Interview

Redaktionsgespräch mit Jochen Sanio - "An der Bankenaufsicht mitzuwirken, gehört heute zu den wichtigsten Aufgaben der Bundesbank."

Seit es die Ba Fin gibt, hatte die Aufsicht auf Seiten der Bundesbank immer denselben Ansprechpartner: Wie benoten Sie die Zusammenarbeit?

Mit Edgar Meister verbinden mich viele Jahre gemeinsamer Arbeit. Ich sage bewusst "verbinden", denn unsere Beziehung war von einer Herzlichkeit geprägt, wie man sie in beruflichen Zusammenhängen sehr selten findet. Ich kenne Herrn Meister seit seinen Anfängen bei der Bundesbank 1993; in dem Jahr hat er dort auch die Bankenaufsicht übernommen. Seitdem haben wir zusammen auf der europäischen Bühne in wichtigen Gremien deutsche Interessen vertreten. Wir haben in Brüssel so manche Schlacht gemeinsam geschlagen meistens siegreich, denn wir haben an unseren Verhandlungsstrategien ausdauernd gefeilt. Selbst abends, zwischen den Sitzungstagen, waren wir noch am Werk beflügelt von der inspirierenden Kraft der Brüsseler Restaurants und Kneipen.

Was muss aus Ihrer Sicht der neue Amtsinhaber in der Bundesbank mitbringen?

Der neue Amtsinhaber tritt in sehr große Fußstapfen: Edgar Meister hat die Bankenaufsicht sehr erfolgreich geleitet. Doch die Bundesbank ist reich an hochkarätigen Persönlichkeiten und wird sicher einen würdigen Nachfolger für diesen wichtigen Posten benennen. An der Bankenaufsicht mitzuwirken gehört heute immerhin zu den wichtigsten Aufgaben der Bundesbank.

Ich bin zuversichtlich, dass wir mit dem künftigen Amtsinhaber gut zusammenarbeiten werden. Wichtig ist, dass wir ein persönliches Vertrauensverhältnis aufbauen, wie ich es auch mit Edgar Meister gepflegt habe. Nur so können Ba Fin und Bundesbank ihre Aufgaben erfolgreich bewältigen - auch dann, wenn die Zeiten wirtschaftlich mal wieder härter werden sollten.

Sind schlechte Zeiten denn zu befürchten? Wie schätzen Sie die Situation der Banken in Deutschland ein?

2006 war auf den ersten Blick ein recht ordentliches Jahr. Die meisten deutschen Großbanken haben ihre Ergebnisse erneut sichtbar verbessert. Wenn man genauer hinschaut, ist allerdings vieles nicht mehr gar so glänzend. Die deutschen Banken haben den Abstand zu den europäischen Wettbewerbern zwar ein wenig verringert; aber er bleibt immer noch viel zu groß.

Außerdem muss man sich fragen, was die Ergebnisse so gut hat aussehen lassen. Bei vielen Banken war die Risikovorsorge extrem niedrig; man kann nicht darauf bauen, dass sich das wiederholen lässt. Der Zinsüberschuss, eine wichtige strukturelle Ergebniskomponente vor allem der im traditionellen Kreditgeschäft aktiven deutschen Banken, war bei diesen Instituten fast durchweg rückläufig. Die Gründe dafür sind der brutale Wettbewerb und die flache Zinsstrukturkurve. Die trifft klassische Zinsbanken wie Sparkassen und Volks- und Raiffeisenbanken natürlich härter als Kapitalmarktbanken, bei denen in vielen Fällen im vergangenen Jahr das Eigenhandelsergebnis positiv zu Buche geschlagen ist. Doch im Trading auf Biegen und Brechen Erfolge zu erzielen - das endet meist nicht gut. Draufgänger gehen bekanntlich schneller drauf, wenn mir dieser Hinweis gestattet ist.

Hat sich die Strategie der Ba Fin gegenüber Problemfällen im Vergleich zu früher verändert?

Nein, es gilt nach wie vor, Problemfälle früh genug zu identifizieren, um entweder für eine Sanierung oder aber einen geordneten Abgang des Instituts zu sorgen. Hoffnungslose Fälle sollten vom Markt verschwinden. Der Versuch, sie zu sanieren, bedeutet eigentlich immer, Geld zum Fenster hinauszuwerfen. Ich sehe nicht, wie potenzielle Geldgeber für solche Institute Erfolg versprechende Geschäftsstrategien entwerfen könnten. Kaputte Banken braucht niemand, niemand wird sie vermissen.

Sobald klar ist, dass ein Institut aus dem Wettbewerb ausscheiden muss, ist es unsere Aufgabe, die damit verbundenen Kosten möglichst niedrig zu halten. So gesehen arbeiten wir zum Schutz des Vermögens der segensreichen deutschen Einlagensicherung. Das ist nicht zynisch gemeint. Will man unsere weltweit einmaligen Einlagensicherungssysteme erhalten, dann muss man sie davor bewahren, dass sie für unvermeidbare Bankenpleiten mehr als unbedingt nötig bluten müssen. Wenn eine Privatbank lediglich über die gesetzlich vorgeschriebene Einlagensicherung verfügt, sind die Gelder der Einleger nicht vollständig abgesichert. Vor allem in einem solchen Fall geht es für uns dann um die Vermögensinteressen der Einleger selbst.

Will denn niemand eine Bank kaufen, die sich in Schieflage befindet? Dadurch könnte man sich doch einenschnellen Zugang zum deutschen Markt verschaffen.

In der Tat gibt es immer wieder ausländische Käufer - ich verkneife mir jede nähere geografische Lokalisierung außerhalb der EU -, die bereit sind, eine Problembank mehr oder weniger blind zu kaufen. Dabei unterliegen sie einem gewaltigen Irrtum: Sie glauben, durch den Kauf einer wertlosen Bank das Ba Fin-Erlaubnisverfahren aushebeln zu können. Das müssten sie durchlaufen, wenn sie in Deutschland eine Bank gründen wollten. Wer gemeint hat, durch den Kauf einer Problembank freien Eintritt in das deutsche Kreditgewerbe zu erhalten, hat sein blaues Wunder erlebt. Denn in diesen Fällen sind wir bei unserer Anteilseignerprüfung nach § 2c Kreditwesengesetz (KWG) zur Sache gekommen. Dubiose Kaufinteressenten, vor allem solche, die nicht belegen können, dass ihr Kapital einwandfreier Herkunft ist, haben in der deutschen Kreditwirtschaft nichts zu suchen. Das sieht offenbar auch das Verwaltungsgericht Frankfurt so. Es hat vor kurzem eine glasklare Entscheidung in diesem Sinne gefällt.

Hat es Auswirkungen auf die Institution Ba Fin, dass es immer weniger Banken in Deutschland gibt?

Nein, unsere Aufsicht ist strikt risikoorientiert. Und die Risiken sind in den vergangenen Jahren nicht geringer geworden - obwohl die Zahl der Banken sinkt. Mit atemberaubender Geschwindigkeit entwickeln die Finanzmärkte neue und immer komplexere Produkte, und die bringen neue und immer schwerer zu durchschauende Risiken mit sich. Für ein stabiles Bankensystem können wir nur sorgen, wenn wir gerade auch diese neuen Risiken unter Kontrolle halten - dafür brauchen wir neben den nötigen Informationen ein umfassendes Wissen über die Risikozusammenhänge. Dieses Wissen stets auf hohem Niveau zu halten, fällt uns, aber auch unseren Kollegen im Ausland, angesichts der Dynamik und Innovationskraft der Märkte immer schwerer. Das, und nicht die Zahl der Banken, verändert unsere Arbeit grundlegend.

Funktioniert die Zusammenarbeit mit den Verbandsprüfern so, wie Sie es sich wünschen?

Abschlussprüfer, die Verbandsprüfer eingeschlossen, sind äußerst wichtig für eine effektive Aufsicht. Neben Ba Fin und Bundesbank sind sie die dritte Gewalt im deutschen Aufsichtssystem; auf ihre Arbeit sind wir angewiesen. Erst recht bei der neuen qualitativen Aufsicht, die auf das Risikomanagement jedes einzelnen Institutes ausgerichtet ist. Die deutschen Wirtschaftsprüfer, die Banken prüfen, und die Verbandsprüfer haben für diese neuen Prüffelder hohe Fachkompetenz entwickelt.

Eines wünsche ich mir allerdings: Die Abschlussprüfer sollten die Erkenntnisse, die sie gewonnen haben, in ihren Prüfungsberichten auch unmissverständlich zum Ausdruck bringen. Nur wenn die Prüfer Klartext schreiben und Defizite bei den bankinternen Risikokontrollsystemen beim Namen nennen, können Ba Fin und Bundesbank darauf hinwirken, dass Fehler beseitigt werden, ehe sie negative Folgen nach sich ziehen. Unsere Aufsicht soll präventiv sein, also Fehlentwicklungen früh entgegensteuern; dabei haben die Abschlussprüfer eine Schlüsselstellung. Umso wichtiger ist es, jedweden Interessenkonflikt von ihnen fernzuhalten.

Sie sprechen häufig von Risiken: Was passiert eigentlich mit den verantwortlichen Aufsehern, wenn mal etwas schief geht?

Bisher ist sehr selten etwas schief gegangen - obwohl die Ba Fin sehr schwierige Ermessensentscheidungen treffen muss. Dabei geht es oft um hohe Millionenbeträge, etwa wenn wir zu entscheiden haben, ob wir eine Bank schließen müssen. Die Entscheidungssituationen sind sehr komplex und lassen sich meist hinterher nicht mehr nachstellen - weder von Gerichten noch von anderen Dritten, die dann gerne Kritik üben. Ein Richter hat unsere Arbeit einmal mit dem Ritt auf einer Rasierklinge verglichen, was die Sache sehr gut trifft. Wann zum Beispiel ist der richtige Zeitpunkt gekommen, eine Problembank zu schließen?

Der Aufseher will auf Nummer sicher gehen, das Risiko so klein wie möglich halten. Doch welches Risiko ist größer: das, die Bank zu früh zu schließen, oder das, sie zu spät zu schließen? Schließe ich eine Bank zu früh, mache ich unter Umständen etwas kaputt, was noch hätte gerettet werden können. Schließe ich sie zu spät, wird die Pleite teurer als sie es sein müsste. Alle Aufseher, die für solche Entscheidungen die Verantwortung übernehmen, gehen sehr hohe Risiken ein, die keine Versicherung bereit ist abzudecken. Wenn ein Gericht aus der überlegenen Perspektive des Nachhineins zu einem anderen Ergebnis kommt als der Aufseher, der unter Zeitdruck eine schwierige Entscheidung fällen musste, so hat eben eine höhere Autorität befunden, dass etwas schief gegangen ist. Das ist dann ein Fall von Amtshaftung.

Muss man über die Arbeitsteilung zwischen Bundesbank und Ba Fin neu nachdenken?

Das duale System der deutschen Bankenaufsicht geht bis in die dreißiger Jahre des vergangenen Jahrhunderts zurück. Seit den sechziger Jahren, als die Bankenaufsicht wieder einer Bundesbehörde überantwortet wurde, ist die Abstimmung unter den Bankaufsichtsinstanzen immer weiter verfeinert worden und hat sich die Arbeitsteilung immer besser eingespielt. Ob man bei der Abgrenzung der Kompetenzen die eine oder andere Linie etwas anders ziehen will, ist Sache der Bundesregierung und des Bundestages. Die grundlegende Abgrenzung der Zuständigkeiten ist ja im Gesetz verankert, genau gesagt in § 7 Abs.1 Satz 2 und 3 KWG. Auf der Grundlage dieser Vorschrift arbeiten Ba Fin und Bundesbank seit Gründung der Ba Fin vor fünf Jahren erfolgreich zusammen.

Erfolgreiche Arbeitsteilung: Manches der beaufsichtigten Institute klagt über Doppelarbeit. Kann das vermieden werden?

Mit der pauschalen Behauptung, die Banken seien die Opfer von Doppelarbeit, wird immer wieder Stimmung gemacht. Dieser Vorwurf ist eine Chimäre, die sich nach der Umfrage, die das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) unter 800 deutschen Banken gemacht hat, eigentlich schnell verflüchtigen sollte. Im DIW- Bericht findet sich keine konkrete Beanstandung von Seiten der Banken.

Bei der Aufsicht über mehr als 2 000 deutsche Banken kann es immer Einzelfälle geben, in denen die Koordinierung zwischen der Ba Fin und der Bundesbank nicht so klappt, wie sie sollte, obwohl wir unsere Aufsichtsplanung sorgfältig untereinander abstimmen. Das Bundesfinanzministerium hat im Herbst 2003 eine Richtlinie gemäß § 7 Abs. 2 Satz 3 KWG erlassen, die regelt, wie die laufende Aufsicht zu führen ist. Darin sind die Tätigkeiten von Ba Fin und der Deutschen Bundesbank im Einzelnen abgegrenzt - gerade mit dem Ziel, strukturelle Doppelarbeit zu vermeiden.

Wie beurteilen Sie die DIW- Aussagen sonst?

Der Bericht fällt alles in allem gut für uns aus. In unserer Selbsteinschätzung sind wir viel kritischer, denn wir wissen, dass wir bei der Modernisierung der Aufsicht noch nicht ganz am Ziel sind. Wir haben allerdings in den vergangenen zwei Jahren große Fortschritte gemacht. Doch die Aufsicht neu auszurichten ist ein langfristiges Großprojekt. Was wir gerade in den zurückliegenden Monaten auf die Schiene gesetzt haben, dürften die Banken erst in Zukunft richtig wahrnehmen. Vielleicht haben unsere Ma Risk den Instituten einen ersten Eindruck davon vermittelt, dass wir es ernst meinen mit der neuen Aufsicht und sie deshalb positiv für die Ba Fin gestimmt.

Wie stehen Sie zu dem Vorschlag, bei der Ba Fin einen Vorstand zu installieren?

Ich selbst bin Gegenstand dieser Überlegungen und werde mich hüten, irgendwelche persönliche Präferenzen zu äußern. Der Gesetzgeber hat sich 2002 für eine präsidiale Leitung der Ba Fin entschieden; er kann diese Entscheidung jederzeit revidieren. Welche Alternativen ihm dabei zur Verfügung stehen, bestimmt das deutsche Verfassungsrecht. Sowohl das Präsidial- als auch das Kollegial-Modell funktionieren; das zeigen die Erfahrungen der Aufsichtsbehörden anderer Länder.

Nutzt die Ba Fin heute eher den großen oder eher den kleinen Instituten?

Als Hüterin der Stabilität des Finanzsystems stiftet die Ba Fin für alle Banken Nutzen. Davon bin ich überzeugt, auch wenn ich es für übertrieben hielte, die Krisenfestigkeit der deutschen Banken in erster Linie der Bankenaufsicht zuzuschreiben. Die Banken selbst nehmen den Nutzen der Aufsicht unterschiedlich wahr. Am meisten wissen wohl die Großbanken die Existenz der Ba Fin zu schätzen. Wer im Ausland erfolgreich tätig sein will, muss aus einem Land kommen, dessen Aufsicht europa- beziehungsweise weltweit hohes Ansehen genießt, sonst lastet der Schatten des Zweifels auf ihm. Wir sehen uns deshalb unter großem Wettbewerbsdruck: Im Vergleich zu den anderen bedeutenden Aufsichtsbehörden dürfen wir nicht zurückfallen.

Für die kleinen Banken spielt dieser Aspekt keine große Rolle. Wenn es darum geht, das Vertrauen ihrer Kunden zu erhalten, stehen für sie andere Gesichtspunkte im Vordergrund. Diese Banken empfinden die Aufsicht vielleicht eher als unangenehmen Druck.

Nimmt der zu? Und, ist der Eindruck falsch, dass Sie das, was von außen, von Brüssel, auf die Banken zukommt, nicht genug filtern können?

Wir üben nicht mehr Druck auf die Banken aus als früher. Im Gegenteil: Wir wollen Geschäftsleitern größere Gestaltungsräume eröffnen, sie gerade nicht mit tausendundeiner Vorgabe gängeln. Leider sind unsere freiheitlichen Ansätze in der Vergangenheit immer wieder durch überbordende EU-Regulierung konterkariert worden. Ich glaube, niemand in Deutschland will diese mit Details überfrachteten Regelungen, doch der deutsche Gesetzgeber hat überhaupt keine Wahl. Er muss zwingende EU-Vorschriften bis zum letzten Buchstaben in deutsches Recht überführen, und wir Aufseher wiederum müssen zwingendes Recht anwenden - egal, ob wir von dessen Sinn überzeugt sind oder nicht. Und dann müssen wir auch noch Prügel einstecken für Entscheidungen, die allein auf das Konto der EU-Kommission und einer Mehrheit von EU-Mitgliedstaaten gehen. Das ist nicht gerade lustig.

Stichwort Heimatland-Prinzip:

Sollte sich die Zusammenarbeit der Aufseher als Netzwerk nicht bewähren, im Sommer kommt hierzu die CEBS zusammen, ist die europäische Aufsicht nah. Kann man das so sagen?

Wir müssen schleunigst eine Antwort finden auf die "territoriale Entgrenzung" der Finanzmärkte. Im nationalen Alleingang können wir Aufseher nicht mehr viel ausrichten, denn die Risiken, die wir kontrollieren wollen, sind längst grenzüberschreitend unterwegs.

Der bisherige Ansatz, die rechtlich selbstständigen Bestandteile einer international operierenden Bankengruppe von dem jeweiligen Landesaufseher beaufsichtigen zu lassen, wird der ökonomischen Realität nicht mehr gerecht. Bankengruppen haben heute ihre Organisation und ihr Risikomanagement zentralisiert, ohne zwischen Zweigstellen und Tochterbanken zu unterscheiden. Statt nach rechtlichen Einheiten ist die Gruppe nach Geschäftsfeldern organisiert. Tritt ein Institut in seinen verschiedenen Geschäftsbereichen international an, muss es diese Geschäftsbereiche - und deren Risiken - zentral managen.

Es ist höchste Zeit, diese Entwicklung bei der Verteilung nationaler Aufsichtskompetenzen nachzuvollziehen. Dazu müsste die Heimatlandbehörde, die für das Mutterunternehmen einer Gruppe zuständig ist, grenzüberschreitend als federführende Aufseherin eingesetzt werden und die "lead-supervi-sor"-Funktion übernehmen. Doch dadurch würde die nationale Souveränität der Aufnahmeländer entscheidend eingeschränkt. Die dortigen Aufsichtsbehörden müssten einen großen Teil ihrer Kompetenzen aufgeben und würden als "host supervisor" auf Informations- und Mitwirkungsrechte gegenüber dem "lead supervisor" verwiesen. Unter den EU-Mitgliedstaaten scheint mir die Bereitschaft, den erforderlichen Souveränitätsverzicht zu leisten, bisher nicht besonders ausgeprägt zu sein.

Wie könnte man das Problem denn lösen?

Die Aufseher selbst müssen dafür sorgen, dass sie ihre Aufsichtspraxis möglichst einheitlich gestalten, wenn sie ihre nach EU-Vorgaben harmonisierten nationalen Regelwerke anwenden.

Das tun sie auch, und zwar auf Stufe 3 des Lamfalussy-Gesetzgebungsverfahrens, auf der drei Gremien angesiedelt sind, in denen die nationalen Aufsichtsbehörden tätig sind. Diese Gremien haben sich daran gemacht, in allen EU-Mitgliedstaaten konvergente Bedingungen für die drei Bereiche Banken-, Versicherungs- und Wertpapieraufsicht zu schaffen. Für die Bankenaufsicht ist es das CEBS, das Committee of European Banking Supervisors, in dem die Ba Fin und die Bundesbank vertreten sind.

Laut Art. 105 Absatz 6 des Vertrags über die Europäische Union kann der EZB auf Vorschlag der Europäischen Kommission und nach Zustimmung des Parlamentes durch den Ministerrat die europäische Bankenaufsicht übertragen werden. Wäre das eine Alternative?

Die Finanzaufsicht obliegt nach wie vor ausschließlich den nationalen Aufsichtsbehörden. Sieht man einmal von den schwierigen Rechtsfragen ab, die eine zentrale europäische Aufsicht aufwürfe, so würde sie den Binnenmarkt und das angestrebte "level playing field" spalten, denn die kleineren Banken verblieben mit Sicherheit in der Obhut der nationalen Aufsichtsbehörden. Also hier die europäisch regulierten Großen, dort die national regulierten Kleinen - wobei zumindest in Deutschland beide Lager um dieselben Kunden werben.

Es müsste schon eine große grenzüberschreitende Bankenkatastrophe über uns kommen, um den Artikel 105 Abs. 6 des EU-Vertrages in den Blickpunkt zu rücken. Nach dieser Vorschrift kann der EU-Rat durch einstimmigen Beschluss mit Zustimmung des Europäischen Parlaments der "EZB besondere Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute" übertragen. Es handelt sich also um ein ziemlich einzigartiges Schnellverfahren, das wohl auf einen Katastrophenfall zugeschnitten ist, der hoffentlich nie eintritt. Wenn man wirklich eines fernen Tages eine europäische Bankenaufsicht errichten wollte, dann sollte man das angesichts der vielen schwierigen Fragen, die damit verbunden sind, nur nach reiflicher Überlegung tun und nicht mit einem Schnellschuss.

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