Auto-ABS: Rückgrat der Refinanzierung der deutschen Autoindustrie

Frank Fiedler, CFO, Volkswagen Financial Services AG, Braunschweig - Der Tenor des Autors ist eindeutig. Für die Finanzierung der deutschen und europäischen Autoindustrie sind ABS-Transaktionen schon seit vielen Jahren ein ganz wesentliches Instrument, dessen Wirksamkeit nicht aufs Spiel gesetzt werden sollte. Das verbriefte Forderungsportfolio in der Autobranche verfügt durch die Zusammensetzung aus vielen kleinen Verträgen über eine hohe Granularität, so seine Bestandsaufnahme. Die meist überschaubaren Einzelwerte führen damit zu einer breiten Risikoverteilung sowie einer vergleichsweise risikoarmen Struktur der Transaktionen, die den Auto-ABS eine gewisse Sonderstellung einräumt. Mit Blick auf das Ankaufprogramm der EZB verweist er auf die Gefahr, private Investoren zu verdrängen. (Red.)

In Deutschland wurden im Jahr 2015 mehr als drei Millionen Autos neu zugelassen. Etwa die Hälfte davon wurde durch die Finanzdienstleister der Automobilhersteller finanziert oder geleast. Vor diesem Hintergrund sind günstige Finanzierungskonditionen für Kunden ein entscheidendes Kriterium beim Autokauf und für die Automobilindustrie ein bedeutendes Absatzvehikel. Nicht zuletzt, weil laut einer Studie des Arbeitskreises Autobanken (AKA) und des Marktforschungsinstituts puls bei 45 Prozent der Kunden im Autohaus die Entscheidung für ein attraktives Leasingoder Finanzierungsangebot sogar noch vor der Wahl der Fahrzeugmarke steht.

Kapitalkosten als Kalkulationsgrundlage

Um attraktive Finanzierungsangebote für die Kunden zu entwickeln, bedarf es für die automobilen Finanzdienstleister einer guten Unternehmensrefinanzierung. Denn bei der Kalkulation der Finanzierungskonditionen spielen die Kapitalkosten eine ganz entscheidende Rolle. Schließlich können umso günstigere Finanzierungen angeboten werden, je geringer die Kapitalbeschaffungskosten sind.

Ein wichtiger Bestandteil der Refinanzierungsstrategie zahlreicher Autobanken sind sogenannte Auto Asset-Backed Securities (Auto-ABS). Neben Volkswagen Financial Services setzen auch zahlreiche weitere automobile Finanzdienstleister, wie jene von BMW, Daimler, Fiat, Ford, Peugeot, Renault und Toyota, bei ihrer Refinanzierung seit Jahren auf die Verbriefung von Leasing- und Darlehensforderungen. Der Anteil von Auto-ABS am Refinanzierungsmix der Volkswagen Finanzdienstleistungen ist in den vergangenen Jahren beständig gewachsen und betrug Ende vergangenen Jahres mehr als 16 Prozent - Tendenz steigend.

Das Prinzip der Auto-ABS ist simpel: Die Finanzdienstleister verkaufen ihre Forderungen - sei es aus Kredit oder Leasing - an eine Zweckgesellschaft, die im Gegenzug Schuldverschreibungen emittiert. Investoren kaufen die Schuldverschreibungen der Zweckgesellschaft. Mit diesem Kapital werden die Finanzdienstleister bezahlt und die Investoren erhalten nun ihrerseits monatlich die Kundenzahlungen.

Dieses Vorgehen hat sowohl für die Emittenten als auch für die Investoren klare Vorteile: Unternehmen können durch den Verkauf von Forderungen Liquidität generieren. Die Anleger wiederum erwerben Wertpapiere, deren Bonität nicht nur von der eines einzelnen Emittenten abhängig ist, sondern von der Güte der mit ihnen verbundenen Forderungen und Sicherheiten - seien es Immobilien, Bürgschaften, Maschinen oder, wie im Falle der Autobanken, Kraftfahrzeuge.

Für den europäischen Verbriefungsmarkt waren die vergangenen Monate durchaus ereignisreich. Neben der bereits länger währenden Regulierungsdiskussion bestimmten das ABS-Ankaufprogramm der Europäischen Zentralbank (EZB) sowie das derzeitige Zinsumfeld die Diskussionen rund um den ABS-Markt. Trotz dieser anhaltenden Diskussion erzielte der europäische ABS-Markt im ersten Halbjahr 2016 mit einem Neuemissionsvolumen von rund 131,6 Milliarden Euro den höchsten Halbjahreswert seit 2011. Etwa ein Viertel des platzierten Volumens entfiel dabei auf das Segment Auto-ABS. Aktivster Originator in diesem Segment waren sowohl im Geschäftsjahr 2015 als auch im ersten Halbjahr 2016 die Volkswagen Financial Services.

Wachsender Markt für eine starke Assetklasse

Die Assetklasse der Auto-ABS zeichnet sich seit Jahren durch besonders niedrige Zinsaufschläge und hohe Überzeichnungen einzelner Transaktionen aus - eine Sonderstellung, die mit der expliziten Eignung von Autofinanzierungen für die Verbriefung erklärt werden kann. Denn auch wenn das Grundprinzip für alle Asset-Backed Securities identisch ist, unterscheiden sie sich durch die Art der verbrieften Forderungen erheblich: Finanzierungs- und Leasingverträge von Fahrzeugen generieren einen gut prognostizierbaren Zahlungsstrom und besitzen überschaubare Laufzeiten. Schließlich läuft eine Autofinanzierung nur über rund drei Jahre und nicht wie beispielsweise eine Hausfinanzierung über mehr als 30 Jahre. Das verbriefte Forderungsportfolio verfügt zudem über eine hohe Granularität, da es aus vielen kleinen Verträgen zusammengesetzt ist, die zumeist nur einem Einzelwert zwischen 11 000 und 15 000 Euro entsprechen. Dies führt zu einer breiten Risikoverteilung und einer weitaus risikoärmeren Struktur als bei Immobilienfinanzierungen. Nicht zuletzt ist das Kraftfahrzeug als Sicherheit schnell und einfach zu veräußern und unterliegt geringen Wertschwankungen, sodass der Restwert auch während der Laufzeit gut zu kalkulieren ist.

Unterschiede zwischen amerikanischen und europäischen Verbriefungen

Die Qualität dieser Assetklasse spiegelt sich im hohen Interesse der Investoren wider. So verzeichnete die Transaktion VCL 21 der Volkswagen Leasing GmbH Anfang 2015 den geringsten Risikoaufschlag einer europäischen Auto-ABS-Transaktion seit der Finanzkrise. Zum Jahresauftakt 2016 wurde die dritte Emission der Volkswagen Financial Services in China zum bis dato niedrigsten Zinssatz aller chinesischen Auto-ABS-Transaktionen platziert. Dies ist ein starkes Zeichen für Auto-ABS, wenn man bedenkt, dass Autobanken in vollständig ausländischem Besitz erst 2014 im Rahmen eines ABS-Pilotprogramms unter Aufsicht der China Banking Regulatory Commission und der People's Bank of China der Zugang zum lokalen ABS-Markt gewährt wurde.

Wie das Beispiel Auto-ABS zeigt, ist das Segment der Asset-Backed Securities sehr vielschichtig und unterscheidet sich qualitativ sehr deutlich. Dies hat sich besonders in den Krisenzeiten gezeigt: Während die amerikanischen Verbriefungen in den Jahren von 2007 bis 2013 eine Ausfallrate von 17,4 Prozent aufwiesen, zeigten europäische ABS in diesem Zeitraum nur eine Ausfallrate von 1,4 Prozent. Einzelne Marktsegmente, wie zum Beispiel europäische Auto-ABS, wiesen gar keine Ausfälle auf. Europäische ABS waren von der Krise also praktisch nicht betroffen - zumindest im Hinblick auf die Qualität der Produkte. Verbriefungen der Volkswagen Financial Services, immerhin seit 1996 im Markt aktiv, verzeichneten noch nie einen Ausfall.

Die anlässlich der Krise gestiegenen Regulierungsbestrebungen des europäischen Gesetzgebers haben die Unterschiede zwischen dem amerikanischen und dem europäischen Markt sowie den unterschiedlichen Assetklassen dabei nicht von Anfang an berücksichtigt. Unter dem Zwang eines pauschalen Regulierungsdrucks stehend waren die ursprünglichen Entwürfe zur Regulierung des Verbriefungsmarktes dementsprechend undifferenziert und restriktiv. Hiervon waren besonders die qualitativ hochwertigen Auto-ABS betroffen. So sah Solvency II prohibitiv hohe Eigenkapitalanforderungen für Auto-ABS, die von Versicherungen erworben werden, vor. Bei dem delegierten Rechtsakt zur Liqui dity Coverage Ratio (LCR), einer Mindest liquiditätsquote für Banken, sollten Auto-ABS grundsätzlich nicht mehr als hochliquide Aktiva für die Berechnung der LCR zugelassen werden.

Wären Auto-ABS ausgeschlossen worden, würden Banken aller Voraussicht nach nicht mehr in sie investieren. Die Richtlinie zu Money Market Funds (MMF) sah anfangs ein pauschales Verbot für Geldmarktfonds vor, in Auto-ABS zu investieren. Solvency II, LCR und MMF - um nur drei Beispiele zu nennen - hätten damit eine abschreckende Wirkung auf die drei Hauptinvestorengruppen Versicherungen, Banken und Geldmarktfonds gehabt. Jede Gesetzesinitiative für sich hätte dem europäischen Verbriefungsmarkt erheblichen Schaden zugeführt.

Initiative der EU-Kommission

Vor diesem Hintergrund ist es umso mehr zu begrüßen, dass der europäische Gesetzgeber im Rahmen der Verfahren erkannt hat, dass das Segment der ABS deutlich vielschichtiger ist und einen wichtigen Beitrag zur Finanzierung der Realwirtschaft leistet. Die Initiative der EU-Kommission zur Schaffung eines Rahmens für hochwertige Verbriefungen ist daher grundsätzlich ein Schritt in die richtige Richtung. Positiv zu erwähnen ist, dass mit der Definition von einfachen, transparenten und standardisierten Verbriefungen (simple, transparent and standardised securitisation - STS) erstmals eine regulatorische Unterscheidung zwischen diesen STS-Verbriefungen sowie komplexeren und risikobehafteten Verbriefungen erfolgt. Ob die STS-Regulierung tatsächlich das geplante Ziel erreicht, den europäischen Verbriefungsmarkt nachhaltig zu fördern, ist momentan jedoch noch zweifelhaft.

Grund dafür sind beispielweise die sehr vage formulierten STS-Kriterien. Dies wird dazu führen, dass die europäischen und nationalen Aufsichtsbehörden zu sehr unterschiedlichen Bewertungen kommen werden, welche ABS den STS-Standard erfüllen und welche nicht. Bislang ist eine behördlich ausgestellte und verbindliche Bestätigung der Einhaltung der Kriterien nicht vorgesehen. Als vertrauensbildende Maßnahme wäre eine solche aber essenziell. Nur wenn bei allen Marktteilnehmern Klarheit darüber herrscht, was STS bedeutet, wird der europäische Verbriefungsmarkt auch gefördert.

Anhebung der Risikogewichte?

Darüber hinaus sehen die Vorschläge zu STS vor, die Risikogewichte im Vergleich zum jetzigen Niveau von sieben Prozent auf zehn Prozent anzuheben. Das heißt, die Eigenkapitalanforderungen an Investoren würden erheblich steigen. Dies führt zwangsläufig zu einer Dämpfung des ABS-Marktes.*) Der Effekt wird durch eine vom EU-Parlament vorgeschlagene neue Hierarchie der Berechnung der Risikogewichte weiter negativ verstärkt. So würde eine Abschaffung der auf externen Ratings beruhenden Berechnung im Falle von Auto-ABS dazu führen, dass die Risikogewichte sogar um das Fünffache steigen. Sollten hier keine Änderungen mehr vorgenommen werden, wird der komplette europäische Auto-ABS-Markt zum Erliegen kommen.

Nicht zuletzt ist der Vorschlag kritisch zu betrachten, dass nur noch CRR-Kreditinstitute Originatoren von Verbriefungen sein dürfen. Alle realwirtschaftlichen Unternehmen und Leasinggesellschaften wären somit komplett vom STS-Regelwerk ausgeschlossen. Dies würde einen generellen Ausschluss eines erheblichen Teils der Auto-ABS bedeuten.

Es bleibt also zu hoffen, dass im Rahmen der politischen Diskussionen die genannten Punkte berücksichtigt und entsprechend angepasst werden. Nur so wird die STS-Regulierung ihr Ziel eines nachhaltigen, wettbewerbsfähigen europäischen Verbriefungsmarktes erreichen.

EZB: ABS als Wachstumsförderer

Dass hochwertige Asset-Backed Securities den beschriebenen positiven Effekt auf die Volkswirtschaft haben, bestätigt die Europäische Zentralbank. Denn genau deshalb hat sie im November 2014 das ABS Purchase Programme (ABSPP) aufgelegt, in dessen Rahmen sie europäische ABS ankauft. Die Maßnahme ist eine Folge der unerwartet schwachen wirtschaftlichen Entwicklung im Euroraum mit einer Verschlechterung von Wachstums- und Inflationsraten sowie deren Prognosen. Da ABS - vor allem in Ländern wie Italien und Spanien - ein gängiges Refinanzierungsinstrument sind, verspricht sich die EZB dadurch eine steigende Kreditvergabe und somit eine Belebung der lokalen Wirtschaft.

Doch vor dem Hintergrund der anhaltenden Regulierungsdebatte hat das ABSPP bislang weder zu einer signifikanten Ausweitung des Primärmarktvolumens noch zu einer Wiederbelebung der Verbriefungsmärkte in den EU-Peripherieländern beigetragen. Dominierender Effekt des ABSPP beziehungsweise der expansiven Geldpolitik der EZB insgesamt ist die Einengung der Risikoaufschläge (Spreads) über alle ABS-Segmente.

Bisher beläuft sich das Gesamtvolumen des bis zum März 2017 laufenden Ankaufprogramms auf rund 19,9 Milliarden Euro (Stand 1. Juli 2016). Gleichwohl birgt der Eingriff in funktionierende Marktsegmente auch Gefahren. Schließlich können durch das Auftreten der EZB als zusätzlicher Investor auch private Investoren verdrängt werden. Je länger die EZB im Markt bleibt, desto höher ist der potenzielle Schaden für die intakten Marktsegmente durch den sogenannten Crowding-Out-Effekt.

Exogene Faktoren haben Einfluss auf die Marktentwicklung

Es zeigt sich, dass die Marktakteure einen hohen Wert auf eine gute Verbriefungsqualität legen und dass der Markt in Segmenten mit entsprechend hoher Qualität ausgezeichnet funktioniert. Gerade die Entwicklung im Segment der Auto-ABS beweist das. Gleichwohl haben insbesondere auch exogene Faktoren wie das ABS-Ankaufprogramm, die Weiterentwicklung der Regulierungsdiskussionen und nicht zuletzt konjunkturelle Entwicklungen einen starken Einfluss auf die weitere Entwicklung des ABS-Marktes. Vor dem Hintergrund der beschriebenen Bedeutung von Auto-ABS für die Autobanken und damit für den Fahrzeugabsatz der großen Automobilhersteller ist eine differenzierte Betrachtung des Verbriefungsmarktes mit einer produktadäquaten und volkswirtschaftlich angemessenen Regulierung zwingend erforderlich. Ansonsten droht ein bedeutendes Absatzförderungsinstrument der Automobilindustrie und somit die Realwirtschaft beschädigt zu werden.

Fußnote

*) Beispiel: Mit einem angenommenen Eigenkapital von 1 Million Euro kann ein Investor momentan 180 Millionen Euro in Auto-ABS investieren (180 Millionen Euro Investitionsvolumen * 7 Prozent Risikogewicht * 8 Prozent EK-Anforderung = 1 Million Euro EK). Mit dem Anstieg der STS-Risikogewichte sinkt sein Investitionsvolumen künftig um 30 Prozent auf 125 Millionen Euro (125 Millionen Euro Investitionsvolumen * 10 Prozent Risikogewicht * 8 Prozent EK-Anforderung = 1 Million Euro EK).

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