Aufsätze

Ein Sicherungsnetz für Sparer – die Sicht des Europäischen Parlaments

Waghalsige Geschäftspraktiken, Eingehen unkalkulierbarer Risiken, Wirtschaftskrisen, Fehleinschätzungen oder nicht ausreichende Puffer für wirtschaftlich harte Zeiten was auch immer den Abrutsch eines Kreditinstituts auslöst, das Sicherungsnetz für den unbedarften Sparer ist unabdingbar. Denn nur so kann der Sparer darauf vertrauen, dass es die richtige Entscheidung ist, das Geld zur Bank zu tragen und nicht zu Hause unter Kopfkissen oder Matratze aufzubewahren. Um den Sparer in der Gefahrensituation ausreichend zu schützen, muss eine funktionierende Einlagensicherung gewährleistet sein. Im Nachklang der Finanz- und Wirtschaftskrise und angesichts einiger während der Krise vom Ausfall bedrohter Kreditinstitute hatte die Europäische Kommission deshalb im Juli 2010 eine Reform der Systeme zur Einlagensicherung in der EU vorgeschlagen. Gerade die großen Unterschiede bei der Ausstattung mit Finanzmitteln und die verschiedenen Schutzniveaus wurden von der Kommission kritisiert, die eine einheitliche Absicherung in Europa sicherstellen wollte. Während in Deutschland der gesetzlich geschützte Betrag vor der Krise bei 20000 Euro pro Sparer lag, galt für die französischen Bankkunden ein Schutzniveau von 70000 Euro und der italienische Sparer war sogar bis 103291 Euro abgesichert. Während der Krise wurden die ersten Staatsgarantien für alle Spar- und Girokonten ausgerufen, infolgedessen eine Anhebung auf 100000 Euro ab Januar 2011 beschlossen wurde. Zur besseren Absicherung von Einlagen hatte die Kommission unter anderem die Pflichtmitgliedschaft aller Kreditinstitute in einem Einlagensicherungssystem, den Aufbau eines Sicherungsfonds in Höhe von 1,5 Prozent der erstattungsfähigen Einlagen der Mitgliedsinstitute und eine schnelle Auszahlung der Kundengelder im Entschädigungsfall binnen sieben Tagen vorgeschlagen. Staatliche Sicherung ist inakzeptabel Die Banken in Europa reagierten teilweise empört auf den Vorschlag. Insbesondere die Forderung nach einem Fonds in Höhe von 1,5 Prozent der erstattungsfähigen Einlagen wurde als unangemessen hoch und die Auszahlungsfrist von sieben Tagen als unrealistisch kurz und nicht umsetzbar kritisiert. Die Vorschläge der Europäischen Kommission kamen jedoch nicht von ungefähr. Während der Krise hatte sich gezeigt, dass die Systeme vielmals unterfinanziert waren und der Staat einspringen musste. Hinzu kommt, dass die Absicherung wie beispielsweise in Deutschland von 20000 Euro auf 100 000 Euro angehoben wurde. Dafür müssen entsprechende Mittel vorhanden sein, um diesen Schutz auch garantieren zu können. Auch aus Sicht des Europäischen Parlaments gilt deshalb: An einer soliden Finanzausstattung von Einlagensicherungssystemen geht kein Weg vorbei. Eine ausreichende Vorsorge muss durch die Finanzinstitute selbst getroffen werden. Denn ein Sicherungsnetz durch den Staat und damit letztlich durch den Steuerzahler ist inakzeptabel und fördert nur risikoreiches Verhalten. Unter dieser Prämisse habe ich als Berichterstatter des Europäischen Parlaments in der Vorbereitung unseres Berichts zum Richtlinienentwurf der Kommission in unzähligen Gesprächen die Diskussionen mit Fachexperten, Regierungsvertretern und Banken aus vielen Mitgliedstaaten der EU geführt. Innerhalb des Europäischen Parlaments konnte schnell ein Grundkonsens für eine solide Finanzausstattung und schnelle Auszahlungsfristen gefunden werden. Durch die von Anfang an gute Zusammenarbeit und den regen Austausch mit den für das Thema verantwortlichen Abgeordneten der anderen Fraktionen wurde der Berichtsentwurf bei den Abstimmungen im Ausschuss für Wirtschaft und Währung am 24. Mai 2011 mit deutlicher Mehrheit angenommen und bildet die Grundlage für die anstehenden Diskussionen mit den Mitgliedstaaten und der Europäischen Kommission im sogenannten Trilog. Neue Bemessungsgrundlage In vielen Punkten ist den grundlegenden Vorgaben der Kommission zuzustimmen seit der Abstimmung gilt das auch für das Europäische Parlament. Die Bedeutung einer soliden Finanzausstattung wurde bereits genannt. Jedoch ist die Bemessungsgrundlage im Vergleich zum Kommissionsvorschlag zu konkretisieren. Anstelle aller Einlagen müssen die Finanzmittel des Fonds im Verhältnis zu den tatsächlich gedeckten Einlagen stehen. Denn es macht keinen Sinn, Finanzmittel für Einlagen vorzuhalten, die im Insolvenzfall gar nicht erstattet werden. Hinzu kommt, dass die Differenz zwischen allen Einlagen und den tatsächlich gedeckten in den verschiedenen Systemen der Mitgliedstaaten weit auseinander liegen können. Basiert die Berechnung für die Zielausstattung auf allen Einlagen, führt dies zu Wettbewerbsverzerrungen. Daher ist es besser, einen Sicherungsfonds von 1,5 Prozent der gedeckten Einlagen aller Mitglieder des Einlagensicherungssystems innerhalb von 15 Jahren aufzubauen - anstelle der von der Kommission vorgeschlagenen zehn Jahre. Auch eine kurze Auszahlungsfrist ist nicht nur wünschenswert, sondern notwendig. Der Kunde muss schnell Zugang zu seinen Konten erhalten, damit sein Alltag nicht vom Ausfall der Bank beeinträchtigt wird. Jedoch kann das Versprechen einer kurzen Frist, die dann im konkreten Fall nicht realisierbar ist, einen Vertrauensverlust der Kunden in die Sicherungssysteme in ganz Europa und damit auch den Ansturm auf die Bankhäuser (bank run) auslösen. Dies könnte zum Zusammenbruch des Finanzsystems führen und damit auch das Ziel der Einlagensicherung, für ein stabiles Finanzsystem zu sorgen, untergraben. Prävention stärken Deshalb sollten Systeme, die eine schnelle Auszahlung im Moment nicht bewerkstelligen können, noch bis Ende 2016 eine Übergangsfrist für eine Auszahlung innerhalb von 20 Tagen erhalten; allerdings unter der Bedingung, dass Guthaben bis zu 5000 Euro auf Anfrage des Kunden trotzdem innerhalb von fünf Werktagen ausgezahlt werden. Ab 2017 muss dann aber überall in der EU eine Entschädigung der Einleger innerhalb von fünf Werktagen sichergestellt sein. So wird einerseits dem Stabilitätsargument Rechnung getragen, aber andererseits auch eine passende Lösung für den Verbraucher gefunden. Der größte Kritikpunkt am Kommissionsvorschlag und der Punkt, der letztendlich zur umfänglichen Änderung geführt hat, ist die von der Kommission vorgesehene weitgehende Begrenzung der Verwendung der Fondsmittel lediglich auf die Entschädigung der Einleger im Erstattungsfall. Dies steht nicht nur der gängigen Praxis in Europa entgegen, sondern geht auch an einem effizienten Einsatz der Mittel vorbei. Viele Einlagensicherungssysteme in der EU nutzen die Fondsmittel nicht nur zur Entschädigung der Einleger bei Insolvenz des Kreditinstituts, sondern setzen die Mittel gezielt ein, um eine Insolvenz bereits im Voraus zu verhindern beziehungsweise um eine Fusion mit einem anderen Kreditinstitut zu ermöglichen. Diese Maßnahmen sind häufig günstiger als die Auszahlung und haben zudem den Vorteil, dass die Kunden weiterhin Zugriff auf ihre Konten haben. Die Möglichkeiten der Systeme sind dabei von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterschiedlich ausgestaltet. In Spanien wird fallweise entschieden, wie vorgegangen werden soll. In Deutschland und Österreich wird im Rahmen der Institutssicherung beziehungsweise des Haftungsverbundes von Sparkassen oder Genossenschaftsbanken der Ausfall eines Mitgliedsinstituts nicht zugelassen. Mit dem Ansatz der Kommission, dass zwei Drittel des Fonds nur für die Entschädigung im Insolvenzfall eingesetzt werden können und lediglich ein Drittel für Präventionszwecke, würde nicht nur der effiziente Einsatz der Mittel verhindert, sondern im Falle der Institutssicherung auch zwei Drittel der Gelder nie genutzt werden. Diese Vorstellungen der Kommission, die weit an der Realität vorbeigehen und bewährte Sicherungssysteme funktionsunfähig machen, ist inakzeptabel. Denn ein Sicherungsnetz muss an die jeweiligen lokalen Gegebenheiten angepasst sein, um effektiv zu schützen. Größtmögliche Flexibilität Der Ansatz des Berichtes baut daher auf dem Prinzip von größtmöglicher Flexibilität auf und berücksichtigt bewährte Praktiken in der EU. Die Mitgliedstaaten haben die Möglichkeit unterschiedliche Systeme zur Sicherung von Einlagen anzuerkennen. Alle Systeme können die Fondsmittel vollständig auch für Präventionsmaßnahmen einsetzen - ein Drittel der Mittel ohne Bedingungen und zwei Drittel unter Einhaltung von gewissen Auflagen, damit sichergestellt ist, dass bei Ausfall eines Kreditinstituts noch genügend Mittel zur Entschädigung vorhanden sind. Trotz dieser Flexibilität müssen die Sicherungssysteme jedoch alle den gleichen gemeinsamen Anforderungen unterliegen. Zu diesen zählen unter anderem die gleiche Höhe der Zielausstattung von 1,5 Prozent der gedeckten Einlagen, die kurze Auszahlungsfrist von fünf Werktagen ab spätestens 2017 und die gleichen Bedingungen für die Verwendung von Fondsmitteln. Damit erreicht man gleichen Schutz für die Bankkunden sowie gleiche Stabilität von Sicherungssystemen und verhindert Wettbewerbsverzerrungen. Die deutliche Mehrheit für diesen Ansatz bei der Abstimmung im Ausschuss für Wirtschaft und Währung gibt ein starkes Mandat für die im September beginnenden Verhandlungen mit den Mitgliedstaaten und der Europäischen Kommission. Die Abweichungen zur gemeinsamen Position der Mitgliedstaaten im Rat, die im Juni gefunden wurde, sind teilweise signifikant und die Vorstellungen einzelner Mitgliedstaaten über die Höhe des Fonds weit entfernt von einer fundierten Finanzausstattung für Einlagensicherungssysteme. So wollen die Mitgliedstaaten die bisher gültige Auszahlungsfrist von 20 Tagen beibehalten und die Verwendung der Fondsmittel ganz ohne Auflagen gestatten - bei einer Zielausstattung von lediglich 0,5 Prozent der gedeckten Einlagen. Diese Positionen sind gänzlich inakzeptabel. Das Fehlen von Auflagen für die Verwendung der Fondsmittel kann im Zweifel dazu führen, dass im Erstattungsfall nicht genügend Mittel vorhanden sind. Auch ist die Auszahlungsfrist so lang, dass der Bürger mit nur einem Bankkonto bis zu vier Wochen ohne Geld auskommen müsste. Das ist unzumutbar und schreibt lediglich den Status quo fest. In Zeiten des technologischen Fortschritts sollte im Interesse des Verbraucherschutzes ein höheres Ziel festgesteckt werden - eine Übergangsfrist bis Ende 2016 mit anschließender Auszahlungsfrist von fünf Werktagen. Die Forderung nach einer Zielausstattung von 0,5 Prozent der gedeckten Einlagen unterschreitet die Zielgröße, die die Kommission als notwendig für das Auffangen eines insolventen mittelgroßen Kreditinstituts vorgegeben hat, um mehr als das Dreifache. Man fragt sich, ob die Mitgliedstaaten bereits akzeptiert haben, dass sie in der nächsten Krise wieder mit Steuergeldern die Bankenwelt retten werden. Dies wird das Europäische Parlament nicht akzeptieren. Denn nur mit einer soliden Finanzausstattung kann das Sicherheitsnetz für den Sparer eng genug gestrickt, der Steuerzahler geschützt und ein Sicherungssystem geschaffen werden, das seinen Namen auch verdient.

Peter Simon , Geschäftsführer , World Savings and Retail Banking Institute – aisbl und European Savings and Retail Banking Group – aisbl, Brüssel
Noch keine Bewertungen vorhanden


X