Interview

Redaktionsgespräch mit Joachim Olearius - "Wir legen ausdrücklich Wert auf einen hohen Freiheitsgrad vor Ort"

Was ist das Besondere an der Warburg-Gruppe? Weshalb konnte sich Ihr Haus anders als viele andere Privatbankiers bis heute am Markt behaupten?

Die heutige Position der Warburg-Gruppe profitiert stark von der strategischen Aufstellung wie sie in den vergangenen Jahrzehnten geschaffen wurde. Beim Aufbau der einzelnen Einheiten in der heutigen Form stand nicht das Ziel im Vordergrund, Economies of Scale zu realisieren. Sondern es dominierte die Idee und das tiefe Vertrauen, das Potenzial der jeweiligen Region zu nutzen und die Menschen, die für die zugekauften Bankhäuser in der Region aktiv waren, erfolgreich einzubinden. Jede unserer Banken hat ihre kulturellen Besonderheiten und ihre Spezialitäten. Mit der Eröffnung in München haben wir das Feld abgerundet und sind mit der Präsens in 14 Städten nun praktisch in ganz Deutschland vertreten.

Die Organisationsstruktur des Warburg-Verbunds ist recht verzweigt. Allein unter der zugehörigen Bankengruppe werden neben der M.M. Warburg & CO KGaA acht weitere Institute aufgeführt. Sind das alles gleichgestellte Teile des von Ihnen verantworteten Private Banking oder gibt es Überschneidungen?

Die Private-Banking-Einheiten der Warburg-Gruppe sind zusammen mit den anderen Geschäftsfeldern in ein Gesamtkonzept der unternehmerisch geführten Privatbank eingebunden. Die Mutterbank übernimmt dabei eine führende Rolle. Selbstverständlich gibt es auch gewisse Überschneidungen unter den einzelnen Einheiten wie auch bei den Kunden. Die Abstimmung untereinander gelingt aber sehr gut. Wir pflegen eine gute Kommunikation, und die Verwaltungs abläufe sind ge bündelt. Gerade diese Zusammenarbeit fördert das materielle Geschäft, denn sie hilft bei der gedanklichen und inhaltlichen Weiterentwicklung auf der Suche nach intelligenten Investitionsmöglichkeiten über einzelne Geschäftsfelder hinweg.

Wäre es nicht dennoch sinnvoll, die Bankeinheiten unter gemeinsamem Namen zu bündeln?

Die gesamte Bankbranche läuft seit Jahren nur der Realisierung von Economies of Scale hinterher, obwohl wir immer mehr feststellen müssen, wie irreführend oder in den Ergebnissen begrenzt diese Strategien sind. Das gilt auch für die Marktdurchdringung. Unsere Kundschaft ist derart spezifisch und individuell, dass wir nicht mit der Gießkanne agieren können. Wir geben uns mit maßvollen Wachstumsraten zufrieden. Dafür brauchen wir nicht den völlig einheitlichen Markenauftritt.

Im Übrigen hat die Marke Warburg hierzulande und an den internationalen Finanzplätzen einen guten Klang. Dass wir in Deutschland im Retailbanking vielleicht nicht so stark in Erscheinung treten, hat seine Vorteile. Gerade die Markenvielfalt tut vor Ort gut, denn sie bietet den dort handelnden Mitarbeitern den Raum für ein kulturelles Durchatmen. Sie können neue Geschäfte durchdenken, die den Kunden in der Region in hohem Maße gerecht werden.

Aber würde man mit dem einheitlichen Namen Warburg nicht automatisch einen guten Ruf verbinden, den die einzelnen Bankhäuser sich erst mühsam erwerben müssen?

Vielleicht, aber eben nur einen. Unsere Mehrmarkenstrategie hat sich bewährt. Niederlassungen wie das Bankhaus Hallbaum in Hannover und Niedersachsen, die Schwäbische Bank in Stuttgart oder Plump & CO in Bremen haben sich in langer Historie ihren guten Ruf vor Ort erworben. Die Geschäftsleiter handeln unternehmerisch und werden so wahrgenommen. Gleichzeitig sind die administrativen Bereiche weitgehend auf die Mutterbank übertragen. Das funktioniert und bedarf nicht eines einheitlichen Labels. Das Einordnen der Kunden in ein digitales Cluster ist einfach nicht unsere Geschäftsphilosophie.

Unsere Aufgabe ist es, den individuellen Vorteil unserer Leistungen für das Individuum spürbar zu machen. Dafür müssen wir unsere Organisation vorhalten. Im Asset Management beispielsweise steigt die Qualität der Leistungen bei Tochterbanken, da sie von Experten profitieren, die sie allein nicht unterhalten könnten. Dennoch besteht vor Ort höhere geistige Selbstständigkeit und Handlungsfreiheit, als zum Beispiel bei Filial- oder Niederlassungsleitern. Dazu gehören auf der anderen Seite Kunden, die uns in einer von Vertrauen und gegenseitiger Leistungsbereitschaft geprägten Partnerschaft auch auskömmliche Margen gönnen. In dieser Art ist unser Geschäftsmodell einmalig in Deutschland.

Nachteilig ist unser Konzept allenfalls bei der Markenbekanntheit, weil sich Kommunikationsmaßnahmen mit nur einer Marke natürlich effizienter gestalten lassen. Aber unser Selbstverständnis als unabhängige Privatbank gebietet ohnehin einen angemessenen und zurückhaltenden öffentlichen Auftritt. Die Ansprache unserer Zielgruppe ist besser über spezielle Formen mit direkter, persönlicher und individueller Note möglich.

Gibt es wenigstens Ertrags- oder andere Zielvorgaben?

Nein, wir setzen auf Hoffnung und Vertrauen! Spaß beiseite: Mit unseren Werten bieten wir unseren Mitarbeitern genügend Orientierung und zugleich Spielraum, die Geschäftsmöglichkeiten vor Ort in der Tradition guten Unternehmertums und unter Prüfung der Wirtschaftlichkeit ihres Handelns zu nutzen. Natürlich haben die Inhaber eine berechtigte Gewinnerwartung. Aber wir treiben die Mitarbeiter vor Ort nicht mit der Peitsche. Das funktioniert ausgesprochen gut.

Das klingt geradezu nach einem Gegenmodell zu der von Zielvorgaben geprägten Marktbearbeitung vieler Wettbewerber. Gibt es nicht trotzdem erhebliches Synergiepotenzial auf der technischen Seite?

Wir denken, dass unser traditionelles Modell eine Renaissance erfährt. Das Backoffice und die Stabsfunktionen haben wir natürlich optimiert und nutzen gemeinsam die Möglichkeiten der modernen Banktechnik. Auch wir sind im Zeitalter von CRM-Systemen angekommen. Gewisse Expertenleistungen wie das Research bieten wir zentral an, und es gibt permanent einen regen Austausch über die Einschätzung unserer Fachabteilungen zur Marktlage und den weiteren gesamtwirtschaftlichen Entwicklungen. Auch regelmäßige Treffen der Geschäftsleiter unserer Tochterbanken, Unternehmen und Geschäftsstellen dienen dem konstruktiven Austausch über die Marktbedingungen. Das alles gehört ebenso zu den Elementen der Unternehmenssteuerung wie die normalen Abläufe von Information und Berichtspflichten auf der gesellschaftsrecht lichen Ebene unserer Einheiten. Aber daneben legen wir ausdrücklich Wert auf einen hohen Freiheitsgrad vor Ort.

Wie grenzen die einzelnen Häuser ihre Zielgruppensegmente für das Private Banking ab? Arbeiten sie mit Vermögensklassen?

In wirtschaftlich stärkeren und strukturell entwickelten Regionen sind unsere Private-Banking-Dienstleistungen für Kunden ab einem liquiden Vermögen von 500000 Euro sinnvoll, in strukturschwächeren Gebieten ist der Betrag entsprechend niedriger. Wir wenden uns dabei an anspruchsvolle Privatkunden, deren Bedarf nicht oder nicht ausreichend durch retailorientierte Banken abgedeckt wird. Bei zu betreuendem Vermögen merklich über einem zweistelligem Millionenbetrag bieten wir das Family Office, etwa bei Marcard, Stein & Co oder Private Client Partners in der Schweiz.

Landen alle Kunden, die sich für das Family Office interessieren bei Marcard Stein & Co?

Nur wenn sie das wollen. Kunden, die diese Dienstleistung nachfragen, suchen meist Zeitgewinn durch eine diskrete, vertrauenswürdige Gesamtberatung. Gerade wenn sie sich von ihren unternehmerischen Aktivitäten getrennt haben, wollen sie nicht schon wieder alles selbst managen. Sie wollen vielmehr die gesamte Balance ihres Vermögens in professionelle Hände legen, die Steuerungsaspekte intensiv diskutieren und sich dabei in gleichgesinnter Gemeinschaft wohlfühlen.

Welche speziellen Dienstleistungen bieten die anderen Bankhäuser?

Ein Beispiel ist das Bankhaus Löbbecke. Aus der Entwicklung der Geschäftshistorie vor dem Erwerb haben wir dort eine Kompetenz zur Prüfung von notleidenden Krediten entwickelt. Seit der Übernahme haben wir diesen Kreditservice mit einem guten erfahrenen Team bei Bedarf Investoren und anderen Instituten zur Verfügung gestellt. Darüber hinaus ist Löbbecke für die Marktbearbeitung im Unternehmenskunden- wie im Privatkundengeschäft der neuen Bundesländer zuständig. Eine traditionelle Spezialität des Bankhauses Plump ist das Dokumentengeschäft, welches heute in dieser Qualität anderswo kaum noch geboten wird.

Die Warburg Hypothekenbank bietet als klassischer Immobilienfinanzierer der Gruppe die langfristige Begleitung bei Real-Estate-Themen. Unsere Luxemburger Einheit hat neben dem Privatkundengeschäft einen Schwerpunkt als Depotbank mit mittlerweile mehr als 19 Milliarden Euro Assets under Administration. Und das Investment Banking mit Sales und Trading sowie Corporate Finance sind bei der Mutterbank angesiedelt.

Zurück zur Steuerung: Wie stellen Sie sicher, dass Ihre Unternehmenseinheiten nicht die gleichen Kunden jagen? Gibt es eine klare Gebietstrennung?

An dieser Stelle müssen die Kunden sagen, was sie wollen. Wenn ein Kunde von Stuttgart nach Hamburg umzieht, aber weiter Kunde der Schwäbischen Bank und des dortigen Betreuers bleiben will, haben wir das zu akzeptieren. Und das ist mit einem regen Austausch auch gar nicht so schwierig. Unsere Kunden sind volljährig und

mündig, und wir müssen sie im Gegensatz zu den Kunden im Retail Banking, denen der Gesetzgeber offensichtlich jede eigene Entscheidungshoheit abspricht, nicht vor sich selbst schützen. Formal gibt es also keinen Gebietsschutz in unserem Haus, auch wenn wir gemeinsam mit den Kunden überlegen, welche Art der Betreuung sinnvoll ist.

Besteht in Ihrem Haus eine Trennung zwischen Unternehmerkunden und Unternehmen?

Eine solche Trennung wäre für uns in der Praxis rein akademischer Natur. Die Kundenbeziehungen werden in unserem Haus umfassend und nicht nach Organisationsformen betrachtet, es gibt kein Silodenken. Als Universalbank bieten wir wie die großen Geschäftsbanken alle Leistungen für diese Zielgruppen, aber ohne die dort üblichen regionalen oder sektoralen Abgrenzungen. Dazu kommen flache Hierarchien und kurze Entscheidungswege bis zu den Inhabern.

Wie will man heute einen Unternehmer definieren? Dazu ein Beispiel: Wir haben gerade einige Geschäftsbeziehungen zu Online-Unternehmen in Berlin geknüpft. Deren Gründer folgen ganz anderen Prämissen, sie haben überhaupt keine Overheads wie man das von klassischen produzierenden Unternehmen kennt. Der Mittelständler mit einem produzierenden Unternehmen, der mit den Banken ständig Kreditlinien aushandelt und prolongiert, muss selbst entscheiden, ob er das Firmengeschäft vom Private Banking trennen will. Es gibt am Markt ja durchaus andere Geschäftsmodelle, die diese Trennung des privaten Kundengeschäftes vom Firmengeschäft vorsehen.

Wie ist Ihre Einschätzung der Wettbewerbsverhältnisse im Private Banking in Deutschland? Welche Rolle spielen die Privatbankiers? Wie stark ist die Konkurrenz der Großbanken und der ausländischen Wettbewerber?

Es gibt seit vielen Jahren einen starken Wettbewerb. Immer wieder erscheinen ausländische Anbieter, angefangen von den Schweizer über die amerikanischen und die japanischen Banken. Derzeit sind Häuser mit Gesellschaftern aus dem Ausland, aus der Industrie oder Versicherungsbranche mit verlockenden Zinskonditionen besonders aktiv, so können sie sich verhältnismäßig günstig refinanzieren. All diese ausländischen Institute haben zweifellos die Kosten nach oben getrieben und sind mit neuen Produktkonstruktionen aufgetreten. Nur ganz wenige sind aber langfristig und mit konsequenter Haltung unterwegs.

Auch die deutschen Bankengruppen und großen Geschäftsbanken sind im Private Banking zunehmend aktiv geworden. Zurzeit zählt jeder Basispunkt. Wir selbst können uns da nur aktiv in den Märkten bewegen und die Menschen und Entscheidungsträger von unserer Leistungsfähigkeit überzeugen.

Wen spüren Sie außer den wenigen verbliebenen Privatbankiers? Sind die Sparkassen oder Genossenschaftsbanken überhaupt Wettbewerber?

Man muss die Wettbewerbsverhältnisse neu definieren. Es gibt heute viel mehr Mengenangebote im Private Banking, beispielsweise auch vom Genossenschaftssektor und von der Sparkassenorganisation. Und natürlich versuchen beide Verbünde auch im klassischen Private Banking Fuß zu fassen. Innerhalb dieser Gruppen wird es eine Konsolidierung geben, um die Kosten in den Griff zu kriegen. Die Zahl der traditionellen Privatbankiers ist nach dem Zweiten Weltkrieg immer mehr zusammengeschrumpft. Wenn man die verbliebenen Akteure heute nebeneinander stellt, so unterscheiden sie sich ganz elementar sowohl in der Gesellschafterstruktur und in der Breite des Angebots von unserem Haus. Auch bei den großen privaten Banken ist die Infrastruktur für das Private Banking zu teuer. Also muss es in der Mitte etwas Produktives geben. Wir sind das jedenfalls.

Fürchten Sie nicht die Deutsche Bank als Wettbewerber, die dieses Geschäftsfeld sehr systematisch zu betreiben sucht?

Systematik ist an dieser Stelle das falsche Wort, die beanspruchen wir für unser Geschäftsmodell auch, sprechen wir also lieber von einer anderen Art des Private Banking. Und fürchten müssen wir den Wettbewerb nicht. Stand heute gewinnen wir konstant Kundenvolumen hinzu, und zwar in einem Maße wie das für unser Haus verträglich ist, ohne dass wir ausschließlich Skaleneffekte im Sinn haben müssen.

Die Servicedienstleistungen, auf die sich die Mehrzahl der Banken auch im Private Banking konzentrieren, werden in absehbarer Zeit durch die Weiterentwicklung der Technik eine viel geringere Rolle spielen. Insofern geht es um die Suche nach Lösungen, um das Mitdenken in Angelegenheiten des vermögenden Privatkunden, des Unternehmers und/oder seines Unternehmens. Dazu muss man die Denkweise der Kunden kennen. Wie soll ein von einer Wirtschaftsuniversität kommender Absolvent einem 70-jährigen Unternehmer mit 40 Millionen Euro Vermögen einen Mehrwert bieten, wenn er dessen Sorgen nicht erkennt?

Wie beurteilen Sie die Regelungen zur Honorarberatung? Spielen die Neuerungen für Ihr Geschäft eine wesentliche Rolle?

Wir plädieren für klare Vergütungsbedingungen mit festen Sätzen nach allen Kosten und unter Berücksichtigung etwaiger Rückvergütungen und Provisionen bei der Vermögensverwaltung. Das ist im Prinzip eine Honorarberatung, die für Kunden sinnvoll und transparent ist. Es gibt allerdings am Markt nur noch wenige Anbieter, die wie wir auch Wertpapierberatung im Einzelfall und mit transaktionsbezogenen

Vergütungen anbieten. Bei anlageerfahrenen Kunden besteht dafür Bedarf, die Leistung wird am Markt jedoch kaum ausreichend bezahlt.

Anbieter, die allein auf Honorarberatung setzen, waren bisher nicht sehr erfolgreich. Allein durch gesetzliche Regelung wird ohnehin keine wirklich "unabhängige" Beratung hergestellt. Das Gesetz bringt erneut einen höheren Aufwand mit sich, ohne einen Mehrwert zu schaffen.

Nicht nachvollziehbar sind auch die ungleichen Wettbewerbsbedingungen durch die gewerberechtliche Sonderregelung für Finanzanlagenvermittler. Mit Blick auf die Aufsicht gilt: Wer Honorarberatung betreibt, sollte auch von der gleichen Institution beaufsichtigt werden, egal ob als Bankangestellter oder Finanzanlagenvermittler.

Die Mehrbelastung durch das Gesetz zur Honorarberatung ist für die kleineren Institute gerade auch aus dem Sparkassen- und Genossenschaftsbereich enorm. Bei allem guten Willen bei der Einführung sollte man deshalb hier wie in der ganzen Regulierungsdebatte die Kraft haben, etwas wieder zu ändern, wenn es nicht funktioniert. An dieser Stelle haben wir als Bürger die Pflicht, uns einzubringen und diese Dinge zu reparieren.

Diese Antwort lässt darauf schließen, dass Sie die vielfältigen Regulierungsvorschriften eher als Belastung denn als Chance sehen ...

Das ist tendenziell richtig. Belastungen überwiegen eindeutig, sowohl für uns als auch für die Kunden. Die Regulierung verteuert und verkompliziert Leistungen häufig ohne Mehrwert. Fehlentwicklungen im Retailbereich und bei intensiv auf Vertrieb ausgerichteten Strukturen kann man auch anders in den Griff bekommen. Unsere Kunden sind jedenfalls überwiegend gut informiert und selbstbewusst, sie fühlen sich von Beratungsprotokollen und ähnlichen Formalitäten gegängelt. Im Extremfall muss man sogar befürchten, dass sich in einigen Jahren nur noch wirklich Vermögende individuelle und qualitativ hochwertige Beratung leisten können.

Ganz nebenbei muss man sich einmal vorstellen, was die Regelungen zum Beispiel der Mitarbeiteranzeigeverordnung für Berater bedeuten. Diese sind auf einer Steckliste gemeldet. Und sobald sich irgendwo ein Kunde beschwert, ob berechtigt oder nicht, gibt es erst einmal einen Vermerk. Das findet man sonst in keiner Berufsgruppe, weder bei Ärzten noch bei Juristen. Dies wird die Attraktivität eines ehrlichen Beraterberufes mindern.

Stichwort Kunden und Kundenbeziehungen: Sie sprechen wie selbstverständlich von einer lebenslangen Begleitung. Ist dieses Kundenmuster heute noch richtig? Oder ist die Wechselbereitschaft der jungen Generation nicht viel größer geworden?

Auch früher hat das Private Banking in Zehnjahresabschnitten oder gar in Fünfjahresschritten starke Änderungen erfahren. Die junge Generation als Kunden zu gewinnen ist deshalb weder einfacher noch schwerer geworden. Aus Sicht eines Bankers gibt und gab es immer Menschen, mit denen er aus irgendwelchen Gründen leichter in Kontakt kommt und sich geschäftlich versteht. Das hat nichts mit deren Alter oder den Veränderungen der Gesellschaft zu tun. Wir als Bank wandeln uns im Übrigen auch. Außer unseren traditionellen Räumen ist bei uns gar nichts alt, sondern alles ist "State of the Art", entspricht also den Erfordernissen moderner Finanzdienstleistung und vielleicht ein wenig mehr.

Dass die jüngere Generation stärker an der Kommunikation mit der Bank interessiert ist und bei den Entscheidungen mitmischen will, macht uns keine wirklichen Sorgen. Der erfolgreiche Unternehmer ist in erster Linie an der Weiterentwicklung seines Geschäftes interessiert und hat an seine Bank die Erwartung, diese Dinge möglichst effizient zu begleiten. Im Übrigen hat jede junge Generation zum Aufbruch geblasen und wollte alles ändern. Am Ende hat sie dann auch vieles anders gemacht, aber dabei auch Fehler begangen, die sie wieder korrigieren musste. Unsere Gesellschafter haben solche Dinge schon immer offensiv diskutiert. Deshalb leiden wir beileibe nicht an einer Veränderung der Nachfragestruktur. Es gibt weiterhin anspruchsvolle Dienstleistungen, bei denen wir mit unserer Leistungstiefe einen echten USP gegenüber den Wettbewerbern haben, angefangen von der Nachfolgeregelung über Erbschaftsfragen bis hin zur Begleitung der Unternehmensausrichtung. Auch beim Electronic Banking und Reporting bieten wir State of the Art.

Lässt sich im Private Banking eine Margenerosion beobachten?

Dass sich viele Marktteilnehmer angesichts der aktuellen Margen überrascht zeigen, kann auch daran liegen, dass früher überzogene Erwartungen bestanden oder von Managern und Medien gezielt geweckt wurden. Unser Haus hat das Privatkundengeschäft immer als stabile Ertragssäule geschätzt, dabei allerdings streng darauf geachtet, die Kostenseite im Griff zu halten. So konnten wir ohne ausufernde Investitionen über einen langen Zyklus stetiges Wachstum erreichen. Die derzeitige Entwicklung ist allerdings zweifellos anspruchsvoll und stark durch das Niedrigzinsumfeld bedingt. Eine Bank, die sich als Qualitätsanbieter versteht, muss sich in einer solchen Phase diszipliniert und nachhaltig verhalten und bis zu einem gewissen Grade gemeinsam mit ihren Kunden leiden. Aber im Allgemeinen gilt immer noch: Wer eine gute Performance abliefert, kann sich am Markt auch eine faire Provision sichern.

Reicht es den Private-Banking-Kunden heute als Leistungsversprechen, wenn ihr Vermögen erhalten wird?

Nochmal, Kunden sind vernünftige Menschen, die einschätzen können, was möglich ist und die genau wissen oder zu mindest spüren, dass eine höhere Rendite tendenziell auch mit höheren Risiken einhergeht. Dieser Zusammenhang lässt sich nach wie vor gut vermitteln.

Wenn man in drei der vergangenen fünf Jahre einen Kapitalerhalt nach Inflation, nach Steuern und nach Kosten bei gleichzeitiger Begrenzung des Risikos geschafft hat, war man sicherlich schon gut.

Vergleicht der Kunde freilich allein die Entwicklung des Aktienmarktes im vergangenen Jahr mit seinen Ergebnissen in der Vermögensverwaltung und sieht dabei schlechter aus, dann kann und muss man ihm natürlich auch erklären, dass dies möglicherweise eine kurzfristige Betrachtung ohne Beachtung der Risiken und unter Ausblendung der Erfahrungen der vergangenen Jahre war. Unser Leistungsversprechen orientiert sich deshalb immer am jeweiligen Umfeld. Jeder Kunde muss dann selbst entscheiden, wie er sein Vermögen steuert, beispielsweise schwerpunktmäßig in Immobilien zum Vermögenserhalt oder stark in Liquidität, um für kurzfristige Marktchancen offen zu sein. Die richtige Entscheidung zu begleiten ist die Kunst einer guten Bank.

Wie wichtig ist das hauseigene Research für das Private-Banking-Konzept Ihres Hauses?

Das Makroresearch ist ein elementarer Bestandteil unseres Hauses und mit rund fünfzehn Leuten in der Gruppe gut besetzt. Das Team hat sich am Markt einen guten Ruf erworben. Das Warburg-Research für deutsche Aktientitel gehört sicher zu den umfangreichsten seiner Art in Deutschland. Die Analysen werden auch von Dritten für deren hauseigenes Asset Management genutzt. Darauf aufbauend geht es im eigenen Haus dann natürlich weiter in die Verästelungen der Allokation und Duration, die nur den eigenen Kunden zugutekommen. Das verhilft in enger Verzahnung mit der Vermögensverwaltung und dem Asset Management zu guten Ergebnissen und nach unserer festen Überzeugung zu einem Mehrwert unseres Hauses.

Für welche Private-Banking-Dienstleistungen bedient sich M.M. Warburg Kooperationspartnern?

Wir sind mit unseren Kernleistungen breiter und tiefer aufgestellt als viele Wettbewerber und bieten alles in der eigenen Gruppe. Aber natürlich greifen wir auch auf andere Dienstleister zurück. So enthalten unsere Kundendepots nur zu maximal drei bis fünf Prozent hauseigene Fonds. Und wir haben uns bewusst gegen die Emission eigener Zertifikate entschieden, die wir bei gewissenhafter Prüfung der Anlageziele durch das Angebot Dritter abdecken. Zudem ziehen wir natürlich im rechtlichen und steuerlichen Bereich durchaus Expertise von außen hinzu.

Der Hauptsitz von M.M. Warburg war und ist Hamburg. Macht sich durch diese Verwurzelung mit der Region in der Private-Banking-Klientel Ihres Hauses die anhaltende Krise der Schiffsindustrie negativ bemerkbar?

Nein, unser Private-Banking-Geschäft ist durch unsere 14 Standorte deutschlandweit breit gestreut. Insofern macht uns die momentan schwierige Lage der Schiffsbranche vergleichsweise wenig zu schaffen, wenngleich wir traditionell Kunden haben, die in der Schiffsbranche angesiedelt oder eng mit ihr verbunden sind.

Im Übrigen bietet dieser Sektor nach wie vor eine sehr interessante Assetklasse, die nach Bewältigung der laufenden Konsolidierung mit einer wieder anziehenden Konjunktur deutliche Wachstumsraten zeigen wird.

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