Aufsätze

Wer ist verantwortlich für Inflation und Blasen?

Wenn unser bedachtsamer Bundespräsident, der die Finanzmärkte als verantwortlicher Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, als Präsident des Sparkassenverbandes und vor allem als Geschäftsführender Direktor des Internationalen Währungsfonds kennen gelernt und durchleuchtet hat, sagt, dass die Finanzmärkte sich zu "Monstern" entwickelt hätten, drängt sich eine genauere Betrachtung der maßgeblichen Akteure auf diesen Märkten geradezu auf. Märkte führen als Institutionen Angebot und Nachfrage zusammen und liefern Signale über die jeweilige Knappheit. Institutionen können nicht zu Monstern degenerieren. In Wahrheit hat unser Bundespräsident gemeint, dass die Akteure aus dem Finanzbereich dermaßen hemmungslos angelegt und spekuliert hätten, dass sich als Ergebnis Phänomene herauskristallisiert hätten, die den Titel "Monster" verdienten.

Relative Starrheit des Immobilienangebots

Die von den Geschäftsbanken in den USA - aber auch in der Euro-Zone (Spanien, Irland, Frankreich) - gewährten Hypothekarkredite haben die Preise für Immobilien auf historische Höchststände getrieben. Ein Preisanstieg auf solchen Märkten führt aber zumindest nicht in der Anfangsphase zu einer Abschwächung der Nachfrage nach Immobilien und Bauleistungen, sondern beschleunigt sie sogar noch entsprechend dem Motto: Greife rasch zu, bevor die Preise noch stärker steigen. Als weiteres Phänomen kommt hinzu, dass steigende Preise bei Immobilien deren Besitzer dazu veranlassen, die Wertsteigerungen über höhere hypothekarische Belastungen zu einer Aufstockung des Konsums zu nutzen. In den USA hat dies lange Zeit den Konsum und die Konjunktur getrieben und über das steigende Leistungsbilanzdefizit auch die Konjunktur besonders der aufstrebenden Staaten Südostasiens beflügelt.

Preissteigerungen für Immobilien wirken sich weit nachteiliger aus als solche für Konsumgüter auf breiter Front. Eine Änderung des Preisniveaus eines repräsentativen Warenkorbes geht kaum oder allenfalls geringfügig mit einer Verzerrung der Produktionsstruktur einher, während starke Preissteigerungen für Immobilien bereits ihr Umschlagspotenzial in sich bergen. Wegen der relativen Starrheit des Angebots steigen die Preise bei wachsender Nachfrage überaus stark, um dann im umgekehrten Fall umso schneller zu fallen. Wir wollen prüfen, wie in diesem Marktsegment eine Entwicklung ausgelöst werden konnte, die die Finanzmärkte erschüttert, die Geschäftsbanken zu erheblichen Wertberichtigungen gezwungen oder sogar an den Rand des Ruins gedrängt hat. Die dadurch ausgelöste Krise greift auch auf die Realwirtschaft in den USA über; aber auch das von der Subprime-Krise nicht unmittelbar berührte Europa wird wegen der internationalen Interdependenz nicht verschont bleiben.

Die ausgeprägte Blasenbildung in den beiden letzten Jahrzehnten (die japanische Immobilien- und Aktienblase, Südostasien-Blase, New-Economy-Blase und Immobilienblase) waren jeweils Konsequenz monetärer Expansion. Von zentraler Bedeutung ist deren Transformation in reale Phänomene. Wenn die monetäre Expansion die Entwicklung von Blasen begünstigt oder sogar verursacht, dann ist nicht mehr die aus John Maynard Keynes' "General Theory ..." herausdestillierte Konjunkturtheorie, sondern die von F. A. von Hayek relevant, der den rezessiven Absturz in einer zu starken monetären Expansion und in einem zu niedrigen Zins in der konjunkturellen Anfangsphase begründet sieht. So werde die Produktionsstruktur in eine Richtung gedrängt, die sich als Fehlallokation entpuppen werde, wenn sich das Zinsniveau seiner tatsächlichen Knappheitsrelation nähere.

"Perverse Elastizität des Kreditangebots"

Zwar geht der Anstoß vom realen Sektor aus - etwa von den Innovationen generierenden Schumpeterschen Unternehmern -, doch ist die diesen Prozess ermöglichende Kreditausweitung ein monetäres Phänomen. F. A. von Hayek spricht in diesem Zusammenhang von der perversen Elastizität des Kreditangebots: Eine erhöhte Nachfrage nach Krediten wird in der Anfangsphase der Konjunkturentwicklung bei gleichbleibenden Zinsen befriedigt.*) Eine zusätzliche Nachfrage hätte an sich den Preis für Kredit ansteigen lassen müssen. Da für die Bank keine höheren Kosten entstehen, wenn ein Kreditvertrag statt über eine Million über zwei Millionen Euro vereinbart wird und wenn sie sich für hinreichend liquide hält, reicht sie zusätzliche Kredite zu gleichbleibenden Preisen aus. Sie vermutet überdies, dass konkurrierende Banken entsprechend handeln und sie ihre Kunden bei höheren Zinsforderungen an diese verlieren würde.

Joseph Schumpeter (1927, Seite 95) spricht von einem informellen Kartell der Bankwirtschaft: Wenn alle Banken so handelten und keine stark vorauseile oder zurückbleibe, trage keine von ihnen ein spezifisches Risiko. Diese Überlegungen entsprechen der traditionellen Theorie des Kreditschöpfungspotenzials des Geschäftsbankensystems. Sie erklären aber nicht, warum die mit den Konjunkturen korrespondierenden Preisentwicklungen von Land zu Land unterschiedlich ausfallen und warum in den beiden letzten Jahrzehnten eine Preisblase die andere abgelöst hat.

Diese Phänomene können wir nicht erklären, ohne die Politik der Zentralbanken zu betrachten. Hier folgen wir Ludwig von Mises (1924) und F. A. von Hayek (1929 und 1931), für die der Anstieg der Geldmenge über das Wachstum des Produktionspotenzials hinaus Inflation war. Würden Sparleistungen an Investoren weitergereicht, könne es keine Inflation geben, da bloß Kaufkraft verlagert, aber nicht neu geschaffen würde.

Wenn die großen Zentralbanken dieser Welt - Fed, EZB und Bank of Japan - über einen größeren Zeitraum Geld für einen Zinssatz von nahezu "Null" - zentraler Refinanzierungssatz bei Berücksichtigung der repräsentativen Preissteigerungsrate - zur Verfügung gestellt haben, dann haben sie die Nachfrage nach Geld stimuliert und damit bewusst die Geldmenge über das Produktionspotenzial hinaus ausgeweitet.

Dieser Überschuss kann sich in verschiedenen Formen äußern: Anstieg des Preisniveaus für Kapitalgüter und Rohstoffe, Anstieg des Preisniveaus für reale Aktiva (Vermögenspreisinflation) und Anstieg des Preisniveaus für Konsumgüter. Wie sich die Geldmengenaufblähung auf die jeweiligen Preisniveaus auswirkt, kann ex ante nicht mit Exaktheit gesagt werden; sicher ist jedenfalls, dass sie sich in einem der genannten Segmente oder möglicherweise mit unterschiedlicher Intensität in allen niederschlägt - womöglich mit Zeitverzögerung.

Brücke zur "Bubble-Economy"

Damit ist auch die Brücke zur "Bubble-Economy" geschlagen worden. Dieses Phänomen ist dadurch gekennzeichnet, dass sich als Konsequenz der Inflation nicht - so sehr - die Preise für Kapital- und Konsumgüter erhöhen, sondern die Preise für reale Aktiva (Unternehmen, Aktien, Immobilien). Der Anstieg über langjährige Vergleichszahlen hinaus - Dividendenrendite, Kurs-Gewinn-Relation, Mieterträge je qm - scheint so lange unschädlich zu sein, wie Wirtschaftssubjekte an die Dauerhaftigkeit veränderter Relationen glauben und weiterhin in diese Aktiva investieren - Stichwort: self fulling prophecy.

Die Politik der US-Zentralbank und ihre aggressive Billig-Geld-Politik gilt inzwischen als treibende Kraft der Immobilien-Blase. Diese Politik ist als "Greenspan put" in die jüngste Geldgeschichte eingegangen: Die Geldpolitik der Fed wird als eine Versicherung gegen gesamtwirtschaftliche Liquiditätsengpässe und damit als Absicherung gegen das Absinken der Preise realer Aktiva auf breiter Front gesehen. Doch ist aus dem Blick geraten, dass die Geldmengenpolitik der EZB ebenfalls stark expansiv war; das damit zugelassene Inflationspotenzial war entsprechend hoch. Die Überschussgeldmenge ist in den letzten vier Jahren geradezu nach oben geschossen. Die Entwicklung hat sich auch in der letzten Zeit nicht abgeschwächt (Abbildung).

Die starke Geldmengenausweitung hat sich in der Euro-Zone nur unwesentlich im Verbraucherpreisindex niedergeschlagen, sondern in den Preisen für reale Aktiva, insbesondere für Immobilien in Irland, Spanien und Frankreich. Als Konsequenz hat Spanien seit Jahren eine andauernde Hochkonjunktur erlebt mit einer massiven Ausweitung des Bausektors. Derzeit steuert Spanien auf eine Rezession zu, die auf dem Arbeitsmarkt erhebliche Schleifspuren hinterlassen wird.

Abkehr von der Geldmengensteuerung

Die Abbildung zeigt auch, dass sich die EZB von der Geldmengensteuerung der Bundesbank abgewandt hat; stattdessen versucht sie, Konjunktur und Preisentwicklung über ihre Zinspolitik zu steuern. An deren Wirksamkeit müssen jedoch erhebliche Zweifel angemeldet werden. Insgesamt folgte die EZB dem Kurs der Fed mit zeitlichem Abstand, agierte aber vorsichtiger: Im jüngsten Zyklus lagen ihr Tiefstsatz und ihr Höchstsatz (zwei Prozent und vier Prozent) um einen Prozentpunkt über beziehungsweise 1,25 Prozentpunkte unter dem entsprechenden Satz der Fed (ein Prozent und 5,25 Prozent). Kritisch zu prüfen wäre endlich auch die ökonomische Logik des Heraufeilens der Zinstreppe in Trippelschritten von jeweils 0,25 Prozentpunkten. Folgen solche Zinsschritte in einem bestimmten Rhythmus und wird die interessierte Öffentlichkeit entsprechend informiert, so werden solche Zinsschritte eingepreist und die dämpfende Wirkung bleibt aus - im Gegenteil. Gibt die Zentralbank zu erkennen, dass weitere Schritte folgen werden, so wirken solche Signale prozyklisch: "Verschulde dich lieber heute als morgen."

Die überkommene Regel, dass bei guter Konjunktur steigende Zinsen nicht abschrecken, weil die Kreditnehmer annehmen, sie überwälzen zu können, ist offensichtlich in Vergessenheit geraten. Zentralbanken haben früher über Diskonterhöhungen die Richtung signalisiert, die sie einschlagen wollten; sie erhöhten die Mindestreservesätze, minderten also die umlaufende Geldmenge, um den geldpolitischen Kurs zu härten und vice versa. Dass die Zinstrippelschritte die Geschäftsbanken nicht zu einer zurückhaltenderen Geldnachfrage und zu einer restriktiveren Kreditvergabe veranlasst haben, zeigt das Überschuss-Geldmengenwachstum in der Euro-Zone seit 2004. Dass eine Zinspolitik, gerade wenn sie so behutsam verfährt wie die US-Zentralbank und die EZB, die Investoren und Finanzmarktakteure kaum beeindruckt, hätten sie von John Maynard Keynes (1936, Seite 322) lernen können: "A boom is a situation in which over-optimism triumphs over a rate of interest which, in a cooler light, would be seen to be excessive."

Verantwortung der Zentralbanken

Unsere Schlussfolgerung - die Verantwortung von Geldmengenaufblähung und Preisanstieg betreffend - lautet: Zentralbanken können den Kreditschöpfungsspielraum der Geschäftsbanken entscheidend einengen oder erweitern und damit deren Kreditvergabepraxis disziplinieren oder verlottern lassen. Da Inflation ein monetäres Phänomen ist, bleiben die Zentralbanken letztverantwortlich. Wenn sie über ihre Geldmengenpolitik die Zügel schleifen lassen, dann werden auch die mit der Kreditgewährung verbundenen Risiken vernachlässigt. Den entscheidenden Grund für "underpricing of risk" hat Bundespräsident Köhler (2008) klar benannt: "Kredite waren zu leicht und zu billig zu haben".

Fußnote

*) Die Darstellung der Hayekschen Konjunkturtheorie stützt sich auf die Texte von F. A. von Hayek aus den Jahren 1929 und 1931 sowie auf die Zusammenfassung seiner Überlegungen bei seinem Freund und Kollegen noch aus der Wiener Zeit, Gottfried von Haberler (1941, Abschnitt A.: Die monetären Überinvestitionstheorien, Seiten 41 bis 76).

Literatur

Haberler, Gottfried (1941), Prosperität und Depression. Eine theoretische Untersuchung der Konjunkturbewegungen, Bern.

Hayek, Friedrich A. (1929/1976), Geldtheorie und Konjunkturtheorie, 2. Auflage, Salzburg.

Hayek, Friedrich A. (1931), Preise und Produktion, Wien.

Keynes, John Maynard (1936), The General Theory of Employment Interest and Money, London. Köhler, Horst (2008), "Die Finanzmärkte sind zu einem Monster geworden", in: Stern 21/2008 von Mises, Ludwig (1924), Theorie des Geldes und der Umlaufsmittel, München und Leipzig

Schumpeter, Joseph (1927), Die goldene Bremse an der Kreditmaschine (Kölner Vorträge, veranstaltet von der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Köln, Bd. 1: Die Kreditwirtschaft, Wintersemester 1926/27), Leipzig, Seiten 80 bis 106.

Prof. (em.) Dr. Dr. h.c. Joachim Starbatty , Emeritus, Eberhard Karls Universität Tübingen
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