Finanzstabilitätsbericht

Niedrige Zinsen als schleichende Gefahr

Niedrige Zinsen und eine geringe Volatilität verstärken derzeit die Risikoneigung der Marktteilnehmer, und dies birgt die Gefahr von Übertreibungen. Das sind mit Blick auf die Veröffentlichung des Finanzstabilitätsberichtes 2014 der Deutschen Bundesbank wichtige, aber keineswegs neue Botschaften. Das Niedrigzinsszenario und seine Auswirkungen auf die Finanzbranche unterliegen schon seit einigen Jahren einer besonderen Aufmerksamkeit. Die großen Schlagzeilen zum aktuellen Bericht sind diesmal denn auch ausgeblieben, die Vorstellung und auch die entsprechenden Reaktionen darauf verliefen nahezu geräuschlos. Indizien für ein übertriebenes Verlangen nach Renditen registriert die Notenbank vor allem auf den Märkten für Unternehmensanleihen und bei syndizierten Krediten. Nach wie vor unter ihrer strengen Beobachtung stehen zwar auch die Immobilienmärkte, allerdings wurde diese Assetklasse als Gefahrenherd einer möglichen Blasenbildung diesmal viel weniger emotional diskutiert als das beispielsweise vor zwei Jahren der Fall war.

Mit Blick auf die Anleihemärkte verweist die hiesige Notenbank gerade im Segment des Non-Investment-Grade auf weltweit vergleichsweise spärliche Risikoaufschläge und hat daraus implizite Ausfallraten errechnet, die unterhalb der historisch üblichen Raten liegen. Die Bundesbank hat diese Gefahrenquelle zwar nicht überbetont und schon gar nicht speziell auf Deutschland bezogen, doch der von einigen Marktteilnehmern erhoffte Aufschwung der kapitalmarktnahen Unternehmensfinanzierung der deutschen Wirtschaft dürfte sich in einem solchen Klima schwerlich entwickeln. Auch der starke Anstieg bei der Vergabe syndizierter Kredite an Schuldner schwacher Bonität macht der Bundesbank Sorge, zumal die Ratingagenturen innerhalb dieses Marktes auf eine sprunghafte Zunahme der Bedeutung von Krediten mit lockeren Anlegerschutzklauseln hingewiesen haben. Wenn in den Jahren 2017 bis 2019 viele der jetzt ausstehenden Kredite fällig werden, befürchtet die Notenbank spürbare Refinanzierungsrisiken.

Grundsätzliches Lob findet die für Finanzmarktstabilität zuständige Vizepräsidentin Claudia M. Buch für die Bankenunion einschließlich der Neugestaltung der europäischen Bankenaufsicht mit all ihren Möglichkeiten zur Schaffung und Durchsetzung einheitlicher Aufsichtsstandards. Auch den schon eingeleiteten sowie auf den Weg gebrachten Maßnahmen zur Beteiligung privater Eigentümer und Gläubiger an den Kosten einer Restrukturierung oder Abwicklung von Banken bescheinigt sie eine Wirkung in die richtige Richtung. Noch längst nicht am Ziel sieht sie das Projekt Bankenunion freilich bei der Auflösung des Risikoverbundes zwischen Banken und Staaten. Auch wenn die Machbarkeit beziehungsweise der Weg dorthin noch offen bleiben, formuliert sie immerhin ein klares Ziel - die mittel- bis langfristige Beendigung der Vorzugsbehandlung von Staatsanleihen bei der Eigenkapitalunterlegung von Banken.

Eher zum Widerspruch angeregt oder zumindest für ein Aufhorchen gesorgt haben diesmal die von Andreas Dombret vorgetragenen Überlegungen zum Finanzstabilitätsbericht. Das für Bankenaufsicht zuständige Vorstandsmitglied der Bundesbank hat schon mehrfach in den Wochen seit der Veröffentlichung von AQR und Stresstestergebnissen auf die Ertragsschwäche des deutschen Bankensektors im internationalen Vergleich hingewiesen. Eine solche Bestandsaufnahme anhand diverser Untersuchungen internationaler Organisationen wie auch der eigenen Erkenntnisse ist dabei unverdächtig und sicher kein berechtigter Stein des Anstoßes. Aber es ist immer eine Gratwanderung, wie konkret eine Aufsichtsbehörde bei dem Vorschlag von Maßnahmen werden darf. Und dabei hat allein der zwar allgemein gehaltene, aber gleich mehrfach öffentlich vorgetragene Appell Dombrets an die Bankenbranche, gründliche Überprüfungen der Geschäftsmodelle ins Auge zu fassen und auch eine Ausdünnung der Filialnetze und/oder Fusionen ins Kalkül zu ziehen, in den nationalen und internationalen Medien wieder einmal Spekulationen ausgelöst, wer denn wohl gemeint sein könnte. Will die Bundesbank sich an dieser Stelle nicht dem Vorwurf einer ungebührlichen Einmischung in die Gestaltung der Bankenstruktur aussetzen, muss sie sich mit öffentlichen Hinweisen noch viel mehr zurückhalten.

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