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"Ein Stück weit Aufgabenorientierung tut auch gewinnorientierten Unternehmen gut - es ist vermutlich unabdingbar"

"Aufgabe und Gewinn" - das ist ein eher harmlos klingender Titel für die heutige Veranstaltung. In der Beschreibung wird aus dem "und" aber ein "oder". Gewinnstreben und Erfüllung des Gemeinwohls werden als zwei gleichsam unversöhnliche Pole dargestellt. Und gar von "Klassenkampf" ist die Rede.

Parallelen zum Kalten Krieg

Natürlich wird hier ein vermeintlicher oder Widerspruch dargelegt, um der Veranstaltung die notwendige Würze zu geben. Und fast jeder Vertreter der deutschen Kreditwirtschaft - Abwesende besonders eingeschlossen - wird zugeben müssen, dass er in den letzten Jahren seinen Teil dazu beigetragen hat, diesen Gegensatz zu kultivieren. Die privaten Banken verbanden damit immer ein wenig die Hoffnung, Sparkassen und zuweilen auch Genossenschaftsbanken alt aussehen zu lassen und sich damit vor allem in Brüssel und bei anderen internationalen Institutionen als Vorkämpfer der Globalisierung und Europäisierung ins rechte Licht setzen zu können. Auf dass diese ihnen helfen mögen, vor allem die unbequemen Sparkassen endlich abräumen zu können. Und die Sparkassen ihrerseits haben diese Vorlage nicht selten genutzt, um der deutschen Politik und vor allem der deutschen Bevölkerung zu verdeutlichen, dass es da globalisierte Banken gibt, die buchstäblich in einer anderen Welt leben.

Aus diesen Auseinandersetzungen der vergangenen Jahre konnte man fast den Eindruck gewinnen, als wenn sich zwei unvereinbare, unversöhnliche, geradezu feindselige Geschäftssysteme gegenüberstünden. Als wenn Kalter Krieg herrsche zwischen Systemen, wie wir es im Großen zwischen Kommunismus und Kapitalismus einmal erlebt haben.

Ich glaube, die Zeit der Ideologien ist vorüber. Hier wird deshalb pragmatisch auf das hingewiesen, was aufgaben- von gewinnorientierten Kreditinstituten tatsächlich trennt. Dabei will ich nicht versäumen, das "Und" zu betonen. Ich möchte der vorgegebenen Gliederung folgen und meine Betrachtungen zuerst auf die gewinnorientierten und im zweiten Abschnitt auf die aufgabenorientierten Kreditinstitute richten. Im dritten Teil werde ich an einem Beispiel auf die tatsächlichen Konflikte zwischen Instituten unterschiedlicher Schwerpunktsetzung eingehen.

Gewinnorientierung

Die Möglichkeit, Gewinne zu machen, treibt eine Volkswirtschaft an - darüber besteht absolute Einigkeit. Das ist die Grundlage einer jeden Marktwirtschaft, auch wenn sie sich - wie in der Bundesrepublik - als "Soziale Marktwirtschaft" versteht. Denn mit dem "Sozialen" ist nicht eine Relativierung dergestalt gemeint, dass es unsozial oder gar unsolidarisch wäre, Gewinne zu erwirtschaften. Teilweise kann man aus der politischen Diskussion in Deutschland den Eindruck gewinnen, dass man sich für Gewinne rechtfertigen müsse. Das wäre ein Problem nicht nur für die betroffenen Unternehmen oder Investoren. Es würde auch die Gesellschaft insgesamt schädigen, weil der Anreiz entfiele, Neues zu beginnen, von dem sich der Einzelne einen individuellen Vorteil verspricht.

Unsere Vorstellung in Deutschland ist, dass es der Gesellschaft als Ganzes dann am besten geht, wenn jeder seinen individuellen Vorteil im Markt suchen und verwirklichen darf. In Deutschland haben wir dies aber nie als kapitalistische Marktwirtschaft verstanden. Das bedeutet: Auch das Streben nach individuellem Vorteil war immer durch Sozialpflichtigkeit und die Einhaltung von Regeln, etwa solche gegen Missbräuche marktbeherrschender Stellungen, begrenzt. Diese Ausrichtung ist ein Ergebnis der Historie unserer Wirtschaft.

Entwickelte Volkswirtschaften zeichnen sich durch ein hohes Maß an Arbeitsteilung aus. Man hat gelernt, dass es besser ist, nicht selbst alle wirtschaftlichen Tätigkeiten selbst zu erfüllen, sondern sich jeweils zu spezialisieren und dann die Leistungen zu tauschen. Das ist schlicht effizienter. Die Globalisierung macht diesen Prozess jetzt weltweit mit ungeheuren Effizienzgewinnen möglich. Das ist nach meinem Verständnis nicht nur ein Nullsummenspiel, wo der eine gewinnt und der andere verliert. Durch diese bessere Arbeitsteilung können alle Teile gewinnen das ist das faszinierende an dieser Entwicklung.

Eigener Gewinn als Maß aller Dinge?

Dennoch sollten wir nicht vergessen, dass Geld am Anfang dieses Prozesses nur die Funktion des Tauschmittels hatte. Man konnte eben nicht eine Leistung gegen die andere direkt tauschen, sondern benötigte ein Wertaufbewahrungsmittel. Das Problem entsteht dann, wenn dieses Wertaufbewahrungsmittel nicht mehr Mittel zum Zweck, sondern seinerseits Selbstzweck wird. Wenn es nicht darum geht, für die eigene Leistung möglichst viel Leistung von anderen - vermittelt über Geld - zu erhalten, sondern wenn nur der eigene Gewinn Maß aller Dinge wird. Wenn nicht mehr bemerkt wird, dass das eigene übersteigerte Gewinnstreben die Arbeitsteilung mit anderen zerstört.

Früher wusste der Arbeitnehmer, dass es für ihn vorteilhaft war, wenn es seinem Arbeitgeber gut ging. Der Lieferant freute sich darüber, wenn sein Abnehmer gute Gewinne machte. Und der Unternehmensstandort war glücklich, erfolgreiche Betriebe zu beherbergen. Sie alle konnten darauf vertrauen, selbst am Erfolg teilhaben zu können, weil sie auch selbst dazu beitrugen. Das Neue ist, dass diese Kausalität in vielen Fällen zerstört worden ist. Die Menschen registrieren sehr aufmerksam, dass das Verständnis von wirtschaftlichem Erfolg bei einigen Unternehmen von ihrem eigenen Erfolgsverständnis deutlich abweicht.

Nur wenige Beispiele: Es gibt Unternehmen, die trotz guter Geschäftsaussichten und hervorragender Gewinne Arbeitnehmer entlassen. Die Begründung dafür lautet dann zumeist, man müsse die Rendite weiter steigern, um sich irgendwo weltweit vergleichen zu können. Das versteht zu Recht kein Arbeitnehmer, denn der bisherige Erfolg ist doch gerade auch von ihm mit erarbeitet worden. Er wird jetzt aber Opfer nicht des Scheiterns, sondern gerade dieses Erfolges.

Ein anderes Beispiel: Es wird als Tugend propagiert, Ressourcen eines Gemeinwesens für das eigene Wirtschaftsunternehmen in Anspruch zu nehmen, umgekehrt aber auszuweichen, wenn es um die Finanzierung dieser Ressourcen - Stichwort Steuern - geht. Das System von Verrechnungen in multinationalen Konzernen durch Hin- und Herverschiebung von Halbfertigprodukten ist bekannt. Ebenso die harmlos "Steuergestaltung" genannte Variante, die Entwicklung mit hohen Anlaufverlusten hier zu betreiben, die Gewinne aus der Produktion dann aber andernorts anfallen zu lassen.

Steuerfreie Veräußerung von Unternehmensbeteiligungen

Auch die Kreditwirtschaft hat hier ihre Techniken. Und deutsche Banken durften sich in den letzten Jahren über die steuerfreie Veräußerung von Unternehmensbeteiligungen freuen - eines der größten Steuergeschenke der deutschen Geschichte. Das hat etwa dazu geführt, dass die HVB beim jüngsten Verkauf ihrer Banktochter nach Medienberichten bei 6,5 Milliarden Euro Buchgewinn gerade einmal 61 Millionen Euro Steuern zahlt. Diese Möglichkeiten hatten und haben Sparkassen übrigens nicht. Es entbehrt deshalb nicht einer gewissen Ironie, dass die HVB diesen unversteuerten Gewinn jetzt zum Kauf der Berliner Landesbank samt Sparkasse einsetzen will.

Ein drittes Beispiel: Nicht ganz zu Unrecht wird ja auch - teilweise allerdings etwas überzogen - kritisiert, dass Finanzinvestoren sich Unternehmen bemächtigen und sie über Kredite den eigenen Kauf finanzieren lassen. Das alles ist legal, aber nicht legitim. Diese Verhaltensweisen erwachsen aus einer zu starken Verengung des Blickfeldes allein auf Gewinnmaximierung. Das ist zu wenig. Jedes Unternehmen sollte in der Lage sein, darzulegen, welchen Zweck und welchen Sinn es für die Gesellschaft insgesamt erfüllt. Damit ist - um Missverständnissen vorzubeugen - nicht gemeint, dass jedes Unternehmen einen gesamtgesellschaftlichen Auftrag in sich trägt. Es ist schon in Ordnung, in allererster Linie das Interesse der eigenen Kapitalgeber zu verfolgen. Wenn sich das Denken aber nur darauf reduziert, läuft jedes Unternehmen Gefahr, die Akzeptanz in der Bevölkerung und damit Reputation zu verlieren.

Verpflichtungen

Diejenigen, die Verantwortung für die Gesellschaft für sich nicht akzeptieren, sondern dies für "Sozialromantik" halten, müssten wenigstens berechnen können, dass dies Gewinne in der Zukunft eher unwahrscheinlicher macht. Ein Stück weit Aufgabenorientierung tut deshalb auch gewinnorientierten Unternehmen gut - es ist vermutlich unabdingbar. Es gibt zahlreiche Unternehmer, die das für sich akzeptieren. Man betrachte nur die vielen hunderttausend mittelständischen Unternehmen in Deutschland, für die selbstverständlich ist, dass sie eine Verantwortung für das Wohlergehen ihrer Mitarbeiter, Kunden, Lieferanten und des Unternehmensumfeldes haben. Vielleicht ist es ja so, dass diejenigen in der Minderheit sind, die mit Verweis auf die globalen Märkte für sich selbst die Gewinnmaximierung als alleinigen Maßstab sehen.

Das ist übrigens keine ganz neue Erkenntnis. Hermann Josef Abs hat das so formuliert: "Gewinn ist so notwendig, wie die Luft zum Atmen; aber es wäre ebenso schlimm, wenn wir nur wirtschaften würden, um Gewinn zu machen, wie es schlimm wäre, wenn wir nur leben würden, um zu atmen." Und der ehemalige Chefökonom des IWF Rogoff hat erst kürzlich im Spiegel-Interview prognostiziert, dass ungezügelter Kapitalismus sozial nicht durchzuhalten sein wird.

Deshalb werden sich auch global orientierte Banken mit der Frage auseinandersetzen müssen, was sie für die hiesige Gemeinschaft zu leisten bereit und im Stande sind. Wer die Lizenz hat, hier Kapital einzusammeln, hat auch die Verpflichtung, es dem

Markt hier wieder für unternehmerische Zwecke zur Verfügung zu stellen. Da reicht es nicht, es zur eigenen Gewinnmaximierung weltweit floaten zu lassen. Und wer die Fähigkeit hat, Anlageformen und Kreditwürdigkeiten zu bewerten, hat ganz sicher auch die Verantwortung, Menschen vor falschen Entscheidungen, Verlusten und Überschuldungen bestmöglich zu schützen, auch wenn das hier und da zulasten des eigenen Gewinns geht. Ich weiß - Stichwort Immobilienfonds -, wovon ich rede.

Private Banken als Nutznießer der aufgabenorientierten Institute

Vielleicht wären deshalb auch gewinnorientierte Banken gar nicht schlecht beraten, etwas mehr Aufgabenorientierung erkennen oder zumindest das Publikum an ihren Überlegungen teilhaben zu lassen. Und bei genauer Betrachtung ist es doch wahrscheinlich auch so, dass sich viele Kreditinstitute heute nur deshalb so ungeheuer gewinnorientiert zeigen können, weil es aufgabenorientierte Kreditinstitute gibt, die Grundfunktionen und damit gesellschaftliche Akzeptanz der deutschen Kreditwirtschaft sicherstellen.

Man stelle sich doch nur einmal einen Augenblick vor, es gäbe keine Sparkassen und Genossenschaftsbanken und die privaten Banken verhielten sich dennoch so, wie sie es heute zum Teil tun. Ich bin sicher, der Gesetzgeber würde sofort über strenge Regulierungen die private Kreditwirtschaft in eine Aufgabenorientierung hineinzwingen. Könnte es also sein, dass die gewinnorientierten Banken zu den größten Nutznießern der aufgabenorientierten Sparkassen und Genossenschaftsbanken zählen? Keine Sorge, ich gehe jetzt nicht so weit, eine Beteiligung am Gewinn zu reklamieren. Aber etwas Respekt wäre schon angemessen.

Vergleichbare Gründungsidee

Bei der Betrachtung der deutschen Kreditwirtschaft wird man nicht übersehen können, dass es Institute gibt, in deren Geburtsurkunde nicht die Gewinnorientierung steht, sondern die in erster Linie wegen der Wahrnehmung bestimmter Aufgaben gegründet worden sind. Das sind nicht nur die Sparkassen. Auch die Genossenschaftsbanken können eine derartige Gründungsidee für sich in Anspruch nehmen. Übrigens hat ohnehin die Genossenschaft viel mehr mit der Anstalt öffentlichen Rechts zu tun, als gemeinhin erkannt wird. Denn in beiden Fällen ging es darum, dass eine örtliche Gemeinschaft bestimmte Zwecke selbst regeln wollte.

Bei den Genossenschaften ging und geht es um die Interessen einer relativ großen Zahl von Mitgliedern. Bei den Sparkassen ging und geht es um die Anliegen einer örtlichen Bürgergemeinschaft, die von engagierten Bürgern, etwa in den Hansestädten, oder durch die Kommune selbst in der Sparkasse verankert wurden. Nie war dabei aber die Sparkasse ein Vehikel staatlichen Handelns. Es ist deshalb so schrecklich kenntnislos, wenn heute immer wieder von den Sparkassen als "staatliche Kreditinstitute" die Rede ist.

Sparkassen und Genossenschaftsbanken sind einander in der Geschäftsphilosophie bis heute sehr nahe und haben - bei allem Wettbewerb - ein großes Verständnis füreinander. Bevor jetzt allerdings die ersten Journalisten zum Ausgang streben, um Meldungen abzusetzen, will ich auch klar sagen: Das ist kein Werben um Fusionen zwischen Sparkassen und Genossenschaften. Mir geht es lediglich darum, den häufig etwas auf die öffentliche Rechtsform eingeengten Blick auf den Sinn und Zweck der Institute zu erweitern.

Freiheit in der Bestimmung unternehmerischer Zwecke

So wie sich die gewinnorientierten Kreditinstitute heute fragen lassen müssen, ob Gewinn allein ausreicht, so gilt dies umgekehrt natürlich auch für denjenigen mit Aufgabenorientierung. Sie stehen vielleicht noch stärker im Rechtfertigungszwang, weil sie scheinbar einem Mainstream nach Markt und Privatem zu widersprechen scheinen. Ich will deshalb versuchen, auch hier nicht die einfache, sondern eine differenzierte Antwort zu suchen. Grundsätzlich ist erst einmal festzustellen, dass natürlich der unternehmerische Zweck vom Unternehmensträger frei festgelegt werden kann.

So legitim es ist, dass der private Eigner sein eigenes Kapital mit dem Unternehmen mehren möchte, so akzeptabel ist es natürlich auch, dass die Genossenschaft die Mehrung der Vorteile ihrer Mitglieder zum Ziel hat. Und es ist natürlich nicht weniger berechtigt, dass ein Unternehmen in Trägerschaft der Kommunen in erster Linie der Nutzenstiftung für die Menschen einer Region verpflichtet ist.

Das ist Freiheit in der Bestimmung unternehmerischer Zwecke, die nicht einzuschränken ist. Weder durch diejenigen, die sonst ja unternehmerische Freiheit für sich selbst immer in Anspruch nehmen. Noch durch Institutionen, etwa die EU, die keinerlei Berechtigung haben, sich an die Stelle der Unternehmensträger zu setzen und bevormundend tätig zu werden. Übrigens hat auch niemand etwas dagegen, dass etwa Stiftungen im unternehmerischen Wettbewerb nicht nur das Ziel der reinen Gewinnmaximierung, sondern häufig auch andere Ziele verfolgen.

Allerdings müssen sich natürlich in unserer heutigen Wettbewerbsordnung aufgabenorientierte Unternehmen, insbesondere öffentlich-rechtliche Sparkassen, Fragen stellen lassen und überzeugende Antworten geben.

Ich sehe vor allem vier wesentliche Fragestellungen, denen wir uns stellen müssen: Wird die Aufgabenorientierung überhaupt noch gebraucht, ist sie noch aktuell? Findet die Aufgabe noch die Akzeptanz der Unternehmensträger?

Behindert die Aufgabenwahrnehmung andere Unternehmen im Wettbewerb? Und: Bedeutet Aufgabenorientierung, dass man auf Gewinne verzichten kann oder muss?

Zur ersten Frage, der Aktualität der Aufgabe. Sparkassen und hier und da auch Genossenschaftsbanken müssen sich immer wieder mit dem Vorwurf auseinandersetzen, ihre Aufgabe habe sich überholt. Ich glaube, dass denjenigen, die dies etwa bei den Sparkassen behaupten, die Fähigkeit oder die Bereitschaft fehlt, die historische Aufgabe der Sparkassen richtig in die heutige Zeit zu übersetzen. Allen Menschen in allen Regionen einen Zugang zu kreditwirtschaftlichen Leistungen zu geben, hat sich keineswegs überholt, sondern ist eher noch wichtiger geworden.

Die Menschen mitnehmen

Wir haben schließlich leider eine auseinander driftende Gesellschaft, wo es einen zunehmenden Teil der Bevölkerung gibt, der allein wirtschaftlich nicht interessant für den Markt ist. Und wir haben doch auch immer mehr Regionen, die wirtschaftlich an den Rand geraten und vor Ort Kreditinstitute brauchen, die sich trotz oder gerade wegen der Schwierigkeiten ausschließlich für diese Region verantwortlich fühlen.

Wir können doch nicht übersehen, dass die Kenntnis vieler Bürger im Umgang mit Geld sinkt und die Überschuldung steigt. "Erziehung zum Sparen" hätten wir das früher als Aufgabe von Sparkassen genannt. Heute würden wir es wohl eher als Förderung der Finanzkompetenz bezeichnen. Und es ist doch wohl auch nicht von der Hand zu weisen, dass gerade die kleinen und mittleren Unternehmen mit den Sparkassen auch dann gut gefahren sind, wenn andere Institute sich in wiederkehrenden Zyklen zurückgezogen haben. Ich könnte jetzt viele Beispiele nennen. Die meisten sind bekannt. Deshalb nur so viel: Die Stärke der Sparkassen war es immer, in Zeiten großer gesellschaftlicher Umbrüche möglichst viele Menschen mitzunehmen und zu Eigenvorsorge zu befähigen. Nie war dies stärker gefragt als in den jetzigen Umbruchzeiten, die wir Globalisierung nennen und die nicht wenig Verlierer produzieren können.

Sympathiewerte bei den Kunden

Die zweite Frage ist die nach der Akzeptanz der Aufgabenwahrnehmung. Sicherlich haben wir hier unterschiedliche Blickwinkel. Der eine oder andere wird jetzt auf den IWF, Teile der EU-Kommission oder Institutionen der Kapitalmärkte verweisen, die die Sparkassen entbehrlich finden.

Aber, kommt es darauf an? Ich meine nicht. Jedenfalls sollte es das nicht. Ich habe in meinem politischen und wirtschaftlichen Leben gelernt, mehr auf das zu hören, was die Menschen - oder bei uns - die Kunden wollen.

Und da stelle ich fest, dass jeweils 80 Prozent der Deutschen die Sparkassen als gemeinwohlorientierte Unternehmen wollen, dass Länder und Kommunen von diesem System zutiefst überzeugt sind und für sich Vorteile darin sehen, dass wir täglich fast 50 Millionen Kunden überzeugen, die jederzeit zu anderen Anbietern gehen könnten und dass wir die stärkste Marke, das höchste Vertrauen und die intensivste Sympathie in der ganzen Kreditwirtschaft haben.

Nach mangelnder Akzeptanz klingt das nicht gerade. Deshalb ist es doch mehr eine Frage, ob ferne Institutionen oder private Wettbewerber besser als die Menschen selbst wissen können, was gut für sie ist. Und ich sage ganz deutlich: Wir haben kein Interesse, dass die Europaverdrossenheit weiter steigt, aber wir stellen es leider fest. Und das hat auch mit der Sparkassenfrage zu tun, weil die Menschen dies als ein sehr greifbares Beispiel sehen, wo gegen ihre Interessen argumentiert und gehandelt wird.

Unberechtigte Wettbewerbsvorteile?

Die dritte Frage ist die nach der Behinderung anderer im Wettbewerb, das heißt die Frage, ob es unberechtigte Wettbewerbsvorteile gibt. Allerdings ist nicht schon die Existenz eines Wettbewerbers eine unzulässige Behinderung, wie es hier und da verstanden wird. Die privaten Banken selbst haben gesagt, mit der Änderung der Haftungsgrundlagen sei ein Level Playing Field hergestellt. Warum gilt das jetzt plötzlich nicht mehr? Jetzt wird behauptet, Sparkassen würden die Preise verderben, weil sie keine Gewinne machen würden. Also meine Wahrnehmung ist, dass mit Preisdumping derzeit im Privatkundenbereich die privaten, online-gestützten Distanzbanken vorgehen. Und im Firmenkundenbereich sind es eher die Geschäftsbanken, die in dem Versuch, den einmal aufgegebenen Markt zurück zu erobern, "unter Wasser schießen".

Aber wenn der Bankenverband unseren Kunden weiter mitteilen will, dass es bei den Sparkassen die günstigsten Preise gibt: Ich hindere sie nicht. Leider stimmt es nicht immer.

Unterschiedliche Renditemaßstäbe

Ein anderer, inzwischen sehr beliebter Vorwurf ist, die Sparkassen würden zu wenig ausschütten. Dieser Punkt ist bemerkenswert, weil er völlig außer Acht lässt, welches eingezahlte Kapital eigentlich zu bedienen wäre. Das gilt in beide Richtungen: Bei den börsennotierten Banken sollten wir die Ausschüttungen auch eher am eingezahlten, denn am Stammkapital messen. Und bei den Sparkassen kann kaum übersehen werden, dass das Kapital selbst erworben und nicht von Dritten zur Verfügung gestellt worden ist. Was sagen uns also die in den Markt getragenen Vergleiche? Nichts, außer dass wir ganz unterschiedliche Voraussetzungen haben!

Es wird zu oft bei den Forderungen nach Privatisierung übersehen, dass die Sparkassen seit über 200 Jahren im Wettbewerb sind. Uns braucht niemand in den Wettbewerb führen oder ihn uns erklären. Das unterscheidet uns von ehemals öffentlichrechtlichen Monopolanbietern, bei denen Wettbewerb nur über Privatisierung zu erreichen war. In der Kreditwirtschaft würde wegen der dann folgenden Konsolidierungsbewegungen die Privatisierung zu weniger Wettbewerb führen. Nicht zuletzt der ehemalige EU-Wettbewerbskommissar van Miert hat darauf vor nicht langer Zeit hingewiesen.

Bleibt die vierte und letzte Frage nach der Notwendigkeit oder Berechtigung von Gewinnen. Bei aller Aufgabenorientierung stelle ich mir die Sparkassen nicht als Sozialeinrichtungen ohne Marktorientierung vor. Die brauchen wir auch, um die beschriebenen Aufgaben ohne staatliche Alimentierung erfüllen zu können. Der Unterschied zu gewinnorientierten Kreditinstituten ist, dass es wohl keine 25 Prozent Rendite sein können und sein werden. Nicht zuletzt auch deshalb, weil wir der Meinung sind, dass ein Geschäft gemacht werden sollte, wenn es sich rentiert, selbst wenn es unter einer gesteckten Höchstrenditemarke liegen sollte.

Ich möchte das auch ganz praktisch sagen: Wenn heute ein mittelständisches Unternehmen in einer Region wackelt, dann wird sich eine private Bank im Zweifel eher gegen den Kunden entscheiden, weil sie Kapital retten will. Eine Sparkasse entscheidet sich im Zweifel für den Kunden. Und zwar nicht deshalb, weil sie weniger rechnen kann. Sondern weil sie weiß, dass an diesem Unternehmen Mitarbeiter hängen, von denen die Hälfte Sparkassenkunden sind und ein erklecklicher Teil dort das Eigenheim finanziert hat. Sie weiß, dass von dem Unternehmen Lieferanten und andere Betriebe abhängig sind, die ebenfalls Sparkassenkunden sind. Und sie weiß, dass es ihr morgen in der Region schwer fallen wird, gute Geschäfte zu machen, wenn sie nicht heute den Betrieben hilft, die noch vertretbare Chancen haben.

Prinzip der Nachhaltigkeit

Jede Sparkasse steht in einer symbiotischen Beziehung mit ihrem Geschäftsgebiet: Was der Region förderlich ist, stärkt auch die Sparkasse. Umgekehrt bedeutet Schaden für die Region zugleich Schaden für die Sparkasse. Dieser Zusammenhang verpflichtet die Sparkasse zum Prinzip der Nachhaltigkeit: Sie richtet ihr wirtschaftliches Handeln darauf aus, die aktuellen Geschäftsziele zu realisieren, ohne nachfolgenden Generationen die Grundlage zu entziehen. Eine Sparkasse erreicht damit ihre ökonomischen Ziele, indem sie durch nachhaltiges Wirtschaften den Widerspruch zwischen Eigennutz und Gemeinnutz ein Stück weit aufhebt.

Wertschöpfung

Im Ergebnis erreichen die Sparkassen eine Wertschöpfung in Deutschland, die über diejenigen aller Dax-Unternehmen hinausgeht, beschäftigen zusammen mit ihren Verbundpartnern in Deutschland mehr Menschen als jedes andere Unternehmen, zahlen alleine rund zwei Milliarden Euro Steuern im Jahr und bieten 21 000 jungen Menschen überall im Land qualifizierte Ausbildungsplätze.

Sie finanzieren sich ausschließlich durch ihre eigene Geschäftstätigkeit. Könnte vielleicht einmal jemand erklären, wo hier überhaupt das Problem liegen könnte und warum hier Reformbedarf gesehen wird? Ich kenne einige Bereiche in Deutschland, die bedeutend schlechter funktionieren. Dort sollte sich der Reformehrgeiz entfalten.

Konflikte zwischen Gewinn- und Aufgabenorientierung

Ich bin zwischenzeitlich bereits auf einige immer wieder behauptete Konfliktlagen zwischen gewinn- und aufgabenorientierten Kreditinstituten eingegangen - Konflikte, die ich so nicht sehe und deren Vorwürfe wenig Substanz haben.

Zum Abschluss sei vor allem noch auf die Frage eingegangen, ob sich derartige Geschäftsphilosophien nicht mischen lassen. Uns begegnen diese Überlegungen in unterschiedlichem Gewande. In den Äußerungen des Bankenpräsidenten, wenn er behauptet, Sparkassen und Banken wiesen kaum noch Unterschiede auf und schon deshalb müssten Sparkassen veräußert werden.

Es ist sicherlich besonders apart, wenn derjenige, der gestern noch die Unterschiede zwischen den Institutsgruppen kritisiert und massiv zum Abbau von spezifischen Sparkassenregelungen beigetragen hat, heute die Ähnlichkeit bemängelt und darauf schon wieder besondere Eigeninteressen aufbaut. Ich kann diese Sichtweise aber hier vernachlässigen, weil es nicht wirklich um eine Mischung von Geschäftsmodellen, sondern um eine Kannibalisierung der aufgabenorientierten Institute durch börsennotierte Großbanken geht. Das wollen die Menschen nicht, das sollte damit geklärt sein.

Interessanter ist da die Vorstellung vor allem der EU-Kommission, man könne entweder Private mit der Wahrnehmung gemeinwohlorientierter Aufgaben betrauen oder sie zumindest in solchen Instituten beteiligen. Im Falle Berlin spielen derartige Überlegungen immer wieder eine Rolle. Nun hat Berlin schon einmal gezeigt, dass eine Verbindung einer gemeinwohlorientierten Sparkasse mit privaten Investoreninteressen ein grandioser Fehlschlag werden kann. Dort ging es allerdings auch mehr darum, die Sparkasse als Kapitallieferant für die damals schwächelnde Berliner Bank zu benutzen - mit den bekannten Folgen. Auch hier ist es eine gewisse Ironie, dass die dadurch geschädigte Institutsgruppe jetzt noch einmal zahlen soll.

Geschäftsphilosophie nicht beschädigen

Ich bin - wie gesagt - der Meinung, dass auch gewinnorientierte Banken ihre Aufgaben für die Gemeinschaft darlegen sollten. Und umgekehrt müssen natürlich auch aufgabenorientierte Institute Gewinne machen. Aber eine Vermischung beider Geschäftsphilosophien ist nicht ohne Schaden möglich. Man muss sich letztlich entscheiden, was den Vorrang genießen soll. Das ist wichtig für die konkrete Geschäftspolitik im Alltag, die sich - wie ich gezeigt habe - durchaus unterscheidet. Es ist aber noch wichtiger für die Wahrnehmung des Kunden, der genau wissen möchte, mit wem und was er es zu tun hat.

Wir wissen heute genau, dass der Kunde unter einer "Sparkasse" ein gemeinwohlorientiertes, auf die Region bezogenes und kommunal gebundenes Kreditinstitut versteht und dies auch erwartet. Er würde irritiert, wenn sich dahinter eine auf Gewinnmaximierung konzentrierte Bank oder ein Finanzinvestor verbergen würde. Der Marke würde damit ein nicht wieder gut zu machender Schaden zugefügt. Deshalb wollen wir nicht, dass Private die Bezeichnung "Sparkasse" nutzen können. Das müsste doch ein besonderes Verständnis gerade bei denjenigen finden, die sonst immer die Wichtigkeit und Unverletzlichkeit von Eigentumsrechten propagieren.

Wir glauben nicht, dass man über Gesetze - noch dazu über sehr allgemein formulierte wie in Berlin - einen Privaten dauerhaft an die Erfüllung von Aufgaben des Gemeinwohls binden kann. Da wird es Ausweichbewegungen geben, die das Land Berlin nicht wird einfangen können und die EU nicht wird einfangen wollen. Deshalb geht es bei unserem Interesse an einem Erwerb der Landesbank Berlin nicht zuletzt darum, ein vorwiegend aufgabenorientiertes Kreditinstitut in der Hauptstadt zu erhalten und unsere Geschäftsphilosophie nicht beschädigen zu lassen. Dafür werden wir uns einsetzen. An dieser Zielsetzung hat sich für den DSGV nichts geändert, selbst wenn der Spiegel anderes zu berichten wusste.

Von Pluralität profitieren

Wir sollten die grundlegenden Unterschiede zwischen gewinn- und aufgabenorientierten Kreditinstituten sehen, respektieren und auch nicht verwischen. Von einer Pluralität der Geschäftsmodelle kann unser Land, können unsere Kunden und kann auch Europa nur profitieren. Es gibt gar keinen Grund, sich auf nur ein angeblich überlegenes System zu beschränken. Der Markt wird letztlich entscheiden, welche Geschäftsphilosophien er akzeptiert. Solange wir uns dort mit unserer Philosophie durchsetzen, hat niemand das Recht, unsere Strukturen in Frage zu stellen. Ich bin deshalb dagegen, einen "Kulturkampf" zu führen.

Viel wichtiger ist es zu erkennen, dass wir voneinander profitieren: Die börsennotierten Banken von Sparkassen und Genossenschaftsbanken, weil diese ihnen viele Aufgaben abnehmen, die sie in ihrem globalen Wettbewerb eher behindern würden. Und Sparkassen und Genossenschaftsbanken von privaten Instituten, indem diese sie im Wettbewerb fordern und damit verhindern, dass man sich im wohligen Bewusstsein der Gemeinwohlorientierung ausruht.

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