Finanzstabilität

Von Geldpolitik und Bankenaufsicht

Durchschnittliche Risikogewichte 1) ausgewählter Bankengruppen in Deutschland Gewichtete Mittelwerte in %, Veränderungen zum Vorjahr in %-Punkten, Stand: Juni 2015

Geldpolitik und Bankenaufsicht sollen eigentlich unabhängig voneinander agieren, um mögliche Interessenkonflikte in die eine wie die andere Richtung zu vermeiden. Unter anderem aus diesem Grunde wurden beide Bereiche in der EZB strikt voneinander getrennt, und es scheint bislang, als würden die "Chinese Walls" funktionieren. Dass es aber in der Sache Wechselwirkungen gibt, geben muss, kann nicht überraschen. Denn natürlich muss für einen volkswirtschaftlich so wichtigen, weil so verzahnten Sektor wie das Finanzwesen Ähnliches angenommen werden wie für Staaten. Hier hat man es schon lange als Fakt ausgemacht, dass klamme Haushalte bei dem einen oder anderen Mitgliedsland bestimmte geldpolitische Maßnahmen der EZB entweder beschleunigen oder verzögern. Es ist daher schwer vorstellbar, dass die Geldpolitik ernsthafte Auswirkungen auf die Finanzstabilität sehenden Auges gutheißen würde. Also darf der geneigte Betrachter lange schon davon ausgehen, dass derlei Abwägungen durchaus in geldpolitische Überlegungen einfließen.

Dies aber explizit von einem Vorstandsmitglied der Deutschen Bundesbank zu hören, hat eine andere, eine neue Qualität. Vizepräsidentin Claudia Buch sagte bei der Vorstellung des Finanzstabilitätsberichtes 2015: "Je länger niedrige Zinsen andauern, umso mehr bestehen für die Marktteilnehmer Anreize, erhöhte Risiken einzugehen. Diesen Herausforderungen müssen wir begegnen, um die Stabilität des Finanzsystems sicherzustellen. Denn ansonsten besteht die Gefahr, dass angesichts der aufgebauten Risiken für die Finanzstabilität eine künftig gebotene geldpolitische Normalisierung zu lange hinausgezögert wird." Damit erhöht die Bundesbank weiter den Druck auf die EZB, über die Fortführung der aus ihrer Sicht zu lockeren Geldpolitik ernsthaft nachzudenken.

Den deutschen Banken, vor allem den Volks- und Raiffeisenbanken und den Sparkassen, dürfte Buch aus der Seele sprechen. Denn so langsam beginnen sich die niedrigen Zinsen in die Gewinn- und Verlustrechnungen hineinzufressen, auch wenn davon wohl auch in diesem Jahr noch wenig zu spüren sein wird. Immer noch hilft das besser verzinste Altgeschäft aus der Vergangenheit, immer noch können Margenrückgänge im Kreditgeschäft durch Volumenausweitungen ausgeglichen werden, immer noch glättet eine Risikovorsorge nahe Null die Ergebnisse. Das wird sich ab dem kommenden Jahr immer spürbarer ändern. Das sieht auch die Bundesbank so und betont wiederholt die Notwendigkeit von Kostensenkungen und einer Verringerung der Abhängigkeit deutscher Banken von den Zinsergebnissen. Aber Vorstandsmitglied Andreas Dombret lässt auch Zweifel durchblicken, dass "die geplante Erhöhung der Provisionsergebnisse nicht durchsetzbar sein könnte". Dann droht wohl wirklich ein größeres Bankensterben als bislang an genommen. Sehr deutliche Worte fand Dombret auch in Sachen europäischer Einlagensicherung, ein Vorhaben, das der Bundesbanker, obwohl überzeugter Europäer, zu recht kritisch sieht. Denn noch fehlen trotz einheitlicher Währung entscheidende Voraussetzungen für einen solchen Schritt wie beispielsweise eine Harmonisierung des immer noch höchst unterschiedlichen Insolvenzrechts. Dombret befürchtet daher, dass die Folgen falscher nationaler Politikentscheidungen auf alle Sparer im Euroraum ab gewälzt werden. Auch sieht er den Brüsseler Vorstoß als Versuch, Eurobonds quasi durch "die Hintertür" einzuführen. In den Bankbilanzen liegen Unmengen von Staatsanleihen, vornehmlich aus den jeweiligen Heimatländern. Diese Risiken würden vergemeinschaftet. Dann stellt er die Frage nach dem richtigen Träger einer solchen einheitlichen Einrichtung und zweifelt die Rolle des SRB an dieser Stelle an. Und er betont die Notwendigkeit der Proportionalität, die Brüssel gerne ebenfalls eher übersehen würde. Bei alldem dürfte ihm viel Zustimmung der deutschen Kreditwirtschaft zuteil werden.

Was bleibt also festzuhalten in Sachen Finanzstabilität 2015 ff.? Es drohen höhere Risiken. Es kommen schlechtere Zahlen. Es wird wackligere Banken geben. Das aufsichtsrechtliche Korsett wird enger werden und es wird mehr aufsichtsrechtliche Eingriffe geben. Und die Geldpolitik ist keineswegs so unschuldig unabhängig, wie sie es gerne wäre. Fröhliche Weihnachten.

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