Sparkassenverbund 2012 - Frage an ...

... Peter Simon - Findet die deutsche Einlagen- und Institutssicherung ihren Platz in Europa?

Einlagensicherungsfonds, Bankenunion, Bankenabwicklungsfonds, Fiskalunion, Krisenmanagement, europäisches Einlagensicherungssystem, wahre Wirtschafts- und Währungsunion, gemeinsame europäische Finanzmarktaufsicht - um nur auf einige ausgewählte Begriffe zurückzugreifen, die derzeit für Aufregung, und mitunter für Verwirrung sorgen. Die Krise, näher ausgeführt die Wirtschafts-, Finanz-, Staatsschulden- und Währungskrise, hat Europa derzeit fest im Griff und damit vor große Herausforderungen gestellt. Oben genannte Begriffe werden als Teil des Lösungspakets diskutiert; was sich dahinter verbirgt ist teils noch unklar, teils erwünscht, teils gefürchtet. Meinungen gibt es viele. Fragen auch. Die an mich herangetragene entscheidende Frage allerdings ist dann doch sehr konkret: Kann die deutsche Einlagen- und Institutssicherung ihren Platz in Europa finden? Meine Antwort dazu: Ja, wenn wir uns auf den im Februar vom Europäischen Parlament verabschiedeten Bericht über Einlagensicherungssysteme mit dem Rat der Europäischen Union einigen können. Dazu muss sich der Rat allerdings in einigen entscheidenden Punkten, insbesondere bei der Mittelausstattung der Fonds, bewegen. Ansonsten ist eine Diskussion wiedereröffnet.

Harmonisierte Zielausstattung von Einlagensicherungsfonds erwünscht

Doch der Reihe nach. Zunächst sollten wir uns noch einmal den Sachverhalt chronologisch vor Augen führen: Im Juli 2010 hat die Europäische Kommission ihren Vorschlag zur Überarbeitung der Richtlinie über Einlagensicherungssysteme vorgelegt. Insbesondere zu lange Auszahlungsfristen bei der Entschädigung der Einleger im Insolvenzfall und die großen Unterschiede bei der Ausstattung mit Finanzmitteln der Sicherungssysteme in den Mitgliedstaaten wurden von der Europäischen Kommission im Hinblick auf einen gemeinsamen Binnenmarkt als verbesserungsbedürftig angesehen. Das Europäische Parlament hat diese Zielsetzung unterstützt. Denn eine Sicherung der Einlagen durch Steuergelder ist inakzeptabel. Um den Staat aus der Haftung zu nehmen, muss deshalb ausreichend Vorsorge durch die Finanzinstitute selbst getroffen werden. Allerdings schwankte die Finanzmittelausstattung der Einlagensicherungssysteme in der Krise zwischen maximal 27 Millionen Euro und 8,1 Milliarden Euro, während sich die geschützten Einlagen EU-weit auf zirka 5,7 Billionen Euro beliefen. Eine harmonisierte belastbare Zielausstattung von Einlagensicherungsfonds in der EU ist daher dringend geboten.

Der Vorschlag der Europäischen Kommission jedoch hatte zwei Sicherungssysteme Deutschlands - die Institutssicherung von Sparkassen und Genossenschaftsbanken und die freiwillige Sicherungseinrichtung der privaten Banken - in Bedrängnis gebracht. Die freiwillige Sicherungseinrichtung deshalb, weil nur noch gesetzliche Einlagensicherungssysteme zulässig sein sollten, damit keine Wettbewerbsverzerrungen entstehen. Da aus meiner Sicht jeder zusätzliche Schutz der Sparer aber nur zu begrüßen ist, habe ich als Berichterstatter mit parteiübergreifender Unterstützung der zuständigen deutschen Kollegen im Europäischen Parlament durchgesetzt, dass freiwillige Systeme nach Auffassung des Parlaments auch weiterhin bestehen dürfen - unter der Bedingung, dass die Banken zugleich einem gesetzlichen System angeschlossen sind und nicht mit falschen Versprechungen werben, sondern den Kunden darüber in Kenntnis setzen, dass kein gesetzlicher Anspruch aus dem Zusatzsystem erwächst.

Gemeinsame Anforderungen an alle Sicherungssysteme

Die institutssichernden Systeme fühlten sich in ihrer Existenz bedroht, da sie erstmals unter die EU-Richtlinie fallen sollten. Konsequenz: Auch für sie gilt dann ein maximales Schutzniveau von 100 000 Euro pro Einleger. Da durch die Systematik der Institutssicherung grundsätzlich alle Einlagen geschützt werden sollen, sahen diese ihre Haftungsverbünde gefährdet. Auch dieses Problem konnte aber relativ einfach in den Griff bekommen werden, indem im Gesetzestext nochmals das Schutzniveau von 100 000 Euro im Insolvenzfall betont wurde - ein Fall, den die Institutssicherung nach ihrer Funktionsweise grundsätzlich immer abwendet. Und falls dennoch einmal der für jeden Institutssicherer aber undenkbare Fall der Fälle eintreten sollte, dann ist es nur rechtens, dass die Sparer bei Volksbanken und Sparkassen den gleichen gesetzlichen Anspruch genießen.

Hauptkritikpunkt am Kommissionsvorschlag war vielmehr die Begrenzung der Verwendung der Fondsmittel lediglich auf die Entschädigung der Einleger im Erstattungsfall. Dies steht nicht nur der gängigen Praxis in Europa entgegen, sondern geht auch an einem effizienten Einsatz der Mittel vorbei. Viele Einlagensicherungssysteme in der EU nutzen die Fondsmittel nicht nur zur Entschädigung der Einleger bei Insolvenz des Kreditinstituts, sondern setzen die Mittel gezielt ein, um eine Insolvenz bereits im Voraus zu verhindern beziehungsweise um eine Fusion mit einem anderen Kreditinstitut zu ermöglichen. Diese Maßnahmen sind häufig günstiger als die Auszahlung und haben zudem den Vorteil, dass die Kunden weiterhin Zugriff auf ihre Konten haben.

In Deutschland wird dies im Rahmen der Institutssicherung von Sparkassen und Genossenschaftsbanken seit Jahrzehnten erfolgreich praktiziert. Die von der Europäischen Kommission angedachte Einschränkung der Mittelverwendung hätte diese bewährten Haftungsverbünde, die ja die Insolvenz eines Mitglieds grundsätzlich abwenden, funktionsunfähig gemacht und damit voraussichtlich abgeschafft. Durch die Formulierung gemeinsamer Anforderungen an alle Sicherungssysteme bezüglich unter anderem Fondshöhe und Auszahlungsfristen, und dem Festschreiben konkreter Bedingungen zur Verwendung der Mittel auch für präventive Maßnahmen sowie von Nachschusspflichten der Institute zur Sicherstellung ausreichender Mittel für den Insolvenzfall, haben wir, das Europäische Parlament, ein Modell geschaffen, das der benötigten Harmonisierung im Binnenmarkt genügt - gleichzeitig den Mitgliedstaaten aber genug Flexibilität gewährt, den lokalen Bedürfnissen entsprechende Systeme beizubehalten oder zu etablieren.

Angemessene Finanzausstattung des Einlagensicherungsfonds als Streitpunkt

So auch im Falle Deutschlands, das dadurch sein sektorales Sicherungsnetz von Einlagensicherungsfonds der privaten Banken, der öffentlichen Banken und der Institutssicherungssysteme von Sparkassen und Genossenschaftsbanken weiterführen könnte. Selbstverständlich unter der Bedingung, dass jedes der Systeme die gemeinsamen Anforderungen an alle Sicherungssysteme in der EU erfüllt. Und es lässt sich hier zweifelsohne sagen, dass trotz des Anspruchs, ein gemeinsames europäisches Regelwerk für einen gemeinsamen Finanzmarkt zu schaffen, nationale Besonderheiten berücksichtigt werden können, und damit auch die deutsche Einlagen- und Institutssicherung einen Platz in Europa haben könnte.

Von dieser Systematik des Europäischen Parlaments konnte ich im Rahmen der Verhandlungen auch den Rat der Europäischen Union, der die Regierungen der Mitgliedstaaten repräsentiert, überzeugen. Allerdings blieb dies einer der wenigen Punkte, bei denen zwischen beiden Gesetzgebern eine vorläufige Einigung erzielt werden konnte. Denn die Vorstellungen des Rates insbesondere über eine angemessene Finanzausstattung von Einlagensicherungsfonds sind fahrlässig und würden wieder dazu führen, dass der Steuerzahler im Ernstfall herangezogen werden müsste: So forderten die Ratsvertreter zu Beginn der Verhandlungen ein Fondsvolumen (0,5 Prozent der gedeckten Einlagen), das lediglich zwei Drittel dessen betrug, was die Europäische Kommission letztendlich als Mindestvolumen zur Entschädigung der Einleger bei Insolvenz eines höchstens mittelgroßen Kreditinstituts bezifferte (1,5 Prozent der gedeckten Einlagen); und von dessen Notwendigkeit die Europäische Kommission auch das Europäische Parlament überzeugte.

Eine derartige Herabsetzung des Fondsvolumens - und damit des vorgesehenen Schutzniveaus - wie vom Rat gefordert, war und ist von Parlamentsseite ausgeschlossen. Um die ins Stocken geratenen Verhandlungen hatten die Mitgliedstaaten auf Druck des Parlaments dann doch Zugeständnisse gemacht und eine Fondshöhe von einem Prozent der gedeckten Einlagen angeboten - eine Größe, die aus Sicht des Europäischen Parlaments zwar der weiteren Diskussion bedarf, aber zumindest die Verhandlungen wieder in Gang hätte bringen können. Allerdings lag hier der Teufel im Detail. Denn die neue Summe sollte nicht nur als Obergrenze für die Einlagensicherung gelten, sondern auch gleich noch den zukünftigen Bankenrestrukturierungsfonds mitfassen - mit dem zu große beziehungsweise systemrelevante Banken abgewickelt werden sollen. Aus Sicht des Europäischen Parlaments unverständlich und unangemessen und dem Steuerzahler gegenüber nicht verantwortbar.

Die Blockadehaltung des Rates insbesondere zur Mittelausstattung hat letztendlich auch dazu geführt, dass das Europäische Parlament seine Vorstellungen über eine funktionierende und angemessene Einlagensicherung in der EU im Februar 2012 auch ohne Einigung mit dem Rat im Plenum mit großer Mehrheit abstimmte. Denn eine zügige Implementierung und Umsetzung der Richtlinie ist angesichts der Finanzkrise und der Unsicherheit auf den Märkten und bei den Sparern dringend geboten. Allerdings scheinen die Mitgliedstaaten im Rat überwiegend keine Notwendigkeit für Eile zu sehen, denn der Rat hat sich seither nicht mehr zur Ausgestaltung der Einlagensicherungsrichtlinie geäußert. Und damit auch verhindert, dass die Flexibilität für die Mitgliedstaaten bei der Ausgestaltung unter Einhaltung gemeinsamer hoher Anforderungen jetzt in der EU-Richtlinie über Einlagensicherungssysteme festgeschrieben ist.

Idee der Bankenunion

Das war der Stand der Dinge bis zum Sommer 2012, als durch das Strategiepapier der Präsidenten von EZB, Europäischer Kommission, Europäischem Rat und Eurogruppe die Idee der Bankenunion ins Leben gerufen wurde, skizziert als gemeinsame Bankenaufsicht durch die EZB, einem Europäischen Restrukturierungsfonds und einer gemeinsamen Einlagensicherungseinrichtung.

Die Europäische Kommission sieht das Inkrafttreten der Richtlinie über Einlagensicherungssysteme in ihren am 12. September vorgelegten Vorschlägen zur gemeinsamen Bankenaufsicht durch die EZB neben weiteren Gesetzgebungsverfahren, wie unter anderem zu höheren Eigenkapitalanforderungen (CRD IV) und zum Krisenmanagement bei Banken, als Voraussetzung für das einheitliche Aufsichtsregime in der Eurozone. Eine weitere Zentralisierung bei der Behandlung von Bankenkrisen und die Einführung eines gemeinsamen Abwicklungsmechanismus zählen für die EU-Kommission ebenfalls zu den Bausteinen einer Bankenunion.

Auch spricht die Europäische Kommission davon, prüfen zu wollen, ob man einen derartigen Mechanismus nach erfolgreicher Implementierung auch auf andere Funktionen im Rahmen der Bewältigung von Bankenkrisen ausdehnen sollte: eine mögliche Anspielung auf ein europäisches Einlagensicherungssystem? Mit all seinen Risiken für bestehende, funktionierende, auch in der Krise bewährte, stabile Sicherungssysteme wie zum Beispiel die deutsche Institutssicherung der Sparkassen und Genossenschaftsbanken? Die Diskussion bleibt spannend.

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