Aufsätze

Privatisierung und Finanzintermediation (II) - Baustelle Deutschland

Die Situation in Deutschland ist von dem Versuch gekennzeichnet, die privaten, genossenschaftlichen und öffentlich-rechtlichen Banken auf der Basis der gesetzlichen Rahmenbedingungen (Bundes- und Länderebene) strikt voneinander abzugrenzen. Mit öffentlich-rechtlichen Banken sind im Wesentlichen die "Landesbanken und Sparkassen" gemeint und nicht die in der Bundesbankstatistik separat ausgewiesenen öffentlich-rechtlichen "Banken mit Sonderaufgaben" (KfW-Gruppe und andere).

Hohes Konsolidierungstempo

Fusionen und Übernahmen finden in der Regel innerhalb der jeweiligen Sektoren und nur in Ausnahmefällen sektorübergreifend statt. Im letzteren Fall ist dies im Allgemeinen nur in einer Richtung möglich, nämlich durch den Kauf privater Banken durch öffentliche Banken. Eine sektorübergreifende Zusammenarbeit ist institutionell nur im Back-Office möglich, nicht aber in der Produktion und im Vertrieb von Finanzprodukten. Immer wieder ist das deutsche Bankensystem sowohl in der politischen Diskussion als auch im akademischen Diskurs auf den Prüfstand gestellt worden.23)

Immerhin hat sich in dem wiedervereinigten Deutschland, ähnlich wie in den übrigen alten EU-Ländern, die Zahl der Kreditinstitute und der Bankstellen zum Teil drastisch verringert.24) Nach den Zahlen der EZB gab es zum Jahresende 2005 in Deutschland 2 089 Kreditinstitute, davon 209 (private) Kreditbanken,25) 475 öffent-lich-rechtliche Banken (463 Sparkassen und zwölf Landesbanken einschließlich der Deka-Bank Deutsche Girozentrale, 1 293 Kreditgenossenschaften und zwei Genossenschaftliche Zentralbanken) sowie 1 295 Institute im genossenschaftlichen Sektor. Damit hat sich die Zahl der Kreditinstitute in Deutschland gegenüber dem Jahr 1990 mehr als halbiert, gegenüber dem Jahr 1957 sogar um fünf Sechstel verringert. Bei den Bankstellen26) betrug der Rückgang seit 1990 immerhin noch ein Drittel, allerdings ohne die 9 056 Zweigstellen (2005) der privatisierten Postbank AG gerechnet, die seit 2004 in der Statistik als Großbank geführt wird und in der Fläche mit ihren 9 056 Zweigstellen (2005) ein fast ebenso großes Filialnetz aufweist wie jeweils das der Sparkassen oder der Kreditgenossenschaften.27)

Auch im europäischen Vergleich ist nach Ansicht der Bundesbank das Konsolidierungstempo durchaus hoch gewesen. Während im Zeitraum von 1995 bis 2004 die Gesamtzahl der Kreditinstitute im Eurosystem um knapp ein Drittel zurückgegangen ist, reduzierte sich im selben Zeitraum die Zahl der Kreditinstitute in Deutschland um mehr als 43 Prozent.

Fragmentierte Bankenlandschaft

Gleichwohl kommt die Bundesbank zum Ergebnis, dass "sich weitergehende Erwartungen, die in Konsolidierungsschritte gesetzt wurden, oft nicht erfüllt" haben.28) Gemessen an der Zahl der Banken und Bankstellen pro Kopf der Bevölkerung nimmt Deutschland nach wie vor eine Spitzenstellung ein, ist also diesem Indikator zufolge weiterhin sowohl "overbanked"29) als auch "overbranched". Dementsprechend ist die Bankenkonzentration in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern sowohl im Euroraum (EWU-13) als auch in den übrigen EU-Ländern mit Abstand die geringste. Gemessen am Marktanteil (2005) der fünf größten Institute auf der Basis der aggregierten Bilanzsumme30) betrug der Konzentrationsgrad in Deutschland 21,6 Prozent, verglichen mit durchschnittlich 42,9 Prozent im Euroraum (einschließlich Deutschland) und etwa 78 Prozent in den neuen EU-Ländern, bei größerer Variabilität in den Einzelergebnissen. Danach muss die deutsche Bankenlandschaft weiter als fragmentiert gelten.

Die CR5-Meßgröße für die Bankenkonzentration in Deutschland würde mit 67 Prozent (2003) im oberen Mittelfeld der Meßergebnisse liegen, zählte man sowohl den Verbundsektor der Sparkassen, einschließlich der Landesbanken, als auch den der Kreditgenossenschaften, einschließlich der beiden genossenschaftlichen Zentralbanken, jeweils als ein Institut.31) Auf den Sparkassensektor entfielen dann allein 34,5 Prozent und auf den Sektor der Kreditgenossenschaften 11,8 Prozent. Eine solche Klassifizierung dürfte jedoch eher einer angestrebten Zukunftsvision entsprechen als mit einer nüchternen Analyse der jetzigen Situation übereinstimmen.

Öffentliche Hand: keine monolithische Einheit

Die sogenannte öffentliche Hand ist in Deutschland keine monolithische Einheit. Sie verteilt sich auf den Bund, die Länder und vor allem auf eine Vielzahl von kommunalen Trägern, und die Geschäftsmodelle der öffentlichen Institute in öffentlicher Hand sind unterschiedlich und im Wandel begriffen. Aus der Sicht des Lagers der Landesbanken und Sparkassen wird argumentiert, dass ungeachtet der rechtlichen Selbstständigkeit der Sparkassen und Kreditgenossenschaften der jeweilige Verbund als ein Anbieter zu betrachten sei.32) Die regionale Arbeitsteilung, die den Wettbewerb um den Kunden in der jeweiligen Region zwischen den Verbundsmitgliedern stark einschränkt, der gemeinsame Marktauftritt unter einer Marke und die Bündelung vieler Back-Office-Aktivitäten lege aus ökonomischer Sicht eine solche Betrachtung nahe.

Die Tragfähigkeit dieser Argumentation wird jedoch gerade durch die fortschreitende innersektorale Konsolidierung eingeschränkt, die die lokale Nähe zum Kunden lockert. Für die weitere Konsolidierung gibt es fortdauernde Gründe: etwa die angestrebten Skalenvorteile (Economies of Scale) mittels horizontaler Fusionen und die Übernahme von schlechter gestellten Nachbarinstituten durch größere und rentablere; durch vertikale Fusionen und Holdingmodelle zwischen Landesbanken, von denen einige inzwischen als Aktiengesellschaften firmieren, und einzelnen Großsparkassen verlieren die übernommenen oder eingebundenen Sparkassen ihre Selbstständigkeit.

Eine Neuordnung der Beziehungen zwischen Landesbanken und Sparkassen dürfte noch schwieriger werden, wenn den Sparkassen eines Landes nicht mehr nur eine Landesbank gegenüberstehen würde, sondern einer noch viel stärker als schon bisher vernetzten und konsolidierten Gruppe von Landesbanken, wie dies von den Vertretern führender Landesbanken wie der LBBW samt der BW-Bank, der Bayern-LB oder der West LB AG propagiert wird.33) Alle drei Institute gehörten neben dem Sparkassenverband DSGV und privaten Finanzinstituten und Finanzinvestoren zu den Mitbietern bei dem Verkauf des dem Land Berlin gehörenden Anteils von 81 Prozent am Grundkapital der Landesbank Berlin Holding AG (LBB) samt ihrer Berliner Sparkasse (vormals Bankgesellschaft Berlin). Bislang verfolgt die West LB AG nach dem Wegfall von Anstaltslast und Gewährträgerhaftung seit dem 18. Juli 2005 die Strategie eines erheblich verstärkten Verbundes mit allen Sparkassen in Nordrhein-Westfalen und Brandenburg.34)

Dies widerspräche jedoch dem Leitbild dezentral und zugleich im Verbund geführter Sparkassen gemäß der Berliner Erklärung des DSGV von Anfang November 2005.35) Allemal verstehen sich alle großen Sparkassen wie auch eine Reihe anderer Sparkassen längst als Regional- und nicht mehr als Lokalbanken. Dadurch ist es im Verbund schwieriger geworden, die betriebswirtschaftlich optimale Kooperation zwischen den Produzenten von Finanzprodukten ohne integrierten Retailarm und den zentralen und regionalen Abwicklern von Transaktionen einerseits und den für den Vertrieb vor Ort zuständigen Finanzdienstleistern andererseits zu gewährleisten.

Der Schlüssel für die nachhaltige Zusammenarbeit im Verbund dürfte also bei der Tragfähigkeit und Fortentwicklung der unterschiedlichen Geschäftsmodelle der Landesbanken liegen. Diese wird wiederum entscheidend von den Landesgesetzgebern und den Ländern als ausschlaggebenden Kapitaleigentümern mitbestimmt werden. Es muss also noch eine längere Wegstrecke zurückgelegt werden, bevor es aus rechtlicher wie wirtschaftlicher Sicht gerechtfertigt sein könnte, die jetzigen Verbundsysteme mit allen Konsequenzen mit einem konzernrechtlichen Gebilde gleichzusetzen.

Im Übrigen wird das Regionalprinzip, ohne das kein dezentral organisiertes Verbundsystem bestehen kann, immer stärker durch den technisch möglich gewordenen Vertriebskanal des Online-Banking unterlaufen. Dies geschieht schon heute unter anderem durch die vielseitigen Direktbankangebote verbundfremder Bankengruppen, nicht zuletzt der Direktbanken unter der Kontrolle ausländicher Gruppen. Unter dem Gesichtspunkt von höheren Skalenerträgen konzentrieren sich diese auf bestimmte Finanzprodukte wie beispielsweise (Online-)Wertpapiergeschäfte, Fonds-Produkte, hochverzinsliche Termineinlagen, Hypotheken- und Konsumkredite.

Es dürfte sich jedoch als ein zweischneidiges Schwert erweisen, wollte man der verbundfremden Konkurrenz verstärkt verbundeigene Direktbanken entgegensetzen oder sogar die vom DSGV herausgegebenen Devise umsetzen, aus jeder Sparkasse - wie auch im Genossenschaftsverbund aus jeder Genossenschaft - eine Direktbank zu machen. Wenn alle gleich sind, dann wird es zwangsläufig immer ein paar wenige geben, "die gleicher sind" und letztlich das Rennen machen werden.

Größter Stein des Anstoßes in der politischen wie wissenschaftlichen Diskussion bleiben jedoch weiterhin die sehr begrenzten Möglichkeiten einer sektorübergreifenden36) Konsolidierung im Kontext des deutschen und europäischen Bankenmarktes. Weil in Deutschland die Landesbanken und Sparkassen, von wenigen Ausnahmen abgesehen, bisher prinzipiell öffentlichrechtlich organisiert sind und öffentliche Eigentümer haben - in einigen Fällen auch dort, wo gesellschaftsrechtlich nicht die staatliche Trägerschaft, sondern beispielsweise die Form einer Aktiengesellschaft oder GmbH gewählt worden ist -, ist mit der Frage einer sektorübergreifenden Konsolidierung auch unweigerlich auch die Möglichkeit und Wünschbarkeit einer (Teil-)Privatisierung verbunden.

Aufgabenorientierung versus Effizienz

Im Rahmen des gewählten Themas soll hier aber nicht die prinzipielle Privatisierungsfrage aufgegriffen werden, wie jüngst wieder von Tom Wilfer, der für eine umfassende Sparkassenreform eintritt, trotz vorhersehbarer und anhaltender politischer Widerstände für eine Vollprivatisierung als einzig zielführende Lösungsalternative. Selbst eine Trennung der Geschäftsaktivitäten von der Erfüllung gemeinwohlorientierter Aufgaben nach italienischem Vorbild wird von ihm als eine unzureichende Reform verworfen.37)

Durchaus relevant wäre auch die Frage, inwieweit ein Aufgabenmandat oder eine selbst gewählte Aufgabenorientierung als Rechtfertigung für die Tätigkeit öffentlicher Kreditinstitute wirklich im Widerspruch zum Effizienzziel steht, also zum Unternehmensziel einer optimalen Gewinnerzielung. Dies hängt durchaus auch von der Art der übernommenen Aufgabe ab: Beispielsweise sind ein allgemein erleichterter Zugang zu Privatkrediten und die Bereitstellung weiterer Finanzdienstleistungen für sozial schwächere Bevölkerungsgruppen sowie die Gewährung von preiswerten Startkrediten für KMUs in der Frühphase ihrer Entwicklung risikoreich und versprechen daher nur einen vergleichsweise geringen Gewinn.

Ein erfolgreiches Engagement als Sponsor für gemeinnützige Zwecke (Kultur, Sport, Ausbildung), eine angemessene Kapitalverzinsung einschließlich der Kräftigung der Eigenkapitalbasis sowie die Zahlung von Unternehmenssteuern setzen dagegen die Erzielung hoher Gewinne und eine gute Effizienz in der Unternehmensführung voraus. Nur erzielte Gewinne lassen sich nämlich verteilen oder abführen. Im Einzelfall bliebe es jedoch unter dem Gesichtspunkt einer wettbewerbsorientierten Marktwirtschaft und der Einhaltung fairer Wettbewerbsregeln abzuklären, inwieweit heute noch ein offensichtliches Marktversagen als Rechtfertigung für aufgabenorientierte Bankdienstleistungen herangezogen werden kann.

Europarechtliche Aspekte

Aus europäischer Sicht geht es auch nicht darum, im Einzelnen alle Pros und Kontras öffentlicher Kreditinstitute, wie Landesbanken und Sparkassen, im Vergleich zu privaten Finanzdienstleistern miteinander abzuwägen und ein Gesamturteil abzugeben. Dies hat auch die Europäische Kommission nie getan. Europarechtlich ist Deutschland nicht verpflichtet, die öffent-lich-rechtlichen Sparkassen (und Landesbanken) zu privatisieren, da Art. 295 EGV die Eigentumsordnungen der Mitgliedstaaten unberührt lässt.38)

Vielmehr sind europarechtlich Gesichtspunkte wie fairer Wettbewerb und Beihilfeverbot, Niederlassungsfreiheit und Freiheit des Kapitalverkehrs zu berücksichtigen. Europäische Wettbewerbsregeln und Beihilfeverbot spielten bereits zu Beginn dieses Jahrzehnts eine große Rolle, als nach langen Verhandlungen auf der Verwaltungsebene, das heißt ohne einen Urteilsspruch des Eu GH, Landesbanken und Sparkassen gezwungen wurden, die staatlichen Haftungszusagen in Form von Anstaltslast und Gewährträgerhaftung aufzugeben. Am 17. Juli 2001 besiegelte die EU-Wettbewerbskommission gemeinsam mit Vertretern der deutschen Bundesländer und des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes die Abschaffung der Staatsgarantien für Neugeschäfte nach einer Übergangszeit von fünf Jahren.39)

Außerdem wurden die West LB und einige andere Landesbanken in 2004 gezwungen, unrechtmäßig erhaltene Beihilfen zurückzuzahlen, die sie von den Ländern zur Stärkung ihrer Eigenkapitalposition erhalten hatten, teilweise zum Beispiel in Form von niedrigverzinslichem Sondervermögen. Diese Gelder bekamen sie jedoch von den Ländern in Form ordnungsgemäßer Kapitaleinzahlungen zurück. Ein Versuch der deutschen Bundesregierung, 1997 in einer Nacht- und Nebel-Aktion auf der Amsterdamer Regierungskonferenz durch einen rechtlich bindenden Protokollzusatz zu Art. 222 (alt) EGV (Beibehaltung der Eigentumsordnung in den Mitgliedsländern) die Beihilfebestimmungen des Art. 92 (alt) EGV insoweit auszuhebeln, misslang.

Die Auswirkungen des Wegfalls der Staatsgarantien auf die Geschäftstätigkeit der Landesbanken war beträchtlich. Allein der Verlust des AAA-Status führte zum Wegfall erheblicher Kostenvorteile bei der langfristigen Refinanzierung am Kapitalmarkt.40) Nach Ansicht der DIW-Studie hätte ceteris paribus kaum eines der Institute in der Vergangenheit ohne Staatsgarantien profitabel arbeiten können.

An Bedeutung gewonnen hat die Zusammenarbeit mit den Sparkassen und die Rolle der Landesbanken als Produkt- und Dienstleistungslieferanten. Die Eigenkapitalrendite erhöhte sich tendenziell zu Lasten des öffentlichen Auftrags, der in den meisten Geschäftsmodellen (Ausnahmen Helaba und Sachsen-LB) keine Erwähnung mehr findet. Die Bayern-LB, die Nord-LB und die Helaba betreiben noch das direkte Fördergeschäft über speziell ausgewiesene Geschäftseinheiten.

Verkauf der Kapitalmehrheit an der LBB

Komplizierter und in seinen Auswirkungen weniger abschätzbar ist der von der Europäischen Kommission verfügte Verkauf einer Aktienmehrheit von 81 Prozent, die das Land Berlin am Grundkapital der Landesbank Berlin Holding AG (LBB) hält, vormals der Bankgesellschaft Berlin AG. Sie war vor allem im Zusammenhang mit verlustreichen Immobiliengeschäften der Tochter Berlin Hyp in eine akute Schieflage geraten und konnte nur durch eine Kapitalspritze des Landes Berlin in Höhe von 1,755 Milliarden Euro nebst umfänglichen Bürgschaften des Landes Berlin gerettet werden.

Eine besondere Brisanz hat das Thema bekommen, weil zur LBB über die Tochter Landesbank Berlin AG als Träger auch die (profitable) öffentlich-rechtliche Berliner Sparkasse gehört, die am Markt unter ihrem Namen und mit dem bekannten roten S-Logo und dem aufgesetzten Punkt auftritt.41) Nach Abschluss eines Beihilfeprüfungsverfahrens nach Art. 88 Abs. 2 EGV hat sich die Bundesregierung, unterstützt durch den DSGV als Vertreter der Sparkassen, dagegen gewandt, dass die am 18. 2. 2004 verfügte Auflage beim Verkauf der Kapitalmehrheit am Grundkapital der LBB die Verpflichtung enthält, in einem "offenen, transparenten und diskriminierungsfreien Veräußerungsverfahren" auch private in- oder ausländische Käufer zuzulassen. Dies verstoße gegen den Schutz der Bezeichnung "Sparkasse" gemäß § 40 KWG.42)

Nicht umstritten ist dagegen, dass die vormals öffentlich-rechtliche Landesbank Berlin nach einer Neufassung des Berliner Sparkassengesetzes zum 1. Januar 2006 in die Landesbank Berlin AG umgewandelt und danach mit der Trägerschaft an der - öffentlich-rechtlichen - Berliner Sparkasse beliehen wurde.

Kompromisslösung

In einer Kompromisslösung zwischen Kommission und Bundesregierung besteht die Kommission nicht mehr auf einer formellen Änderung des § 40 KWG, während einem möglichen privaten Investor ausnahmsweise gestattet wird, die Bezeichnung "Sparkasse" fortzuführen. Sie gibt sich zunächst und im Ergebnis mit einer europarechtkonformen Auslegung bestehender nationaler Normen zufrieden. Die Bundesregierung sieht die Kompromisslösung als eine einmalige "Insellösung" an, da staatliche Beihilfen geflossen seien und die Kommission bei deren Genehmigung Privatisierungsauflagen erteilt hätte. Für die Kritiker erscheint diese Lösung als ein Pyrrhussieg der deutschen Seite, da die Streitfrage des § 40 I Nr. KWG trotz oder gerade wegen der für die "Berliner Sparkasse" getroffenen politischen "Insellösung" rechtlich nicht beigelegt sei. Im Kern ginge es im vorliegenden Fall auch garnicht um eine genehmigungspflichtige Beihilfe unter bestimmten Auflagen, was ein möglicher nächster Streitfall ohne gleichzeitige Verbindung mit einem Problem unzulässiger Beihilfegewährung schnell offenbaren könnte.

Geschwandtner/Bach sind zum Beispiel der Meinung, dass es eines Rückgriffs auf das Europarecht garnicht bedürfe, weil sich erstens in Reaktion auf § 40 KWG und auf den Kompromissvorschlag der Bundesregierung schon mit Blick auf die "in ihrem Marktantritt, ihren Wurzeln, Zielen und Überzeugungen vergleichbaren 1 266 Volks- und Raiffeisenbanken (Gesamtbilanzsumme 599,3 Milliarden Euro)" argumentieren ließe, dass "die breite Bevölkerung sowie den Mittelstand in der Fläche finanzwirtschaftlich versorgen zu wollen,43) kein sparkasseneigenes oder den Sparkassen vorzubehaltendes (öffentliches) Ziel sei". Ein breit angelegter "öffentlicher Auftrag", wie ihn die Sparkassengesetze niederlegen, sei verfassungsrechtlich, ordnungspolitisch und aufgrund der Marktentwicklung auch sachlich nicht mehr greifbar.44) Insbesondere seien "Marktversagenstatbestände ... nicht (mehr) gegeben".

Zweitens, spräche gegen den Bezeichnungsschutz im Sinne von § 40 I Nr. 1 KWG, § 40 Ia "KWG-RegE" als Verbraucherschutz, dass die Bindung privater Sparkassenerwerber an die in den Nummern 1 bis 4 angeführten "Sparkassenmerkmale" firmenrechtlich nicht zwingend sei. Sparkassen würden wie alle Banken an ihrer tatsächlich ausgeübten Tätigkeit, ihrem Marktauftritt und nicht an ihrer Organisationsform oder dem satzungsmäßigen Unternehmensgegenstand gemessen und danach zu Recht als traditionell mittelständische, in ihrer Anlagepolitik eher konservative und kompetente Banken mit Ortsbezug und persönlicher "Nähe zum Kunden" wahrgenommen. Rechtlich greifbar existiere aber "die eine Sparkassenaufgabe" oder "der öffentliche Auftrag" nicht.

Witt/Gregoritza verlassen sich dagegen nicht auf eine solche Argumentation. Sie greifen auf die Nichtvereinbarkeit mit dem Europarecht zurück. Danach sei § 40 KWG nicht mit der Niederlassungsfreiheit gemäß Art. 43 Abs. 1 S. 1 EGV vereinbar, da ein privater Erwerber einer privatisierten Sparkasse mit dem Verlust der Bezeichnung "Sparkasse" und dem typischen Sparkas-sen-Logo eine empfindliche Minderung des Vermögenswertes der erworbenen Niederlassung hinnehmen müsste. Der § 40 KWG greife unzulässigerweise aber auch in die Freiheit des Kapitalverkehrs ein, die durch Art 56 Abs. 1 EGV gewährleistet ist, sofern er an der zu erwerbenden Sparkasse einen bestimmenden Einfluss von 20 Prozent und mehr erworben hat.

Blick auf Berlin

Längerfristig ist schwer absehbar, welchen Einfluss die juristischen Argumente und politischen Initiativen aus Brüssel und der Sog, der von der zunehmenden Konvergenz im europäischen Finanzmarkt ausgeht, auf den Prozess der Bankenkonsolidierung in Deutschland ausüben werden. Auf kürzere Sicht ging es zunächst - im Einklang mit den von der EU festgelegten Bedingungen - in einem mehrmonatigen Bieterverfahren um den bestmöglichen Verkauf des 81-prozentigen Kapitalanteils des Landes Berlin an der börsennotierten Landesbank Berlin. Nach einer erfolgreich abgeschlossenen Sanierung hat die LBB, zu der vor allem die öffentlich-rechtliche Sparkasse Berlin gehört, im vergangenen Jahr immerhin eine bereinigte Eigenkapitalrentabilität von rund 20 Prozent erzielt (ohne den Mehrerlös aus dem Verkauf der Berliner Bank AG an die Deutsche Bank AG gerechnet); die Kosten-Ertrags-Quote der Bank lag bei 56 Prozent.

Den Bieterwettbewerb unter anfänglich 19 in- und ausländischen Banken konnte die Erwerbergesellschaft des DSGV als Vertreter aller Sparkassen am 15. Juni 2007 für sich gewinnen, als ihm der Berliner Senat für insgesamt 5,3 Milliarden Euro den Zuschlag erteilte. In der Schlussphase waren neben dem DSGV nur noch die Landesbank Ba-den-Württemberg (LBBW), die einen beachtlichen Sparkassen-Retailbereich besitzt, und die private Commerzbank AG als ernsthafte Bieter übriggeblieben. Dem DSGV ging es vor allem darum, durch Zahlung eines Höchstpreises, den deutschlandweiten Verbund öffentlicher Sparkassen zu bewahren und sowohl gegenüber privaten Interessenten und Börseninvestoren aus dem Inland und "Wilderern aus dem Ausland" als auch gegenüber einigen mächtigen Landesbankfürsten abzusichern. Ein weiteres Zehntel des Aktienkapitals der LBB hat der DSGV über die Börse aufgekauft.

Der Erfolg des DSGV könnte allerdings der Auftakt für eine viel umfassendere Neuordnung und Umgestaltung der öffent- lich-rechtlichen Sparkassenlandschaft in Deutschland sein, auch ohne weitere Interventionen von Brüssel. Auf der Agenda steht eine organisatorische Neuausrichtung von Produktions-, Vertriebs- und Abwicklungsfunktionen sowohl in dem Verhältnis der großen Landesbanken einschließlich der Deka-Bank Deutsche Girozentrale untereinander (Idee einer gemeinsamen Holding) als auch der Landesbanken zu den Sparkassen in ihrem Einzugsbereich. In den durchaus unterschiedlichen Geschäftsmodellen der großen Landesbanken spielt die Stärkung der Retailkomponente eine ebenso große Rolle wie ein erhöhtes Engagement im europäischen Ausland.

Festzustellen bleibt, dass ungeachtet der erforderlichen Übernahme des gemeinsam entwickelten europäischen Acquis Communautaire der Grad der erreichten Privatisierung und Konsolidierung im Finanzsektor der alten und neuen EU-Länder weiter erstaunliche Unterschiede aufweist. Dasselbe gilt für den davon ausgehenden Wettbewerbs- und Konvergenzdruck. Dies zeigt, wie stark die rechtlichen und sonstigen institutionellen Rahmenbedingungen in der Vergangenheit national geprägt waren und auch heute ein erhebliches Beharrungsvermögen im Sinne von Pfadabhängigkeiten ("Path dependencies")45) an den Tag legen.

Wohlstandsgewinne durch Effizienz

Der schnelle und radikale Wandel im Bankensektor der neuen EU-Länder in Mittel- und Osteuropa ist nur im Zuge der revolutionären Umbrüche von einem Zentralverwaltungssystem zu einem System marktwirtschaftlicher Steuerungsprozesse möglich gewesen. Es gab und gibt mächtige Anreizstrukturen, sich schnell an die Institutionen in den alten EU-Ländern anzupassen (Erfüllung der Kopenhagener und Maastrichter Kriterien, Übernahme des Acquis Communautaire als kurze Stichworte). In den seit längerem marktwirtschaftlich organisierten alten EU-Ländern vollzieht sich der Wandel erheblich langsamer im Rahmen der überkommenen Institutionen. Gleichwohl zeigt sich auch hier, dass ein zunehmender Wettbewerb unterschiedlicher institutioneller Regelungen stattfindet. Eine bessere adaptive Effizienz auf der europäischen und darüber hinaus auf der globalen Ebene wird mit Wohlstandsgewinnen belohnt.

Für die Finanzintermediäre und die Akteure auf der politischen Handlungsebene in Deutschland stellt sich immer wieder die Frage, inwieweit sie selbst gestaltend eingreifen und den Wandel fördern wollen - oder ob sie, in Abwehrhaltung verharrend, eher zwangsläufig Objekt von Konsolidierungsprozessen im europäischen Finanzsektor werden. Dabei sollte, ungeachtet des iterativen politischen Diskurses in Einzelfragen, eigentlich kein grundlegender Dissens darüber bestehen, dass auf europäischer wie nationaler Ebene Privatisierung und verstärkter Wettbewerb ebenso wie sinnvolle Kooperation unter den Marktteilnehmern und stabile, von staatlichen Stellen gesetzte rechtliche Rahmenbedingungen des Staates keine Endziele darstellen. Sie können vielmehr nur als Zwischenziele oder Instrumente dienen, die ständig daraufhin zu überprüfen sind, welchen Beitrag sie leisten zur Erzielung einer besseren Effizienz und Stabilität des Finanzsektors und der ökonomischen Wohlstandsmehrung breiter Bevölkerungskreise.

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