Gespräch des Tages

TUG - Europataugliche Gesetze und die Bürokratie

Dass die politischen Entscheidungs- und Gesetzgebungsprozesse in Deutschland zuweilen zäh erscheinen und endlos in der Öffentlichkeit debattiert werden, hängt nicht zuletzt mit den teilweise aus der europäischen Rechtsetzungspraxis übernommenen Konsultationsverfahren zusammen. Diese sollen bekanntlich den direkten Adressaten sowie interessierten Fachkreisen die Möglichkeit geben, ihre Bedenken und Anregungen in Stellungnahmen zu formulieren, die im Gesetzgebungsprozess dann gegebenenfalls noch aufgenommen und umgesetzt werden können. Am Beginn eines solchen Konsultationsverfahrens steht derzeit die Novellierung des Investmentgesetzes (siehe Stellungnahmen in diesem Heft). Schon durchlaufen hat diesen Prozess im zweiten Halbjahr des vergangenen Jahres das Transparenzrichtlinien-Umsetzungsgesetz (TUG), das am 20. Januar dieses Jahres in Kraft getreten ist.

Nur zur Verdeutlichung der Zeitläufe: Seinen Anstoß auf europäischer Ebene hat das TUG schon Mitte Dezember 2004 erhalten, als das Europäische Parlament und der Rat die technisch klingende "Richtlinie zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind" verabschiedete. Zu Beginn des Sommers 2006 hat das Bundeskabinett hierzulande dann dem Entwurf zur Umsetzung des TUG zugestimmt. Angefangen vom Deutschen Aktieninstitut (Mitte August 2006) über den Zentralen Kreditausschuss (Anfang September 2006), bis hin zu fachnahen Hochschulinstituten und spezialisierten Anwaltskanzleien hat es in der Folge zahllose Kommentierungen und Anregungen gegeben. Und im Vorfeld der parlamentarischen Beratungen im Bundestag hat der ZKA die Politik Anfang November 2006 noch einmal an das grundsätzliche Versprechen zur Eins-zu-Eins Umsetzung in deutsches Recht erinnert. Konkret wurde dabei die geplante Absenkung der Meldeschwelle für Unternehmensbeteiligungen von fünf auf drei Prozent (der Stimmrechte) in Frage gestellt sowie die Ausweitung des Enforcements auf Halbjahresberichte kritisiert.

Genutzt hat das wenig. Mitte Dezember vergangenen Jahres hat der Bundesrat dem vom Bundestag Ende November 2006 verabschiedeten Gesetz zugestimmt. Speziell mit Blick auf die Meldeschwelle ist es im neuen TUG grundsätzlich dabei geblieben, dass künftig - anders als in Resteuropa - der Erwerb von drei Prozent der Stimmrechte an einem börsennotierten Unternehmen dem Emittenten sowie der BaFin gemeldet und die Information europaweit bekannt gemacht werden muss.

Das inzwischen gültige Gesetz soll aus Sicht des BMF "die für die Markteffizienz und den Anlegerschutz erforderliche Transparenz am Kapitalmarkt herstellen, ohne aber die Unternehmen mit bürokratischen Pflichten zu belasten". Besonders hervorgehoben werden die positiven Auswirkungen auf eine europaweite Verbreitung von Kapitalmarktinformationen, die Verbesserung der Informationen für die Wahrnehmung von Rechten aus Wertpapieren, neue Publikationspflichten hinsichtlich der Rechnungslegung sowie nicht zuletzt der Beitrag zum Bürokratieabbau. Gerade Letzteres ist in der heutigen Phase der europäischen Integration freilich ein hehres Versprechen. Wenn man wirkliche Grundlagen für den einheitlichen Wirtschaftsraum schaffen will, müssen nämlich in vielen Wirtschaftsbereichen erst einmal Vorschriften europaweit harmonisiert werden. Und das verlangt zumindest für eine Übergangszeit bis zur endgültigen Neuordnung der Aufgabenverteilung zwischen nationalen und europäischen Institutionen eher weitere Vorgaben, Richtlinien oder Kompromisslösungen - also eher mehr bürokratischen Aufwand.

Mit Blick auf das TUG lässt sich diese Vermutung beispielsweise an den Kommunikationspflichten festmachen. Berechtigtes Ziel ist an dieser Stelle die europaweite aktive Verbreitung von Kapitalmarktinformationen und die Verbesserung des Zugangs der Öffentlichkeit zu diesen Informationen durch eine zentrale Speicherung. Welchen konkreten Aufwand die Veröffentlichungspflicht erstens durch Zuleitung an Medien (zu einem angemessenen Medienbündel gehören mindestens ein News Provider, eine Nachrichtenagentur, ein elektronisch betriebenes Informationsverbreitungssystem, ein Printmedium und eine Finanzwebseite) zweitens durch die Übermittlung an das Unternehmensregister zur Speicherung und drittens an die Aufsichtsbehörde in der praktischen Umsetzung nach sich ziehen wird, müssen die Akteure erst einüben. Immerhin: der Deutsche Bundestag hat seiner Verabschiedung des TUG eine Entschließung angefügt, nach der die Bundesregierung aufgefordert wird, zur Jahresmitte 2008 einen Bericht über die praktischen Erfahrungen mit den neu gefassten Veröffentlichungspflichten vorzulegen. Das gibt wenigstens die Möglichkeit zu einer kritischen Überprüfung des bürokratischen Beiwerks.

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