EU-Kommission

Die EU-Richtlinie für die Sanierung und Abwicklung und ihre Auswirkung auf die Refinanzierung von Banken

Am 6. Juni dieses Jahres hat die EU-Kommission nach diversen Vorarbeiten auf internationaler Ebene1) und im Rahmen der EU2) einen Entwurf für eine Richtlinie für die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen vorgelegt.3) Der Richtlinienentwurf sieht die Umsetzung in nationales Recht bis zum 31. Dezember 2014 vor mit Ausnahme der Bestimmungen zum "Bail-in", die spätestens ab dem 1. Januar 2018 anzuwenden wären. Ziel des Richtlinienentwurfs ist die aus einer Insolvenz von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen entstehenden systemischen Risiken für den Finanzsektor abzuwenden, Bankenausfälle auf geordnete Weise abzuwickeln, Bankenkrisen rechtzeitig abzuwenden und Ansteckungsgefahren auf andere Institute zu vermeiden sowie Eigentümer und Gläubiger und nicht die Steuerzahler für die mit der Sanierung und Abwicklung entstehenden Kosten aufkommen zu lassen. Grob lässt sich die Richtlinie in drei Bereiche gliedern.

Abwicklungsbehörden

Präventive Maßnahmen: Die Mitgliedstaaten werden verpflichtet, öffentliche Verwaltungsbehörden mit speziellen Kompetenzen im Rahmen der Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten zu benennen (Abwicklungsbehörden). Den Mitgliedstaaten steht es frei, diese Aufgaben ihren bestehenden Aufsichtsbehörden, Zentralbanken, zuständigen Ministerien oder gesondert geschaffenen Behörden zu übertragen. Koordinierende Aufgaben und Entscheidungsbefugnisse erhält die Europäische Bankaufsichtsbehörde (EBA), die für eine einheitliche Anwendung in den Mitgliedstaaten sowie Ausarbeitung diverser technischer Standards zur Konkretisierung und Ausgestaltung der Vorschriften verantwortlich ist.

Präventiv werden alle Kreditinstitute und Wertpapierfirmen4) verpflichtet, ihrer zuständigen Behörde Sanierungspläne für den Fall einer signifikanten Verschlechterung der Finanzlage des jeweiligen Instituts zur Prüfung vorzulegen und mit ihr abzustimmen. Bei Institutsgruppen sind Sanierungspläne sowohl für die Gruppe als auch auf Ebene des Einzelinstituts vorzulegen und zwischen den nationalen Behörden und einer konsolidierenden Aufsichtsbehörde abzustimmen (Art. 7). Für Institutsgruppen übernimmt die gemäß Art. 125 und 126 der Richtlinie 2006/48/EG5) zu bestimmende koordinierende Aufsichtsbehörde wichtige Leitungs- und Koordinationsaufgaben. Bei Uneinigkeiten zwischen den Behörden kann die EBA zur Entscheidung angerufen werden (Art. 8). Kommt die zuständige Behörde zum Ergebnis, dass ein Sanierungsplan unzureichend ist oder legt ein Institut gar keinen Plan vor, entstehen weitreichende Eingriffsrechte der Behörde wie beispielsweise das Recht vom Institut zu verlangen, das Risikoprofil des Instituts zu verringern, die Unternehmens- und Finanzstrategie anzupassen, Kapitalmaßnahmen zu ermöglichen oder die Governance-Strukturen zu ändern (Art. 6 Abs. 4).

Zu den präventiven Maßnahmen zählt ebenfalls, dass die gemäß Art. 3 zuständige Behörde (beziehungsweise im Falle von Ins titutsgruppen die gemäß Art. 12 Abs. 1 für die Abwicklung der Gruppe zuständige Behörde) Abwicklungspläne für die ihr unterfallenden Institute erstellt und gegebenenfalls mit dem Institut abstimmt. In einem Abwicklungsplan werden Szenarien für die Liquidierung eines Instituts beziehungsweise einer Institutsgruppe erläutert. Der jeweilige Inhalt und Detaillierungsgrad der Abwicklungspläne, wie auch der Sanierungspläne, richtet sich nach den Auswirkungen eines möglichen Ausfalls des Instituts (Art. 4 Abs. 1 (a)). Ist die Abwicklungsbehörde der Ansicht, dass ein Institut nicht abgewickelt werden kann oder signifikante Abwicklungshindernisse bestehen, darf sie nach einer Abstimmungsperiode von vier Monaten weitreichende Maßnahmen zur Veränderung der Struktur und des Geschäftsmodells des Instituts ergreifen. Hierzu zählt beispielsweise die Verpflichtung zur Verringerung der rechtlichen oder operativen Komplexität des Instituts, zur Veräußerung von Aktiva oder zum Abbau von Risikopositionen (Art. 14).

Gruppeninterne finanzielle Unterstützungsmaßnahmen

Ferner legt die Richtlinie einen Rahmen fest, unter dem für in finanziellen Schwierigkeiten befindliche Gruppeninstitute die Gewährung gruppeninterner finanzieller Unterstützungsmaßnahmen erfolgen kann, und zwar auch dann, wenn in den jeweils anwendbaren Rechten Hindernisse für eine solche Unterstützung bestehen (Art. 16 bis 22). Die in den Unterstützungsrahmen einzubeziehenden Gruppenunternehmen sind durch das Mutterunternehmen frei bestimmbar. Die Unterstützung darf nicht ohne Gegenleistung erfolgen, und bei Unterstützungsmaßnahmen von Töchtern zugunsten der Mutter ist der Grundsatz der Reziprozität zu beachten, das heißt, die Mutter muss sich ihrerseits zur Unterstützung der Töchter verpflichten. Insgesamt muss durch die Maßnahmen die Stabilität der Gruppe wieder hergestellt werden, und die Unterstützung darf weder die Einhaltung der gesetzlichen Eigenkapital- und Liquiditätsanforderungen oder die Zahlungsfähigkeit des die Hilfe gewährenden Unternehmens gefährden noch zu einer Gefährdung der Finanzstabilität führen. Die Unterstützungsmaßnahmen werden auf Antrag gebilligt, und die Mitgliedstaaten können festlegen, dass die Eigentümer (Hauptversammlungen) aller betroffenen Gruppenunternehmen zustimmen müssen.

Eingriffsrechte: Entspricht ein Institut nicht den Anforderungen der EU-Richtlinie 2006/48/EG sind die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten berechtigt, eine Reihe von Plänen, Maßnahmen und Informationen zu verlangen (Art. 23) und so frühzeitig in die Geschäfte des Instituts einzugreifen. Hierzu zählen unter anderem die Umsetzung von Maßnahmen des Sanierungsplans, die Erstellung und Umsetzung von Umschuldungsplänen, Erstellung weiterer Maßnahmenkataloge, Einberufungsrechte von Hauptversammlungen sowie Ersetzungsbefugnisse in Bezug auf die Geschäftsführung eines Instituts.

Bestellung eines Sonderverwalters

Im Falle einer signifikanten Verschlechterung der Finanzlage, bei schwerwiegenden Verstößen gegen Rechts- und Verwaltungsvorschriften oder gegen Satzungen, bei gravierenden Unregelmäßigkeiten oder wenn die nach Art. 23 getroffenen Maßnahmen nicht ausreichen, sind die zuständigen Behörden der jeweiligen Mitgliedstaaten berechtigt, einen Sonderverwalter zu bestellen, der statt der bisherigen Geschäftsleitung die Führung des Instituts für maximal ein Jahr übernimmt. Bei Fortbestehen der Gründe für den Sonderverwalter kann die Bestellung ausnahmsweise von der Behörde verlängert werden.

Die Richtlinie stellt ausdrücklich klar (Art. 24 Abs. 7), dass die Bestellung eines Sonderverwalters nicht als Verwertungs-, Beendigungs- oder Insolvenzfall anzusehen ist. Bei Institutsgruppen koordinieren die zuständigen Behörden die Bestellung eines gemeinsamen Sonderverwalters für die betroffenen Einzelinstitute. Der EBA kommen hierbei Koordinations- und Abstimmungsaufgaben zu und, sofern sie von einer nationalen Behörde entsprechend angerufen wird, hat sie innerhalb eines Zeitraums von fünf Tagen auch das Entscheidungsrecht über die Bestellung eines Sonderverwalters.

Abwicklung von Instituten und Institutsgruppen: Ist ein Institut ausfallgefährdet, sind innerhalb eines angemessenen Zeitraums keine milderen Mittel zur Erhaltung der Solvenz ersichtlich, und liegt eine Abwicklung im öffentlichen Interesse, stehen den zuständigen Behörden ein Bündel von Abwicklungsinstrumenten zur Verfügung. Art. 31 nennt als Instrumente:

- Veräußerung des Instituts,

- Übertragung von Aktiva und Passiva auf ein Brückeninstitut,

- Ausgliederung von Vermögenswerten,

- "Bail-in".

Sämtliche Instrumente können von den zuständigen Behörden kombiniert werden, die Ausgliederung muss mit einem anderen Instrument kombiniert werden. Mitgliedstaaten können subsidiär weitere spezifisch nationale Instrument zulassen. Ferner haben die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass ihre nationalen Insolvenzanfechtungsrechte auf die Abwicklungsinstrumente keine Anwendung finden. Bleibt nach Anwendung von Abwicklungsinstrumenten das übertragende Institut als Rechtsträger bestehen, ist es nach Abschluss der Abwicklungsvorgänge in einem normalen Insolvenzverfahren zu liquidieren.

Abwicklungen auf Basis von Bewertungen: Abwicklungen erfolgen auf Basis der von einem unabhängigen Dritten vorgenommenen Bewertungen (Art. 30). Jede Bewertung ist vorläufig und durch die zuständige Abwicklungsbehörde zu bestätigen. Bei Dringlichkeit kann eine Abwicklungsbehörde eine Bewertung selbst durchführen. Die aufgrund einer solchen Bewertung entstehenden Verluste werden nach den Grundsätzen der Verlustaufteilung (Art. 29) vorrangig von den Anteilsinhabern, sodann von den Gläubigern getragen, wobei Gläubiger gleichen Rangs unterschiedlich behandelt werden können, sofern eine Ungleichbehandlung im öffentlichen Interesse ist und die Erhaltung der Finanzstabilität dies erfordert. Gläubiger dürfen allerdings nicht schlechter gestellt werden als bei einer Anwendung des normalen anwendbaren Insolvenzrechts (Art. 29 Abs. 1(f)).

Finanzierung von Abwicklungsverlusten: Etwaige über die im Rahmen eines normalen Insolvenzverfahrens hinaus entstehenden Verluste sollen möglichst durch in den Mitgliedstaaten zu errichtende Abwicklungsfonds und nicht durch die nationalen Haushalte und damit durch die Steuerzahler getragen werden. Die Mitgliedstaaten werden verpflichtet, von den Instituten getragene und beitragsfinanzierte Abwicklungsfonds nach den Vorgaben der Art. 90 bis 99 ein zurichten. Für jeden nationalen Abwicklungsfonds wird eine Zielausstattung von mindestens einem Prozent der durch die nationalen Einlagensicherungssysteme gedeckten Einlagen festgelegt. Zusätzlich sollen den nationalen Einrichtungen Kredite der Institute, der jeweiligen Zentralbanken oder sonstigen Dritten zur Verfügung stehen (Art. 96). Ferner werden sämtliche nationalen Finanzierungseinrichtungen verpflichtet, sich auch untereinander Kreditrahmen einzuräumen (Art. 97).

Bei der Abwicklungsfinanzierung von Institutsgruppen wird durch die auf Gruppenebene zuständige Abwicklungsbehörde ein Finanzierungsplan fest gelegt. Die Mitgliedstaaten haben sicherzustellen, dass jede nationale Finanzierungseinrichtung unverzüglich ihren festgelegten Beitrag leisten kann. Ferner haben die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass nationale Einlagensicherungssysteme bei der Anwendung einer Abwicklungsfinanzierung nach der Richtlinie genauso haften, als wenn das jeweilige Institut in einem normalen Insolvenzverfahren liquidiert würde. Die Einlagensicherungssysteme sind in jedem Fall so auszugestalten, dass Einleger bis zur festgelegten Höhe von 100 000 Euro entschädigt und die entsprechenden Beiträge von den Mitgliedern erhoben werden können.

Deutsches Restrukturierungsgesetz

Die Richtlinie ist in Teilen dem deutschen Restrukturierungsgesetz6) nachgebildet. Das Restrukturierungsgesetz hat die Möglichkeit geschaffen, in Schieflage geratene Banken in einem Sanierungs- beziehungsweise Reorganisationsverfahren zu sanieren und die systemrelevanten Teile eines Kreditinstituts auf eine Brückenbank zu übertragen, um diese dort zu stabilisieren beziehungsweise die verbliebenen Teile ohne Gefahren für die Stabilität des Finanzsystems abzuwickeln. Zu erwarten ist, dass die Umsetzung der Richtlinie durch Änderung des Restrukturierungsgesetzes beziehungsweise der betroffenen Einzelgesetze - insbesondere dem Kreditinstitute-Reorganisationsgesetz, dem Restrukturierungsfondsgesetz und dem KWG - erfolgt.

Das Sanierungs- und Reorganisationsverfahren (hier insbesondere die Möglichkeiten der Umwandlung von Fremd- in Eigenkapital, Ausgliederungen und Eingriffe in sonstige Gläubigerrechte), die Möglichkeit der Bestellung eines Sonderverwalters nach § 45c KWG sowie die Übertragungsmöglichkeit auf ein Brückeninstitut nach §§ 48a ff. KWG sind dem deutschen Restrukturierungsgesetz nachgebildet. Durch das Restrukturierungsfondsgesetz wurden die von der Richtlinie geforderten Abwicklungsfonds bereits eingerichtet. Die Abwicklungsinstrumente der Richtlinie sind hingegen vielfältiger als die des Restrukturierungsgesetzes. Neben der Übertragung auf ein Brückeninstitut stehen nach neuem Recht zusätzlich die Veräußerung eines Instituts und das sogenannte "Bail-in" zur Verfügung. Letzteres Instrument ist dem deutschen Recht in der von der Richtlinie vorgeschlagenen Form unbekannt.

Ferner gibt es konzeptionelle und grundlegende Unterschiede, die eine Umsetzung der Richtlinie in den bestehenden Gesetzen nicht einfach machen. So beruht die Einleitung eines Sanierungs- oder Reorganisationsverfahrens nach gegenwärtigem deutschen Recht auf dem Prinzip der Freiwilligkeit und wird auf Initiative der Bank eingeleitet (vgl. §§ 2 Abs. 1, 7 Abs. 1 Kreditinstitute-Reorganisationsgesetz). Lediglich über einen von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) bestellten Sonderbeauftragten kann indirekt ein Sanierungs- oder Reorganisationsverfahren eingeleitet werden. Ferner erfolgt die Übertragung einer Bank oder von deren Teilen auf Anordnung der BaFin. Im Reorganisationsverfahren nach dem Kreditinstitute-Reorganisationsgesetz findet zudem eine Beteiligung der Anteilsinhaber und Gläubiger statt. Diese müssen dem Reorganisationsplan, der durch das Institut und nicht durch eine Behörde wie nach der Richtlinie geschrieben wird, zustimmen (vgl. §§ 16 ff.). Dies ist in den Sanierungsund Abwicklungsvorschriften der Richtlinie nicht vorgesehen.

Bemerkenswert ist ferner, dass sowohl das Kreditinstitute-Reorganisationsgesetz als auch eine Übertragungsanordnung nach §§ 48a ff. KWG ausdrücklich neben der Krise des Instituts eine Gefährdung des Finanzsystems ausdrücklich erfordert, um Maßnahmen ergreifen zu können. Die Richtlinie nimmt hingegen bei jeder Bankenkrise eine Systemrelevanz an, und der Einsatz der Mittel ist dann unter dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu prüfen.

Einzelfragen

Die Richtlinie wirft zahlreiche Fragen auf, die detailliert zu analysieren sind und bis zur geplanten Abstimmung im Rat im Dezember 2012 in den Diskussionsprozess einzubringen sind. Eine detaillierte Gesamtanalyse würde den Rahmen dieses Beitrags sprengen. An dieser Stelle sollen lediglich einige ausgewählte Bereiche näher analysiert werden, von denen zu vermuten ist, dass sie sich auf die Refinanzierung von Instituten substanziell auswirken werden. Zu nennen sind in diesem Zusammenhang insbesondere die Regelungen zur gruppeninternen finanziellen Unterstützung sowie zum sogenannten "Bail-in".

Gruppeninterne finanzielle Unterstützung: Die Vorschriften der Richtlinie zur gruppeninternen finanziellen Unterstützung (Art. 17 bis 23) haben kein Pendant im Kreditinstitute-Reorganisationsgesetz. Sie zielen darauf ab, rechtliche Beschränkungen des nationalen Rechts für eine gruppeninterne Unterstützung zu überwinden.7) Zu den einschlägigen Unterstützungsinstrumenten im Konzern zählen:

- Ergebnisabführungsverträge,

- Gesellschafterdarlehen und funded Subparticipations,

- Garantien und unfunded Subparticipations,

- Cash-Pooling-Vereinbarungen,

- Übernahme von Risikopositionen im Wege des Vertrags- oder Umwandlungsrechts.

Mit Hilfe der Richtlinie wird man sich künftig über die Grenzen der nationalen Rechte bei der Gewährung gruppeninterner Unterstützung hinwegsetzen können. Insofern wird die Richtlinie zu einem Fremdkörper in den zumeist sehr komplexen Regeln der nationalen Rechte. Allerdings ist die Gewährung gruppeninterner finanzieller Unterstützung im Rahmen der Richtlinie an Voraussetzungen gebunden. Sie kommt grundsätzlich nur infrage, wenn das oder die begünstigten Gruppenunternehmen in finanziellen Schwierigkeiten sind. Auf der anderen Seite darf eine solche Vereinbarung gemäß Art. 16 Abs. 4 nur geschlossen werden, wenn nach Auffassung der Aufsichtsbehörde nicht gegen die Kapital- und Liquiditätsanforderungen der CRD III verstoßen wird oder bereits ein solcher Verstoß droht oder eine Insolvenzgefahr besteht.

Ist jedoch die finanzielle Schwierigkeit der begünstigten Unternehmen Voraussetzung für gruppeninterne finanzielle Unterstützung, dann ist die Grenze zu einem zumindest drohenden Verstoß gegen Kapital- und Liquiditätsanforderungen zumindest sehr fließend. Hierin ist ein Widerspruch zu sehen, der im Rahmen der Überarbeitung der Richtlinie noch adressiert werden sollte, indem nicht bereits der drohende Verstoß gegen Kapital- und Liquiditätsanforderungen der CRD III die Anwendung der gruppeninternen finanziellen Unterstützungsregeln ausschließt. Ferner erfordert die Gewährung gruppeninterner finanzieller Unterstützung in der Regel eine Abstimmung von Aufsichtsbehörden über die Grenze. Hierfür ist die konsolidierende Aufsichtsbehörde zuständig.

Zu langer Abstimmungsprozess

Dem Abstimmungsverfahren zwischen den Behörden räumt die Richtlinie einen Zeitraum von mindestens vier Monaten für eine gemeinsame Entscheidung ein. Kommt eine gemeinsame Entscheidung nicht zustande und ruft eine nationale Aufsichtsbehörde dann nach Art. 17 Abs. 4 die EBA an, verlängert sich dieser Zeitraum nochmals um bis zu einem Monat. Dieser lange Abstimmungsprozess zwischen den Behörden macht dieses Präventivinstrument unflexibel, wenn nicht sogar gänzlich unpraktikabel vor dem Hintergrund, dass sich das begünstigte Unternehmen bereits bei Antragstellung in finanziellen Schwierigkeiten befinden musste. Hier ist daher eine deutliche Verkürzung der behördlichen Abstimmungsfristen zu fordern. Das Konzept der gruppeninternen finanziellen Unterstützung erfordert von Eigentümern und Gläubigern von Instituten eine Neubewertung ihrer Risiken, da es die Richtlinie erlaubt, innerhalb von Finanzgruppen und Konzernen zukünftig über die Grenzen des anwendbaren Gesellschaftsrechts Vermögenswerte zu verschieben und Haftungsrahmen neu zu ordnen.

Bail-in: Während gemäß § 9 des Kreditinstitute-Reorganisationsgesetzes eine Umwandlung von Forderungen in Eigenkapital gegen den Willen der Gläubiger nicht möglich ist8), sieht die Richtlinie in den Art. 38 bis 51 detaillierte Möglichkeiten der Einbeziehung von Gläubigern durch die Umwandlung von Forderungen in Eigenkapital ohne deren Zustimmung vor (Bail-in). Allerdings sollen Gläubiger gemäß Art. 29 Abs. 1(f) keine höheren Verluste als in einem regulären Insolvenzverfahren erleiden. Eine Reihe von Verbindlichkeiten werden jedoch von den "Bail-in"-Vorschriften von vorneherein ausgenommen. Hierzu zählen gemäß Art. 37 Abs. 2 gesicherte Einlagen, besicherte Verbindlichkeiten, kurzfristige Verbindlichkeiten mit einer Ursprungslaufzeit von einem Monat sowie bestimmte Verbindlichkeiten gegenüber Arbeitnehmern, Lieferanten und Steuer- und Sozialbehörden. Derivate können nach Art. 38 Abs. 3 von den Abwicklungsbehörden ausgenommen werden, wenn dies für die Aufrechterhaltung sensibler Geschäftsbereiche und für die Erhaltung der Finanzstabilität erforderlich ist.

Im Gegenzug erhalten die Mitgliedstaaten die Möglichkeit, einen Mindestbestand "Bail-in"-fähiger Verbindlichkeiten über das haftende Eigenkapital hinaus festzulegen. Die Höhe richtet sich nach dem Risikoprofil eines Instituts sowie der Zusammensetzung seiner Verbindlichkeiten unter Anwendung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit. Die EU-Kommission ist gemäß Art. 38 Abs. 7 im Wege delegierter Rechtsakte für eine harmonisierte Anwendung dieser Vorschriften in den Mitgliedstaaten verantwortlich.

Unschärfere Grenzen zwischen Fremd- und Eigenkapital

Diese Regeln führen dazu, dass zukünftig die Grenzen zwischen Fremd- und Eigenkapital von Instituten unschärfer werden mit der voraussichtlichen Folge, dass sich die Refinanzierung von Banken mittels ungesichertem Fremdkapital mit einer Laufzeit über einem Monat weiter verteuern und verknappen wird. Ferner werden Banken versuchen, alle Möglichkeiten zur Begebung besicherten Fremdkapitals, insbesondere von "Covered Bonds" und Pfandbriefen soweit wie möglich auszuschöpfen, sodass es in diesem Bereich der Refinanzierung zu neuen Aktivitäten und Entwicklungen kommen wird.

Grundsätzlich sind die Ziele der Richtlinie (ebenso wie die des deutschen Restrukturierungsgesetzes), auf Banken einen speziellen Sanierungs- und Liquidierungsrahmen anzuwenden und damit systemische Risiken des Finanzsektors und eine Belastung der Staatshaushalte mit den hiermit verbundenen Kosten vermeiden zu wollen, zu begrüßen.

Grundsätzlich kritisch ist die Komplexität der Vorschriften zu sehen, die hohe Anforderungen an alle Beteiligten, insbesondere aber an die Bankenaufsicht wegen der zahlreichen neuen Kompetenzen auf einem Terrain einräumt, in dem es zumindest für Aufseher wenig praktische Erfahrung gibt.

Hohes Implementationsrisiko

Im Gegensatz zum "einfachen" Insolvenzverwalter besteht für die Bankenaufsicht nicht die Möglichkeit, die Anwendung der Vorschriften in zahlreichen "einfachen" Insolvenzverfahren zu trainieren. Insofern besteht ein hohes Implementationsrisiko, und es wird eine natürliche Reaktion geben, die Vorschriften im Zweifel nicht anzuwenden. Die Bankenaufsicht wird nun auch bei der Bewältigung von Bankenkrisen zunehmend in die Verantwortung genommen mit der Folge, dass die Entstehung von Bankenkrisen weniger als unternehmerisches Fehlverhalten, sondern als mangelhafte Beaufsichtigung und anschließend unter Umständen als fehlerhafter Umgang der Aufsicht mit einer Krise wahrgenommen wird.

Die zahlreichen Ermessensspielräume und Abstimmungsprozesse der beteiligten Aufsichtsbehörden werden Raum für Staatshaftungsfragen und Schadensersatzansprüche gegen die Bankenaufsicht eröffnen und damit zu einer Verantwortung des Steuerzahlers führen.

Im Einzelnen sind die Vorschriften der Richtlinie noch kritisch zu analysieren. Es lässt sich aber bereits jetzt prognostizieren, dass sich insbesondere aufgrund der Vorschriften zu gruppeninternen Unterstützung sowie den "Bail-in"-Instrumenten die Refinanzierung von Banken in Richtung "Covered Bonds" und Pfandbriefen verschieben wird und für unbesicherte Refinanzierungen aufgrund erheblicher zusätzlicher Risiken eine Verteuerung und Verknappung eintreten wird, die zu zusätzlichen Kosten und Risiken für Banken führen werden.

Fußnoten

1) Siehe Beschluss des G-20-Gipfels am 2. April 2009, in dem unter anderem ein internationaler Rahmen für die Abwicklung von grenzüberschreitenden Abwicklungen von Banken gefordert wird, http://www.g20.org/Documents/Fin_Deps_Reg_ Annex_020409_-_1615_final.pdf; Basel Committee on Banking Supervision, Report and Recommendations of the Cross-Border Bank Resolution Group, March 2010, http://www.bis.org/publ/bcbs162.pdf; Effective Resolution of Systemically Important Financial Institutions - Consultative Document, July 2011, http://www.financialstabilityboard.org/list/fsb_ publications/tid_146/index.htm; Key Attributes of Effective Resolution Regimes for Financial Institutions, November 2011, http://www.financialstabilityboard.org/list/fsb_publications/tid_146/index.htm. P
2) EU-Kommission, Ein EU-Rahmen für Krisenmanagement im Finanzsektor vom 20. Oktober 2010, KOM(2010), 579; DG Internal Markets and Services Working Document, Technical Details of a Possible EU Framework for Bank Recovery and Resolution vom 6. Januar 2011, http://ec..europa.eu/internal_ market/consultations/docs/2011/crisis_management /consultation_paper_en.pdf.; Hierzu ausführlich Metin/Wengler Internationale Beschlüsse und Vorbereitung eines europäischen Rahmens für Krisenmanagement, in: Brogl, Handbuch Banken-Restrukturierung, Kapitel G, Fn. 7ff., Berlin 2012.

3) Wird nachfolgend als "Richtlinie" bezeichnet; Artikelangaben beziehen sich auf die Richtlinie, sofern sie im Text nicht auf andere Rechtsakte verweisen.

4) Die Adressaten der Richtlinie werden nachfolgend als Institute zusammengefasst.

5) Capital Requirements Directive (CRD III) oder Richtlinie über Eigenkapitalanforderungen (Bankenrichtlinie), umgesetzt in deutsches Recht im Kreditwesengesetz, der Solvabilitätsverordnung (SolvV), der Großkredit - und Millionenkreditverordnung sowie in den Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk).

6) In Kraft seit 1. Januar 2011 und im Wesentlichen bestehend aus dem Gesetz zur Reorganisation von Kreditinstituten - Kreditinstitute-Reorganisationsgesetz, dem Gesetz zur Errichtung eines Restrukturierungsfonds - Restrukturierungsfondsgesetz sowie diversen Ergänzungen des KWG, insbesondere den §§ 45c und 48a bis 48s.

7) Siehe Ziffer 4.4.5 der Begründung der Richtlinie.

8) Siehe allerdings die fiktiven Möglichkeiten einer Zustimmung der Gläubiger gemäß § 19 Abs. 2 Kreditinstitute-Reorganisationsgesetz.

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