Gespräch des Tagess

Sparkassenpolitik - Mehr private Beteiligung und ...

RA Dieter Posch, hessischer Staatsminister a.D.und stellvertretender
Vorsitzender der FDP Hessen, schreibt der Redaktion: "Die
Verständigung über Anstaltslast und Gewährträgerhaftung zwischen der
Europäischen Kommission, dem Bundesministerium der Finanzen,
Finanzministern der Länder Baden-Württemberg, Nord-rhein-Westfalens
für die Bundesländer sowie mit dem Deutschen Sparkassen- und
Giroverband vom 17. Juli 2001 hatte nicht nur zur Folge, dass
Anstaltslast und Gewährträgerhaftung entfallen sind. Die öffentliche
Diskussion in Deutschland hat sich auf diesen Aspekt der Verständigung
konzentriert. Die Verständigung bedeutet vielmehr auch, dass sich die
finanziellen Beziehungen zwischen den Landkreisen und kreisfreien
Städten mit den Sparkassen nicht von den Eigentümerbeziehungen eines
Gesellschafters zur privatrechtlichen Gesellschaft unterscheiden darf.
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Damit kann das Verhältnis zwischen Trägern (Landkreisen und
kreisfreien Städten) und den Sparkassen keine öffentlich-rechtliche
Sonderbeziehung eigener Art mehr sein, die ihren Grund im öffentlichen
Auftrag einer Sparkasse hat. Vielmehr handelt es sich um eine
eigentumsrechtliche Beziehung zwischen dem Träger und der Sparkasse.
Lediglich die Eigentumsübertragung kann auf Grund öffentlichen Rechts
erfolgen. Soweit der Begriff der Trägerstellung verwandt wird,
vernebelt dieser, dass es sich in Wahrheit um eine dem privaten
Kapitalgesellschaftsrecht entsprechende Finanzbeteiligung handelt.
Soweit die Bildung von Stammkapital also darauf abstellt, dass es
keine dem Zivilrecht vergleichbare Eigentümerbeziehung zwischen dem
Träger (Eigentümerin) und der Sparkasse gibt, bestehen erhebliche
Zweifel daran, dass ein solches Gesetz den bereits formulierten
Anforderungen der EU entspricht.
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Wörtlich heißt es nämlich in der Vereinbarung, ,dass die finanzielle
Beziehung zwischen dem öffentlichen Eigner und dem öffentlichen
Kreditinstitut' so geregelt sein muss, dass sie ,sich nicht von einer
normalen wirtschaftlichen Eigentümerbeziehung gemäß
Marktwirtschaftlichen Grundsätzen unterscheidet, so wie der zwischen
einem privaten Anteilseigner und einem Unternehmen in einer
Gesellschaftsform mit beschränkter Haftung.' Diese Frage muss auch vor
dem Hintergrund unterschiedlicher Stellungnahmen aus Politik,
Wissenschaft und Banken beurteilt werden. Die Deutsche Bundesbank
verhält sich zwar neutral, sie befürwortet jedoch Säulen übergreifende
Kooperationen, sofern diese betriebswirtschaftlich sinnvoll
erscheinen. Diese Position hat der Chef der Deutschen Bundesbank, Axel
Weber, auf dem Bankentag 2004 vorgetragen. Dass die EU darüber
nachdenkt, privaten Investoren den Kauf von Sparkassen zu ermöglichen,
versteht sich von selbst. Ein Indiz stellt auch die Diskussion
bezüglich des Markenschutzes der Sparkassen dar. Wenn der
Bezeichnungsschutz ,Sparkasse' (§ 40 KWG) fällt, sind daraus mehr als
nur europäische Intensionen ableitbar.
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Dass die Position der EU auch in Deutschland und dort nicht nur bei
Interessenvertretern zumindest auf Verständnis stößt, ist einem
Bericht der Financial Times Deutschland vom 13. Juni 2006 zu
entnehmen. Die Zeitung zitiert aus einem Schreiben der Leitung der
Hauptabteilung der Banken der Deutschen Bundesbank an das
Bundesfinanzministerium, in dem der Paragraf 40 des
Kreditwesengesetzes als mit dem EU-Vertrag für unvereinbar erklärt
wird. Auch bei dem Bundesverband Öffentlicher Banken werden im
Zusammenhang mit dem Berliner Streit über die Frage, ob der Name
Sparkasse an private Investoren verkauft werden darf, Stimmen laut,
die Privatisierungen nicht ausschließen. Im Saarland gibt es
Überlegungen, die Beteiligung privaten Kapitals an Sparkassen zu
erlauben.
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... eine europarechtlich sichere Lösung
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Es sollte im derzeitigen Streit eine Lösung gesucht werden, die
europarechtlich sicher und gleichzeitig dazu beiträgt, die
Ertragskraft der Sparkassen zu stärken und sie in die Lage versetzt,
im Wettbewerb mit Genossenschaftsbanken und Privatbanken, die
plötzlich wieder das Privatkreditgeschäft entdecken, ihre
Marktposition zumindest zu behaupten. An dieser Stelle noch ein
Hinweis zu den privaten größeren Banken: Sie haben in den letzten
Jahren zahlreiche Entwicklungen und Möglichkeiten nicht wahrgenommen.
Der Hinweis auf das Drei-Säulen-System darf nicht als larmoyante
Entschuldigung für den eigenen verschlafenen Konsolidierungsprozess
und verfehlte Geschäftspolitiken herhalten.
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Mit dem Wegfall der Anstaltslast und der Gewährträgerhaftung sind
Sparkassen nichts anderes als wirtschaftliche Unternehmen der Kommunen
ohne das ,Gerüst' eines öffentlich/rechtlichen Unternehmensrechts. In
vielen Bereichen der Daseinsvorsorge bedienen sich die Kommunen
privatrechtlicher Unternehmensformen. Das Ziel der Daseinsvorsorge und
die Gemeinwohlverpflichtung können gesellschaftsrechtlich bei einer in
100-prozentigen Eigentum stehende Gesellschaft einer Kommune
festgeschrieben werden. Das Gleiche gilt auch bei einer Beteiligung
Privater. ,Public Private Partnership' ist eine Möglichkeit,
Gemeinwohlinteresse und Gewinnerzielungsabsicht in Einklang zu
bringen.
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Wenn schon nicht der Mut und damit die politische Absicht besteht,
einen Rechtsformwechsel vorzunehmen, warum wird dann nicht zumindest
die Möglichkeit realisiert, Geschäftsanteile an Sparkassen zu bilden
und sowohl öffentlichen sowie privaten Kapitalgebern die Möglichkeit
des Erwerbs dieser Anteile zu geben. Unerwünschte politische
Entscheidungen könnten durch Landesgesetz ausgeschlossen werden. So
können den entsprechenden öffentlichen Anteilseignern substanzielle
Entscheidungen vorbehalten bleiben. Oder es kann geregelt werden, dass
der Anteilseigner öffentliche Hand eine Mehrheitsbeteiligung halten
muss. Die diskutierte Gefahr einer , Verschleuderung' des kommunalen
Vermögens zugunsten des Stadt oder Kreiskämmerers könnte damit
ausgeschlossen werden. Es stimmt allerdings bedenklich, wenn führende
Sparkassenvertreter dieses Argument immer wieder anführen und damit
den politischen Entscheidungsprozessen ihrer Eigentümer ein hohes Maß
an Irrationalität bescheinigen.
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Einen ersten Schritt in die richtige Richtung hat das Hessische
Sparkassengesetz mit seiner Änderung der achtziger Jahre bereits
gemacht, in dem stille Einlagen ermöglicht wurden. Die Sparkassen
haben davon keinen Gebrauch gemacht. Und die Regelung ist letztlich
auch ein Torso geblieben, weil stille Einlagen ,still zu bleiben
haben'. Private Beteiligung bis zu 49 Prozent ist kein Verrat an der
bisherigen geschäftspolitischen Ausrichtung der Sparkassen. Die
Kreditversorgung des Mittelstands als geschäftspolitisches Ziel wird
nicht an Bedeutung verlieren, wenn Mittelständler kraft
Kapitalbeteiligung im Verwaltungsrat der Sparkasse sitzen und nicht
nur die von Gnaden der Mehrheitsfraktion in einem Stadtparlament oder
Kreistag Entsandten. In den Diskussionen hat noch kein
Sparkassenvertreter erläutern können, warum Parlamentarier mehr
Sachverstand in ökonomischen oder betriebswirtschaftlichen Fragen
haben sollten als Inhaber mittelständischer Unternehmen. Die Erzielung
einer Ausschüttung oder der Wertzuwachs für den Eigentümer/Träger wäre
beileibe nicht das einzige geschäftspolitische Ziel des kommunalen
Unternehmens Sparkasse. Vielmehr würde das Gemeinwohl Interesse in der
gleichen Weise wahrgenommen werden wie das bisher der Fall ist. Eine
solche Lösung hätte zweifellos den Vorteil, den Sparkassen zu helfen.
Eine derartige Lösung wäre auf Dauer europatauglich, das
Damoklesschwert der EU/Kassation entfiele, und eine leidvolle
Diskussion würde beendet.
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Die Zeiten, in denen Sparkassenorganisationen keine Zukunftsängste
haben brauchten, weil Oma und Opa mit ihren Enkeln am Weltspartag zur
Sparkasse gingen und das Sparschwein schlachteten, sind vorbei.
Besagter Enkel ist heute vielleicht schon längst bei einer Direktbank.
Und diese Direktbank kann einer Sparkasse gehören, die sich als
Direktbankinhaber nicht mehr an das Regionalprinzip gebunden sieht!"

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