Börsen

Rüdiger von Rosen Volksaktien sind Volksverdummung

Prof. Dr. Rüdiger von Rosen, geschäftsführendes Vorstandsmitglied, Deutsches Aktieninstitut, Frankfurt am Main, schreibt der

Redaktion: "Das Ringen um die Privatisierung der Deutschen Bahn geht in eine weitere Runde. Nach dem Mitte November bekannt gewordenen Kompromissvorschlag, der Bundesfinanzminister Steinbrück zugerechnet wird, soll innerhalb einer Holding der Fahrbetrieb zu 49 Prozent privatisiert werden und das Netz weiterhin in staatlicher Hand verbleiben. Damit scheint aber der Beschluss des Hamburger Bundesparteitages der SPD, die Bahn über die Ausgabe von , Volksaktien' in Form stimmrechtsloser Vorzugsaktien zu privatisieren, noch nicht endgültig vom Tisch zu sein. Hinter diesem Beschluss verbirgt sich die Furcht vor privaten Inves toren, die mit dem Ziel der Renditemaximierung ihren Einfluss auf die Geschäftspolitik der Bahn zulasten gemeinwohlorientierter Zielsetzungen geltend machen könnten. Deswegen soll vor allem dem Privatanleger eine Beteiligung an der Bahn über die Zeichnung von , Volksaktien' nahe gelegt werden.

Irreführender Begriff

Dass die Anlageform Aktie für breite Bevölkerungskreise in Deutschland attraktiver werden muss, steht außer Frage. Ob ausgerechnet das vom SPD-Parteitag favorisierte Bahn-Privatisierungsmodell der richtige Weg hierzu ist, ist ausgeschlossen und ein Irrweg. Grundsätzlich sind alle börsennotierten Aktien Volksaktien, da sie von jedem Anleger im Rahmen seiner Möglichkeiten erworben werden können. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage nach dem tieferen Sinn dieses Etiketts für einige wenige große Aktiengesellschaften, denen eigentlich nur gemeinsam ist, dass sie im Rahmen einer Privatisierung an die Börse gebracht wurden beziehungsweise werden sollen.

Darüber hinaus schafft das SPD-Modell stimmrechtsloser , Vorzugsvolksaktien' eine Reihe gravierender Probleme. Was passiert beispielsweise, wenn es die wirtschaftliche Lage der Bahn einmal nicht erlaubt, den Aktionären ihre Vorzugsdividende zu zahlen? Für diesen Fall regelt das Aktiengesetz ein , Aufleben' des Stimmrechts, was allerdings die politische Intention, den Einfluss privater Investoren zu verhindern, konterkarieren würde. Dementsprechend sieht der Parteitagsbeschluss der SPD für diese Situation vor, das Aufleben des Stimmrechts mit geeigneten Maßnahmen auszuschließen.

Wie dies aber konkret aussehen soll, bleibt im Dunkeln. Eine gesetzliche Regelung, gewissermaßen , per Order di Mufti' ein Aufleben zu verbieten, ist sicherlich verfassungsrechtlich und europarechtlich äußerst problematisch. Zudem: Wer würde freiwillig eine Aktie kaufen, bei der er keinerlei Einfluss auf wichtige geschäftspolitische Entscheidungen hat und darüber hinaus auch Gefahr läuft, mit einer Dividendenzahlung von Null Euro dazustehen?

Diese Gründe sprechen eindeutig gegen ein gesetzliches Verbot der Auflebung von Stimmrechten. Ist dieser Weg aber verbaut, müsste das Unternehmen stets über die notwendigen Rücklagen verfügen, um den Dividendenansprüchen aus den Vorzugsaktien auch nachkommen zu können. Dies wiederum erfordert ausreichende Unternehmensgewinne, die den Rücklagen zugeführt werden können. Von sicheren Gewinnen kann aber keine Gesellschaft - auch nicht die Deutsche Bahn - ausgehen. Letztendlich müsste der Staat die Auszahlung der Vorzugsrenditen garantieren. Die Dividendenzahlungen würden dann im Garantiefall aus Steuermitteln finanziert und dementsprechend der Allgemeinheit angelastet. Damit würde aber ein wesentlicher Aspekt des Börsengangs der Bahn, nicht nur die Erträge, sondern auch die Risiken zu privatisieren, pervertiert.

Die Ausgabe stimmrechtsloser Vorzugsaktien ist also nicht nur mit rechtstechnischen Problemen verbunden. Es ist auch fraglich, ob das damit verbundene Ziel, die Aktionärsstruktur eines teilprivatisierten Unternehmens zu kontrollieren, erreicht werden kann. Bestenfalls gelingt dies bei der Ausgabe der Aktien also am Primärmarkt. Wer anschließend auf dem Sekundärmarkt die Aktien kauft oder verkauft, entzieht sich nicht nur dem Einfluss, sondern auch weitgehend der Kenntnis des Unternehmens.

Wie attraktiv der Einstieg in die Bahnaktie letztendlich ist, hängt vor allem vom jeweiligen Börsenkurs und der Liquidität der Aktie ab. Wenn zum Beispiel aus infrastrukturpolitischen Motiven verhindert werden soll, dass Finanzinvestoren eine bestimmte Aktie kaufen, muss sie bezüglich Ausstattung und Rendite extrem unattraktiv ausgestaltet werden. Es stellt sich dann unmittelbar die Frage, ob und wieso ernsthaft erwartet wird, dass Privatanleger eine solche Aktie erwerben würden. Der Verdacht drängt sich auf, dass diese Investorengruppen als Marktteilnehmer mit geringeren Renditeansprüchen oder Kenntnissen angesehen werden, denen ein minderwertiges Papier verkauft werden kann, das für , professionellere' Finanzinvestoren unattraktiv ist. Das grenzt an Volksverdummung.

Richtige steuerliche Anreize setzen

Die hier genannten Gründe legen den Schluss nahe, dass die Privatisierung der Deutschen Bahn in der Form des SPD-Modells eine Totgeburt wäre. Denn sicherlich stellen sich hier berechtigte Fragen: Wer würde diese verstümmelten Aktien überhaupt kaufen? Reicht unter diesen Umständen der Erlös aus dem Börsengang, um die geplanten Investitionen finanzieren zu können?

Die politischen Entscheidungsträger in der SPD sollten ernsthaft ihre Einstellung zur Aktie allgemein und zur Bahnaktie im speziellen überprüfen. Bevor überhaupt das Ob und Wie eines Bahnbörsengangs entschieden werden kann, sollte die verkehrspolitische Entscheidung feststehen, die letztendlich klar abgrenzt, in welchem Ausmaß sich die Deutsche Bahn überhaupt als börsennotiertes Unternehmen bewegen kann. Wer hingegen die Aktienakzeptanz in der breiten Bevölkerung verfestigen möchte, der, und dies ist dringend notwendig, sollte die richtigen steuerlichen Anreize setzen. Die bisherigen Maßnahmen - etwa die Kürzung des Steuerfreibetrages oder die Einführung einer viel zu hohen Abgeltungsteuer - sind vermögens- und sozialpolitisch mehr als kontraproduktiv."

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