Aufsätze

RWA-Optimierung - effiziente Kapitalnutzung als notwendige Bedingung durch Basel III

Aktuell sehen sich die Banken mit den neuen Regelungen von Basel III konfrontiert, die sie stufenweise ab 1. Januar 2013 anwenden müssen. Die regulatorischen Vorgaben zielen dabei auf zahlreiche neue Anforderungen in den Bereichen Kapital, Liquidität, Verschuldung, Risikomanagement ab und sollen die Stabilität des gesamten Finanzsystems gewährleisten.1)

Handlungsbedarf für Banken

Insbesondere die Ergebnisse der quantitativen Auswirkungsstudie für Europa (EU-QIS) verdeutlichen den Handlungsbedarf für die Bankenwelt. So ergab die Untersuchung bei 230 Banken, dass die sogenannten Gruppe-1-Banken2) zusätzliche 53 Milliarden Euro "hartes" Kernkapital ("Common Equity Tier 1") für die Mindestanforderung an das Tier-1-Kapital von 4,5 Prozent sowie 263 Milliarden Euro zur Erreichung der Zielgröße von sieben Prozent Kernkapitalquote, inklusive des Kapitalerhaltungspuffers, benötigen.3) Es ist weiterhin zu beachten, dass die neuen Basel-III-Kapitalanforderungen nicht nur auf eine quantitative Erhöhung der Kapitalquoten abzielen, sondern zusätzlich eine qualitative Verschärfung, wie beispielsweise das Auslaufen von hybriden Kernkapitalelementen, beinhalten.

Eine alleinige Fokussierung auf eine kapitaleffiziente Umsetzung von Basel III lässt es erfahrungsgemäß schwierig erscheinen, die neuen strengen Kapitalanforderungen zu erfüllen. Daher sollte im Zuge der erneut notwendigen Umsetzung von aufsichtsrechtlichen Vorgaben aufgrund von Basel III gleichzeitig eine Überprüfung bezüglich der Verbesserung der Kapitalnutzung und damit einer tendenziellen Senkung der risikogewichteten Aktiva (RWA) stattfinden. Aus verschiedenen Gründen konnten zahlreiche Basel-II-Projekte nur suboptimal in Bezug auf die regulatorischen Eigenkapitaleffekte implementiert werden.

Das heißt, insbesondere systemtechnische Einschränkungen und Datenqualitätsprobleme erforderten konservative und tendenziell Kapital-belastendere Umsetzungsvorgehen. Die harten Anforderungen von Basel III erhöhen nun zusätzlich den Druck auf die Optimierung der RWA und der Nutzung des knappen Gutes (regulatorisches) Eigenkapital und lassen es daher sinnvoll erscheinen, in eine Basel-III-Umsetzung den Prozess der RWA-Optimierung zu integrieren.

Bei der Strukturierung der Handlungsfelder einer RWA-Optimierung erscheint die Einteilung in vier grundsätzliche Bereiche sinnvoll. Ein effektives Vorgehen beinhaltet in einer holistischen Betrachtung die Perspektiven Implementierungseffizienz, Wechsel des regulatorischen RWA-Kalkulationsansatzes, regulatorische Portfoliosteuerung sowie adaptives Business Modeling für die Optimierung der Kapitalnutzung. Das Zusammenspiel der einzelnen Perspektiven ist in Abbildung 1 im Überblick dargestellt.

Zu unterscheiden ist die interne Perspektive der Umsetzung regulatorischer Vorschriften zur Verhinderung von "Verschwendung" des Kapitals von der externen, marktbezogenen Perspektive der Optimierung der Business-Ausrichtung unter Berücksichtigung regulatorischer Fragestellungen. Die Kategorisierung der vier Handlungsfelder kann des Weiteren in eine operative und eine strategische Dimension erfolgen. Allein die Kombination einer technisch, implementierungsorientierten Perspektive mit einer Geschäftsmo-dell-fokussierten Analyse führt zu einem ganzheitlichen Ansatz und der vollen Potenzialentfaltung möglicher RWA-Ersparnisse.

Implementierungseffizienz

Unter Implementierungseffizienz ist ein Abgleich der regulatorischen Anforderungen laut Basel II/III und die Überprüfung auf deren effiziente Umsetzung zu verstehen. In der Praxis zeigen sich häufig insbesondere in den Bereichen (methodisch/technische) Rating-Modellierung, Pro-zess-Design und Datenqualität Optimierungsfelder. Hier sind beispielsweise die Ablösung manueller Prozesse sowie eine weitere technische Standardisierung im Meldewesenprozess unerlässlich.

Praxisbeispiel Implementierungseffizienz: Am Beispiel der Verbesserung im Bereich des Sicherheitenmanagements lässt sich die Implementierungseffizienz gut verdeutlichen. Zunächst muss von Seiten der Datenqualität überprüft werden, ob alle Sicherheiten systemseitig erfasst und ob pro Sicherheit alle notwendigen Informationen sowohl in den Front-End-Systemen als auch in den Back-Office/Meldewesensystemen vorhanden sind. Dies stellt eine Grundvoraussetzung für die weitere Optimierung dar.

In einem zweiten Schritt erfolgt die Untersuchung der zugrundeliegenden Prozesse. Wie sehen beispielsweise die Kreditprozesse im Hinblick auf die Hereinnahme, Bewertung und Überprüfung von Sicherheiten aus? Hier ist unter anderem zu überprüfen, ob die allgemeinen Anforderungen an Kreditrisikominderungstechniken gemäß § 172 SolvV als auch die spezifischen Anforderungen an die einzelnen Sicherheitenarten erfüllt sind und sich somit die Möglichkeit für eine kapitalschonende Anerkennung der Sicherheiten nach SolvV ergibt. Hierdurch lassen sich teilweise in einzelnen Portfolioklassen signifikante RWA-Ersparnisse erzielen.

Portfoliosteuerung unter RWA-Aspekten

Innerhalb der quantitativen Portfoliosteuerung sollte das gesamte Portfolio der Bank einer Analyse unter Kapitalbelastungsfragestellungen unterzogen werden, um dann anhand von Key-Performance-Indicators (KPIs) Vorgehensweisen zur Reduzierung der Eigenkapitalbelastung identifizieren zu können. Ebenfalls sind unter diesem Punkt beispielsweise grundlegende Veränderungen hinsichtlich der Bilanzstruktur, der Refinanzierung oder den Investments im Fokus der Kapitaloptimierung zu sehen.

Praxisbeispiel Portfoliosteuerung: Zur Optimierung ist ein aktives und kontinuierliches, über einmalige Anpassungen hinausgehendes RWA-Belastungsmanagement über das gesamte risikotragende Portfolio hinweg zu etablieren. Die regelmäßige, operative Analyse des gesamten Portfolios hat nicht nur unter RWA-Aspekten zu erfolgen, sondern muss für eine ganzheitliche Betrachtung alle weiteren regulatorischen Anforderungen, wie beispielsweise die Leverage Ratio, Liquiditätskennziffern unter anderem mit einbeziehen. Aufgrund der Einführung der Leverage Ratio sehen sich die Banken neuen Anforderungen bezüglich einer Bilanzoptimierung ausgesetzt. Um eine nachhaltige Steuerung des gesamten Bilanzmanagements zu gewährleisten, ist die Einführung neuer Systeme und/oder Analysetools sowie neuer KPIs unverzichtbar.

Zur Gewährleistung eines vollumfänglichen Optimierungsansatzes zielen die beiden folgenden Optionen "Wechsel des regulatorischen Ansatzes" sowie "Business Modeling" auf Verbesserungen unter strategischer Perspektive ab.

Generell kann im Zusammenhang mit einer RWA-Optimierung ein Überdenken eines jeden Instituts über einen Wechsel des regulatorischen Ansatzes sinnvoll sein. Dazu ist zunächst zu überprüfen, ob eine Anwendung von differenzierteren RWA-Berechnungsansätzen im jeweiligen Institut darstellbar ist. Hierbei kann eine Unterscheidung nach der Weiterentwicklung aus Modell- und aus Methodensicht erfolgen. Aus Modellsicht kann die Implementierung gesonderter Parameter für spezielle Portfolios in Betracht gezogen werden (zum Beispiel spezifische Modelle zur Berechnung von Kreditkonversionsfaktoren (CCFs) oder Modelle zur Berücksichtigung diverser Sicherheitenarten in der Verlustquote bei Ausfall (LGD) für IRBA-Institute.

Methoden- oder Ansatzwechsel

Im Bereich der Methoden kann ein Methodenwechsel bei einzelnen Portfolios als auch ein genereller Ansatzwechsel näher untersucht werden. Ist kein kompletter Ansatzwechsel gewünscht, kann auch die Anwendung des F-IRBA auf bisherige Forderungsklassen des Partial Use (Standardansatz) einen positiven Effekt erzeugen.

Unabhängig von dem gewählten regulatorischen Ansatz misst die Aufsicht im Rahmen des von den Instituten umzusetzenden "Internal Capital Adequacy Assessment Process" (ICAAP) der Entwicklung risikosensitiver Verfahren auch eine immer stärker werdende Bedeutung zu. Gerade bei Instituten mit einfachen regulatorischen Ansätzen kann hierdurch der Zwang zu einer Entwicklung fortgeschrittener Ansätze entstehen.

Praxisbeispiel Ansatzwechsel: Eine Überprüfung beispielsweise des Beteiligungsportfolios auf einen möglichen Ansatzwechsel zu einer ausfallbasierten Steuerung lässt grundsätzlich Einsparpotenziale erwarten. "Equity-Positionen" müssen im IRBA gemäß § 78 SolvV der Forderungsklasse Beteiligungen zugeordnet werden. Gemäß § 78 Abs. 2 SolvV ist bei der Zuordnung zunächst festzustellen, ob eine IRBA-Position zu einem Beteiligungsportfolio gehört, das intern nach einheitlichen Methoden gesteuert ist oder mit einem einfachen Risikogewicht nach § 98 SolvV bewertet wird. Demnach ist es einem Institut freigestellt, ob es die einfache Risikogewichtungsmethode für IRBA-Beteiligungen anwendet, das Risiko jeder Beteiligungsposition unter Berücksichtigung der

Ausfallwahrscheinlichkeit für das Unternehmen, an dem die Beteiligung besteht, nutzt oder ob es die Risikogewichte unter Verwendung eines Beteiligungsrisikomodells steuert. Im Gegensatz zur einfachen Risikogewichtsmethode mit Risikogewichten von mindestens 190 Prozent bis hin zu 370 Prozent, besteht grundsätzlich die Möglichkeit, innerhalb der ausfallbasierten Steuerung anhand der PD-/LGD-Berechnung das Risikogewicht je Beteiligung auf Werte zwischen 70 Prozent und 280 Prozent zu reduzieren; je nach Beteiligungsart und institutsindividuellen Voraussetzungen.

Durch den Wechsel von einem Basis-IRB-Ansatz in den fortgeschrittenen IRB-Ansatz können tendenziell auch Kapitalentlastungseffekte erzielt werden. Dennoch bedarf es auch hier einer detaillierten Analyse, da insbesondere die Berücksichtigung von individuellen Restlaufzeiten unter anderen einen Faktor darstellt, der zu einer Kapitalmehrbelastung führen könnte.

Business Modeling

Weiterhin sollten aus strategischer Sicht Anpassungen des Geschäftsmodells nicht außer Acht gelassen werden. Basierend auf den innerhalb der Portfoliosteuerung genutzten KPIs sollte eine übergreifende Prüfung des Produktportfolios, unter Einbeziehung der aktuellen und zukünftigen Geschäftsstrategie durchgeführt, werden. Hieraus kann die Identifikation von stark Eigenkapital-belastenden Produkten erfolgen, die gegebenenfalls Anpassungen im Geschäftsmodell erforderlich machen. Zu beachten sind hierbei die unterschiedlichen Auswirkungen von Basel III in Abhängigkeit von Forderungsklassen, Produkten und Geschäftsfeldern. Eine ganzheitliche Überprüfung der Strategie sollte unter Einbeziehung diverser Ebenen wie Produkte, Kunden, Risiko, Kosten und Pricing erfolgen.

Praxisbeispiel Business Modeling: Je nach Geschäftsausrichtung der Bank ist zunächst der Fokus der durchzuführenden Analyse festzulegen. Bei Retailbanken ist zu erwarten, dass sich die Änderungen aus Basel III hauptsächlich aus den erhöhten Kapital- und Liquiditätsanforderungen auf die gesamte Bank auswirken. Im Corporate Banking sind beispielsweise starke Verteuerungen im Bereich der Spezialfinanzierung zu erwarten, wohingegen beim Investmentbanking die größten produktspezifischen Änderungen, wie beispielsweise Kapitalanforderungen an OTC-Derivate, auftreten können. Je nach bestehendem Geschäftsmodell sollten Analysen nach Kundensegmenten, Produkten et cetera über das gesamte Portfolio durchgeführt werden.

Im Anschluss sind die Ergebnisse der Untersuchungen mit Bezug auf die Wirkung auf das existierende Geschäftsmodell auszuwerten und mit den Entscheidungsträgern zu diskutieren, um daraus allfällige Anpassungen abzuleiten. Als Ergebnis sollte eine klare Fokussierung beispielsweise auf die Gestaltung derer Produkte erfolgen, welche nach Abzug der Kosten für Risiko, Kapitalunterlegung sowie Kosten für Liquiditätsvorhaltung die größte Rendite versprechen.

RWA-Optimierung unter Basel III

Um die aufgezeigten vier Optimierungsfelder wirkungsvoll zum Einsatz zu bringen, müssen sie in ein strukturiertes Vorgehen überführt werden (siehe Abbildung 2).

In einer ersten Phase, dem Benchmarking, ist zunächst eine aus Market Best Practice gewonnene Longlist typischer RWA-Optimierungspotenziale im Rahmen von Exper-ten-Workshops mit den relevanten Bereichen/Abteilungen der Bank sowie durch Diskussion mit der Führungsebene auf eine institutsspezifische Shortlist zu reduzieren.

Hierdurch gelingt es, eine weitreichende Ideengenerierung effizient umzusetzen. Innerhalb der zweiten Phase werden sodann die einzelnen Optionen der RWA-Op-timierungs-Shortlist durch entsprechende Analysen der Datenqualität et cetera unter Einbezug der relevanten Risikoparameter beleuchtet, um die Hauptrisikotreiber unter Basel II und III zu ermitteln. Im Anschluss erfolgt in der dritten Phase dann die systematische Bewertung der einzelnen Optimierungsmaßnahmen unter Einbezug der folgenden Bewertungskriterien:

- Potenzielle RWA-Ersparnis

- Erwartete Kosten der Maßnahmenimplementierung

- IT-Implikationen

- Dauer der Umsetzung

- Akzeptanz der Aufsicht

- et cetera

Nicht unberücksichtigt bleiben darf in diesem Zusammenhang die Auswirkung der Optimierungsmöglichkeiten auf die Basel-III-Umsetzung sowie weitere aktuelle regulatorische Änderungen. Daher sollten die einzelnen Maßnahmen ebenfalls auf ihre Kapital-Auswirkungen unter Basel-III-Bedingungen, den Auswirkungen aufgrund der Neuerungen IFRS 9 und anderen simuliert werden.

Zusätzliche Effizienzsteigerung möglich

Als Ergebnis entsteht ein Maßnahmenkatalog der möglichen Optimierungspotenziale unter Berücksichtigung der bankseitig vorgegebenen Priorisierung. Im letzten Schritt wird dann der Maßnahmenkatalog in einen detaillierten Projektplan mit Zuordnung entsprechender Aufgaben, Aufwände und Ressourcen überführt. Um ein Zusammenwirken mit den erforderlichen Basel-III-Umsetzungsmaßnahmen zu erreichen, sollte dieser Projektplan in das Projekt "Basel-III-Umsetzung" als eigenes Teilprojekt eingebettet werden. Darüber hinaus dürfen in diesem Zusammenhang die genannten IFRS-9-Änderungen sowie die Umstellung, Modernisierung des Meldewesens auf IFRS nicht außer Acht gelassen werden.

Eine Erfüllung der strengeren Kapitalanforderungen aus Basel III kann regelmäßig nicht alleine durch Handlungsoptionen wie Kapitalerhöhung oder Gewinnthesaurierung, sondern erst ergänzend durch Maßnahmen der RWA-Verringerung erreicht werden. Das systematische Vorgehen der RWA-Optimierung anhand der aufgezeigten vier Handlungsfelder ermöglicht die strukturierte Identifikation der erforderlichen Maßnahmen. Durch die Berücksichtigung der RWA-Optimierung im Kontext weiterer aktuell erforderlicher regulatorischer Umsetzungsprojekte wird eine zusätzliche Effizienzsteigerung erreicht.

Fußnoten

1) Für eine detaillierte Gesamtdarstellung siehe hierzu KPMG (Hrsg.) "Basel III-Handlungsdruck baut sich auf: Implikationen für Finanzinstitute", 2011.

2) Gruppe-1-Banken sind große international tätige Institute mit einer Kernkapitalquote über drei Milliarden Euro, die restlichen Banken bilden die Grup-pe-2-Banken.

3) CEBS (Hrsg.) "Results of the comprehensive quantitative impact study", 2010. Für Gruppe-2-Banken wurden zusätzliche neun Milliarden Euro Kernkapital zur Erreichung von 4,5 Prozent und 28 Milliarden von sieben Prozent Kernkapitalquote ermittelt.

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