaufen gedenkt, sondern unbedingt mit an der Spitze der Entwicklung stehen will. Allem Eindruck nach hält er derzeit nicht die Lösungen der diversen Wettbewerber aus der Bankenbranche für die größte Bedrohung für den Erfolg dieser Geschäftsausrichtung seines eigenen Hauses, sondern eher andere große Technikanbieter und/oder Servicedienstleister mit ihren diversen Angeboten und Kundenbindungskonzepten. Als Treiber dieser Entwicklung sieht man bei der ING insbesondere den unerwartet großen Zuspruch für das Mobile Banking, das in einigen Ländern dem Online-Banking schon den Rang abgelaufen hat. An dieser Stelle mitzuhalten und den eigenen Kunden eine größtmögliche Bequemlichkeit bei ihren Bankgeschäften zu bieten, ist seinem Haus ein Investitionsvolumen von 800 Millionen Euro in die digitale Transformation wert.

Mit dem erklärten Ziel des weiteren Kunden- und Mengenwachstums soll zunächst für Spanien, Italien, Frankreich, Tschechien und Österreich eine skalierbare Geschäftsplattform aufgebaut werden. Bei Bedarf soll diese möglichst auf weitere Länder, Produkte und Dienstleistungen erweitert werden. Ein agiles, zentrales IT-Service-Center entwickelt, pflegt und betreibt alle benötigten digitalen Anforderungen. Was nach vergleichbaren Bedingungen und einer unaufhaltsamen Angleichung der Bedingungen für das globale oder zumindest das Bankgeschäft klingt, will Hamers freilich längst noch nicht als Signal für grenzüberschreitende Bankenfusionen verstanden wissen. Solange die Umsetzung von Basel III noch Unsicherheit verbreitet und viel mehr noch die Usancen der nationalen Aufsichtspraxis den freien Austausch von Kapital und Liquidität über die nationalen Ländergrenzen hinweg behindert, sieht er den Start einer Konsolidierungswelle der europäischen Bankenszene noch nicht eingeläutet beziehungsweise auf die jeweilige nationale Ebene beschränkt.

Bei allem Bekenntnis zur Schaffung von möglichst globalen Plattformen hat es der niederländische Mutterkonzern bei der ING Diba deshalb auch nicht sonderlich eilig, in deren gut laufende Digitalbankplattform einzugreifen, sondern will sie erweitern, einen Multikanal-Ansatz einführen und in die Skalierbarkeit investieren, um Raum für weiteres Wachstum zu schaffen und die operative Effizienz zu verbessern. In Frankfurt darf man gleichwohl die strategische Grundausrichtung der Muttergesellschaft zufrieden registrieren. Amsterdam weiß offenbar um die Qualitäten des gewachsenen Geschäftsmodells und ist voll von der Marschrichtung überzeugt, solange diese dem Gesamtkonzept des Konzerns nicht zuwiderläuft.

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